Schreibversuch in 12000 Meter Höhe

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Tula

Mitglied
Schreibversuch in 12000 Meter Höhe


Drei Stunden Flug könnt' ich im Schlaf verbringen,
wär nicht der Schmerz im Knie und grelles Licht.
Doch Höhenluft verleiht Gedanken Schwingen;
sie tragen mich – mein Vorsatz – zum Gedicht.

Beim Blick nach unten bleibt mir nicht verborgen,
der Wald bedeckte einst so manchen Hang.
Ich schreib': Die Freiheit scheint hier ohne Sorgen!
Da fällt mir ein, dass Mey die schon besang ...

Ich überleg', warum die Räuber rauben
und Vater Staat vom Lohn die Hälfte frisst.
Vielleicht, reim' ich, fehlt mir der rechte Glauben,
dass ... hier mein Brötchen doch kein Gummi ist!?

Wozu gab die Entwicklung Männern Glatzen?
Woher, frag' ich, kommt dieser „Längen-Neid“?
Mich dünkt, dass ALLE Frauen zu viel schwatzen
und … dass im Flieger stets ein Baby schreit …

So schlag' ich mit den Flügeln. Bei der Enge
und Lärm fällt mir jedoch das Schreiben schwer.
Dann geht es endlich abwärts ins Gedränge.
Ich gebe nach und auf. – Das Blatt blieb leer.
 

James Blond

Mitglied
Nun - so ganz leer blieb das Blatt offensichtlich nicht! :)

Aber leider blieb es hier recht unkommentiert. Das kann man durchaus als ein positives Zeichen werten. Denn sollten sich irgendwelche orthografischen oder metrischen Schwächen oder fehlerhaften Inhalte zeigen, so kann man relativ sicher sein, dass das hiesige Wachpersonal recht lebhaft agiert.
Doch wo es um eine tiefere und auch schwierigere Auseinandersetzung mit dem Text geht, schweigen die üblichen Verdächtigen. Insofern kann man als Autor daraus die Bestätigung ziehen, dass zumindest keine offensichtlichen Fehler enthalten sind. Und stimmt - wie hier - die Form, dann ist das schon die halbe Miete. ;)

Aber reicht das auch?
Als Autor möchte man gern wissen, wie und wodurch ein Text beim Leser (nicht) ankommt, nur nicht unbedingt, welche Gedanken sich dieser schon zum Thema gemacht hat. Und da wird's bekanntlich eng.

Mir gefällt dein Text mittelprächtig. Der Titel lässt zunächst einen Selbstversuch zur Auswirkung der Höhenkrankheit auf den Nucleus Lyricus schließen, der Text bleibt hingegen recht nüchtern - rauscharm könnte man sagen, wäre da nicht das spürbare Rauschen der Gedanken, die dem Befreiungsversuch eines Höhenfluges trotz des entsprechenden Vorsatzes widerstreben.

Wie könnte sich auch in Druckröhren mit Sichtlöchern, eingefercht in die Sitzreihen der Economy Class, versorgt mit Fresspappe in Plastikbeuteln, das Meysche Freiheitsgefühl noch entfalten? Über den Wolken grübelt's sich schon längst nicht mehr anders.

Aber lässt sich dieser Parcours über die alltäglichen Landeplätze unserer Gedanken als gescheiterter Selbstversuch auch vermarkten? Mir scheint es eine gelungene Fingerübung, mehr aber auch nicht. Der Eindruck einer humorvollen, ironischen Selbstbetrachtung entsteht hier nicht, eher macht sich Enttäuschung über die Enttäuschung breit, weil sie durch sprachliche Qualitäten nicht aufgefangen wird. Dem Scheitern mangelt es an Tragik, dem Witz an der Pointe - das Blatt bleibt offensichtlich leer.

Grüße
JB
 

morgenklee

Mitglied
Heimlich von der Stange / Gereimtes (Tula+Blond)

Tula

Das mit dem Längengrad kann ich auch grad nicht erläutern.
Manche Frauen meutern -
und kaufen dann doch von der Stange.

Ein Gedicht mit einem hohen (war'n 's 12.000 Meter?) Anspruch. Erwartungen erfüllt!

Schwupp: Und schon wurde aus der Leer- eine Lehrseite.

- - -
PS:
Jetzt weiß ich auch, wie man hier bewertet. Das hast Du nun davon! ;-)

James Blond

Ein punktgenauer Kommentar. Für Kommentare aber gibt es hier keine Punkte, oder?
 

Tula

Mitglied
Hallo James
“mittelprächtig” nehme ich von dir schon beinah wie ein Lob :)

Zum Ernst der Sache: über schwache Pointen nörgele ich ja selbst gern. Dass diese hier so sachlich nüchtern ausfiel, liegt wohl auch daran, dass ich es wirklich im Flugzeug schrieb (letzten Donnerstag auf dem Heimflug). D.h. nicht auf Papier, sondern auf dem Handy, natürlich im offline mode, wie es sich gehört.

Sonst hätte ich vielleicht dem Drang nach Ulk und komischer Absurdität nachgegeben. - Ich suchte nach einer Idee und kam darauf, dass 'diese' eigentlich auch eine sei. So soll das Gedicht 'leicht amüsant' wirken, der Flugzeugatmosphäre entsprechend, der Dichter kann sich schwer konzentrieren und geht zum Teil etwas fragwürdigen Betrachtungen nach oder kommt zu ebenso merkwürdigen Schlussfolgerungen (dass eben ALLE Frauen zu viel quatschen, wie die Damen unter den Passagieren um ihn herum).

Du hast aber Recht, es gibt hier wenig Steigerung (der Dichter könnte sicher nach und nach 'ausrasten' und am Ende irgendeine grobe Dummheit begehen), es bleibt bei einer Art Geplänkel der Gedanken. So trifft auch der Schluss den eigentlichen Punkt: es geht endlich wieder abwärts, es ging im Prinzip ja auch darum, den Flug auf kurzweilige Weise über die Runden zu bringen. War der Fall!

Schon möglich, dass ich dieses irgendwann mal doch noch etwas 'verulke'. Doch entspricht es dann nicht mehr der ursprünglichen Absicht. Hmmm … Vielleicht beim nächsten Flug … :)

LG
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo morgenklee

Danke für deinen heiteren Kommentar, Zustimmung und Bewertung (du bist also der anonyme ... :).
Hat mich sehr gefreut!

LG
Tula
 

morgenklee

Mitglied
Tula

Wie? Ich bin also der Anonyme?


Nee, nee! Ich habe hier immer unter m'klee geschrieben und kommentiert.
Da ich nach einer eher missglückten OP nicht mehr besonders gut sehen kann, muss ich mich peu à peu an die technischen Möglichkeiten herantasten.
Als nächstes steht "Verlinken/Verknüpfen" auf dem Programm.

Bleib' weiter gut! Oder werde (noch) besser! Viel Spaß dabei!
 

molly

Mitglied
Hallo Tula

Wenn man mit schmerzendem Knie von Lärm umgeben ist, kann man keinem einzelnen Gedanken nachhängen. Da tauchen viele Fragen, auf, so weltbewegende wie unter anderen:
"Wozu gab die Entwicklung Männern Glatzen?"

Deshalb finde ich den Schluss auch gut.

Sehr gern gelesen

molly
 



 
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