Nachtschattengewächs
Mitglied
Hast du Kinder?
Nein?
Aber du möchtest gerne Kinder haben?
Unbedingt?
Dann habe ich dich ja gerade noch rechtzeitig erwischt – weißt du was? Setz dich einen Moment hin, lass den Eisprung Eisprung sein und wir wollen uns ein wenig unterhalten, ja? Es gibt eine ganze Menge Dinge, die du wissen solltest, bevor du schwanger wirst und Kinder in die Welt setzt.
Zuallererst wollen wir mal mit ein paar Gerüchten aufräumen, die vielleicht auch in dir das Bedürfnis nach eigenen Kindern geweckt haben:
Kinder sind für jede Frau die ultimative Erfüllung. – FALSCH!
Unter all den Müttern, mit denen ich gesprochen habe, sind genau zwei, die sich erfüllt fühlen – und dort hätte es auch eine Katze oder eine Orchideenzucht getan. Leider sind die Frauen derart rachsüchtig, dass sie dieses Ammenmärchen hartnäckig von einer Generation zur nächsten kolportieren – um dann voller Schadenfreude zu beobachten, wie es die anderen trifft...
Kinder sind eine Bereicherung. - FALSCH!
Hierbei handelt es sich eigentlich weniger um ein Gerücht denn um eine Utopie – genährt durch die wenigen Momente der Bestätigung, die man erfährt, bis die Blagen endlich aus dem Haus sind. Jahrelang wird einem vorgegaukelt, man hätte dann wieder ein eigenes Leben – leider haben die meisten Mütter bis dahin vergessen, was sie eigentlich damit anfangen wollten...
Kinder machen aus einer guten Beziehung eine Familie. – FALSCH!
Was dich erwartet, ist ein Zusammenleben mit jemandem, mit dem du über lange Zeit hinweg nicht einmal dann Sex haben wirst, wenn keine Fußballsaison ist – aber daran wirst du dich schon in der Schwangerschaft gewöhnt haben...
Kinder bringen das Beste in ihren Eltern zum Vorschein. – FALSCH!
Wenn du mal einen Mittdreißiger gesehen hast, der Vater geworden ist und plötzlich selber zum Baby mutiert, solltest du das nicht auf die leichte Schulter nehmen! Du musst dir von Anfang an der Tatsache bewusst sein, dass du immer ein Kind mehr versorgst, als du selbst zur Welt gebracht hast...
Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. – FALSCH!
Bitte vergiss nie, dass DEINE Erziehung maßgeblich daran beteiligt ist, aus deinen Kindern geistig gesunde Erwachsene zu machen. Geh also in dich und erforsche das, was du an die nächste Generation weiterzugeben hast – denn mit Sicherheit musst du dir später sagen lassen, es wäre deine Schuld gewesen...
Ja – jetzt lachst du noch! Du bist fest davon überzeugt, dass dir das alles niemals passieren wird. Aber vergiss nicht: Gerade das ist ja der Trick dabei!
Keine von uns hat ernsthaft geglaubt, dass sie jemals so enden würde.
Natürlich hast du in deinem Freundes- und Bekanntenkreis eine Menge Mütter – wir alle haben das. Und wenn wir Ihnen zusehen, wie sie mit den kleinen Sonnenscheinchen umgehen und ihnen zuhören, wenn sie uns von ihrem Mutterglück vorschwärmen, dann fühlen wir einen neidischen kleinen Stich in der Magengegend. Selbst ich, die ich die schonungslose Wahrheit kenne, bin davor nicht gefeit. Jedes Mal, wenn eine meiner Freundinnen endlich entbunden hat, stehe ich fassungslos und völlig überwältigt vor jenem winzigen Bündel, das in seiner Wirkung heimtückischer und gefährlicher ist als jede Waffe oder Krankheit, die wir kennen – dem Baby. Jedes Mal spüre ich diesen alles überflutenden Beschützerinstinkt in mir aufwallen, obwohl ich ganz genau weiß, dass dieses Kind im zarten Alter von drei Tagen seine Umwelt besser im Griff hat als es jemals umgekehrt der Fall sein wird.
