Sein Wille

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Profatus

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Sein Wille

Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die verstärkte Tür hinter sich. Gemächlich schritt er auf den mächtigen, antiken Schreibtisch zu und legte seine schwere Tasche im Vorbeigehen vorsichtig darauf ab. Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder. Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.

Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie.

»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Arbeit hervor. Er war gespannt darauf, ob sich der Junge seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.

Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Positiv gestimmt begann er nun, die Arbeit von Beginn an zu lesen.

Die Einleitung war viel zu lang. Bereits auf Seite drei fand er den ersten Rechtschreibfehler. Eine der aufgestellten Thesen auf Seite sieben war eindeutig Muzafer Sherif zuzuordnen, was der Student jedoch nicht entsprechend angegeben hatte.

Der Professor spürte die Wut in sich aufsteigen. Mit jeder Zeile, die er las, schien sich seine Stimmung zu verschlechtern. Als er auf Seite elf einen weiteren Rechtschreibfehler entdeckte, nahm er die Unterlagen energisch in beide Hände und schlug sie mehrfach auf die robuste Schreibtischplatte. Erst als seine Fingerknöchel zu schmerzen begannen, hielt er inne. Regungslos und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Das Pochen in den Fingern wurde langsam erträglich, der Puls senkte sich wieder.

Abfällig legte er die Arbeit zurück zu den anderen. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch nachlässig das Blut von den wunden Händen.

Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen. Schon nach wenigen Sekunden sah er das Übertragungsbild der Kamera im Keller auf dem Monitor vor sich.

Einige Minuten lang beobachtete er die Szenerie, ehe er zum Mikrofon griff.

»Hallo Adam«, sagte der Professor und umklammerte dabei erregt das kleine Mikrofon.
Der Mann auf dem Monitor richtete sich auf. Erschrocken blickte er zu allen Seiten.
»Was? Wer ist da?«, rief er ängstlich. Durch die kleinen Lautsprecher klang seine Stimme etwas mechanisch und ziemlich leise.
»Wie geht es dir heute, Adam?«, fragte der Professor einfühlsam.
»Hören sie, hier liegt eine Verwechslung vor. Mein Name ist nicht Adam. Sie haben den Falschen. Lassen sie mich raus!«

Der Professor drehte an einigen Knöpfen, bis ihm der Klang aus den Lautsprechern besser gefiel.

»Und«, fragte er, während er immer noch mit der Armatur beschäftigt war, »wie gefällt dir dein neues Reich?«

Der Mann auf dem Bildschirm schaute irritiert um sich. Sein Blick fiel auf den Kunstrasen, die künstlichen Pflanzen und die blau und weiß gestrichenen Wände. Der Raum hatte keine Fenster und scheinbar auch keine Türen, so dass er sich fragte, wie er überhaupt hier herein gebracht worden war. Er blickte wieder auf die Kamera an der Decke.
»Hören sie mir eigentlich zu? Ich sagte, dass ich nicht dieser Adam bin. Sie haben den Falschen eingesperrt!«

Der Professor lächelte zufrieden.
»Es ist wunderschön, oder? Ein kleines Paradies.«

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Vibrationsalarm seines Handys erzeugte ein störendes und unangenehmes Geräusch. Missmutig schaltete er das Mikrofon aus. Dann wühlte er in der Tasche nach dem Telefon. Eine junge Frauenstimme ertönte am anderen Ende.

»Herr Professor! Schön, dass ich sie erreiche. Ich hoffe, ich störe nicht. Sie hatten mir heute nach der Vorlesung gesagt, ich könnte sie am Nachmittag anrufen. Erinnern sie sich?«

Er fasste sich zerknirscht an die Stirn. Er hatte es vergessen.

»Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Aber leider ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch vertagen.«
»Oh. Ja, verstehe. Schade.«

Die junge Frau klang enttäuscht.

»Wissen sie, ich habe ein paar dringende Fragen zu meiner Hausarbeit. Der Abgabetermin ist bereits in dreizehn Tagen. Ich wäre ihnen unendlich dankbar, wenn wir zeitnah darüber sprechen könnten.«

Der Professor sah nachdenklich auf den Monitor.

»Ich mache ihnen einen Vorschlag: kommen sie doch einfach am Samstag zu mir nach Hause. Dann werde ich für sie Zeit haben. Die Adresse haben sie, richtig?«
»Ja, habe ich. In Ordnung, wunderbar. Vielen Dank. Wann passt es ihnen denn am Samstag?«
»Sagen wir um eins? Oder nein, besser um zwei Uhr.«
»Gut, ich werde da sein. Nochmals besten Dank!«
»Keine Ursache. Dann also bis Samstag, Eve.«
»Elisabeth!«
Der Professor horchte erschrocken auf. »Wie bitte?«
»Elisabeth!«, wiederholte die Frau. »Mein Name ist Elisabeth. Nicht Eve.«
»Ja, natürlich. Elisabeth!«, erwiderte der Professor aufgeregt. »Ich war in Gedanken.«
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
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Hallo Profatus, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

Profatus

Mitglied
Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die verstärkte Tür hinter sich. Gemächlich schritt er auf den mächtigen, antiken Schreibtisch zu und legte seine schwere Tasche im Vorbeigehen vorsichtig darauf ab. Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder. Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.

Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie.

»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Arbeit hervor. Er war gespannt darauf, ob sich der Junge seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.

Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Positiv gestimmt begann er nun, die Arbeit von Beginn an zu lesen.

Die Einleitung war viel zu lang. Bereits auf Seite drei fand er den ersten Rechtschreibfehler. Eine der aufgestellten Thesen auf Seite sieben war eindeutig Muzafer Sherif zuzuordnen, was der Student jedoch nicht entsprechend angegeben hatte.

