Schwarze Sonne

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Schwarze Sonne

„Rote Rosen sind Zeichen ewiger Liebe.” Seine Stimme klang damals rauchig und melodisch, doch bitter wie dunkle Schokolade. Langsam hob er den Kopf und durchbohrte mich mit einem Blick aus silbergrauen Augen. „Wenn ich sterbe, wird mir dann jemand Rosen schenken?”
Ich zuckte die Schultern teilnahmslos und gleichgültig. „Weiß nicht. Hast du denn wen, der dich liebt?”
Es war sein Blick, der mehr als tausend Worte sagte. Liebst du mich denn?, fragte dieser. Aber Pi sprach keines der Worte davon aus, sondern lächelte nur matt. „Ich glaube nicht”, erwiderte er leise auf meine verklungene Frage. „Schließlich bin ich doch nur eine Maschine. Nicht wahr, Yulia?”
Das Licht des Mondes lässt die Umgebung verblassen, stiehlt den Pflanzen und Steinen jegliche Farben. Ich vertreibe die Erinnerungen an damals, schließe die Augen und lehne mich an die kühle Steintafel hinter mir. Rau fühlt es sich an, spitze Unebenheiten bohren sich beinahe schmerzhaft in meinen Rücken. Doch ich verspüre nicht den geringsten Antrieb um aufzustehen.
Ich war zehn Jahre alt, als ich den schönen Jungen namens Pi zum ersten Mal sah. Mit zehn gilt man als volljährig und erhält in meiner Welt die Erlaubnis, seinen eignen Android zu besitzen. Nur die angesehensten Familien verdienen einen, der ihnen das Leben erleichtert. Früher nannte man Wesen wie Pi „Butler”. Doch schon längst sind sie tausend Mal fähiger als die Menschen, die einst dem Adel dienten.
Doll, die meinen Eltern gehört, stand neben mir, als meinen Vater den Jungen, von uns unbemerkt, in den Raum schob. Sie bürstete ihre langen, blonden Haare und fragte mich dabei: „Ist dir schon mal aufgefallen, dass die giftigsten und gefährlichsten Pflanzen und Tiere immer am schönsten sind?”
Ich zupfte unsicher an der Schleife meines Kleides. Extra für meinen Android hatte ich es angezogen, schließlich wollte ich, dass er einen guten Eindruck von mir bekam. Von mir, Yulia van Cercle. Dem Mädchen, mit dem er bis zu meinem Tod das Leben verbringen sollte.
Bevor ich auf Dolls Frage antworten konnte, lenkte mein Vater durch ein Husten meine Aufmerksamkeit auf ihn.
Und das war der Moment, wo ich ihn zum ersten Mal sah.
Tiefschwarze Haare, wie eine sternenlose Nacht. Silbergraue Augen, leuchtend wie Diamanten. Und eine Schönheit, die nicht von dieser Welt zu sein schien.
Programmierungen, Metall, Chemie. Das war das, woraus dieses atemberaubende Wesen geschaffen wurde. Nicht aus Leben. Nicht aus Liebe.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Herzchen”, gratulierte mir mein Vater und lächelte. Kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen, zeigten mir seinen fortschreitenden Alter und ließen ihn für einen Augenblick wie der Vater wirken, den er nie war. „Darf ich dir vorstellen? Das ist Pi, dein Android.”
Nervös kicherte ich, naiv und dumm, wie ich damals war. Hastig stolperte ich zu ihm, reichte ihm meine kleine Hand und lächelte breit: „Hallo Pi! Mein Name ist Yulia van Cercle, aber du kannst mich Yulia nennen. Ich freue mich so, dich kennen zu lernen!” Erst nachdem er zögernd meine Hand umfasste, fiel mir noch etwas ein. Hastig kramte ich in meinen Taschen, zog daraus einen unförmigen, goldenen Anhänger, der an einer Lederschnur baumelte. „Hier für dich, ein Willkommensgeschenk. Habe ich selbstgemacht!”
Niemals dachte ich, dass das Lächeln eines anderen mich in seinen Bann ziehen konnte. Doch als sich die Lippen des Jungen vor mir zu einem verzogen, riss ich überrascht die Augen auf.
