Schummelzettel

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essigtinte

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Schummelzettel

In einer gar nicht fernen Zukunft...

„Heute ist der Tag der Wahrheit“, würde Herr Illner sicher gleich verkünden. Das sagte er bei jeder Klassenarbeit und es war die vierte Halbjahres-Klausur, die Bernd Krüger jetzt schon bei dem gefürchtetsten aller Geschichtslehrer des Goethe-Gymnasiums schrieb. In zwei Wochen begannen für die 10b schon die Sommerferien und die wollte sich Bernd nicht verderben lassen, indem er wieder einmal eine Fünf in Geschichte nach Hause brachte. Also hatte er sich diesmal besser vorbereitet als die anderen Male. Heute war er auf der sicheren Seite.
Herr Illner betrat den Klassenraum. Schon wenn man ihn sah, wusste man, dass er Schüler hasste, nur deshalb vor Jahrzehnten den Beruf des Lehrers ergriffen hatte, um hilflose Gymnasiasten zu quälen. Der lange, hagere Mann mit den grauen Haaren in militärischem Bürstenschnitt war sicher schon über siebzig. Vor einigen Jahren war das Pensionsalter für Beamte auf fünfundsiebzig angehoben worden. In der Schule kursierten sogar Gerüchte, Herr Illner habe die Achtzig schon weit überschritten. Man habe schlicht vergessen, ihn in den Ruhestand zu schicken, weil er schon immer da gewesen sei, oder er habe um seine Weiterbeschäftigung gebeten, weil ihn ein heiliger Schwur binde, seine Arbeit erst dann niederzulegen, wenn er mindestens sechstausend jugendliche Existenzen vernichtet habe. Schon wenn man die zusammengezogenen buschigen Brauen sah, die zu Schlitzen verengten Adleraugen, mit denen er die Schüler ins Visier nahm, dann wusste man, dass er ein Raubtier war, dass seine Beute ausspähte, um sie schon bald zu reißen.
Krachend ließ Herr Illner seine Aktentasche auf den Lehrertisch fallen und fixierte die Klasse mit seinem Jägerblick. Er steckte seinen Schlüssel in den Zentralschalter und startete damit die Computer an den Arbeitsplätzen der Schüler. Man sah es dem Pädagogen an, wie sehr ihm dies missfiel. Er hatte sein Handwerk in einer Zeit gelernt, in der man Klausuren bestenfalls auf kopierten Zetteln verteilt hatte, wenn nicht sogar die Aufgaben an die Tafel geschrieben wurden. Dass heute die Klassenarbeiten direkt am Computer gelöst wurden und noch dazu bundesweit einheitlich waren, so dass die Lehrer keine individuellen Gemeinheiten einbauen konnten, musste für ihn ein Graus sein. Herr Illner hatte sich schon vor Jahrzehnten aus dem technischen Fortschritt ausgeklinkt, tat sich noch immer schwer, einen Computer zu bedienen und wirkte, wenn er auf die Tastatur einhackte, wie ein alterschwaches Huhn auf der Suche nach ein paar vergessenen Körnern. Doch gerade das machte es teilweise einfach, seine Klausuren zu bestehen, denn Herrn Illner wusste zwar, wie er Schummelzettel unter einem Tisch oder im Ärmel eines Schülers entdecken konnte, doch die moderneren Ersatztechniken für fleißiges Lernen waren ihm nicht bekannt. Aus diesem Grund hatte auch Bernd lieber sein Konfirmationsgeld in ausgereifte High-Tech statt seine Zeit in staubtrockene Geschichtsbücher gesteckt.
Herr Illner musterte schweigend die Klasse. Ein sadistisches Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Was war da los? Bernd wurde misstrauisch. Das war etwas anderes als der übliche Genuss, in den Gesichtern seiner Opfer Angstschweiß und rote Flecken angesichts einer Klassenarbeit zu sehen. Ihr Geschichtslehrer musste sich diesmal eine besonders fiese Bösartigkeit ausgedacht haben.
