Shadow Scan

Nihilix

Mitglied
Ich spürte wieder die Blicke. Seit kurzem merkte ich, dass ich beobachtet wurde. Egal wo ich war, ich fühlte die Gegenwart eines Schattens, einer Präsenz in meinem direkten Umfeld, aber ich sah nichts. Nur einmal sah ich in einiger Entfernung ein Blinken, ein Aufblitzen, wie ein Sonnenlicht, das sich in einer Linse bricht. Ich fragte mich, was es war. Ein Fernglas, eine Brille? Mit der Zeit malte sich ein Bild meines Begleiters vor meinem inneren Auge ab. Ich fantasierte mir etwas, was ich nicht kannte. Ich fühlte mich eigenartiger Weise nicht bedroht, nein, ganz im Gegenteil, ich fühlte mich beschützt. Sogar nachts, wenn ich in meinem Bett erwachte, da ich Durst verspürte, nahm ich die Blicke im Dunkeln wahr, wie sie mich abtasteten, ja fast schon berührten. So nah waren sie.
Meine Intuition muss mir verraten haben, dass es sich um etwas Weibliches handelte. Es wurde mir wider Erwarten nicht unangenehm, dieser scheinbare Scan meines ganzen Ichs. Mit jedem Schritt, den ich tat, mit jedem Atemzug spürte ich diese Wärme, die sowohl entfernt lag und mir doch vertraut erschien, als auch mir so fremd war wie irgend möglich. Das Blinken erschien nicht mehr und doch nahm ich diese fremde Energie, diese weibliche Sphäre in mir wahr, dass es mir wie eine Symbiose erschien. Während des nächtlichen Erwachens suchte ich nach Konturen dieser fiktiven Person, nach Anhaltspunkten ihres Seins, doch stieß ich hier schon an die Grenzen meiner Wahrnehmung.
Ich versuchte Licht, einen hellen Geistesblitz meiner Erinnerung, zu entfachen, doch es wollte mir nicht gelingen. Scheinbar war ich noch nicht soweit, die Barrieren meiner Gefühle, die Mauer des Vergessens, zu überwinden. Wer oder was war dieses Gefühl, der Schatten, dieses unsichtbare Wesen? Was wollte sie, was war ihr Auftrag? Die Dunkelheit umhüllte mich wie ein Schutzwall, ich hatte nun Angst, dass sich das Licht nun entfachen würde. Wovor hatte ich Angst? Vor der Erkenntnis? Davor, dass ich erkannte? Oder vielleicht davor, dass mein Schatten verschwinden würde und ich ihn dann vermisste? Alles Fragen, die, wie ich hoffte, im Laufe der nächsten Tage beantwortet würden.
Ich mied es, mit jemandem darüber zu sprechen, wo sich meine Angst doch jetzt eigentlich verkehrte; ich hatte Angst, dass diese scheinbare Überwachung ein jähes Ende nehmen könnte. Wollte ich nun Kontakt aufnehmen? Würde dies scheitern? Ich nahm mir vor, in die Offensive zu gehen. Nach einem langen Marsch erreichte ich die abgelegene Hütte im Wald, die ich als Jugendlicher immer für geheime und geheimnisvolle Treffen genutzt hatte. Ich dachte, da bliebe mir nichts verschwiegen. Es war so furchteinflößend wie erotisch. Es erregte mich. Aber isolierte mich die Suche, die Akzeptanz der fiktiven Person auch. Mein Körper war erregt wie auch in Alarmbereitschaft und niemand hätte mir geglaubt. Ich erreichte die Hütte, öffnete die Tür, betrat den Raum, der in seinen Maßen nicht sehr groß war. Die Tür verschloss ich wieder hinter mir und stellte mich in die Mitte des dunklen Raumes.
Jetzt hieß es warten.
Es dauerte eine Zeit, da bemerkte ich wieder diese Blicke. Langsam drehte ich mich und starrte in die Dunkelheit. Plötzlich sah ich sie. Ungefähr in einer Höhe von zwei Meter schwebte in der absoluten Finsternis ein Augenpaar. Eine eigenartige Erregung stieg in mir hoch. Ich verspürte weder Furcht noch Freude, es war vielmehr eine vorsichtige Neugier. Die Augen wanderten um mich herum und musterten mich. Mit großer Überraschung nahm ich wahr, das die Farbe der Augen sich ständig änderte. Von kaltem stählernem Blau langsam in wärmere, feurige Farben. So kam es mir vor, dass die Augen, die sicherlich zu einem Wesen gehören mussten, durch die wechselnde Farbe in ihren Pupillen Gefühle preisgab. Augen sind das Fenster in die Seele, dachte ich still in mich hinein.
Ich bemerkte, das die Augen zwingender, ja fast gieriger wurden. Sie wollten etwas. Langsam wurde mir bewusst, dass das Wesen, was sich hinter diesem Paar Augen verbarg, versuchte in meine Gedanken einzudringen. Trotz dieser etwas gefährlich wirkenden Situation, eigentlich für mich auch aussichtslosen Situation, war ich bereit, mich auf einen möglichen Kampf einzulassen. Nein, ich würde nicht so schnell meine Gedanken preisgeben, mich scannen lassen.
Wider Erwarten regte sich dieses Etwas nun und ich blickte in die Dunkelheit, die nun bunte Laserstrahlen sandte, die sich der wechselnden Farbe der Augen anpassten. Ich wurde Quadratzentimeter für Quadratzentimeter gemustert, alles wurde anscheinend registriert und ich konnte mich dem nicht erwehren.
Es war viel mehr Science Fiction, als ich ertragen konnte. Es machte mich mürbe und ich griff in das Dunkel und verfolgte die Augen, die wie polarisiert meinen Händen entgegengesetzt folgten. Ich öffnete meinen Mund und rief einige Worte, ich sah Laserstrahlen in meinen Mund eintauchen und ich fühlte mich so nackt wie nie zuvor. Nach einigen Minuten schien der Scan beendet und ich fast befreit und der Raum wurde heller und ich trat einen weiteren Schritt ins Unbekannte. Ganz langsam schälte sich etwas aus der Dunkelheit hervor und dort, wo vor einigen Sekunden noch die Augen in der Luft hingen, schien mir nun ein grelles helles Licht entgegen. Ich schützte meine Augen, in dem ich meine rechte Hand leicht senkrecht an meine Stirn hielt und ging vorsichtig und blinzelnd weiter. Eine wohlige Wärme kam langsam auf mich zugeweht, ein Wind, wie in einer Wüste.
Meine Augen hatten sich jetzt langsam an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt und ich öffnete sie langsam unter dem Schutz meiner rechten Hand. Etwas Großes und Mächtiges nahm mein Blickfeld ein. Mit offenem Mund starrte ich auf das, was ich dort sah.

