SehnSucht

Chrischbus

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Traum vom Apfel

Traum vom Apfel

Als Gott sprach, es werde Licht, da ward es Licht. Am ersten Tag.
Am sechsten Tag schuf Gott den Menschen als Mann und Frau. Adam und Eva im Paradies. Bis Eva den Apfel pflückte.
Denn sie hatte davon geträumt. Der Traum vom Apfel.
Es gab einen Garten mit Apfelbäumen, und das war Traum, denn es gibt keinen Garten mit Apfelbäumen.
Es gab auch einen Garten mit Birnenbäumen und einen mit einer Schaukel zwischen Rosensträuchern, die blühten. Das war Traum.
Es gab einen Garten, dessen Existenz erahnbar war, dessen Luft zwischen öden Maschinen hing. In dem Rosen wuchsen, die dufteten, nicht wie Parfüm, sondern leicht und weich und manchmal ein bisschen salzig, denn es waren Meeresrosen. Die trinken Salzwasser, wenn sie Durst haben, und wenn sie Münder hätten, würden sie sich von Seetang ernähren.
Meeresrosen sind rot oder rosa, aber mit einem Schimmer von Blau darin. Das ist nicht der Himmel, der sich darin spiegelt. Das ist das Meer, denn die Rosen träumen vom Meer.
Traum der Rosen mit der Möglichkeit des Meeres vor dem Fenster, denn es ist weit und reicht manchmal weiter. Blumen nicken, wenn sie das Wasser sehen. Aber es ist Salzwasser. Die Blumen nicken ein. Nur die Meeresrosen nicht. Sie nicken, wenn sie das Wasser sehen. Das Salzwasser. Sie nicken mit ihren Köpfen und neigen sie zum Trinken. Blühen dann noch röter oder rosaner mit ein bisschen Blau.
Wenn man träumt von Dingen die wären, wären es doch die schönen Dinge.
Wie Evas Traum. Traum vom Apfel.
Denn es ist die Sehnsucht, die träumen lässt. Sehnsucht nach dem Moment.
Wenn das Gewitter in den Wolken liegt, die sich schwül und dick zusammen schieben. Auf-bauende, starke Wolken vor dem Moment des Platzens, vor dem Moment des Passierens, vor dem einen Moment, der nur in sich selbst existiert. Das ist der Moment des Todes. Mo-ment der Sehnsucht.
Als Eva den Apfel pflückte, und ich aufgefressen wurde.
Das war Traum, denn es blieb danach nur ein leerer Raum, aus dem ich verschwunden war. Um den Raum ein leeres Haus. Nur es saß noch im Keller.
Daraus war es gekommen. Gewunden.
Aus dem Himmel fallen gewundene Regentropfen, wenn man sich ganz schnell im Kreis dreht und dann die Regentropfen anguckt. Die winden sich, und Schrauben winden sich in Holz hinein.
Und es hatte sich da hervor gewunden. Durch kleine Schlitze und Ritze. Da wand es sich durch. Die Mauern bröckelten darum, denn es war groß.
So groß, und das hatte gebissen, als ich versucht hatte es zu umarmen.
Das war wo heraus geschlüpft.
Ich habe Larven gesehen im Botanischen Garten, Schmetterlingslarven und irgendwann waren die Schmetterlinge geschlüpft, und so war es auch heraus geschlüpft. Wie die kleinen Tiere oder die Haare unter der Haut. Aber es war größer.
Es blieb auch das weiße Laken, die hellen Blutstropfen der Jungfrau darauf hatte jemand erahnt, waren verwaschen, verblichen. Es war nur das Laken geblieben mit gelblichen Rändern und nichts darauf.
Die ebenso weiße Wand spiegelte sich in dem weißen Laken, nur mit Stuck in den Ecken und wäre es eine Lampe gewesen, aber es war nur eine Birne und das ganze Weiß.
Und es hatte gefressen und gefressen, denn sein Hunger war unersättlich, es hatte so Hunger, und ich war nur ein kleiner Happen gewesen. Und sonst war nichts in dem Raum gewesen.
Es war ein bisschen so wie draußen, wo sich die Mauern hintereinander schoben und ganz hinten saß darauf eine Taube oder eine Möwe oder eine Schwalbe. Die Mauern waren grau mit ein bisschen rot und der Himmel darüber blau mit ein bisschen grün. Einer hat mal gesagt, meeresgrün. Das lag daran, dass die Möwen auf den Mauern sie manchmal verließen, um zum Meer zu fliegen, die Tauben und Schwalben nicht.