„Viele von euch, denken ja“, begann Herr Illner mit krächzender Stimme zu reden, „ich gehöre schon zum alten Eisen. Nur weil ich graue Haare habe, meint ihr, ihr könntet machen, was ihr wollt, schummeln und betrügen, ohne dass ich es merken würde.“ Er machte eine Pause und ließ seinen Adlerblick über die Gesichter der Schüler gleiten, als wolle er ihnen die Möglichkeit geben, sich freiwillig zu stellen, bevor er sie der Mogelei überführen würde. „Doch das ist jetzt endgültig vorbei. Als ich vor einer Woche in einer Buchhandlung nach einigen neueren Werken über die napoleonischen Kriege gesucht habe, bin ich an einem Ständer mit Computerzeitschriften vorbei gekommen. Das Schicksal lenkte meinen Blick auf das Titelthema eines Journals, das da hieß: ‚Moderne Spickzettel’. Das erste Mal in meinem Leben habe ich eine Computerzeitschrift gekauft und ich muss sagen, ich habe es nicht bereut.“
Herr Illner machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. Irgendetwas mit der Heizungsanlage der Schule musste verkehrt laufen. Bernd hätte schwören können, dass sich die Innentemperatur im Raum drastisch erhöht habe. Auch er hatte den Artikel, von dem Herr Illner gesprochen hatte, gelesen und der war wirklich umfassend gewesen.
„Zunächst einmal, habe ich heute morgen vom Schuladministrator eure Rechner überprüfen lassen. Und siehe da, Frank Meissner, irgendjemand hat auf deinem Computer die Brockhaus-Enzyklopädie der Geschichte installiert.“
Bernd sah zu seinem Mitschüler herüber, den man – wären nicht die braunen Augen gewesen – aufgrund seiner Gesichtsfarbe im Moment für einen Albino hätte halten können. Heute morgen vor der ersten Stunde hatte er stolz erzählt, dass er die halbe Nacht an seinem Computer zuhause gesessen hatte, um sich in das Schul-Netzwerk einzuhacken und die hilfreiche Software auf seinen PC im Klassenraum zu bringen.
„Ich habe die Software natürlich entfernen lassen, damit du nicht in den Verdacht eines Betrugsversuchs kommst, der automatisch eine Sechs bedeutet“, setzte der Lehrer mit zynischer Grimasse fort.
Natürlich macht Illner das nicht aus Gnade, dachte Bernd. Er weiß, dass Frank auch so eine Sechs bekommen wird, weil er nicht das Geringste für die Klausur gelernt hat. Er will ihn nur vorführen, ihn durch die Hölle der Klassenarbeit schicken.
„Sag mal, Charlotta, hast du nicht heute eine andere Brille auf als sonst?“, krächzte der Geschichtslehrer.
Bernd blickte nach rechts zu seiner Klassenkameradin, für die er heimlich schwärmte. Es tat ihm im Herzen weh, zu sehen, wie ihre Lippen zitterten und ihr Augen einen feuchten Glanz bekamen. Er wurde zornig. Dieser Illner gehörte vor den UN-Gerichtshof für Menschenrechte. Sein Umgang mit Schülern verstieß doch gegen die Genfer Konventionen.
„Äh, meine andere Brille ist beim Sport kaputt gegangen“, stammelte das Mädchen nervös. „Das ist meine Ersatzbrille...“
„Ach so...“, sagte Herr Illner mit triefendem Spott, „dann handelt es sich natürlich nicht um eine dieser modernen Sehhilfen, die beliebige Informationen verkleinert auf das Brillenglas projizieren können, wenn man diesen unauffälligen kleinen Knopf dort am Bügel drückt.“
Mit gesenktem Blick nahm Charlotta die Brille ab und tauschte sie gegen das vorgeblich beim Sport zerstörte Exemplar aus.
„Kann ich dann auch bitte noch einmal eure Armbanduhren sehen?“, fragte Herr Illner. Die Schüler streiften die Ärmel hoch, mehrere von Bernds Klassenkameraden ließen schuldbewusst ihre hochgerüsteten, als Chronometer getarnten Kleincomputer in den Taschen verschwinden. Bernd beglückwünschte sich, doch nicht auf diese am weitesten verbreitete preiswerte Schummeltechnik aufgesprungen zu sein, auch wenn er im Kaufhaus vor der entsprechenden Vitrine gestanden hatte.
Als nächstes waren die Stifte der Prüflinge an der Reihe. Man durfte sich schließlich auch im Elektronikzeitalter noch Notizen zu Papier machen. Diejenigen Kugelschreiber, die nicht nur eine Mine enthielten, sondern einen Computer, der bei gleicher Leistungsfähigkeit noch vor fünfzehn Jahren eine ganze Lagerhalle ausgefüllt hätte, verschwanden ebenfalls von den Tischen.