Und jedes Mal, wenn ich es dann endlich schaffe, mich abzuwenden und die visuelle Verführung dieser vorgegaukelten Hilflosigkeit ihre Wirkung langsam verliert, durchrieselt mich ein Schauer der Erleichterung: Mit mir nicht mehr!
Denn der Entbindung geht in jedem Falle eine Schwangerschaft voraus, angeblich die schönste Zeit im Leben einer Frau. Meistens stimmt das ja auch – wenigstens beim ersten Kind ... immerhin ist dir da noch nicht klar, was überhaupt auf dich zukommt.
Alles ist neu, die Veränderungen im eigenen Körper anstrengend genug und es gibt wahnsinnig viel zu tun: Du musst erst mal alle über das bevorstehende freudige Ereignis informieren, deren Jubel über dich ergehen lassen, deinem Mann dabei zusehen, wie er die Kosten durchrechnet und ihn dann trösten, weil er sich das neue Auto doch nicht kaufen können wird. (An dieser Stelle empfiehlt es sich erfahrungsgemäß, auf das breitgefächerte Unterhaltungsprogramm hinzuweisen, das ein Baby so mit sich bringt.)
Anschließend beginnt die Suche nach dem richtigen Frauenarzt, was sich allein schon zu einer Odyssee auswachsen kann, weil Gynäkologen unverschämterweise dazu neigen, eine Schwangerschaft als etwas völlig Alltägliches zu betrachten – und in deinem Fall trifft das schließlich ganz und gar nicht zu!
Abgesehen davon ist die Arztwahl einer der Punkte, in denen sich meist eine ganze Reihe von weiblichen Angehörigen berufen fühlen, ihre eigenen und zugetragenen Erfahrungen und Urteile mit dir zu teilen – was die Sache auch nicht gerade erleichtert.
Durchschnittlich gesehen beginnt dann so im dritten Monat das Studium von diversen Büchern und „Fachzeitschriften“, um dich erst mal grundlegend darüber zu informieren,
was Ärzte im Allgemeinen so alles falsch machen können,
was du im Allgemeinen so alles falsch machen kannst,
was du im Besonderen so alles falsch machen kannst (wie z. B. aus falscher Sparsamkeit nicht jeden Schrott zu kaufen, der dir als unverzichtbar propagiert wird),
was Väter und Großeltern im Allgemeinen so alles falsch machen können,
was für entsetzlichen Sicherheitsrisiken dein Kind ausgesetzt sein wird, wenn es erst mal da ist
was für entsetzlichen Sicherheitsrisiken dein Kind ausgesetzt ist, solange es noch in dir ist
und wie unglaublich schwierig es sein wird, die richtige Nahrung, den richtigen Weichspüler und die richtigen Windeln auszusuchen.
Es ist anzunehmen, dass du spätestens zu diesem Zeitpunkt die erste Bekanntschaft mit etwas schließen wirst, das dich noch über lange Monate begleiten wird: der PANIK.
Also überwinde dich und schließe deinen neuen Weggefährten symbolisch in die Arme – unter Umständen werdet ihr für Jahre unzertrennlich sein!
Die nächste Hürde, die Mutter Natur boshafterweise zwischen dich und dein Mutterglück gestellt hat, ist nämlich der allseits bekannte und beliebte Nestbautrieb.
Effektiv bedeutet das, du wirst erstmal Farbmuster besorgen und studieren, Teppiche, Vorhänge, Möbel, Bettwäsche, Lampen und allen möglichen unsinnigen Kleinkram in sämtlichen verfügbaren Läden und Katalogen vergleichen, alles wieder über den Haufen schmeißen, Albträume von Bärchen und Feen haben, während die gesamte Familie den Kopf schüttelt und die Hände ringt und dann über deinen Kopf hinweg einfach kauft, was sie schön und praktisch findet.
Im nächsten Schritt wirst du bis zur völligen Erschöpfung streichen, tapezieren, Boden verlegen, Möbel aufbauen und so lange umstellen, bis du den Eindruck hast, das künftige Kinderzimmer wäre nur noch halb so groß.