Vor mir türmte sich die Statur einer immens hohen Göttin auf, die mich jetzt offensiv mit ihren spektakulären Augen bemusterte, scannte. Ein wenig erinnerte mich die Göttin an Shiva, auch sie hatte mehrere Arme, die sich schlangenartig um ihren Körper bewegten. Einer dieser Arme bewegte sich jetzt durch die Luft windend auf mich zu.
Und ich wusste noch immer nicht, wo ich nun war und wie ich hierhin geraten war. Doch die auf mich zukommenden Arme nahmen all meine Sinne für sich ein. Von etwas Ähnlichem hatte ich schon mal geträumt. Ich spürte auf der gesamten Oberfläche meiner Haut unglaubliche Berührungen, die ich wohl nie wieder vergessen (wollen) würde. Mein Körper geriet in einen Erregungszustand, der mir noch völlig neu war und nun wünschte ich diese unheimliche Begegnung nicht mehr beendet, doch ich spürte – alle zeitliche und räumliche Vorstellung von mir gelöst – dass es dem Ende zuging und die mich stimulierenden Energien nachließen.
Ich spürte noch den Schatten und diese Blicke und doch wurde unsere Verbindung immer schwächer, bis ich schließlich entkräftig und ohnmächtig zu Boden sank. Es hatte zu sehr an mir gezehrt, als dass ich hätte bei Bewusstsein bleiben können und doch war es eine so wundervolle Begegnung gewesen, die mein Verlangen nach einer weiteren nur gesteigert hatte. Ich wachte auf und der Raum in der Hütte um mich herum wurde hell, dass es mich blendete. Mir war total übel und ich kotzte. Noch niemals hatte ich einen so erregenden Höhepunkt erlebt.
Langsam erholte ich mich von meiner kleinen Übelkeitsattacke und bewegte mich vorsichtig ein paar Schritte voran. Die Figur, die mich vor kurzem erst noch so durcheinander gebracht hatte, war verschwunden... doch halt, wieso verschwunden?
Sie hatte sich nur verändert. Vor mir in der Mitte des Raumes saß zusammengekauert mit angezogenen Knien eine nackte und zitternde Gestalt. Zuerst konnte ich nicht sehen, wer diese Gestalt war. Erst als ich noch zwei Schritte auf sie zugegangen war und meine Augen sich an das Licht gewöhnten, erkannte ich, dass es sich wirklich um ein weibliches Geschöpf handelte. Ihre langen schwarzen Haare legten sich schützend um ihren Körper und versteckten auch ihre Knie darunter. Auch anhand der zarten alabasterfarbenen Haut und des exotischen Geruches, der mir aus Ihrer Richtung entgegenströmte, vermochte ich zu sagen, dass es sich um eine weibliche Person handelte. Vorsichtig sprach ich Sie an.
„Hallo!“, rief ich vorsichtig und mit einer nicht allzu lauten Stimme, „Hallo, geht es Ihnen gut?“ Ich sah, wie der Körper der Unbekannten sich langsam spannte, sie langsam Ihren Kopf hob und in meine Richtung drehte. Die langen schwarzen Haare, die im Schein des Lichtes einen leichten blauen Schimmer hatten, bewegten sich schlängelnd (oder meinte ich nur, dass sie sich so bewegten?) nach hinten und gaben die Sicht auf den Kopf frei. Ich starrte in das Antlitz einer Frau, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Noch immer wechselten ihre Augen die Farben. Es war wunderschön.