Langsam ging Herr Illner zwischen den Stuhlreihen entlang. Seine Augen waren zu so schmalen Spalten zusammengekniffen als handele es sich um die Schießscharten einer Bunkeranlage, aus denen gleich ein Maschinengewehr das Feuer auf die Schüler eröffnen würde.
„Möchte noch jemand ein unerlaubtes technisches Hilfsmittel, das er rein zufällig auf dem Tisch liegen hat oder an seinem Körper trägt, in seiner Schultasche verschwinden lassen?“, fragte der Lehrer drohend.
Bernd spürte, dass ihm angesichts der krächzenden Stimme ein Schauer über den Rücken lief. Von der Methode, auf die er sich verließ, hatte nichts in dem Artikel der Computerzeitschrift gestanden. Sollte er vielleicht trotzdem lieber kapitulieren? Aber dann hätte er 799,- EURO in den Sand gesetzt. Nein, die Investition musste sich lohnen. Was hatte er schon zu verlieren? Schlimmstenfalls bekäme er eine Sechs, weil er geschummelt hatte. Ohne sein Hilfsmittel würde er auch nur schwerlich über eine Fünf hinauskommen.
Herr Illner kam nun wieder von hinten durch den Mittelgang zwischen den Tischen an ihn heran.
„Nun, hat wirklich niemand etwas zu sagen?“, hörte Bernd die Stimme des Lehrers dicht hinter sich. Sie schien sich direkt durch die Ohren in sein Gehör zu bohren: „Ich warne euch: Wer glaubt, mich übertölpeln zu können, wird sein blaues Wunder erleben.“
Eine weitere Ameisenarmee überquerte Bernds Nacken. Herr Illner blieb dicht neben ihm stehen. Nur nicht rot werden, bloß nicht zittern! Es schienen Jahre zu vergehen, bis der Lehrer wieder nach vorne zu seinem Pult ging.
„Nun gut, ihr habt eure Chance gehabt. Ich gebe jetzt die Klausuren frei und ihr könnt zeigen, was ihr gelernt habt, oder eure Faulheit offenbaren!“

Ganze drei der zweiunddreißig Fragen aus der griechischen Geschichte hatte Bernd zwanzig Minuten später beantwortet und auch bei diesen war er sich nicht wirklich sicher. Welchen Sinn hatte es eigentlich, zu lernen, wie die Menschen vor zweitausend Jahren in einem Land gelebt hatten, das er - wenn überhaupt – nur anlässlich eines Badeurlaubs besuchen würde? Wen interessierte, was ein „Scherbengericht“ war? Vielleicht wurden dort Schadensersatzklagen behandelt, wenn jemand irgendwelche Krüge oder Schalen zerdeppert hatte. Genau: Mit kaputten Tonteller und –töpfen aus der Antike waren die Museen doch voll, schien also ein häufiges Problem gewesen zu sein.
Nein, es half nicht, nun musste der Mindreader zum Einsatz kommen. Das Geld, dass er genauso gut für die modernste Spielkonsole am Markt hätte einsetzen können, sollte sich rentieren.
Der Mindreader war ein Gerät, das angeblich ursprünglich aus Bereichen der geheimdienstlichen Ermittlungstätigkeiten gekommen war. Es handelte sich um so etwas wie einen hochmodernen Walkie-Talkie. Es gab für jeden der Kommunikationspartner ein kleines Empfangsteil, das nahezu unsichtbar im Ohr verschwand. Das war nichts neues. So etwas gab es seit Jahrzehnten. Genial war die Sendeeinrichtung, die sich in dem gleichen winzigen Gerät befand. Diese Sendeeinrichtung analysierte die Gehirnwellen des Anwenders und übersetzte sie in Text. Das funktionierte nicht hundertprozentig zuverlässig, man musste schon sehr konzentriert einen Satz denken, aber meistens klappte es ungefähr. Damit nicht versehentlich Gedanken kommuniziert wurden, die der Sender lieber für sich behalten wollte, gab es ein recht komplexes Verfahren: Zunächst dachte man intensiv „Aaaaaaaaaaaaah“, als sei man gerade bei einem Arzt, der die Mandeln untersuchen wollte. Ein leiser Piep ertönte im Ohr, als Signal, dass jetzt sozusagen der Rekorder lief. Man dachte nun den zu übermittelnden Satz. Zum Schluss kam dann wieder ein „Aaaaaaaaaaaaah“. Die Roboterstimme im Ohr wiederholte den Satz. Entsprach die Nachricht dem Wunsch des Senders, so schickte man sie durch zweimaliges Augenzwinkern ab, ansonsten stornierte man sie durch bloßes einfaches Blinzeln.