Er war so hübsch. Und wirkte so menschlich. Wie der kühle Mond am Himmel, unerreichbar und genauso schön.
Es hätte alles so vollkommen sein können. Ich lernte, wie man in dieser kalten, selbstbezogenen Welt zu überleben hatte. Vergessen, tun, einfach handeln. Keine Zeit zu überlegen, denn wenn du zögerst, wird jemand dich überholen.
Doch sein Lächeln vergesse ich nicht, seine Worte vergesse ich nicht, die er mir an dem Tag meiner Verlobung mit einem hochrangigen Adeligen zuflüsterte.
„Ich liebe dich”, murmelte Pi leise und so furchtbar traurig in mein Ohr. „Mehr als irgendjemand es sonst könnte.”
„Du lügst”, zischte ich wütend zurück und wirbelte so schwungvoll zu ihm herum, dass mein mit Gold besticktes Seidenkleid über den prachtvoll gedeckten Tisch fegte und Gläser zu Boden warf. „Du bist eine Maschine, aus Metall und Zahlen! Wie kannst du es wagen zu behaupten, dass du mich lieben würdest? Wo du doch nicht einmal fähig bist, für eine Minute lang einen Mensch zu spielen? Unfähig, der Sinn des Wortes \'Liebe\' auch nur zu verstehen?”
Er blieb trotzdem an meiner Seite. Ein stummer Wächter, immer bei mir, immer für mich da. „Du bist wie eine schwarze Sonne. Erhellst den Tag, ohne es zu ahnen. Stehst im Dunkeln und siehst deshalb die Liebe nicht, die dich umgibt.” Pi sagte das zu mir, als ich das Hochzeitskleid aussuchte. Das Licht verfing sich damals in seinen Augen, fesselte meinen Blick. „Vielleicht liebe ich dich ja deswegen. Liebe dein Strahlen, das du nicht bemerkst und mich doch so anzieht wie Motten das Licht.”
Es gab nur Pi, der diese Sanftheit ausstrahlte, die mich in seine Arme flüchten ließ. Nur in Pis Augen leuchtete etwas Trauriges auf, wenn ich wieder und wieder behauptete, dass niemand mich liebte.
Wann hatte ich mein Herz an ihm verloren? Schon damals, an dieses Lächeln, das er mir als Kind schenkte?
Ich lege meinen Kopf zurück und blicke gen Himmel. Der Mond strahlt dort, hell und klar, lässt die Sterne mit seiner Pracht erblassen. „Ich werde immer an deiner Seite sein. So wie der Mond der Sonne. Nie kann man sie zusammen sehen, doch sie sind zur gleichen Zeit anwesend. Selbst das Licht der Sonne wird von dem Mond reflektiert. Und ohne die Sonne, kann der Mond nicht existieren. Denn er wurde nur geschafft für sie, um an ihrer Seite zu strahlen.” Dann schenkte Pi mir zum letzten Mal sein wunderschönes Lächeln, wie ein stummes Versprechen. „Wenn ich eines Tages aufhöre zu existieren, werde ich trotzdem nicht von deiner Seite weichen. Ich werde beim Mond sein, nah an meiner Sonne, auch wenn sie mich nicht sieht … Yulia. Vergiss bitte nicht, dass ich dich liebe.”
Und wenig später färbte sein Blut den Boden silbern. Man hatte seine Existenz ausgelöscht, denn ein Ehepaar besitzt zusammen nur einen Android. Pi wählte den Tod, um mir das Glück zu schenken.
Doch mein wahres Glück, das nahm er mit sich ins Grab.
Sie halten mich alle für verrückt, wenn ich nachts in unseren versteckten Garten gehe und dort sitze, den Kopf gehoben, den Blick auf dem Mond gerichtet. Leicht lächelnd und die Worte stumm vor mich hin flüsternd, die ich zur rechten Zeit nie über die Lippen brachte.
Maschinen können lieben. Weil sie denken können. Wie wir.
Langsam stehe ich auf. Meine Finger umklammern fest den Blumenstrauß in meinen Armen. Sie zittern, beben, während ich mich dem Grabstein zuwende, auf dem nur ein Name steht: Pi.
Mit dumpfen Geräusch schlägt der Blumenstrauß auf dem kalten Stein auf. Dunkelrote Blütenblätter verteilen sich über das Grau, wie abgebrochene Rubine.
Rote Rosen.
 