Und grade weil in deinem entkräfteten Zustand auch deine Widerstandsfähigkeit nachlässt, bist du hilfloses Opfer, wenn die letzte Phase eintritt: die Geburtsvorbereitung.
Also schleppt man dich zur Schwangerschaftsgymnastik, zum Infoabend für die Unterwassergeburt, zum Fachvortrag über Beziehungsrettung werdender Eltern, in den Erste-Hilfe-am-Kleinkind-Kurs … die Grenzen definieren sich über das Angebot in deiner Stadt und die perverse Kreativität deiner Angehörigen.
Das Schöne daran ist, dass all diese Kurse ihren Zweck hervorragend erfüllen: nämlich dir mal so richtig bewusst zu machen, wie groß die Verantwortung eigentlich ist und wie wenig du bereit und in der Lage bist, sie wirklich zu übernehmen.
Dieses Gefühl wird immer schlimmer, je näher der Entbindungstermin rückt; die Angst vor Schmerzen kommt hinzu, schlafen kannst du sowieso längst nicht mehr richtig, dein Körper spielt dir – vorzugsweise in Gesellschaft – übel riechende Streiche, dein Gedächtnis neigt dazu, jeglichen jemals vorhanden gewesenen Nicht-Schwangerschafts-Zustand vehement zu negieren …
Alles in allem also optimale Voraussetzungen, (nach läppischen 18 bis 36 Stunden mörderischer Wehen) den lang ersehnten neuen Erdenbürger freudig in die Arme zu schließen!
Natürlich ist es jedes Mal ein beeindruckendes Schauspiel, die frischgebackenen Mütter in ihrem Stolz leuchten zu sehen: Seht her, ich habe es gewagt! Ich bin im Angesicht eures Elends immer noch überzeugt, es besser zu machen! Mir wird all das nichts anhaben können, was euch bedrückt – ich werde die beste Mutter der Welt sein!
Leider ist diese Euphorie nur eine Folge ungehemmter Hormonschwankungen und sie hält auch nicht lange an, es sei denn, man ist mit einem Psychiater verheiratet, der in der Lage ist, diesen Zustand künstlich aufrechtzuerhalten. Statt dessen wird sie binnen kürzester Zeit verschüttet und erstickt von Ehemännern und sonstigen Kindesvätern, funkelnagelneuen Großeltern, Tanten und Onkeln, Freundinnen und Bekannten mit oder ohne Kindern, Ärzten, Hebammen, Beamten und anderen wildfremden Leuten, die aus unerfindlichen Gründen immer alles besser wissen.
Denn sobald der lang ersehnte Nachwuchs das Licht der Welt erblickt hat, verlierst du als Mutter sofort alle Rechte auf Intimsphäre, eigene Bedürfnisse und jeglichen Schlaf. Die ganzen Monate der Schwangerschaft wirst du geschont und umsorgt, stehst ständig und überall im Mittelpunkt und kannst dir sämtliche Launen und Gelüste erlauben, liegst zum krönenden Abschluss stunden-, wenn nicht tagelang in den Wehen – und dann existierst du praktisch nicht mehr.
Für jede Frau ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn ihr klar wird, dass sie eigentlich nur noch dem Zweck dient, ein Kind zu versorgen – und dabei wird ihr noch beständig die eigene Unfähigkeit vor Augen geführt. Sie ist plötzlich für alles verantwortlich – Nahrung, Wärme, Hygiene, Gesundheit, Wohlbefinden – und muss sich obendrein für jede Winzigkeit rechtfertigen.
Mal im Ernst – der einzige hierzulande, der zumindest theoretisch eine ähnliche Verantwortung trägt, ist ein/e Bundeskanzler/in - und der wird erheblich besser bezahlt. Außerdem hat er wenigstens mal Urlaub.