Einige Casinos in Las Vegas hatten nach der Einführung dieser Technik schon bankrott schließen müssen und neuerdings konnte man die Spieltempel nur noch durch spezielle elektronische Sicherheitsschranken betreten. Doch im Goethe-Gymnasium gab es solche Kontrollanlagen glücklicherweise noch nicht.
Bernd und sein Kumpel Mark Eberstadt aus der Parallelklasse hatten die Geräte schon am Wochenende ausprobiert, doch nun kam der Härtetest. Mark schwänzte gerade den Unterricht und saß mit dem Geschichtsbuch auf dem Schülerklo.
Bernd blickte noch einmal absichernd zu Herr Illner am Lehrerpult. Ihre Augen trafen sich, als können der Herrscher über die Geschichtsnoten der 10b das schlechte Gewissen seines Schülers riechen. Bernd senkte schnell wieder den Blick. Solange der Lehrer ihn im Visier hatte, traute er sich nicht, den Mindreader zu nutzen, auch wenn er wusste, dass niemand von außen hören konnte, was er tat.
Er war nervös, blickte wieder hoch und atmete erleichtert auf. Herr Illner hatte seinen Blick auf Frank Meissner geheftet, der gerade einen Hustenanfall bekam.
„Mark, kannst du mich empfangen?“, sandte Bernd einen ersten Funkversuch ab. Er hielt den Kopf gesenkt, damit nicht einmal sein Blinzeln auffallen konnte.
Einige Sekunden vergingen, dann erklang die Roboterstimme in Bernds Ohr: „Empfange dich klar und deutlich.“
Der Schüler frohlockte. Nun ging es los. Herr Illner fixierte immer noch Frank Meissner, sah ihn jetzt richtig böse an, als sei es eine Unverschämtheit, dass der Junge mitten in der Geschichtsstunde einen Hustenanfall bekam. Bernd fühlte, wie er sich entspannte. Er begann mit der Frage nach dem Scherbengericht. Dann arbeitete er sich Aufgabe für Aufgabe weiter voran. Mark war wirklich flott mit dem Geschichtsbuch. Bernd geriet nicht im geringsten unter Zeitdruck. Fragen – Warten – Hören – Schreiben. Wie am Fließband arbeitete sich Bernd durch die Geschichtsklausur und wurde immer fröhlicher. Er musste sich nun schon konzentrieren, um seine Euphorie nicht offen zutage treten zu lassen. Ohne das Gerät hätte er keine Chance gehabt. Kaum eine der Antworten, die Mark ihm mitteilte, löste ein Aha-Erlebnis in seinem Kopf aus. Er musste während des Geschichtsunterrichts wirklich erholsam geschlafen haben.
„Hey Mark, wollen wir nachher ins Rockcafe gehen und unseren Sieg feiern?“, schickte er über den Äther.
„Klar, direkt nach der Stunde jetzt?“, kam die Gegenfrage.
„Nee, nach der sechsten Stunde trainieren wir im Schulfussballteam.“
„Entschuldigung, hatte ich vergessen – dann danach.“
„OK, um drei“
„OK“
Das Schulfussballteam war Bernd wichtig, weitaus wichtiger als die Regierungssysteme der griechischen Stadtstaaten. Ihr Team hatte die letzten Stadtmeisterschaften gewonnen. Sie waren vom Oberstudiendirektor ausgezeichnet worden. Und selbst Herr Illner hatte sie gelobt und einige Worte über die Geschichte des Ballsports gesagt. Es war dass einzige Mal gewesen, dass sich Bernds Geschichtslehrer positiv über ihn – dass einzige Mannschaftsmitglied aus der 10b – geäußert hatte.
Apropos Herr Illner: Dieser stand gerade auf und setzte zu neuen Tigerrunden durch die Klasse an. Doch dass störte Bernd nicht. Er löste seine Aufgaben weiter – Antwort für Antwort.
