Seenot im toten Herz

2,70 Stern(e) 7 Bewertungen

SuracI

Mitglied
Ich weiß, Ihr mögt keine Gedichte ohne einheitliches Metrum, aber ich mag sie. Und in manchen Situationen besonders ;)


Seenot im toten Herz.

Meinen Kopf durchziehen wüste Stürme,
Sie zermürben mir die Gedanken stark.
Und vor mir errichten sich hohe Türme,
Und steinerne Mauern undurchdringlich hart.

Meine Augen leuchten wie rote Feuer,
Mit zuckenden Blitzen und donnerndem Groll.
Wie der mutige Seemann steh ich am Steuer
Und lenke mein eigenes Boot wie ich soll.

Mein Arm erzittert vor Wut und Hass
Ignoriert das warnende Nebelhorn.
Mein Körper bebt und ist Regennass
Doch mein Auge schaut stur nach vorn.

Meine Ohren hören des Windes Heulen,
In die Dunkelheit send ich den Blick.
Ich erschaue des Lebens hohe Säulen
Doch kein Stückchen wend ich mein Genick.

Meine Nase riecht des Meeres Salz
Meiner Tränen, die nasskalt erfrieren.
Ein festes Tau zerschnürt meinen Hals
Wie die Zähne von wilden Tieren.

Mein Herz zerbricht wie ein lebloser Knochen,
Alle Hoffnung ist fernab verweht.
Meine steinerne Seele ist lieblos gebrochen
Und ich seh wie die Liebste für immer geht.

MJ 06.12.2004
 
I

IKT

Gast
Hi Suracl,
was heißt "ihr mögt keine...."? :D
Ich jedenfalls mag Dein Gedicht.
Der Vergleich mit dem Steuermann der ein Schiff durch Sturm und Regen steuert, um letztlich doch zu sterben, ist gut. (Dieses Unwetter läßt mich glatt frieren.)
Einzig dies hier
Meine Augen leuchten wie rote Feuer,
Mit zuckenden Blitzen und donnerndem Groll.
ist mir etwas "dick aufgetragen".
Andere mögen das gerade gut finden. Also, laß Dich nicht entmutigen, Geschmäcker sind nunmal verschieden. ;)
LG IKT
 

SuracI

Mitglied
Danke schonmal für den Kommentar.
Ja, die Geschmäcker sind sehr verschieden, das stimmt. Aber zum Glück. Sonst würden ja alle das Gleiche mögen und es wäre strinkt langweilig ;).

Manchmal muss man "dick auftragen" (oder auch anders gesagt, die Gefühle in der ärgsten Form wiedergeben) um "einen schlussstrich zu ziehen"? "Einen Punkt zu setzen"?...


PS; kleine Frage am Rande:
"Die am weitesten vom Durchschnitt abweichende Wertung wird ignoriert. (durchgestrichen)" steht bei den Bewertungen. Aber 3 x gabs 7 Punkte, 1 mal 8 und ein mal 4. Warum ist da die 8 die am meisten abweichende Wertung?

Gruß Suraci
 

presque_rien

Mitglied
Hallo SuracI,

ich glaube, bei der Bewertung geht es um deinen korrigierten und gewichteten Durchschnitt. Wenn dein Gedicht bei 5,... steht, dann ist eine 8 die am weitesten vom Durchschnitt abweichende Bewertung.

Zu deinem Gedicht: Wie eigentlich immer bei deinen Werken stellen sich mir auch hier wieder Fragen über Fragen:

Seenot im toten Herz
Wie kann etwas, was schon tot ist, in Not sein?

Sie zermürben mir die Gedanken stark.
Wie lässt sich "stark" als Adverb zu "zermürben" verwenden?

Warum groß?

In die Dunkelheit send ich den Blick.
Ich erschaue des Lebens hohe Säulen
Schon einen Blick in die Dunkelheit zu "senden" ist unglaubwürdig, aber dann im nächsten Vers etwas sehen? Eben waren's noch Türme, jetzt sind's Säulen? An Türmen gibt es meisten keine Säulen, an Palästen schon, aber an Türmen?!