Der Professor spürte die Wut in sich aufsteigen. Mit jeder Zeile, die er las, schien sich seine Stimmung zu verschlechtern. Als er auf Seite elf einen weiteren Rechtschreibfehler entdeckte, nahm er die Unterlagen energisch in beide Hände und schlug sie mehrfach auf die robuste Schreibtischplatte. Erst als seine Fingerknöchel zu schmerzen begannen, hielt er inne. Regungslos und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Das Pochen in den Fingern wurde langsam erträglich, der Puls senkte sich wieder.

Abfällig legte er die Arbeit zurück zu den anderen. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch nachlässig das Blut von den wunden Händen.

Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen. Schon nach wenigen Sekunden sah er das Übertragungsbild der Kamera im Keller auf dem Monitor vor sich.

Einige Minuten lang beobachtete er die Szenerie, ehe er zum Mikrofon griff.

»Hallo Adam«, sagte der Professor und umklammerte dabei erregt das kleine Mikrofon.
Der Mann auf dem Monitor richtete sich auf. Erschrocken blickte er zu allen Seiten.
»Was? Wer ist da?«, rief er ängstlich. Durch die kleinen Lautsprecher klang seine Stimme etwas mechanisch und ziemlich leise.
»Wie geht es dir heute, Adam?«, fragte der Professor einfühlsam.
»Hören sie, hier liegt eine Verwechslung vor. Mein Name ist nicht Adam. Sie haben den Falschen. Lassen sie mich raus!«

Der Professor drehte an einigen Knöpfen, bis ihm der Klang aus den Lautsprechern besser gefiel.

»Und«, fragte er, während er immer noch mit der Armatur beschäftigt war, »wie gefällt dir dein neues Reich?«

Der Mann auf dem Bildschirm schaute irritiert um sich. Sein Blick fiel auf den Kunstrasen, die künstlichen Pflanzen und die blau und weiß gestrichenen Wände. Der Raum hatte keine Fenster und scheinbar auch keine Türen, so dass er sich fragte, wie er überhaupt hier herein gebracht worden war. Er blickte wieder auf die Kamera an der Decke.
»Hören sie mir eigentlich zu? Ich sagte, dass ich nicht dieser Adam bin. Sie haben den Falschen eingesperrt!«

Der Professor lächelte zufrieden.
»Es ist wunderschön, oder? Ein kleines Paradies.«

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Vibrationsalarm seines Handys erzeugte ein störendes und unangenehmes Geräusch. Missmutig schaltete er das Mikrofon aus. Dann wühlte er in der Tasche nach dem Telefon. Eine junge Frauenstimme ertönte am anderen Ende.

»Herr Professor! Schön, dass ich sie erreiche. Ich hoffe, ich störe nicht. Sie hatten mir heute nach der Vorlesung gesagt, ich könnte sie am Nachmittag anrufen. Erinnern sie sich?«

Er fasste sich zerknirscht an die Stirn. Er hatte es vergessen.

»Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Aber leider ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch vertagen.«
»Oh. Ja, verstehe. Schade.«

Die junge Frau klang enttäuscht.

»Wissen sie, ich habe ein paar dringende Fragen zu meiner Hausarbeit. Der Abgabetermin ist bereits in dreizehn Tagen. Ich wäre ihnen unendlich dankbar, wenn wir zeitnah darüber sprechen könnten.«

Der Professor sah nachdenklich auf den Monitor.

»Ich mache ihnen einen Vorschlag: kommen sie doch einfach am Samstag zu mir nach Hause. Dann werde ich für sie Zeit haben. Die Adresse haben sie, richtig?«
»Ja, habe ich. In Ordnung, wunderbar. Vielen Dank. Wann passt es ihnen denn am Samstag?«
»Sagen wir um eins? Oder nein, besser um zwei Uhr.«
»Gut, ich werde da sein. Nochmals besten Dank!«
»Keine Ursache. Dann also bis Samstag, Eve.«
»Elisabeth!«
Der Professor horchte erschrocken auf. »Wie bitte?«
»Elisabeth!«, wiederholte die Frau. »Mein Name ist Elisabeth. Nicht Eve.«
»Ja, natürlich. Elisabeth!«, erwiderte der Professor aufgeregt. »Ich war in Gedanken.«
 

Profatus

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Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die verstärkte Tür hinter sich. Gemächlich schritt er auf den mächtigen, antiken Schreibtisch zu und legte seine schwere Tasche im Vorbeigehen vorsichtig darauf ab. Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder. Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.

Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie.

»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Arbeit hervor. Er war gespannt darauf, ob sich der Junge seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.

Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Positiv gestimmt begann er nun, die Arbeit von Beginn an zu lesen.

Die Einleitung war viel zu lang. Bereits auf Seite drei fand er den ersten Rechtschreibfehler. Eine der aufgestellten Thesen auf Seite sieben war eindeutig Muzafer Sherif zuzuordnen, was der Student jedoch nicht entsprechend angegeben hatte.

Der Professor spürte die Wut in sich aufsteigen. Mit jeder Zeile, die er las, schien sich seine Stimmung zu verschlechtern. Als er auf Seite elf einen weiteren Rechtschreibfehler entdeckte, nahm er die Unterlagen energisch in beide Hände und schlug sie mehrfach auf die robuste Schreibtischplatte. Erst als seine Fingerknöchel zu schmerzen begannen, hielt er inne. Regungslos und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Das Pochen in den Fingern wurde langsam erträglich, der Puls senkte sich wieder.

Abfällig legte er die Arbeit zurück zu den anderen. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch nachlässig das Blut von den wunden Händen.

Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen. Schon nach wenigen Sekunden sah er das Übertragungsbild der Kamera im Keller auf dem Monitor vor sich.

Einige Minuten lang beobachtete er die Szenerie, ehe er zum Mikrofon griff.

»Hallo Adam«, sagte der Professor und umklammerte dabei erregt das kleine Mikrofon.
Der Mann auf dem Monitor richtete sich auf. Erschrocken blickte er zu allen Seiten.
»Was? Wer ist da?«, rief er ängstlich. Durch die kleinen Lautsprecher klang seine Stimme etwas mechanisch und ziemlich leise.
»Wie geht es dir heute, Adam?«, fragte der Professor einfühlsam.
»Hören sie, hier liegt eine Verwechslung vor. Mein Name ist nicht Adam. Sie haben den Falschen. Lassen sie mich raus!«

Der Professor drehte an einigen Knöpfen, bis ihm der Klang aus den Lautsprechern besser gefiel.

»Und«, fragte er, während er immer noch mit der Armatur beschäftigt war, »wie gefällt dir dein neues Reich?«

Der Mann auf dem Bildschirm schaute irritiert um sich. Sein Blick fiel auf den Kunstrasen, die künstlichen Pflanzen und die blau und weiß gestrichenen Wände. Der Raum hatte keine Fenster und scheinbar auch keine Türen, so dass er sich fragte, wie er überhaupt hier herein gebracht worden war. Er blickte wieder auf die Kamera an der Decke.
»Hören sie mir eigentlich zu? Ich sagte, dass ich nicht dieser Adam bin. Sie haben den Falschen eingesperrt!«

Der Professor lächelte zufrieden.
»Es ist wunderschön, oder? Ein kleines Paradies.«

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Vibrationsalarm seines Handys erzeugte ein störendes und unangenehmes Geräusch. Missmutig schaltete er das Mikrofon aus. Dann wühlte er in der Tasche nach dem Telefon. Eine junge Frauenstimme ertönte am anderen Ende.

»Herr Professor! Schön, dass ich sie erreiche. Ich hoffe, ich störe nicht. Sie hatten mir heute nach der Vorlesung gesagt, ich könnte sie am Nachmittag anrufen. Erinnern sie sich?«

Er fasste sich zerknirscht an die Stirn. Er hatte es vergessen.

»Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Aber leider ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch vertagen.«
»Oh. Ja, verstehe. Schade.«

Die junge Frau klang enttäuscht.

»Wissen sie, ich habe ein paar dringende Fragen zu meiner Hausarbeit. Der Abgabetermin ist bereits in dreizehn Tagen. Ich wäre ihnen unendlich dankbar, wenn wir zeitnah darüber sprechen könnten.«

Der Professor sah nachdenklich auf den Monitor.

»Ich mache ihnen einen Vorschlag: kommen sie doch einfach am Samstag zu mir nach Hause. Dann werde ich für sie Zeit haben. Die Adresse haben sie, richtig?«
»Ja, habe ich. In Ordnung, wunderbar. Vielen Dank. Wann passt es ihnen denn am Samstag?«
»Sagen wir um eins? Oder nein, besser um zwei Uhr.«
»Gut, ich werde da sein. Nochmals besten Dank!«
»Keine Ursache. Dann also bis Samstag, Eve.«
»Elisabeth!«
Der Professor horchte erschrocken auf. »Wie bitte?«
»Elisabeth!«, wiederholte die Frau. »Mein Name ist Elisabeth. Nicht Eve.«
»Ja, natürlich. Elisabeth!«, erwiderte der Professor aufgeregt. »Ich war in Gedanken.«
 

Profatus

Mitglied
Sein Wille

Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die verstärkte Tür hinter sich. Gemächlich schritt er auf den mächtigen, antiken Schreibtisch zu und legte seine schwere Tasche im Vorbeigehen vorsichtig darauf ab. Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder. Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.

Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie.

»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Arbeit hervor. Er war gespannt darauf, ob sich der Junge seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.

Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Positiv gestimmt begann er nun, die Arbeit von Beginn an zu lesen.

Die Einleitung war viel zu lang. Bereits auf Seite drei fand er den ersten Rechtschreibfehler. Eine der aufgestellten Thesen auf Seite sieben war eindeutig Muzafer Sherif zuzuordnen, was der Student jedoch nicht entsprechend angegeben hatte.

Der Professor spürte die Wut in sich aufsteigen. Mit jeder Zeile, die er las, schien sich seine Stimmung zu verschlechtern. Als er auf Seite elf einen weiteren Rechtschreibfehler entdeckte, nahm er die Unterlagen energisch in beide Hände und schlug sie mehrfach auf die robuste Schreibtischplatte. Erst als seine Fingerknöchel zu schmerzen begannen, hielt er inne. Regungslos und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Das Pochen in den Fingern wurde langsam erträglich, der Puls senkte sich wieder.

Abfällig legte er die Arbeit zurück zu den anderen. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch nachlässig das Blut von den wunden Händen.

Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen. Schon nach wenigen Sekunden sah er das Übertragungsbild der Kamera im Keller auf dem Monitor vor sich.

Einige Minuten lang beobachtete er die Szenerie, ehe er zum Mikrofon griff.

»Hallo Adam«, sagte der Professor und umklammerte dabei erregt das kleine Mikrofon.
Der Mann auf dem Monitor richtete sich auf. Erschrocken blickte er zu allen Seiten.
»Was? Wer ist da?«, rief er ängstlich. Durch die kleinen Lautsprecher klang seine Stimme etwas mechanisch und ziemlich leise.
»Wie geht es dir heute, Adam?«, fragte der Professor einfühlsam.
»Hören sie, hier liegt eine Verwechslung vor. Mein Name ist nicht Adam. Sie haben den Falschen. Lassen sie mich raus!«

Der Professor drehte an einigen Knöpfen, bis ihm der Klang aus den Lautsprechern besser gefiel.

