Lars Neumann
Mitglied
Schutzengel gibt es nicht
Jetzt aber schnell! Nur noch fünfzehn Minuten bis die Schule aus ist. Wenn sie ihre zwei Chaotenkids verpasst, gehen die zu Fuß heim und stellen wer weiß was an, bis sie vom Einkauf zurück ist. Maria war ja eigentlich schon auf dem Sprung, als vor fünf Minuten das Telefon läutete. Ihre Mutter hätte keinen schlechteren Zeitpunkt treffen können. Wenn sie sich wenigstens auf später vertrösten ließe, aber es muss ja immer alles sofort sein. Das lange brünette Haar liegt in weichen, schulterbreiten Wellen über dem beigen Strickmantel, als sie die Tür hinter sich ins Schloss zieht. Die Heckklappe des dunkelblauen Kombis schwingt ferngesteuert auf und der Einkaufskorb wird im Kofferraum neben den Getränkekisten platziert. Genau in dem Moment als sie auf die Straße fährt läutet ihr Handy.
»Bitte nicht schon wieder. Na klar, Mutter, wer sonst.«
Sie drückt den Anruf weg.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiund ... klingelingeling.
»Jetzt reicht es aber!«
Sie nimmt das Gespräch an, um ein "ich kann grad' nicht, ruf dich in zehn Minuten zurück" durch den Äther zu schicken. Auflegen und zurück befördern in die Mittelkonsole ist lang erprobte Routine.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiund ... klingelingeling ... Klingelingeling.
»Mutter! Ich hab dir eben schon gesagt ich kann grad' nicht reden. Nein! Nicht weil ich nicht mit dir reden will. Nein! Ich sitze im Auto und muss Jenny und Chris von der Schule abholen. Wenn ich dort bin ruf ich dich zurück, versprochen. Jaaa!«
Quieeetsch!!! Trööööt!!!
»Schscheisse!«
Dieser Laster ist schnell. Zu schnell um es noch vor ihm über die Kreuzung zu schaffen. Vor Schreck spannt sich jeder Muskel in ihrem Körper krampfhaft an, das Bremspedal wurde in seiner ganzen Existenz noch nie so getreten. Aber eben zu spät.
Mit geschlossenen Augen erwartet sie den unvermeidlichen Aufprall. Wer will denn schon seinem eigenen Ende ins Auge sehen? Aber dieses bleibt aus. Kein Stoß, kein Lärm. Kein zersplitterndes Glas. Sie dreht vorsichtig den Kopf nach links und dort füllt ein riesiger Kühlergrill das Sichtfeld aus. Zentimeter von ihrem Wagen entfernt. Ihr Handy rutscht aus den kraftlosen Fingern. Sie sinkt über dem Lenkrad zusammen, ihre Hände beginnen zu zittern. Deshalb greift sie auch neben den Schlüssel als sie den Motor abschalten will. Der bereits aus ist. Beim bremsen abgewürgt. Sie atmet mehrmals tief durch, und zwingt sich endlich dazu über die Beifahrerseite hinaus zu klettern. Denn links kommt sie nicht raus weil da ein Laster so saublöd rumsteht.
Endlich aus ihrem Fahrzeug geschält bemerkt sie dass der Trucker noch immer hinter seinem Steuer verharrt. Auf seinem Sitz erstarrt bemerkt er nicht dass sie sich ihm nähert. Sein Blick ist auf das Dach ihres Wagens gerichtet.
»Äh, hallo? Alles in Ordnung mit ihnen?«
Keine Reaktion. Sie hebt die Hand und klopft an die Tür. Denn das Fenster ist zu weit oben für sie.
»Hallo?!«
Verwundert dreht sie sich auf der Suche nach Hilfe um. Und entdeckt ein vermeintliches Rentnerpaar am Straßenrand. Die Frau hält die Hand vor den Mund, der Mann richtet seinen Arm auf die Mitte der Kreuzung. Doch beide bewegen sich nicht. Keinen Millimeter. Und genau in diesem Moment ertönt in ihrem Rücken ein Räuspern, untermalt von einem Füßescharren.
»Wohl noch mal Glück gehabt, was?«
Ein Mann steht keine zwei Meter von ihr entfernt. Er hat braunes, graumeliertes, nach hinten gekämmtes Haar. Auch der Dreitagebart ist von grauen Strähnen durchzogen. Trenchcoat, Jeans und Segeltuchschuhe haben schon bessere Zeiten erlebt, aber das schwarze T-shirt scheint neu zu sein. Ein verschmitztes Lächeln umspielt seine Lippen. Sie sieht ihn verwundert an.