Die flogen dann woanders hin, es blieb wieder nichts. Nicht auf den Mauern und nicht im Raum.
Das war eben gleich. Es blieb immer ein bisschen leer.
Denn ich war gefressen worden.
Es war um mich herum geschwappt und in mich eingedrungen. Ich wollte es küssen und dachte, ich wäre zu gierig, denn ich versank in dem Mund und konnte mich an den klitschigen Schleimhäuten nicht halten.
Ich dachte, ich liebte.
Bis es mich fraß, da wusste ich, dass ich liebte.
Ich liebte es.
Und danach blieb nur Leere, daraus war ich verschwunden.
Hatte mich nicht halten können und war versunken. Alles was es gegeben hatte, war versunken. Und es gab auch keine Störgeräusche mehr. Die flatterten manchmal um das Haus, als wollten sie jemanden rufen. Sie wisperten, sie flüsterten. Als ob sie sagen wollten, komm da raus. Sie sagten, komm da raus. Sie riefen mich. Sie schrien nach mir. Das waren Störgeräusche.
Sie versanken, und ich dachte an die weiße, weiche Watte.
Aber das ist wie mit Wolken. Wattegleiche Wolken, und sie sind nur Regen und Tropfen, nass und kalt.
Und in ihm drin, da war es auch keine Watte. Da war es rot, aber ich konnte die Augen nicht öffnen und dachte nur, es wäre rot, denn so hätte sich rot angefühlt. Nämlich so richtig.
Es war ein richtiges Gefühl gefressen zu werden.
Denn nur das Weiße in dem Raum blieb danach, das rote Blut war erahnbar, aber kein Rot sichtbar.
Und es war so gierig gewesen.
Es hatte fressen wollen.
Es war aus dem dunklen Keller in den weißen Stuckraum zu dem weißen Laken, auf dem ich lag, gekommen.
Der Stuck in dem weißen Raum blieb auch zurück. Obwohl der Stuck nur angepappt war. Man durfte nicht zu sehr wackeln, sonst wäre er herunter gefallen.
Als ich es umarmt und geküsst hatte. Als es auf mir lag und zurück küsste mit dem Mund, der zu groß war zum Küssen, denn ich war darin versunken. Hatte mich nicht halten können und war tiefer in dem versunken, was sich so rot angefühlt hatte. Und so wattig. Es war nicht Watte, aber Watte ist etwas Schönes, wie Wolken etwas Schönes sind. Und es war schön.
Denn ich blieb nicht zurück. Mit dem weißen Stuck, der so brüchig war, dem leeren Haus und den Störgeräuschen.
Es war ein Moment. Es war nur ein momenthaftiger Haps gewesen, in dem es mich verschlungen hatte. Da sagte einmal jemand, Momente könnten ewig währen. Aber ich glaube nicht daran. Der Moment vergeht, und er vergeht so schnell, denn er ist kurz und hat gerade erst begonnen.
Nur der Wunsch nach dem ewig währenden Moment existiert, nach allem was nicht Momenthaftigkeit ist, was bleibt. Aber es bleibt nichts. Es bleibt nie etwas. Nur der Wunsch zurück und manchmal eine Hoffnung nach vorne.
Ich wurde aufgefressen, das war der Moment. Der Moment mit dem Wunsch dahin zurück. Nur zurück.
Nach vorne blieb nichts. Denn der Raum war dann weiß und leer, mit den Mauern vor dem Fenster, die leer waren, mit dem Haus um den Raum, das leer war. Es war weiß, alle Farben daraus verblichen. Es war Nichts. Denn ich war aufgefressen worden, verschwunden.
Und nur im Keller saß es noch. Da wartete es. Saugte die Farben aus Allem in das Schwarz, in dem es saß.
Der Moment war vorbei.
Der Moment, in dem sich das Gewitter entladen hatte. Ein Blitz und gleichzeitig Donner, als die nassen Tropfen auf der heißen Haut zersprangen. Der Moment des Todes.
Die Sehnsucht danach. Der Traum vom Apfel.
Aber Sehnsucht kann nur in ihrer Nichterfüllung existieren. In dem Moment ihrer Befriedigung verschwindet die Sehnsucht. Einen Moment lang ist der Moment erreicht. Bis er vergeht.
Erfüllte, zerfallene Sehnsucht.
Nur der Wunsch zurück. Nach dem Wieder und immer Wieder.
Sucht danach. Der Albtraum vom Apfel.
Als Gott die unerfüllbare Sehnsucht schuf und der Apfel am Baum wuchs.
 



 
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