»Und«, fragte er, während er immer noch mit der Armatur beschäftigt war, »wie gefällt dir dein neues Reich?«

Der Mann auf dem Bildschirm schaute irritiert um sich. Sein Blick fiel auf den Kunstrasen, die künstlichen Pflanzen und die blau und weiß gestrichenen Wände. Der Raum hatte keine Fenster und scheinbar auch keine Türen, so dass er sich fragte, wie er überhaupt hier herein gebracht worden war. Er blickte wieder auf die Kamera an der Decke.
»Hören sie mir eigentlich zu? Ich sagte, dass ich nicht dieser Adam bin. Sie haben den Falschen eingesperrt!«

Der Professor lächelte zufrieden.
»Es ist wunderschön, oder? Ein kleines Paradies.«

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Vibrationsalarm seines Handys erzeugte ein störendes und unangenehmes Geräusch. Missmutig schaltete er das Mikrofon aus. Dann wühlte er in der Tasche nach dem Telefon. Eine junge Frauenstimme ertönte am anderen Ende.

»Herr Professor! Schön, dass ich sie erreiche. Ich hoffe, ich störe nicht. Sie hatten mir heute nach der Vorlesung gesagt, ich könnte sie am Nachmittag anrufen. Erinnern sie sich?«

Er fasste sich zerknirscht an die Stirn. Er hatte es vergessen.

»Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Aber leider ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch vertagen.«
»Oh. Ja, verstehe. Schade.«

Die junge Frau klang enttäuscht.

»Wissen sie, ich habe ein paar dringende Fragen zu meiner Hausarbeit. Der Abgabetermin ist bereits in dreizehn Tagen. Ich wäre ihnen unendlich dankbar, wenn wir zeitnah darüber sprechen könnten.«

Der Professor sah nachdenklich auf den Monitor.

»Ich mache ihnen einen Vorschlag: kommen sie doch einfach am Samstag zu mir nach Hause. Dann werde ich für sie Zeit haben. Die Adresse haben sie, richtig?«
»Ja, habe ich. In Ordnung, wunderbar. Vielen Dank. Wann passt es ihnen denn am Samstag?«
»Sagen wir um eins? Oder nein, besser um zwei Uhr.«
»Gut, ich werde da sein. Nochmals besten Dank!«
»Keine Ursache. Dann also bis Samstag, Eve.«
»Elisabeth!«
Der Professor horchte erschrocken auf. »Wie bitte?«
»Elisabeth!«, wiederholte die Frau. »Mein Name ist Elisabeth. Nicht Eve.«
»Ja, natürlich. Elisabeth!«, erwiderte der Professor aufgeregt. »Ich war in Gedanken.«
 

Ilona B

Mitglied
Hallo Profatus,
herzlich willkommen bei der Leselupe.
Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Ich fand sie richtig spannend. :)

Nur musste ich erst einmal die Namen (Kernberg, Wirth, Zimbardo, Muzafer Sherif) nachschlagen, um auf das Studienfach Psychologie zu kommen. Was Neues zu lernen ist natürlich nicht schlecht, aber mir wäre es lieber gewesen, es hätte sich aus dem Text ergeben.

Was mir jedoch am meisten fehlt, ist Sinn und Ziel der Entführung von "Adam" und höchstwahrscheinlich "Eve".
Ist da eventuell ein Zusammenhang mit der Arbeit von "Eloy"?
 

Profatus

Mitglied
Hallo Ilona,

vielen Dank für Dein Feedback. Es freut mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat.

Ich selbst mag es bei Geschichten ganz gern, wenn man als Leser ein bisschen gefordert wird. Durch Symbolik, Anspielungen und andere (versteckte) Hinweise. Daher setze ich das auch in vielen meiner Kurzgeschichten um. Es freut mich deshalb auch zu hören, dass Du die Namen nachgeschlagen hast. So stelle ich mir das vor :)
Die genannten Wissenschaftler sollen übrigens nicht nur das Oberthema symbolisieren, sondern gehen noch ein Stück weiter. Es sind alles Psychologen, die sich mit mehr oder weniger erschreckenden Themen befasst haben. So zum Beispiel "Aggression bei Persönlichkeitsstörungen" (Kernberg), "Gewaltverhalten bei Menschen" (Zimbardo), "Narzissmus und Macht" (Wirth).

Apropos Namen: Eloy bedeutet "der Auserwählte". Diese Episode baut die Spannung auf und soll andeuten, dass der Professor bei seiner Arbeit persönliche Ziele bzw. eigenen Interessen verfolgt. Anders gesagt: er nutzt / missbraucht die Macht, die er als Lehrkörper besitzt. Er hat sich einen Studenten herausgepickt, den er bevorzugt behandelt. Darum wird er auch so wütend, als er merkt, dass seine Bemühungen und sein Wohlwollen dem Auserwählten gegenüber scheinbar umsonst waren bzw. nicht gewürdigt werden. Der Wutausbruch wiederum soll ganz im Sinne von "Genie und Wahnsinn" sein zweifelhaftes und labiles Wesen zeigen.

Der Part mit Adam und Eve treibt die Darstellung (Machtmissbrauch, Ego, Wahnsinn) dann auf die Spitze. Der Professor hält sich für nicht viel weniger als Gott persönlich. Im Keller baut er sich seinen eigenen Garten Eden. Adam hat er schon, Eva (englisch: Eve) fehlt noch.