Doch kein Stückchen wend ich mein Genick.
Warum auch? Würd ja auch nichts nützen. Dass der Kurs nicht geändert ist wäre doch hier das entscheidende.

Meine Nase riecht des Meeres Salz
Meiner Tränen, die nasskalt erfrieren.
Wie jetzt? "Des Meeres Salz meiner Tränen"? Oder "Des Meeres Salz [und das Salz] meiner Tränen"? Man kann das Salz des Meeres riechen, aber das Salz der eigenen Tränen? Wie kann etwas nasskalt erfrieren?

Ein festes Tau zerschnürt meinen Hals
Wie die Zähne von wilden Tieren.
Ich glaube, Taue und Zähne fühlen sich sehr unterschiedlich an. Wie "zer"schnürt ein Tau einen Hals? Wieso macht er das?! Wo kommt er her?!

Mein Herz zerbricht wie ein lebloser Knochen
Was ist ein lebendiger Knochen? wie zerbricht ein Knochen? Ich habe noch nie einen Knochen zerbrechen sehen.

Meine steinerne Seele ist lieblos gebrochen
Wie bricht man etwas liebevoll? Wie bricht man eine Seele, die bereits steinern ist? Was macht es einer steinernen Seele aus, gebrochen zu werden?

Und ich seh wie die Liebste für immer geht
Das ist ein sehr plötzlicher Sprung. Warum "und"? Warum nicht "weil"? Sind das zerbrechen der Seele und das Gehen der Liebsten nicht in einem Kausalzusammenhang?

Bei so vielen fragwürdigen Bildern und auf der anderen Seite Attributen, die für die Nomen, zu denen du sie attribuierst, derart prädestiniert sind, dass sich einige Verse wie Verwendungsbeispiele aus einem Wörterbuch lesen, gerät der (vielleicht gelungene, ich weiß es nicht) Inhalt in die Periphärie.

Hier ist ein Beispiel, wie man die "Schiffsmetapher" gelungen verwendet:

http://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=59431

Bitte, nimm die Kritik nicht persönlich!

LG,
presque_rien
 

SuracI

Mitglied
Hallo Presque :) dann wollen wir mal:

Erst einmal freut es mich, dass sich Dir viele Fragen aufwerfen. Das ist schonmal der erste Schritt zur Interpretation. Du hinterfragst meine Intentionen ( :D )

Ich werde mal versuchen, Deine Fragen chronologisch zu beantworten.

Wie kann etwas, was schon tot ist, in Not sein?
Das Herz ist eigentlich erst am Ende des Gedichtes wirklich tot. Die Seenot geht voran. Aber auch zeigt sich hier der Gegensatz. Einmal etwas lebendiges, einmal etwas totes. Aber das Lebendige ist auch schon beinahe tot. Also herrscht keine wirklich positive Situation. Und geht es nicht um das Extrem des Bildes, das einen erst wirklich aufhorchen lässt?

Wie lässt sich "stark" als Adverb zu "zermürben" verwenden?
Als Steigerung. Ebenfalls hier als Extrem. Es ist nicht der normale Fall, dass mir etwas die Gedanken zermürbt. Es ist noch weiter fortgeschritten. In diesem Moment ist es noch schlimmer als vorher.

weil vertippt ;)

Schon einen Blick in die Dunkelheit zu "senden" ist unglaubwürdig, aber dann im nächsten Vers etwas sehen? Eben waren's noch Türme, jetzt sind's Säulen? An Türmen gibt es meisten keine Säulen, an Palästen schon, aber an Türmen?!
Während des Schreibens hatte ich das Bild des Seemanns vor mir, den ich ja als Metapher hier verwendet habe. Siehst Du ihn nicht? Den Seemann, der vorne an seinem Schiff steht, im kalten Regen, in der Duneklheit. Er strengt seine Augen an, um irgendetwas zu sehen. Um der Havarie zu entgehen. Er wird nicht seelenruhig im Boot sitzen und nichts tun.
Dann aber schreibe ich wieder über das Innenleben. Er erblickt des Lebens Säulen. Frage an Dich: Hast Du schon einmal Säulen des Lebens gesehen? Ich nicht. Ich habe schon mit welchen zu tun gehabt, sie haben sich meinem Inneren offenbahrt, aber kann man sie wirlich sehen? reel?
Die Türme und Mauern allerdings haben sich schon zu Anfang vor mir errichtet. Und sie machen eigentlich das Weiterkommen beinahe unmöglich.


