Schwarzer Tod oder helles Leben?

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pipi-barfuss

Mitglied
Schwarzer Tod oder helles Leben?

Ich sitze auf dem harten Stuhl und warte. Schaue an die Wand, mein Herz klopft, meine Hände werden feucht. Wird hier heute über das Leben entschieden? Mein Leben?
Ich habe doch noch so viel vor. Die Realität? Sie holt mich doch immer wieder ein, obwohl ich die Augen vor ihr verschließe.
Viele Fragen schwirren durch meinen Kopf und halten mich fest. Die Angst lauert hinter jeder Hecke, um mich im passenden Moment anspringen zu können.
Die Tür wird aufgemacht. Ich gehe hinein. Höre Worte, versuche den Sinn zu verstehen. Lege mich auf die Liege, ein kleiner Stich, mein Blut fließt rot und dickflüssig in das Röhrchen.
Schwarzer Tod oder helles Leben?
“Ich will leben!“, möchte ich am liebsten schreien. Der weiße Tupfer hebt sich hart von meiner blassen Haut ab. Ich bekomme eine Nummer, wie makaber! Mein Geburtsdatum muss dafür herhalten. Mit dem Zettel in der Hand gehe ich zur Kasse, zahle und stehe draußen.
Wie anonym Gesundheitsämter sind, erfahre ich schmerzlich.
Sieht man mir an, was ich da wollte? Dass ich vielleicht...
Nicht daran denken. Ich vertraue auf mein erstes Ergebnis, aber sicher bin ich mir nicht; kann ich nicht sein. Wer hat schon das Glück, sich nicht angesteckt zu haben?
Was er wohl macht? Regelmäßig seine Tabletten nehmen, um das Immunsystem zu stärken? Nein, nicht daran denken. Die Woche wird lang, zieht sich zäh wie Kaugummi.
Nachts liege ich wach. Fragen quälen mich, Angst, Vorwürfe. Warum lief nicht alles so genau? Warum immer ich? Mein ganzes Leben zieht an mir vorbei. Höhen und Tiefen.
Und dann. Der Tag der Wahrheit ist gekommen.
Ich mache mich auf den Weg. Muss wieder warten. Besteht das Leben eigentlich nur aus Warten? Warten bis man geboren wird, an die Reihe kommt, bis der Tod einen holt, Krankheiten den letzten Sieg davontragen? Wie praktisch, auf dem Tisch liegen Kondome.
Ich stecke eins ein. Brauch ich die noch?
Die Tür geht auf. „Der nächste Bitte". Es gibt kein Zurück, die Wahrheit steht bevor. Der Stuhl fühlt sich hart an, genauso hart schlägt mein Herz in meiner Brust. Verschwommen höre ich die Stimme der Ärztin: „Negativ." „Bitte?" „Negativ...", wiederholt sie.
Ihre Worte dringen kaum zu mir durch, die Angst will ihren sicheren Platz noch nicht aufgeben. Ich habe mich nicht angesteckt, kann ich gerade noch denken, als ich mit Tränen der Erleichterung zur Tür gehe. Leben!
Der schwarze Tod muss seine Reise weiterführen, ohne mich.
Er war mir in letzter Zeit ein Vertrauter geworden.
Nun gibt es für mich nur noch das helle Leben.
 

Echoloch

Mitglied
Seltsam, ...

... wie wohl fast jede(r) schon einmal in dieser Situation war. Ich mag Deinen Text, weil Du ihn sprachlich mit dieser eigenartigen Mischung aus Rationalität und Über-Emotionalität ausgestattet hast, die einem in solchen Momenten/Tagen auch psychisch eigen ist. Volle Bilder gehen über in Stakkato und verschwimmen dann wieder zu farbigen Beschreibungen.
Nur den "Tod" hast Du zweimal mit "t" geschrieben und das "helle" Leben einmal groß, das stört ein wenig.

Grüße zum Abend von Maja
 

pipi-barfuss

Mitglied
liebe mara,

natürlich, habs geändert, danke.
freu mich das es dir gefällt da es mein "erster" text in dieser art ist.danke

hab ihn ein wenig überarbeitet, er stand schon mal hier.

l.g sandra
 
Hallo,

Du hast in kurzen prägnanten sehr eindringlich Worten eine persönliche existentielle Krise erzählt. Die Unsicherheit der Protagonistin ist im Text allgegenwärtig.
Die wenigen Adjektive sind präzise und an den richtigen Stellen gesetzt.
Ein packender Text.

Lg

AM
 
H

Hakan Tezkan

Gast
hi pipi,

dein text konnte mich, im gegensatz zu den anderen, nicht überzeugen. es sind gute anstätze vorhanden, die ich gar nicht leugnen möchte, so zum beispiel die tatsache, dass du die krankheit selbst nie ansprichst. das gefällt. auch der ansatz zur geschichte spricht durchaus an. aber darüberhinaus ist mir das einfach zu wenig. ich versuche mich mal zu erklären:
der titel ist mir erstens zu lang, und zweitens von der metaphorik her zu unoriginell.
die folgenden zwei sätze sollen dir beispielhaft zeigen, was mich am gesamten text ein wenig gestört hat:

Ich gehe hinein. Höre Worte, versuche den Sinn zu verstehen. Lege mich auf die Liege, ein kleiner Stich, mein Blut fließt rot und dickflüssig in das Röhrchen.
alle sätze und satzteile sind nach einem ähnlichem schema aufgebaut. das langweilt ganz einfach. ich würde mir insgesamt mehr variabilität wünschen.

und jetzt geht's weiter. die verwendung gewisser metaphern finde ich nicht so schön, du bedienst dich aber oft diesem stilmittel. hier ein beispiel:

Die Angst lauert hinter jeder Hecke, um mich im passenden Moment anspringen zu können.
diese metapher ist weder sondelrich originell, noch harmoniert sie gut mit dem rest des textes. ich finde metaphern, die aus der gegebenen umwelt entstehen, oder vielmehr: die die umwelt, die wir uns denken, uns anbietet, viel, viel spannender.

und ein letzter kritikpunkt, der aber uach auf viele stellen im text anzuwenden ist. hier das beispiel:

Fragen quälen mich, Angst, Vorwürfe.
für meinen geschmack viel zu unkonkret. was für fragen quälen deinen ich-erzähler, was für ängste hat er, welche vorwürfe macht er sich?

so viel dazu. alles aber nur meine persönliche einstellung. kannst du umsetzen wollen, oder eben nicht...

lg,
hakan
 



 
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