Und dann kommt ja noch die Still-Geschichte…
Im Krankenhaus lernte ich die junge Frau aus dem Nebenbett kennen, die gerade von einer kleinen Susanne entbunden worden war. Ihr Name war Martina. Es tat geradezu körperlich weh, ihr dabei zuzusehen, wie sie krampfhaft versuchte, in ihrer Angst glücklich zu wirken.
Martinas Problem war, dass sie keine Milch hatte – und alle ihre sadistischen Mütter-Freundinnen ihr erzählt hatten, sie hätten sofort gestillt und dabei das größte erdenkliche Glück gefunden. Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass es bei ihr vielleicht nicht klappen könnte.
In unserem Zimmer ging es zu wie früher auf dem Jahrmarkt – sämtliche frischgebackenen Großmütter und Tanten überschütteten die arme Frau mit Vorwürfen und Ratschlägen. Jedes Zufüttern der Kinderschwestern war ein Verbrechen, das sie am eigenen Kind verübte! Immer wieder wurde ihr Susanne an die schmerzende Brust gelegt, sie wurde mitten in der Nacht aus ihren wohlverdienten rabenmütterlichen Albträumen gerissen, um Quarkwickel und Stilltee über sich ergehen zu lassen. Das ekelhafte Surren der elektrischen Milchpumpe begleitete uns Tag und Nacht – alles vergebens. Martina war völlig verzweifelt. Wieder und immer wieder quälte sie sich mit der Frage, was sie denn falsch machte – dabei war sie einfach nur total verspannt.
Es kam so weit, dass Martina am liebsten gar nicht mit dem Kind nach Hause wollte. Tag um Tag versuchte sie einen Grund zu finden, dass sie im Krankenhaus bleiben durfte, wo sie die Unterstützung der Hebammen und Kinderschwestern hatte. Ihre Auftritte bei der täglichen Visite waren wirklich bühnenreif. Nachdem ich ja ihre Familie schon kennen lernen durfte, konnte ich das sehr gut verstehen – nur war es natürlich völlig sinnlos.
Und schließlich stellte sich heraus, dass Martina gar nicht darauf vorbereitet war, nicht zu stillen: Es gab in ihrer Wohnung keine Fläschchen, keine Sauger, keine Babynahrung – nichts außer Brusthütchen und Stillkissen! Dazu kam noch, dass sie praktisch auch niemanden darum bitten konnte, den Krempel mal eben zu besorgen, weil alle von ihr erwarteten, dass dieser Aufwand nicht nötig sein und sie gefälligst ihrer obersten Mutterpflicht nachkommen würde.
Ich selbst hatte schon während der Schwangerschaft gewusst, dass ich nicht stillen wollte – sozusagen instinktiv. (Das schlechte Gewissen deswegen wurde mir erst viel später eingeimpft.) Also versuchte ich ihr klar zu machen, dass Stillen oder Nichtstillen keine lebenswichtige Entscheidung für ihr Kind bedeuten würde – Füttern oder Nichtfüttern jedoch schon.
Folglich bekam Martina ihren ersten postnatalen Anfall von Hysterie und schickte die ganze Bagage zum Einkaufen. Ich bin sicher, dass sie eine wunderbare Mutter geworden ist – allerdings bin ich ebenso sicher, dass die liebe Susanne ein Einzelkind geblieben ist...
Eine Theorie allerdings gibt es doch, von der ich inzwischen überzeugt bin: Schwangerschaften töten Gehirnzellen ab. Wie ließe es sich sonst erklären, dass eine Frau, die vor ein paar Wochen entbunden hat, völlig erschöpft und aus der Bahn geworfen, todmüde, vom zugehörigen Kindesvater als absolut „unfuckable“ abgetan – schließlich ist sie jetzt Mutter - und körperlich ziemlich mitgenommen, schon von der nächsten Schwangerschaft träumt? Erzeugt der weibliche Körper irgendeine realitätsverändernde Droge? Und wenn ja, warum muss diese Droge solch weit reichende Nebenwirkungen haben? Würde es nicht genügen, mit dieser Droge die vorhandene Menschheit für uns etwas erträglicher zu machen anstatt uns zu zwingen, ihr noch ein weiteres Mitglied hinzuzufügen?