Herr Illner blieb bei Charlotta stehen und blickte auf ihren Bildschirm. „Jaja“, sagte er spöttisch, „Deine Brille scheint tatsächlich kaputt zu sein. Nur so kann ich mir erklären, dass du so einen Blödsinn schreibst.“
„Herr Illner ist ein Riesenarschloch!“, informierte Bernd zornig per Funk seinen Kumpel auf dem Schülerklo.
„Klar, weißt du das erst seit heute?“, ließ die Roboterstimme in Bernds Ohr wenige Sekunden später die Antwort erklingen.
Weiter ging es. Noch fünf Fragen. Nun stand der Geschichtslehrer hinter Bernds Rücken. Der wurde nun doch etwas nervös. „Überraschend Bernd“, erklang die ehrlich erstaunte Stimme des Pädagogen. „Ich muss zugeben, dass ich dir solche Antworten nicht zugetraut hätte.“
„Nun ja, ich habe mich diesmal doch etwas ausführlicher vorbereitet“, log Bernd unverschämt.
„Man erlebt doch immer wieder erstaunliches“, meinte Herr Illner kopfschüttelnd und ging weiter, um wenige Sekunden später Frank Meissner mit einem Blick auf dessen Bildschirm zu sagen, dass er seine Zeit auch besser wie Bernd zum Lernen anstatt zum Hacken hätte verwenden sollen.
„Was war die Schlacht von Salami?“, sandte Bernd die letzte Frage an seinen Kumpel. Was war schon eine Spielkonsole im Vergleich zu dem Triumph über Herrn Illner? Er schaute nach vorne und erstarrte. Der Lehrer blickte ihm so scharf in die Augen, als könne er seine Gedanken lesen. War er übermütig geworden? Sah man es ihm an, dass er betrog? Man konnte ihm nichts beweisen. Sobald er aus dem Raum war, konnte ihm nichts mehr passieren.
Der Lehrer nahm eine Zeitung vom Tisch und verschwand dahinter. Er fühlte sich offenbar sehr sicher. Bernd begann wieder zu atmen.
„Es heißt Salamis, nicht Salami, du Nulpe!“, trug die Roboterstimme monoton Marks freche Antwort vor. Wenige Sekunden später kam dann die ersehnte Information: „480 vor Christus besiegte die griechische Flotte die römische in der Seeschlacht von Salamis.“
Klar, dachte Bernd, das hätte ich auch wissen können und trug die Antwort in das entsprechende Feld am Bildschirm ein.
Kurz danach klingelte die Pausenglocke. Im gleichen Moment wurden die Bildschirme schwarz. Herr Illner gönnte seinen Schülern keine Sekunde mehr als unbedingt nötig.
Es war ein wahres Heulen und Zähneknirschen in der 10b. Außer den Strebern Andreas und Peter, die als einzige für die Klausur gelernt hatten, waren alle anderen ohne ihre Spickzettel verzweifelt gescheitert. Wirklich alle? Nein, ein kleiner stolzer Bernd Krüger ging erhobenen Hauptes und mit einem zufriedenen Grinsen auf die Tür des Klassenraumes zu. Sein Grinsen wich einem verdutzten Gesicht, als er die Tür öffnete und Mark Eberstadt erblickte, der mit verzweifelter Miene im Flur stand und sofort auf ihn zugeschossen kam: „Scheiße, ich weiß nicht, was da passiert ist. Ich habe keine Verbindung bekommen.“
„Wie bitte?“ Bernd glaubte, sich verhört zu haben.
„Doch“, tuschelte Mark, „vielleicht hat noch jemand in der Schule einen Mindreader benutzt. Die Geräte unserer billigen Ausführung senden alle auf der gleichen Frequenz und stellen die Verbindung zu dem räumlich nächsten Gerät her. Ich bin einfach nicht zu dir durchgekommen.“
„Entschuldigt mal“, drängte sich Herr Illner an den beiden Schülern vorbei. Dann drehte er sich noch einmal zu Bernd um: „Ich bin wirklich überrascht, von den Antworten, die du da in der Klausur gegeben hast.“ Er machte eine Pause, als überlege er, was er noch sagen wolle. Dann blinzelte er zweimal mit den Augen und in Bernds Ohr erklang die wohlbekannte Roboterstimme: „Die Griechen haben bei Salamis natürlich über die Perser gesiegt, nicht über die Römer.“
 



 
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