»Was ist passiert?«
Er steckt seine Hände noch tiefer in die Taschen des Mantels, der Kopf sinkt auf seine Brust. Es wirkt als trüge er eine schwere Last auf seinen Schultern.
»Sie haben keine Ahnung, oder?«
»Sind sie mein … Schutzengel?«
»Wenn sie so wollen, … nein ich bin keiner. Und begegnet bin ich auch noch keinem, ehrlich. Soweit ich weiß gibt es keine Schutzengel.«
»Aber wie?«
»Das hier?«
Er zeigt in die Runde und sie nickt.
»Genau kann ich's auch nicht erklären. Ich nenne es eine Zeitblase. Das ist mir schon passiert, aber erklären kann ich's nicht. Ich kann nur sagen dass alles steht, wenn's passiert, alles außer mir.«
»Wann hört das wieder auf? Was geschieht dann mit mir?«
»Langsam, immer langsam, eins nach dem anderen. Ich hab zwar gesagt dass mir das schon passiert ist, aber auch das ich es nicht erklären kann, jedenfalls nicht genau. Ich erzähle was ich weiß und dann sehen wir weiter. O.K.?«
Erneutes Kopfnicken
»Es gibt keine Vorwarnung, und um die nächste Frage gleich zu beantworten, ich kann es nicht steuern. Es steht nicht unter meiner Kontrolle.«
Sie senkt verlegen den Kopf, was ihn veranlasst zu grinsen. Allerdings etwas breiter als vorher.
»Manchmal passiert's ohne das jemand in meiner Nähe ist, ohne jegliche Dramatik. Das kann ganz schön öde sein wenn's länger dauert. Da dann die Zeit stillsteht hab ich keinen blassen Schimmer wie lange.«
Sie blickt auf ihre Armbanduhr, klopft zweimal kurz darauf und lässt den Arm wieder sinken.
»Es ist wie beim Arzt. Man liest sämtliche Zeitungen von vorne bis hinten durch und doch ist erst 'ne halbe Stunde rum. Man wundert sich warum die Zeit so langsam vergeht. Man bemerkt nicht dass die Zeit stillsteht, und zwar wortwörtlich. Keine Ahnung wie oft es mir passiert ist.«
Man kann ihr ansehen wie angestrengt sie überlegt.
»Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen darüber. Selbst ich hab's aufgegeben.«
»War schon mal jemand mit ihnen in dieser, ähmm, dieser Zeitblase, so wie jetzt?«
»Nein das ist auch für mich das erste mal, und wie lange es dauert kann ich nicht ...«
Plötzlich lacht er laut auf und rennt zu ihrem Auto.
»Schnell, lass uns versuchen den Wagen weg zu schieben!«
Beide schieben mit ganzer Kraft doch nichts bewegt sich.
»Die Handbremse! Den Gang raus! Beeilung!«
Sie springt mehr in den Innenraum als dass sie klettert. Seine plötzliche Hektik ist ansteckend. Er hatte ja erzählt es sei nicht sicher wie lange es anhält. Sie bleibt mit dem Mantel am Ganghebel hängen. Egal. Sie löst den Handbremshebel und tritt die Kupplung durch. Endlich ein wenig Bewegung. Zuerst zögerlich, wie gegen eine starke Steigung, aber schließlich rollt der Wagen im Spaziergängertempo über die Kreuzung. Als er die Beifahrertüre zuwirft fängt die Zeit wieder zu fließen an. Und mit ihr alles was ihr unterworfen ist.
Hinter ihr Quietschende Reifen und Presslufthupen. Ihr Handy klingelt. Geschockt vom plötzlichen Lärm steigt sie aus, sieht sich nach ihrem „Helfer“ um. Doch der ist wie vom Erdboden verschwunden, Maria konnte sich nicht einmal bei ihm bedanken. Die einzigen Personen in der Nähe sind die zwei Rentner und der Lkw-Fahrer. Dieser reibt sich verwundert die Augen und schüttelt den Kopf.
»Was haben sie sich dabei gedacht, das System für ihre privaten Zwecke zu benützen? Sie wissen genau dass jeder Einsatz geprüft und abgesegnet sein muss. Bevor wir einschreiten muss absolut sicher sein, welche möglichen Auswirkungen für die folgende Zeitlinien bestehen. Und schon gar nicht wegen einer einzelnen, unbedeutenden Person!«
Der angesprochene steht stramm vor dem massiven Schreibtisch seines Vorgesetzten. Seine einfache Uniform wird nur von wenigen Streifen gekennzeichnet. Sein braunes, jetzt wieder kurzes Haar, enthält keinerlei Grau mehr. Und der Bart ist auch ab.