Nein?
Aber du möchtest gerne Kinder haben?
Unbedingt?
Dann habe ich dich ja gerade noch rechtzeitig erwischt – weißt du was? Setz dich einen Moment hin, lass den Eisprung Eisprung sein und wir wollen uns ein wenig unterhalten, ja? Es gibt eine ganze Menge Dinge, die du wissen solltest, bevor du schwanger wirst und Kinder in die Welt setzt.
Zuallererst wollen wir mal mit ein paar Gerüchten aufräumen, die vielleicht auch in dir das Bedürfnis nach eigenen Kindern geweckt haben:
Kinder sind für jede Frau die ultimative Erfüllung. – FALSCH!
Unter all den Müttern, mit denen ich gesprochen habe, sind genau zwei, die sich erfüllt fühlen – und dort hätte es auch eine Katze oder eine Orchideenzucht getan. Leider sind die Frauen derart rachsüchtig, dass sie dieses Ammenmärchen hartnäckig von einer Generation zur nächsten kolportieren – um dann voller Schadenfreude zu beobachten, wie es die anderen trifft...
Kinder sind eine Bereicherung. - FALSCH!
Hierbei handelt es sich eigentlich weniger um ein Gerücht denn um eine Utopie – genährt durch die wenigen Momente der Bestätigung, die man erfährt, bis die Blagen endlich aus dem Haus sind. Jahrelang wird einem vorgegaukelt, man hätte dann wieder ein eigenes Leben – leider haben die meisten Mütter bis dahin vergessen, was sie eigentlich damit anfangen wollten...
Kinder machen aus einer guten Beziehung eine Familie. – FALSCH!
Was dich erwartet, ist ein Zusammenleben mit jemandem, mit dem du über lange Zeit hinweg nicht einmal dann Sex haben wirst, wenn keine Fußballsaison ist – aber daran wirst du dich schon in der Schwangerschaft gewöhnt haben...
Kinder bringen das Beste in ihren Eltern zum Vorschein. – FALSCH!
Wenn du mal einen Mittdreißiger gesehen hast, der Vater geworden ist und plötzlich selber zum Baby mutiert, solltest du das nicht auf die leichte Schulter nehmen! Du musst dir von Anfang an der Tatsache bewusst sein, dass du immer ein Kind mehr versorgst, als du selbst zur Welt gebracht hast...
Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. – FALSCH!
Bitte vergiss nie, dass DEINE Erziehung maßgeblich daran beteiligt ist, aus deinen Kindern geistig gesunde Erwachsene zu machen. Geh also in dich und erforsche das, was du an die nächste Generation weiterzugeben hast – denn mit Sicherheit musst du dir später sagen lassen, es wäre deine Schuld gewesen...
Ja – jetzt lachst du noch! Du bist fest davon überzeugt, dass dir das alles niemals passieren wird. Aber vergiss nicht: Gerade das ist ja der Trick dabei!
Keine von uns hat ernsthaft geglaubt, dass sie jemals so enden würde.
Natürlich hast du in deinem Freundes- und Bekanntenkreis eine Menge Mütter – wir alle haben das. Und wenn wir Ihnen zusehen, wie sie mit den kleinen Sonnenscheinchen umgehen und ihnen zuhören, wenn sie uns von ihrem Mutterglück vorschwärmen, dann fühlen wir einen neidischen kleinen Stich in der Magengegend. Selbst ich, die ich die schonungslose Wahrheit kenne, bin davor nicht gefeit. Jedes Mal, wenn eine meiner Freundinnen endlich entbunden hat, stehe ich fassungslos und völlig überwältigt vor jenem winzigen Bündel, das in seiner Wirkung heimtückischer und gefährlicher ist als jede Waffe oder Krankheit, die wir kennen – dem Baby. Jedes Mal spüre ich diesen alles überflutenden Beschützerinstinkt in mir aufwallen, obwohl ich ganz genau weiß, dass dieses Kind im zarten Alter von drei Tagen seine Umwelt besser im Griff hat als es jemals umgekehrt der Fall sein wird.