Auch der Name Elisabeth ist nicht zufällig gewählt. Er bedeutet "die Gottgeweihte" und soll zeigen, dass der Professor mit seinem verrückten Plan Erfolg haben wird.

Ich hoffe, diese Erklärungen helfen beim Verständnis weiter. Ich gebe Dir aber Recht, dass ich den Part mit Eloy vielleicht etwas deutlicher (als Vorbote) hätte gestalten können. Möglicherweise wäre auch ein kleiner, direkter Hinweis auf den Fachbereich Psychologie hilfreich gewesen. Allerdings, wie eingangs erwähnt, möchte ich den Leser auch ein bisschen fordern.
In jedem Fall behalte ich Deine Anmerkungen für zukünftige Geschichten im Hinterkopf. Vielen Dank noch mal.

Gruß, Profatus
 
A

aligaga

Gast
Hallo @Profatus,

wer als Schriftsteller dem Leser (hier besser: dem Kritiker) mit
Allerdings, wie eingangs erwähnt, möchte ich den Leser auch ein bisschen fordern.
kommt, sollte hinreichend Substanz dabeihaben, damit der auch begreift, warum und wofür er sich denn anstrengen sollte.

Im Gegensatz zu @Ilona sehe ich hier keine "spannende Geschichte" auf uns zukommen, sondern ein recht umständlich geschriebenes und altmodisch ausstaffiertes Fragement, in dem ein Professor in etwa so agiert wie eine "Spectabilität" aus den vor-68ern des vorigen Jahrhunderts; die Kulisse einem Edgar-Wallace-Film der damaligen Zeit entnommen und die Dialoge in etwa ebenso hölzern.

Sorry, aber eine "Kurzgeschichte" ist das nicht, eher der Ausriss aus einer absehbar faden, längst in hunderterlei Variationen durchgespielten "Herr und Hund"-Nummer, in der meist nicht der Hund oder die Hunderln, sondern das Herrchen ins Gras beißen muss und sein "Werk" in Flammen aufgeht.

Tipp: Alltägliche Allmachtsfantasien und Abhängigkeiten nicht dadurch aufpeppen wollen, dass man tonnenschwere Kulissen mitsamt ihren Fußnoten durch die Gegend rattern lässt, sondern die Abgründe im Trivialen aufzeigen! Plausibel bleiben! Böses Flüstern ist oft zehnmal wirksamer als jeder Theaterdonner ...

Gruß

aligaga
 

Profatus

Mitglied
Hallo aligaga,

vielen Dank für Dein Feedback.

In der Tat habe ich hier versucht, ein bestimmtes Bild, eine bestimmte Stimmung aufzubauen, die meine Hauptperson widerspiegelt. Dazu gehört auch der altmodische Touch, schon alleine um zu zeigen, dass es sich um einen älteren Herren handelt (der im Laufe der Jahre, wahrscheinlich durch die Arbeit, offensichtlich seinen Verstand verloren hat).

Was genau meinst Du mit "umständlich geschrieben"? Das kann ich bestenfalls in Bezug auf die ersten Zeilen nachvollziehen. Aber auch hier ist es bewusst so arrangiert, um das Wesen des Professors zu vermitteln: ordentlich, diszipliniert und irgendwie unangenehm/unsympathisch.

Deine "Herr und Hund"-Anmerkung finde ich amüsant (nicht böse gemeint). Ich möchte aber darauf hinweisen, dass in meiner Geschichte tatsächlich das Herrchen gewinnt ;-)

Deinen Tipp am Ende finde ich sehr gut, sehe ich genauso. Ich werde noch mal darüber nachdenken, wie ich das evtl. besser umsetzen kann.

Schade, dass Dir die Geschichte nicht gefallen hat. Aber danke noch mal für die offene Kritik und die interessante Interpretation.

Gruß, Profatus
 
S

steky

Gast
Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die [strike]verstärkte[/strike] Tür hinter sich.
"Verstärkt" hast du sicher des Bildes wegen gewählt, für den Leser tut es aber eigentlich nichts zur Sache, ob die Türe gelb, blau, oder rot ist.


Gemächlich schritt er auf den mächtigen, antiken Schreibtisch zu und legte seine schwere Tasche im Vorbeigehen vorsichtig darauf ab. Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder.Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.
Der Absatz gefällt mir nicht; er klingt unharmonisch. Fast jeder Satz fängt gleich an. Das klingt ein wenig ... plump.


Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Positiv gestimmt begann er nun, die Arbeit von Beginn an zu lesen.
Dem Absatz fehlt Dichte und Folgerichtigkeit.
Lassen wir den ersten Satz mal stehen. Dann kommen die Namen. Wer sind diese Leute, was haben sie mit Eloy zutun? Warum lächelt er zufrieden? Warum liest er nun "positiv"?


Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen. Schon nach wenigen Sekunden sah er das Übertragungsbild der Kamera im Keller auf dem Monitor vor sich.
Welches Tuch? Woher kommt auf einmal die Kamera? Welcher Keller?