anbas

Mitglied
Hallo little.fairy.tale,

zunächst ein herzliches Willkommen hier in der Leselupe. Ich verstehe gar nicht, warum Dein Einstiegstext bisher unkommentiert blieb. Mir gefällt er sehr gut! Bis auf ein paar Flüchtigkeitsfehler und einigen wenigen stilistischen Anmerkungen habe ich nichts zu meckern. Hier die entsprechenden Hinweise:


„Rote Rosen sind Zeichen ewiger Liebe.” Seine Stimme klang damals rauchig und melodisch, [red]doch bitter[/red] [blue](hier bleibe ich beim Lesen hängen. Vorschlag: doch gleichzeitig auch bitter...)[/blue] wie dunkle Schokolade.
(...)
Es war sein Blick, der mehr als tausend Worte sagte. [blue]"[/blue]Liebst du mich denn?[blue]"[/blue], [blue](ich würde auch bei den unausgesprochenen Worten Anführungsstriche verwenden)[/blue] fragte dieser. Aber Pi sprach keines der Worte davon aus, sondern lächelte nur matt. „Ich glaube nicht”, erwiderte er leise [strike]auf meine verklungene Frage[/strike] [blue](würde ich kürzen, da die Passage so stimmungsvoller bleibt)[/blue]. „Schließlich bin ich doch nur eine Maschine. Nicht wahr, Yulia?”
(...)
Mit zehn gilt man als volljährig und erhält in meiner Welt die Erlaubnis, seinen eignen Android zu besitzen. Nur die angesehensten Familien verdienen einen, [strike]der ihnen das Leben erleichtert[/strike] [blue](kann aus meiner Sicht gestrichen werden, da die Funktion in den nächsten Sätzen erklärt wird)[/blue]. Früher nannte man Wesen wie Pi „Butler”. Doch schon längst sind sie tausend Mal fähiger als die Menschen, die einst dem Adel dienten.
Doll, die meinen Eltern gehört[red]e[/red], stand neben mir, als meinen Vater den Jungen, von uns unbemerkt, in den Raum schob. Sie bürstete ihre langen, blonden Haare und fragte mich dabei: „Ist dir schon mal aufgefallen, dass die giftigsten und gefährlichsten Pflanzen und Tiere immer am schönsten sind?”
Ich zupfte unsicher an der Schleife meines Kleides. Extra für meinen Android hatte ich es angezogen, schließlich wollte ich, dass er einen guten Eindruck von mir bekam. Von mir, Yulia van Cercle[red], d[/red]em Mädchen, mit dem er bis zu meinem Tod das Leben verbringen sollte.
Bevor ich auf Dolls Frage antworten konnte, lenkte mein Vater durch ein Husten meine Aufmerksamkeit auf ihn.
Und das war der Moment, [strike]wo[/strike] [blue]in dem[/blue] ich ihn zum ersten Mal sah.
Tiefschwarze Haare, wie eine sternenlose Nacht. Silbergraue Augen, leuchtend wie Diamanten. Und eine Schönheit, die nicht von dieser Welt zu sein schien. [blue](kein Absatz)[/blue]
Programmierungen, Metall, Chemie. Das war das, woraus dieses atemberaubende Wesen geschaffen wurde. Nicht aus Leben. Nicht aus Liebe.
„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Herzchen”, gratulierte mir mein Vater und lächelte. Kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen, zeigten mir sein[strike]en[/strike] fortschreitende[red][strike]n[/strike][/red][blue]s[/blue] Alter und ließen ihn für einen Augenblick wie der Vater wirken, de[red][strike]n[/strike][/red][blue]r[/blue] er nie war. „Darf ich dir vorstellen? Das ist Pi, dein Android.”
Nervös kicherte ich, [blue] (hier evtl. einen Gedankenstrich statt Komma?)[/blue] naiv und dumm, wie ich damals war. Hastig stolperte ich zu ihm, reichte ihm meine kleine Hand und lächelte breit: „Hallo Pi! Mein Name ist Yulia van Cercle, aber du kannst mich Yulia nennen. Ich freue mich so, dich kennen zu lernen!” Erst nachdem er zögernd meine Hand umfasste, fiel mir noch etwas ein. Hastig kramte ich in meinen Taschen, [blue]("und" statt Komma?)[/blue] zog daraus einen unförmigen, goldenen Anhänger, der an einer Lederschnur baumelte. „Hier für dich, ein Willkommensgeschenk. Habe ich selbstgemacht!”
Niemals dachte ich, dass das Lächeln eines anderen mich [blue]("so" ?)[/blue] in seinen Bann ziehen konnte. Doch als sich die Lippen des Jungen vor mir [red]zu einem verzogen[/red] [blue](finde ich etwas unglücklich formuliert, habe aber ad hoc keinen Vorschlag zur Hand)[/blue], riss ich überrascht die Augen auf. [blue](kein Absatz)[/blue]