Wie jetzt? "Des Meeres Salz meiner Tränen"? Oder "Des Meeres Salz [und das Salz] meiner Tränen"? Man kann das Salz des Meeres riechen, aber das Salz der eigenen Tränen? Wie kann etwas nasskalt erfrieren?
Ganz genau, des Meeres Salz meiner Tränen. Zweierlei trifft hier zusammen. Einmal der Seemann, der auf dem Meer mit seinem Schiff fährt und anderseits die Tränen. "Ein Meer aus Tränen". ??? Ich will nicht alles vorwegnehmen.
Um mal etwas plump zu fragen (ohne einen direkten Bezug mit dieser Aussage zu der Aussage im Gedicht zu ziehen). wie ist etwas, bevor es erfriert? Kann etwas trockenes erfrieren? wenn es also Feuchtigkeit hat, ist es vor dem erfrieren nass und kalt. Aber diese Erklärung ist jetzt eigentlich nur naturwissenschaftlich. Das ist nicht das prägnanteste in dieser Zeile.

Ich glaube, Taue und Zähne fühlen sich sehr unterschiedlich an. Wie "zer"schnürt ein Tau einen Hals? Wieso macht er das?! Wo kommt er her?!
Hier sage ich zum Ersten nur: Das Bild ist das, worauf es hier ankommt.
Hat Dir schon einmal eine Situation den Hals zugeschnürt? "Tränen schnüren mir den Hals zu". .........
Das Wieso müsste sich eigentlich aus dem Inhalt des Gedichtes erklären. Woher es kommt... vom Schiff.

Was ist ein lebendiger Knochen? wie zerbricht ein Knochen? Ich habe noch nie einen Knochen zerbrechen sehen.
Ein lebendiger Knochen ist ein Knochen, in dem noch leben ist. Stell Dir für einen toten Knochen einfach einen Knochen vor, der aus einem Lebewesen stammt, was zum Beispiel von Tieren getötet und gefressen wurde. Diese Knochen ohne jegliches Leben, alt, "nutzlos", zerbrechen sehr leicht.
Aber das nur als Nebenkommentar.

Meine steinerne Seele ist lieblos gebrochen
Wie bricht man etwas liebevoll? Wie bricht man eine Seele, die bereits steinern ist? Was macht es einer steinernen Seele aus, gebrochen zu werden?
Hier gilt es mehrmals auseinander zu nehmen.
lieblos kann sich auf zweierlei beziehen. Auf die Seele die ohne Liebe ist und auf das lieblose (kaltherzige) Brechen.
Auch Steine lassen sich zerbrechen. Aber auch bei dem "gebrochen" gibt es wieder zweierlei. Das mechanische Zerbrechen und das "gebrochen" sein. Vielleicht in Richtung Resignation gehend? (-->kleiner Denkanstoß)
...
...
...

Bitte, nimm die Kritik nicht persönlich!
Ich habe Deine Kritik interessiert gelesen etc.
Auch Du lass Dir etwas gesagt sein, was Du nicht zu persönlich nehmen solltest.
Ich habe speziell bei Dir das Gefühl, dass Du an meinen Gedichten Punkte extra mühsam suchst um sie zu kritisieren. Stellen, die manch anderer als "wunderschön" oder "so interessant bildhaft" beschreibt, versuchst Du madig zu machen.
Bilder, die man intensiv deuten müsste stellst Du lediglich in Frage und machst Dir weiter keine Gedanken darüber.
Das ist lediglich mein Eidruck, der Dich jedoch nicht davon abhalten soll, weiterhin meine Sachen zu lesen und zu kommentieren.

Und sieh mal, cih habe die 8 befreit---> presque_rien Punkte 2
Das allerdings nehme ich persönlich
 



 
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