Mich hat diese Geschichte nicht überzeugt, und spannend fand ich sie auch nicht. Ich finde, als Autor kann man mit allen Mittel arbeiten, auch wenn es Klischees sind. Das stört mich nichts. Ich finde, bei dieser Geschhichte fehlt der roten Faden; außerdem bringst du immer wieder neue Elemente ins Spiel, die den Leser irritieren.
LG Steky
 
A

aligaga

Gast
Lieber @Profatus, du schriebst mir
Deine "Herr und Hund"-Anmerkung finde ich amüsant (nicht böse gemeint). Ich möchte aber darauf hinweisen, dass in meiner Geschichte tatsächlich das Herrchen gewinnt ;-)
Leider erkenne ich in deinem Fragment weder eine "Geschichte" noch ein Spiel, das der Herr Professor am Ende gewinnen sollte.
Mit einem dumpfen Räuspern ließ er sich auf den großen, barocken Stuhl nieder. Fast zeitgleich griff er erneut zu der Tasche. Behutsam zog er den Papierstapel heraus und drapierte ihn direkt vor sich. Eilig aber dennoch vorsichtig durchblätterte er die Arbeiten. Dabei achtete er nur auf die Namen am oberen Rand.

Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie.

»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Arbeit hervor. Er war gespannt darauf, ob sich der Junge seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.
ist furchtbar umständlich. Es hätte genügt, zu sagen:

... "Der Prof setzte sich auf den Barockstuhl, zog einen Stapel (Diplom?)Arbeiten aus der Mappe und suchte gespannt nach der von Eloy. Ob der Student seine Hinweise wohl berücksichtigt hatte?" ...

und so weiter im Text. Der Firlefanz, den du um den Herrn Professor drapierst, ist weder literarisch von Wert noch bringt er die lahmende Story auf die Beine.

Daher nochmal der Tipp: nicht blockbustrig dröhnen wollen, sondern schlank schreiben. Das hauchdünne Rasiermesserchen ist das schärfste ...

Gruß

Aligaga
 

Profatus

Mitglied
Hallo Steky,

vielen Dank für Dein Feedback.

Den ersten Absatz habe ich ja schon in der Antwort auf aligaga etwas genauer erklärt. Mir stellt sich gerade die Frage, ob ich die erneute Kritik daran positiv (Stimmung übertragen = Ziel erfüllt) oder negativ werten soll. Ich werde nochmals darüber nachdenken.

Zu Eloy + Literaturverzeichnis: da der auserwählte Student in seiner Hausarbeit passende und offensichtlich richtige Quellen benutzt hat, ist der Professor guter Dinge, dass auch die Arbeit an sich gut sein wird. Außerdem deutet er das als Zeichen dafür, dass sich der Schüler seine Ratschläge (Satz davor) zu Herzen genommen hat.
Die Sachen mit den Namen (Psychologen) habe ich in der Antwort an Ilona beschrieben. Kurz wiederholt: der Leser soll etwas gefordert werden, den Sinn dahinter also allein finden.

Das "rote Tuch" ist das mit Blut getränkte Taschentuch, mit dem er die Wunde an der Hand säubert (2 Sätze vorher).

Hinsichtlich Kamera + Keller habe ich mich, vereinfacht ausgedrückt, einfach nur kurz gefasst. Anstatt möglicherweise umständlich und störend zu erklären, dass der Professor irgendwann in der Vergangenheit eine Kamera in seinem Keller installiert hat, bzw. dass sein Haus überhaupt einen Keller hat, habe ich die jeweiligen Existenzen dieser Dinge durch die einfache Erwähnung erklärt.
Außerdem sehe ich es als stilistisches Mittel. Ich erzähle dem Leser nicht mehr, als er unbedingt wissen muss. Das soll z.B. die Phantasie des Lesers anregen.
Durch die Erzählung wird deutlich, dass der Professor in einem Keller einen Mann eingesperrt hat und dies mit einer Kamera beobachtet. Wo der Keller ist, was das für eine Kamera ist und auch, wer genau dieser Mann sein könnte, ist für die Geschichte und deren Bedeutung unerheblich und wird daher nicht näher erklärt.

Gruß, Profatus
 

Profatus

Mitglied
Hallo noch mal, aligaga!

Leider erkenne ich in deinem Fragment weder eine "Geschichte" noch ein Spiel, das der Herr Professor am Ende gewinnen sollte.
Hier habe ich lediglich anmerken wollen, dass es sich bei meiner Geschichte nicht, wie von Dir im ersten Kommentar angemerkt, um (Zitat) "eine 'Herr und Hund'-Nummer handelt, in der meist (...) das Herrchen ins Gras beißen muss".

Das von Dir aufgeführte Beispiel für eine umständlich geschriebene Textpassage akzeptiere ich. Allerdings, wie schon gesagt, war das an dieser Stelle in gewisser Art und Weise so gewollt. Dein alternativer Textvorschlag klingt natürlich eleganter und einfacher. Aber genau das wollte ich hier eben nicht. Ich sehe aber ein, dass ich es für Deinen Geschmack wohl etwas übertrieben habe.

Danke für Deine Rückmeldung.
Gruß, Profatus
 
A

aligaga

Gast
Ich sehe aber ein, dass ich es für Deinen Geschmack wohl etwas übertrieben habe.
Welchen "Geschmack" ich habe, lieber @Profatus, spielt hier nicht die geringste Rolle.

Deine "Kurzgeschichte" ist, objektiv betrachtet, keine, und das Geschwurbel, das du um die eineinhalb Figuren machst, die darin vorkommen, ist objektiv betrachtet alles andere als eine geschickte Dramaturgie.

Natürlich musst du die Kritk, die du hier bekommst, nicht beherzigen, denn wir sind ja nicht mehr in der Schule, (obwohl du von manchen Noten bekommst). Ich halte von der anonymen Notengeberei nichts, sondern gebe konstruktiver, klarer Kritik den Vorzug, auch wenn sie bei manchen nicht auf fruchtbaren Boden fällt - und nenne das, was daraus dann entsteht, eine "Missernte".