»Jawoll Herr General.«
»Hören sie auf zu schleimen! Haben sie eine Ahnung was sie mir da eingebrockt haben?!«
Ein Schulterzucken verdirbt die ansonsten tadellose Haltung nur kurz.
»Sie Idiot haben es irgendwie fertiggebracht einen meiner Techniker zu überreden sie zurück zu schicken. Eine Zeitblase zu errichten und anschließend die Daten zu löschen. Und wir haben davon nur erfahren weil jemand aus Langeweile die Überwachungsbänder angesehen hat. Wie soll ich mit Leuten wie ihnen die Sicherheit garantieren? Wenn das durchsickert machen die den Laden dicht. Dann können wir höchstens noch Bleistifte verkaufen. Und zwar auf der Straße! Einen normalen Job kriegen wir beide im Leben nie wieder!«
Ein hörbares Schlucken unterbricht die plötzliche Stille.
»Also gut. Ich kann sie und den Tech nicht bestrafen ohne dass jemand Wind davon bekommt. Ich lasse die Sache notgedrungen auf sich beruhen.«
Das bereits bekannte Grinsen breitet sich auf dem Gesicht des Gescholtenen aus.
»Denken sie ja nicht sie hätten jetzt einen Freibrief. Wenn das noch einmal vorkommt erschieße ich sie eigenhändig.«
»Jawoll Herr General!«
»Und den Grund dazu denke ich mir hinterher aus. Vergessen sie das nie. Wegtreten.«
Der dargebotene Salut wird nach kurzem Zögern erwidert, es scheint nicht mehr so, dass der Gang hinaus direkt zum Schafott führt. Doch als er die Klinke niederdrückt wird er erneut gerufen.
»Müller!«
Der angesprochene macht auf dem Absatz kehrt und nimmt automatisch Haltung an. Zweifel zeichnen sich auf seinem Gesicht ab.
»Herr General?«
»Wer?«
»Die Gerettete?«
»Ja, wer denn sonst?«
»Meine Schwiegermutter.«
Jetzt aber schnell! Nur noch fünfzehn Minuten bis die Schule aus ist. Wenn sie ihre zwei Chaotenkids verpasst, gehen die zu Fuß heim und stellen wer weiß was an, bis sie vom Einkauf zurück ist. Maria war ja eigentlich schon auf dem Sprung, als vor fünf Minuten das Telefon läutete. Ihre Mutter hätte keinen schlechteren Zeitpunkt treffen können. Wenn sie sich wenigstens auf später vertrösten ließe, aber es muss ja immer alles sofort sein. Das lange brünette Haar liegt in weichen, schulterbreiten Wellen über dem beigen Strickmantel, als sie die Tür hinter sich ins Schloss zieht. Die Heckklappe des dunkelblauen Kombis schwingt ferngesteuert auf und der Einkaufskorb wird im Kofferraum neben den Getränkekisten platziert. Genau in dem Moment als sie auf die Straße fährt läutet ihr Handy.
»Bitte nicht schon wieder. Na klar, Mutter, wer sonst.«
Sie drückt den Anruf weg.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiund ... klingelingeling.
»Jetzt reicht es aber!«
Sie nimmt das Gespräch an, um ein "ich kann grad' nicht, ruf dich in zehn Minuten zurück" durch den Äther zu schicken. Auflegen und zurück befördern in die Mittelkonsole ist lang erprobte Routine.
Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiund ... klingelingeling ... Klingelingeling.
»Mutter! Ich hab dir eben schon gesagt ich kann grad' nicht reden. Nein! Nicht weil ich nicht mit dir reden will. Nein! Ich sitze im Auto und muss Jenny und Chris von der Schule abholen. Wenn ich dort bin ruf ich dich zurück, versprochen. Jaaa!«
Quieeetsch!!! Trööööt!!!
»Schscheisse!«
Dieser Laster ist schnell. Zu schnell um es noch vor ihm über die Kreuzung zu schaffen. Vor Schreck spannt sich jeder Muskel in ihrem Körper krampfhaft an, das Bremspedal wurde in seiner ganzen Existenz noch nie so getreten. Aber eben zu spät.