Und jedes Mal, wenn ich es dann endlich schaffe, mich abzuwenden und die visuelle Verführung dieser vorgegaukelten Hilflosigkeit ihre Wirkung langsam verliert, durchrieselt mich ein Schauer der Erleichterung: Mit mir nicht mehr!
Denn der Entbindung geht in jedem Falle eine Schwangerschaft voraus, angeblich die schönste Zeit im Leben einer Frau. Meistens stimmt das ja auch – wenigstens beim ersten Kind ... immerhin ist dir da noch nicht klar, was überhaupt auf dich zukommt.
Alles ist neu, die Veränderungen im eigenen Körper anstrengend genug und es gibt wahnsinnig viel zu tun: Du musst erst mal alle über das bevorstehende freudige Ereignis informieren, deren Jubel über dich ergehen lassen, deinem Mann dabei zusehen, wie er die Kosten durchrechnet und ihn dann trösten, weil er sich das neue Auto doch nicht kaufen können wird. (An dieser Stelle empfiehlt es sich erfahrungsgemäß, auf das breitgefächerte Unterhaltungsprogramm hinzuweisen, das ein Baby so mit sich bringt.)
Anschließend beginnt die Suche nach dem richtigen Frauenarzt, was sich allein schon zu einer Odyssee auswachsen kann, weil Gynäkologen unverschämterweise dazu neigen, eine Schwangerschaft als etwas völlig Alltägliches zu betrachten – und in deinem Fall trifft das schließlich ganz und gar nicht zu!
Abgesehen davon ist die Arztwahl einer der Punkte, in denen sich meist eine ganze Reihe von weiblichen Angehörigen berufen fühlen, ihre eigenen und zugetragenen Erfahrungen und Urteile mit dir zu teilen – was die Sache auch nicht gerade erleichtert.
Durchschnittlich gesehen beginnt dann so im dritten Monat das Studium von diversen Büchern und „Fachzeitschriften“, um dich erst mal grundlegend darüber zu informieren,
was Ärzte im Allgemeinen so alles falsch machen können,
was du im Allgemeinen so alles falsch machen kannst,
was du im Besonderen so alles falsch machen kannst (wie z. B. aus falscher Sparsamkeit nicht jeden Schrott zu kaufen, der dir als unverzichtbar propagiert wird),
was Väter und Großeltern im Allgemeinen so alles falsch machen können,
was für entsetzlichen Sicherheitsrisiken dein Kind ausgesetzt sein wird, wenn es erst mal da ist
was für entsetzlichen Sicherheitsrisiken dein Kind ausgesetzt ist, solange es noch in dir ist
und wie unglaublich schwierig es sein wird, die richtige Nahrung, den richtigen Weichspüler und die richtigen Windeln auszusuchen.
Es ist anzunehmen, dass du spätestens zu diesem Zeitpunkt die erste Bekanntschaft mit etwas schließen wirst, das dich noch über lange Monate begleiten wird: der PANIK.
Also überwinde dich und schließe deinen neuen Weggefährten symbolisch in die Arme – unter Umständen werdet ihr für Jahre unzertrennlich sein!
Die nächste Hürde, die Mutter Natur boshafterweise zwischen dich und dein Mutterglück gestellt hat, ist nämlich der allseits bekannte und beliebte Nestbautrieb.
Effektiv bedeutet das, du wirst erstmal Farbmuster besorgen und studieren, Teppiche, Vorhänge, Möbel, Bettwäsche, Lampen und allen möglichen unsinnigen Kleinkram in sämtlichen verfügbaren Läden und Katalogen vergleichen, alles wieder über den Haufen schmeißen, Albträume von Bärchen und Feen haben, während die gesamte Familie den Kopf schüttelt und die Hände ringt und dann über deinen Kopf hinweg einfach kauft, was sie schön und praktisch findet.
Im nächsten Schritt wirst du bis zur völligen Erschöpfung streichen, tapezieren, Boden verlegen, Möbel aufbauen und so lange umstellen, bis du den Eindruck hast, das künftige Kinderzimmer wäre nur noch halb so groß.