Gruß

aligaga
 
S

steky

Gast
@Profatus
Den ersten Absatz habe ich ja schon in der Antwort auf aligaga etwas genauer erklärt. Mir stellt sich gerade die Frage, ob ich die erneute Kritik daran positiv (Stimmung übertragen = Ziel erfüllt) oder negativ werten soll. Ich werde nochmals darüber nachdenken.
Ich habe die vorigen Kommentare nicht gründlich gelesen, aber ich würde mir das in dem Fall schon zu Herzen nehmen.
Ein Beispiel wäre:
Der Professor betrat sein Arbeitszimmer und verriegelte die Tür hinter sich. Er ging zum Schreibtisch, setzte sich, und durchblätterte eilig, aber dennoch vorsicht die Arbeiten. Er achtete nur auf die Namen am oberen Rand.
(Zwar fangen die Sätze auch immer gleich an, aber es wäre harmonsich, finde ich)
Dann schreibt du: "Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er sie."
Mich irritiert das, da Eloy ein Junge ist. Klar, du meinst die Akte, aber es fehlt der Bezug.


Das "rote Tuch" ist das mit Blut getränkte Taschentuch, mit dem er die Wunde an der Hand säubert (2 Sätze vorher).
Stimmt, habe ich überlesen. Sorry.

Hinsichtlich Kamera + Keller habe ich mich, vereinfacht ausgedrückt, einfach nur kurz gefasst. Anstatt möglicherweise umständlich und störend zu erklären, dass der Professor irgendwann in der Vergangenheit eine Kamera in seinem Keller installiert hat, bzw. dass sein Haus überhaupt einen Keller hat, habe ich die jeweiligen Existenzen dieser Dinge durch die einfache Erwähnung erklärt.
Außerdem sehe ich es als stilistisches Mittel. Ich erzähle dem Leser nicht mehr, als er unbedingt wissen muss. Das soll z.B. die Phantasie des Lesers anregen.
Durch die Erzählung wird deutlich, dass der Professor in einem Keller einen Mann eingesperrt hat und dies mit einer Kamera beobachtet. Wo der Keller ist, was das für eine Kamera ist und auch, wer genau dieser Mann sein könnte, ist für die Geschichte und deren Bedeutung unerheblich und wird daher nicht näher erklärt.
Leider wirkt das für mich ganz anders. Es macht auf mich den Eindruck, als hättest du in der Mitte die Lust am Schreiben verloren und alles, was noch kommen sollte, einfach so hingeworfen. Das wirkt irgendwie skizzenhaft. Würdest du am Anfang nicht so detailiert schreiben, wäre für eine Erklärung - was hast es mit dem Keller auf sich? - genug Platz gewesen.
Das ist zumindest meine Meinung; jeder liest anders.
LG Steky
 

Profatus

Mitglied
Hallo Steky,

klar, kein Problem. Ich nehme jede Kritik auf und mache mir dazu Gedanken.
Ich versuche nur immer gleichzeitig, quasi als Antwort, das Geschriebene zu erklären bzw. meine Gedanken beim Schreiben darzustellen. Das soll aber nicht heißen, dass ich damit die Kritiken entwerten will.

Daher danke für Dein erneutes Feedback. Das hilft auf jeden Fall weiter.

Gruß,
Profatus
 

Vagant

Mitglied
Hallo Profatus, willkommen in der LL.
Auch wenn dir gerade der Wind frontal ins Gesicht zu blasen scheint; ich finde es gut, wie du hier für deine Sachen Stellung beziehst. Nach all den Neueinsteigern, die mal eine Geschichte laden, oft nicht auf Kritik antworten und sich nur selten darum bemühen sich mit den Arbeiten anderer auseinander zu setzten, ist so ein bisschen frischer Wind genau das, was die Rubrik 'Kurzgeschichte' benötigt. In dieser Hinsicht war dein Einstieg optimal.
Zur Geschichte (ich habe schon vor einigen Tagen die Erstversion gelesen) habe ich leider nichts neues für dich, und die hier angemerkten Bedenken noch einmal zu wiederholen bringt dich auch nicht weiter.
Also: Willkommen im Club, Vagant.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Schön, dass es hier eine engagierte Diskussion gibt.
Im ersten Teil des Textes könntest Du locker ein paar Adjektive streichen, im zweiten bitte "Sie" in der Anrede groß schreiben.

Bin auf die weitere Entwicklung gespannt und wünsche Dir noch viel Spaß in der LL.

LG DS
 

Profatus

Mitglied
Hallo Vagant und DocSchneider,

danke für die aufmunternden Worte :)

Ich fand meinen Start hier in der Leselupe auch ziemlich aufregend und werde sicher weiter am Ball bleiben.
Lehrjahre sind ja bekanntermaßen keine Herrenjahre. Und ich möchte noch viel lernen.

In diesem Sinne: weiterhin frohes Schaffen!

LG, Profatus
 

Profatus

Mitglied
Sein Wille (2.0)

Der Professor betrat sein Arbeitszimmer, ließ sich mit einem dumpfen Räuspern auf den barocken Stuhl vor dem Schreibtisch nieder und zog behutsam den Papierstapel aus seiner Tasche. Eilig, sogar ein wenig aufgeregt, durchblätterte er die Zettelsammlung.
Ungefähr in der Mitte des Stapels fand er, wonach er gesucht hatte.

»Eloy«, flüsterte der Professor voller Vorfreude und zog die Hausarbeit hervor.
Dieser Student war ganz nach seinem Geschmack, er hatte die richtigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere. Als renommierter Psychologie-Professor konnte er das mit Sicherheit beurteilen. Der Junge benötigte nur ein paar wegweisende Anstöße. Deshalb war er sehr gespannt darauf, ob sich der Lehrling seine Ratschläge und Hilfeleistungen zu Herzen genommen hatte.