Mit geschlossenen Augen erwartet sie den unvermeidlichen Aufprall. Wer will denn schon seinem eigenen Ende ins Auge sehen? Aber dieses bleibt aus. Kein Stoß, kein Lärm. Kein zersplitterndes Glas. Sie dreht vorsichtig den Kopf nach links und dort füllt ein riesiger Kühlergrill das Sichtfeld aus. Zentimeter von ihrem Wagen entfernt. Ihr Handy rutscht aus den kraftlosen Fingern. Sie sinkt über dem Lenkrad zusammen, ihre Hände beginnen zu zittern. Deshalb greift sie auch neben den Schlüssel als sie den Motor abschalten will. Der bereits aus ist. Beim bremsen abgewürgt. Sie atmet mehrmals tief durch, und zwingt sich endlich dazu über die Beifahrerseite hinaus zu klettern. Denn links kommt sie nicht raus weil da ein Laster so saublöd rumsteht.
Endlich aus ihrem Fahrzeug geschält bemerkt sie dass der Trucker noch immer hinter seinem Steuer verharrt. Auf seinem Sitz erstarrt bemerkt er nicht dass sie sich ihm nähert. Sein Blick ist auf das Dach ihres Wagens gerichtet.
»Äh, hallo? Alles in Ordnung mit ihnen?«
Keine Reaktion. Sie hebt die Hand und klopft an die Tür. Denn das Fenster ist zu weit oben für sie.
»Hallo?!«
Verwundert dreht sie sich auf der Suche nach Hilfe um. Und entdeckt ein vermeintliches Rentnerpaar am Straßenrand. Die Frau hält die Hand vor den Mund, der Mann richtet seinen Arm auf die Mitte der Kreuzung. Doch beide bewegen sich nicht. Keinen Millimeter. Und genau in diesem Moment ertönt in ihrem Rücken ein Räuspern, untermalt von einem Füßescharren.
»Wohl noch mal Glück gehabt, was?«
Ein Mann steht keine zwei Meter von ihr entfernt. Er hat braunes, graumeliertes, nach hinten gekämmtes Haar. Auch der Dreitagebart ist von grauen Strähnen durchzogen. Trenchcoat, Jeans und Segeltuchschuhe haben schon bessere Zeiten erlebt, aber das schwarze T-shirt scheint neu zu sein. Ein verschmitztes Lächeln umspielt seine Lippen. Sie sieht ihn verwundert an.
»Was ist passiert?«
Er steckt seine Hände noch tiefer in die Taschen des Mantels, der Kopf sinkt auf seine Brust. Es wirkt als trüge er eine schwere Last auf seinen Schultern.
»Sie haben keine Ahnung, oder?«
»Sind sie mein … Schutzengel?«
»Wenn sie so wollen, … nein ich bin keiner. Und begegnet bin ich auch noch keinem, ehrlich. Soweit ich weiß gibt es keine Schutzengel.«
»Aber wie?«
»Das hier?«
Er zeigt in die Runde und sie nickt.
»Genau kann ich's auch nicht erklären. Ich nenne es eine Zeitblase. Das ist mir schon passiert, aber erklären kann ich's nicht. Ich kann nur sagen dass alles steht, wenn's passiert, alles außer mir.«
»Wann hört das wieder auf? Was geschieht dann mit mir?«
»Langsam, immer langsam, eins nach dem anderen. Ich hab zwar gesagt dass mir das schon passiert ist, aber auch das ich es nicht erklären kann, jedenfalls nicht genau. Ich erzähle was ich weiß und dann sehen wir weiter. O.K.?«
Erneutes Kopfnicken
»Es gibt keine Vorwarnung, und um die nächste Frage gleich zu beantworten, ich kann es nicht steuern. Es steht nicht unter meiner Kontrolle.«
Sie senkt verlegen den Kopf, was ihn veranlasst zu grinsen. Allerdings etwas breiter als vorher.
»Manchmal passiert's ohne das jemand in meiner Nähe ist, ohne jegliche Dramatik. Das kann ganz schön öde sein wenn's länger dauert. Da dann die Zeit stillsteht hab ich keinen blassen Schimmer wie lange.«
Sie blickt auf ihre Armbanduhr, klopft zweimal kurz darauf und lässt den Arm wieder sinken.
»Es ist wie beim Arzt. Man liest sämtliche Zeitungen von vorne bis hinten durch und doch ist erst 'ne halbe Stunde rum. Man wundert sich warum die Zeit so langsam vergeht. Man bemerkt nicht dass die Zeit stillsteht, und zwar wortwörtlich. Keine Ahnung wie oft es mir passiert ist.«
Man kann ihr ansehen wie angestrengt sie überlegt.
»Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfchen darüber. Selbst ich hab's aufgegeben.«
»War schon mal jemand mit ihnen in dieser, ähmm, dieser Zeitblase, so wie jetzt?«
»Nein das ist auch für mich das erste mal, und wie lange es dauert kann ich nicht ...«
Plötzlich lacht er laut auf und rennt zu ihrem Auto.
»Schnell, lass uns versuchen den Wagen weg zu schieben!«
Beide schieben mit ganzer Kraft doch nichts bewegt sich.
»Die Handbremse! Den Gang raus! Beeilung!«
Sie springt mehr in den Innenraum als dass sie klettert. Seine plötzliche Hektik ist ansteckend. Er hatte ja erzählt es sei nicht sicher wie lange es anhält. Sie bleibt mit dem Mantel am Ganghebel hängen. Egal. Sie löst den Handbremshebel und tritt die Kupplung durch. Endlich ein wenig Bewegung. Zuerst zögerlich, wie gegen eine starke Steigung, aber schließlich rollt der Wagen im Spaziergängertempo über die Kreuzung. Als er die Beifahrertüre zuwirft fängt die Zeit wieder zu fließen an. Und mit ihr alles was ihr unterworfen ist.
Hinter ihr Quietschende Reifen und Presslufthupen. Ihr Handy klingelt. Geschockt vom plötzlichen Lärm steigt sie aus, sieht sich nach ihrem „Helfer“ um. Doch der ist wie vom Erdboden verschwunden, Maria konnte sich nicht einmal bei ihm bedanken. Die einzigen Personen in der Nähe sind die zwei Rentner und der Lkw-Fahrer. Dieser reibt sich verwundert die Augen und schüttelt den Kopf.
»Was haben sie sich dabei gedacht, das System für ihre privaten Zwecke zu benützen? Sie wissen genau dass jeder Einsatz geprüft und abgesegnet sein muss. Bevor wir einschreiten muss absolut sicher sein, welche möglichen Auswirkungen für die folgende Zeitlinien bestehen. Und schon gar nicht wegen einer einzelnen, unbedeutenden Person!«
Der angesprochene steht stramm vor dem massiven Schreibtisch seines Vorgesetzten. Seine einfache Uniform wird nur von wenigen Streifen gekennzeichnet. Sein braunes, jetzt wieder kurzes Haar, enthält keinerlei Grau mehr. Und der Bart ist auch ab.
»Jawoll Herr General.«
»Hören sie auf zu schleimen! Haben sie eine Ahnung was sie mir da eingebrockt haben?!«
Ein Schulterzucken verdirbt die ansonsten tadellose Haltung nur kurz.
»Sie Idiot haben es irgendwie fertiggebracht einen meiner Techniker zu überreden sie zurück zu schicken. Eine Zeitblase zu errichten und anschließend die Daten zu löschen. Und wir haben davon nur erfahren weil jemand aus Langeweile die Überwachungsbänder angesehen hat. Wie soll ich mit Leuten wie ihnen die Sicherheit garantieren? Wenn das durchsickert machen die den Laden dicht. Dann können wir höchstens noch Bleistifte verkaufen. Und zwar auf der Straße! Einen normalen Job kriegen wir beide im Leben nie wieder!«
Ein hörbares Schlucken unterbricht die plötzliche Stille.
»Also gut. Ich kann sie und den Tech nicht bestrafen ohne dass jemand Wind davon bekommt. Ich lasse die Sache notgedrungen auf sich beruhen.«
Das bereits bekannte Grinsen breitet sich auf dem Gesicht des Gescholtenen aus.
»Denken sie ja nicht sie hätten jetzt einen Freibrief. Wenn das noch einmal vorkommt erschieße ich sie eigenhändig.«
»Jawoll Herr General!«
»Und den Grund dazu denke ich mir hinterher aus. Vergessen sie das nie. Wegtreten.«
Der dargebotene Salut wird nach kurzem Zögern erwidert, es scheint nicht mehr so, dass der Gang hinaus direkt zum Schafott führt. Doch als er die Klinke niederdrückt wird er erneut gerufen.
»Müller!«
Der angesprochene macht auf dem Absatz kehrt und nimmt automatisch Haltung an. Zweifel zeichnen sich auf seinem Gesicht ab.
»Herr General?«
»Wer?«
»Die Gerettete?«
»Ja, wer denn sonst?«
»Meine Schwiegermutter.«