Und grade weil in deinem entkräfteten Zustand auch deine Widerstandsfähigkeit nachlässt, bist du hilfloses Opfer, wenn die letzte Phase eintritt: die Geburtsvorbereitung.
Also schleppt man dich zur Schwangerschaftsgymnastik, zum Infoabend für die Unterwassergeburt, zum Fachvortrag über Beziehungsrettung werdender Eltern, in den Erste-Hilfe-am-Kleinkind-Kurs … die Grenzen definieren sich über das Angebot in deiner Stadt und die perverse Kreativität deiner Angehörigen.
Das Schöne daran ist, dass all diese Kurse ihren Zweck hervorragend erfüllen: nämlich dir mal so richtig bewusst zu machen, wie groß die Verantwortung eigentlich ist und wie wenig du bereit und in der Lage bist, sie wirklich zu übernehmen.
Dieses Gefühl wird immer schlimmer, je näher der Entbindungstermin rückt; die Angst vor Schmerzen kommt hinzu, schlafen kannst du sowieso längst nicht mehr richtig, dein Körper spielt dir – vorzugsweise in Gesellschaft – übel riechende Streiche, dein Gedächtnis neigt dazu, jeglichen jemals vorhanden gewesenen Nicht-Schwangerschafts-Zustand vehement zu negieren …
Alles in allem also optimale Voraussetzungen, (nach läppischen 18 bis 36 Stunden mörderischer Wehen) den lang ersehnten neuen Erdenbürger freudig in die Arme zu schließen!
Natürlich ist es jedes Mal ein beeindruckendes Schauspiel, die frischgebackenen Mütter in ihrem Stolz leuchten zu sehen: Seht her, ich habe es gewagt! Ich bin im Angesicht eures Elends immer noch überzeugt, es besser zu machen! Mir wird all das nichts anhaben können, was euch bedrückt – ich werde die beste Mutter der Welt sein!
Leider ist diese Euphorie nur eine Folge ungehemmter Hormonschwankungen und sie hält auch nicht lange an, es sei denn, man ist mit einem Psychiater verheiratet, der in der Lage ist, diesen Zustand künstlich aufrechtzuerhalten. Statt dessen wird sie binnen kürzester Zeit verschüttet und erstickt von Ehemännern und sonstigen Kindesvätern, funkelnagelneuen Großeltern, Tanten und Onkeln, Freundinnen und Bekannten mit oder ohne Kindern, Ärzten, Hebammen, Beamten und anderen wildfremden Leuten, die aus unerfindlichen Gründen immer alles besser wissen.
Denn sobald der lang ersehnte Nachwuchs das Licht der Welt erblickt hat, verlierst du als Mutter sofort alle Rechte auf Intimsphäre, eigene Bedürfnisse und jeglichen Schlaf. Die ganzen Monate der Schwangerschaft wirst du geschont und umsorgt, stehst ständig und überall im Mittelpunkt und kannst dir sämtliche Launen und Gelüste erlauben, liegst zum krönenden Abschluss stunden-, wenn nicht tagelang in den Wehen – und dann existierst du praktisch nicht mehr.
Für jede Frau ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn ihr klar wird, dass sie eigentlich nur noch dem Zweck dient, ein Kind zu versorgen – und dabei wird ihr noch beständig die eigene Unfähigkeit vor Augen geführt. Sie ist plötzlich für alles verantwortlich – Nahrung, Wärme, Hygiene, Gesundheit, Wohlbefinden – und muss sich obendrein für jede Winzigkeit rechtfertigen.
Mal im Ernst – der einzige hierzulande, der zumindest theoretisch eine ähnliche Verantwortung trägt, ist ein/e Bundeskanzler/in - und der wird erheblich besser bezahlt. Außerdem hat er wenigstens mal Urlaub.