Wie gewohnt fiel sein erster Blick auf das Literaturverzeichnis am Ende. Namen wie Kernberg, Wirth und Zimbardo suchte und fand er dort. Der Professor lächelte zufrieden. Er machte sich nun daran, die Arbeit von Beginn an zu lesen.

Die Einleitung war viel zu lang. Bereits auf Seite drei fand er den ersten Rechtschreibfehler. Eine der aufgestellten Thesen auf Seite sieben war eindeutig Muzafer Sherif zuzuordnen, was der Student jedoch nicht entsprechend angegeben hatte.

Der Professor spürte die Wut in sich aufsteigen. Mit jeder Zeile, die er las, schien sich seine Stimmung zu verschlechtern. Als er auf Seite elf einen weiteren Rechtschreibfehler entdeckte, nahm er die Unterlagen energisch in beide Hände und schlug sie mehrfach auf die robuste Schreibtischplatte. Erst als seine Fingerknöchel zu schmerzen begannen, hielt er inne. Regungslos und mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu beruhigen. Das Pochen in den Fingern wurde langsam erträglich, der Puls senkte sich wieder.

Abfällig legte er die Arbeit zurück zu den anderen. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch nachlässig das Blut von den wunden Händen.

Seine Aufmerksamkeit richtete sich bereits auf die Schrankwand links von ihm. Er ließ das rote Tuch achtlos zu Boden fallen und schritt hinüber zu den dunklen Holztüren, um sie zu öffnen. Die opulente Technik im Inneren brachte er mit geübten Fingern schnell zum Laufen.

Bereits wenige Sekunden später flackerte der Monitor auf. Der Professor lächelte zufrieden. Die Investition in das sehr teure Überwachungssystem hatte sich wahrlich gelohnt, die Kamera lieferte ein qualitativ hochwertiges Bild. Es zeigte den Keller seines Hause, der aber keinerlei Ähnlichkeit mehr mit seinem ursprünglichen Wesen hatte. Für seinen jetzigen Zweck jedoch wirkte er perfekt.

»Hallo Adam«, sagte der Professor und umklammerte dabei erregt das kleine Mikrofon.
Der Mann auf dem Monitor richtete sich auf. Erschrocken blickte er zu allen Seiten.
»Was? Wer ist da?«, rief er ängstlich. Durch die kleinen Lautsprecher klang seine Stimme etwas mechanisch und ziemlich leise.
»Wie geht es Dir heute, Adam?«, fragte der Professor einfühlsam.
»Hören Sie, hier liegt eine Verwechslung vor. Mein Name ist nicht Adam. Sie haben den Falschen. Lassen Sie mich raus!«

Der Professor drehte an einigen Knöpfen, bis ihm der Klang aus den Lautsprechern besser gefiel.

»Und«, fragte er, während er immer noch mit der Armatur beschäftigt war, »wie gefällt Dir Dein neues Reich?«

Der Mann auf dem Bildschirm schaute irritiert um sich. Sein Blick fiel auf den Kunstrasen, die künstlichen Pflanzen und die blau und weiß gestrichenen Wände. Der Raum hatte keine Fenster und scheinbar auch keine Türen, so dass er sich fragte, wie er überhaupt hier herein gebracht worden war. Er blickte wieder auf die Kamera an der Decke.
»Hören Sie mir eigentlich zu? Ich sagte, dass ich nicht dieser Adam bin. Sie haben den Falschen eingesperrt!«

Der Professor lächelte.
»Es ist wunderschön, oder? Ein kleines Paradies.«

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Der Vibrationsalarm seines Handys erzeugte ein störendes und unangenehmes Geräusch. Missmutig schaltete er das Mikrofon aus. Dann wühlte er in der Tasche nach dem Telefon. Eine junge Frauenstimme ertönte am anderen Ende.

»Herr Professor! Schön, dass ich Sie erreiche. Ich hoffe, ich störe nicht. Sie hatten mir heute nach der Vorlesung gesagt, ich könnte Sie am Nachmittag anrufen. Erinnern Sie sich?«

Er fasste sich zerknirscht an die Stirn. Er hatte es vergessen.

»Ja, natürlich. Ich erinnere mich. Aber leider ist mir etwas Wichtiges dazwischen gekommen. Ich fürchte, wir müssen unser Gespräch vertagen.«
»Oh. Ja, verstehe. Schade.«

Die junge Frau klang enttäuscht.

»Wissen Sie, ich habe ein paar dringende Fragen zu meiner Hausarbeit. Der Abgabetermin ist bereits in dreizehn Tagen. Ich wäre Ihnen unendlich dankbar, wenn wir zeitnah darüber sprechen könnten.«

Der Professor sah nachdenklich auf den Monitor.

»Ich mache Ihnen einen Vorschlag: kommen Sie doch einfach am Samstag zu mir nach Hause. Dann werde ich für Sie Zeit haben. Die Adresse haben Sie, richtig?«
»Ja, habe ich. In Ordnung, wunderbar. Vielen Dank. Wann passt es Ihnen denn am Samstag?«
»Sagen wir um eins? Oder nein, besser um zwei Uhr.«
»Gut, ich werde da sein. Nochmals besten Dank!«
»Keine Ursache. Dann also bis Samstag, Eve.«
»Elisabeth!«
Der Professor horchte erschrocken auf. »Wie bitte?«
»Elisabeth!«, wiederholte die Frau. »Mein Name ist Elisabeth. Nicht Eve.«
»Ja, natürlich. Elisabeth!«, erwiderte der Professor aufgeregt. »Ich war in Gedanken.«
 



 
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