Nun schauten mich ihre Augen an. Ich war perplex. Es waren definitiv die Augen, die mich im Dunkel verwirrt hatten und mich doch sicher haben fühlen lassen. Nein, vertraut. Ich liebte diese Augen. Verdammt, ich war in diesen Augen gefangen. Gefangen wie in einer gefrorenen Träne, in einem neugeborenen Diamanten. Sie war nackt und machte keine Anstalten, sich zu verhüllen und in mir stieg keinerlei Peinlichkeit auf. Ich fühlte mich ihr so verbunden und berührte sie, tastete ganz vorsichtig und sie schaute mich an. Ebenso vorsichtig legte ich eine ihrer schwarzen Strähnen über ihre Schulter; sie hatte ihre Position immer noch nicht verändert. Der Moment war ebenso liebevoll wie erotisch.
Die Augen und ihre Blicke, hatten in mir so viele Gefühle wachgerufen und jetzt waren Augen so nackt vor mir, dass ich sie schützen und für mich behalten wollte. Der Moment hatte nichts Rationelles, nichts Fassbares, nichts Vorstellbares - der Grund dafür, dass ich ihn ewig wünschte. Hallo Shadowscan.
Ich küsste dieses sowohl Unscheinbare wie Eindrucksvolle, weil mir mein Körper, meine Neigung keine andere Wahl ließ und ich wurde zurückgeküsst. Die erste fühlbare Reaktion und ich versank in eine Welt, die ich nie würde nacherzählen können und ich verwuchs, verschmolz mit diesem nicht mehr fiktiven Körper, dass es das schönste Gefühl der Welt wurde.
Wie aus einem Ewigen Schlaf erwachte ich aus dem tranceähnlichen Zustand der Verschmelzung und blickte mich um. Was ich sah, konnte ich die ersten Augenblicke nicht glauben... denn ich sah mich!! Ich blickte auf meinen Körper herab, der mich aus leeren Augenhöhlen anstarrte. Dann, wie zeitraffend, bemerkte ich, wie ich mit meinen Augen rollte, meinen am Boden knienden Körper fixierte und dieser sich innerhalb weniger Bruchteile von Sekunden in Nichts auflöste.
Ja, mein Körper verschwand spurlos. Ich hatte mein eigenes Ich ausgelöscht. Mit nur einem Blick war ich Vergangenheit. Plötzlich fühlte ich eine wohlige angenehme Wärme in mir emporsteigen, hörte leise eine erotisch klingende Frauenstimme zu mir sagen: „Jetzt sind wir Eins, Ewige Liebe und Ewige Verbundenheit in einer Person. Du und Ich verschmolzen zu einem Teil, zu einer Person, zum Inbegriff der unsterblichen Liebe, des immerwährenden Verlangens, dem Höhepunkt der Versuchung.“




Und ich schwebte empor und habe mich niemals so wohl gefühlt, so frei, so rein.
Ich öffnete meinen Mund und rief „Frei!“, immer wieder „Frei!“ und mit meinen Worten verschmolz meine Stimme in der Frauenstimme, verschmolz mit ihr und es widerhallte nur noch das Optimum unserer Stimmen, die nun Eins waren. Ich legte alles Menschenähnliche ab und gebar mich selbst wieder; rann durch alle beklemmenden Spalten und würde nie wieder zurückkommen, da es nirgendwo anders so schön sein würde..


Diese Story ist eine Zusammenarbeit der beiden Autoren Nihilix und josua né.
Um die beiden zu kontakten, benutzt bitte für josua die Email
yabadabadooo3@yahoo.de und für Nihilix die Email Nihilix@freenet.de
 



 
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