Und dann kommt ja noch die Still-Geschichte…
Im Krankenhaus lernte ich die junge Frau aus dem Nebenbett kennen, die gerade von einer kleinen Susanne entbunden worden war. Ihr Name war Martina. Es tat geradezu körperlich weh, ihr dabei zuzusehen, wie sie krampfhaft versuchte, in ihrer Angst glücklich zu wirken.
Martinas Problem war, dass sie keine Milch hatte – und alle ihre sadistischen Mütter-Freundinnen ihr erzählt hatten, sie hätten sofort gestillt und dabei das größte erdenkliche Glück gefunden. Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass es bei ihr vielleicht nicht klappen könnte.
In unserem Zimmer ging es zu wie früher auf dem Jahrmarkt – sämtliche frischgebackenen Großmütter und Tanten überschütteten die arme Frau mit Vorwürfen und Ratschlägen. Jedes Zufüttern der Kinderschwestern war ein Verbrechen, das sie am eigenen Kind verübte! Immer wieder wurde ihr Susanne an die schmerzende Brust gelegt, sie wurde mitten in der Nacht aus ihren wohlverdienten rabenmütterlichen Albträumen gerissen, um Quarkwickel und Stilltee über sich ergehen zu lassen. Das ekelhafte Surren der elektrischen Milchpumpe begleitete uns Tag und Nacht – alles vergebens. Martina war völlig verzweifelt. Wieder und immer wieder quälte sie sich mit der Frage, was sie denn falsch machte – dabei war sie einfach nur total verspannt.
Es kam so weit, dass Martina am liebsten gar nicht mit dem Kind nach Hause wollte. Tag um Tag versuchte sie einen Grund zu finden, dass sie im Krankenhaus bleiben durfte, wo sie die Unterstützung der Hebammen und Kinderschwestern hatte. Ihre Auftritte bei der täglichen Visite waren wirklich bühnenreif. Nachdem ich ja ihre Familie schon kennen lernen durfte, konnte ich das sehr gut verstehen – nur war es natürlich völlig sinnlos.
Und schließlich stellte sich heraus, dass Martina gar nicht darauf vorbereitet war, nicht zu stillen: Es gab in ihrer Wohnung keine Fläschchen, keine Sauger, keine Babynahrung – nichts außer Brusthütchen und Stillkissen! Dazu kam noch, dass sie praktisch auch niemanden darum bitten konnte, den Krempel mal eben zu besorgen, weil alle von ihr erwarteten, dass dieser Aufwand nicht nötig sein und sie gefälligst ihrer obersten Mutterpflicht nachkommen würde.
Ich selbst hatte schon während der Schwangerschaft gewusst, dass ich nicht stillen wollte – sozusagen instinktiv. (Das schlechte Gewissen deswegen wurde mir erst viel später eingeimpft.) Also versuchte ich ihr klar zu machen, dass Stillen oder Nichtstillen keine lebenswichtige Entscheidung für ihr Kind bedeuten würde – Füttern oder Nichtfüttern jedoch schon.
Folglich bekam Martina ihren ersten postnatalen Anfall von Hysterie und schickte die ganze Bagage zum Einkaufen. Ich bin sicher, dass sie eine wunderbare Mutter geworden ist – allerdings bin ich ebenso sicher, dass die liebe Susanne ein Einzelkind geblieben ist...
Eine Theorie allerdings gibt es doch, von der ich inzwischen überzeugt bin: Schwangerschaften töten Gehirnzellen ab. Wie ließe es sich sonst erklären, dass eine Frau, die vor ein paar Wochen entbunden hat, völlig erschöpft und aus der Bahn geworfen, todmüde, vom zugehörigen Kindesvater als absolut „unfuckable“ abgetan – schließlich ist sie jetzt Mutter - und körperlich ziemlich mitgenommen, schon von der nächsten Schwangerschaft träumt? Erzeugt der weibliche Körper irgendeine realitätsverändernde Droge? Und wenn ja, warum muss diese Droge solch weit reichende Nebenwirkungen haben? Würde es nicht genügen, mit dieser Droge die vorhandene Menschheit für uns etwas erträglicher zu machen anstatt uns zu zwingen, ihr noch ein weiteres Mitglied hinzuzufügen?