Er war so hübsch. Und wirkte so menschlich. Wie der kühle Mond am Himmel, unerreichbar und genauso schön.
Es hätte alles [blue](was alles? - "Mein Leben" ?? Dann würde ich es so schreiben)[/blue] so vollkommen sein können. Ich lernte, wie man in dieser kalten, selbstbezogenen Welt zu überleben hatte. Vergessen, tun, einfach handeln. Keine Zeit zu überlegen, denn wenn du zögerst, wird jemand dich überholen.
Doch sein Lächeln vergesse ich nicht, seine Worte vergesse ich nicht [blue](wie wärs mit "und auch nicht seine Worte..."?)[/blue], die er mir an dem Tag meiner Verlobung mit einem hochrangigen Adeligen zuflüsterte.
„Ich liebe dich”, murmelte Pi leise und so furchtbar traurig in mein Ohr. „Mehr als irgendjemand es sonst könnte.”
„Du lügst”, zischte ich wütend zurück und wirbelte so schwungvoll zu ihm herum, dass mein mit Gold besticktes Seidenkleid über den prachtvoll gedeckten Tisch fegte und Gläser zu Boden warf. „Du bist eine Maschine, aus Metall und Zahlen! Wie kannst du es wagen zu behaupten, dass du mich lieben würdest? Wo du doch nicht einmal fähig bist, für eine Minute lang einen Mensch zu spielen? Unfähig, der Sinn des Wortes [strike][red]\[/red][/strike]'Liebe[strike][red]\[/red][/strike]' auch nur zu verstehen?”
Er blieb trotzdem [blue]("trotz dieser Worte" ???)[/blue] an meiner Seite. Ein stummer Wächter, immer bei mir, immer für mich da.
(...)
Wann hatte ich mein Herz an ih[red][strike]m[/strike][/red][blue]n[/blue] verloren? Schon damals, an dieses Lächeln, das er mir als Kind schenkte?
Ich lege meinen Kopf zurück und blicke gen Himmel. Der Mond strahlt dort, hell und klar, lässt die Sterne mit seiner Pracht erblassen. „Ich werde immer an deiner Seite sein. So wie der Mond der Sonne. Nie kann man sie zusammen sehen, doch sie sind zur gleichen Zeit anwesend. Selbst das Licht der Sonne wird von dem Mond reflektiert. Und ohne die Sonne, kann der Mond nicht existieren. Denn er wurde nur geschafft für sie, um an ihrer Seite zu strahlen.” Dann schenkte Pi mir zum letzten Mal sein wunderschönes Lächeln, [blue]("so" ??)[/blue] wie ein stummes Versprechen. „Wenn ich eines Tages aufhöre zu existieren, werde ich trotzdem nicht von deiner Seite weichen. Ich werde beim Mond sein, nah an meiner Sonne, auch wenn sie mich nicht sieht … Yulia. Vergiss bitte nicht, dass ich dich liebe.”
[red][strike]Und[/strike][/red] wenig später färbte sein Blut den Boden silbern. Man hatte seine Existenz ausgelöscht, denn ein Ehepaar besitzt zusammen [blue]("immer" ???)[/blue] nur einen Android. Pi wählte den Tod, um mir das Glück zu schenken. [blue](kein Absatz)[/blue]
Doch mein wahres Glück[strike][red], das[/red][/strike] nahm er mit sich ins Grab.
Sie halten mich alle für verrückt, wenn ich nachts in unseren versteckten Garten gehe und dort sitze, den Kopf gehoben, den Blick auf dem Mond gerichtet. Leicht lächelnd und die Worte stumm vor mich [strike][red]hin[/red][/strike] [blue]her[/blue] flüsternd, die ich zur rechten Zeit nie über die Lippen brachte.
Maschinen können lieben. Weil sie denken können. Wie wir.
Langsam stehe ich auf. Meine Finger umklammern fest den Blumenstrauß in meinen Armen. Sie zittern, beben, während ich mich dem Grabstein zuwende, auf dem nur ein Name steht: Pi.
Mit [red]dumpfen Geräusch[/red] [blue](warum "dumpfes Geräusch"? ich verstehe den Sinn dieser Formulierung an dieser Stelle nicht so wirklich - ansonsten: dumpfem)[/blue] schlägt der Blumenstrauß auf dem kalten Stein auf. Dunkelrote Blütenblätter verteilen sich über das Grau, wie abgebrochene Rubine.
Rote Rosen.
Außerdem würde ich empfehlen, dass Du an den Stellen, an denen Du in der Zeit wechselst, Absätze mit einer Leerzeile machst. Dadurch wird der Text noch klarer strukturiert.
Ich hoffe, es ist für Dich in Ordnung, dass ich so in Deinem Text "herumgemalt" habe. Es sind natürlich alles nur Vorschläge und Ideen. Wenn was dabei ist, mit dem Du etwas anfangen kannst oder das Dich überzeugt, übernehme es gerne.

Liebe Grüße - man liest sich :D

Andreas
 



 
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