Sherry Cheri

jounne

Mitglied
Sherry Cheri


"Halt mal an der Bar da drüben", sagte Frank.
"Nee, nee", brummte Harald. "Es ist schon halb Acht." Er warf einen Blick zur Seite und sah, daß Frank sich nervös über das frischrasierte Kinn strich.
"Komm, mach keinen Quatsch!" verlangte Frank. "Halt da an der Bar!"
"Na, wie du meinst." Harald bugsierte den Wagen in eine Parklücke vor der Bar. "Ich lass' den Schlüssel stecken" sagte er, um seine geringe Begeisterung über den Barbesuch zu demonstrieren. Allerdings glaubte er nicht an einen schnellen Aufbruch. Wie er Frank kannte, wollte der wieder kneifen.
Frank ging vorweg und ließ die Kneipentür aufschwingen. Beim Zurückschlagen wedelte sie Harald eine Wolke Rasierwassergestank ins Gesicht. Wenn das nur gut geht, dachte er, schob die Tür wieder auf und stellte sich neben Frank an die Theke.
"Hör mal zu, Mann", sagte er ernst und ein wenig stolz. "War mächtig schwer, an die Frau zu kommen. Also vergeig's nicht wieder!"
"Wie hast du's denn gemacht?" wollte Frank wissen.
"Hm ..." Harald grinste. "Sag' ich nicht."
"Na, komm! Du hast sie in 'ner Bar angesprochen. Oder haste sie vom Strich weggeholt?"
"Blödsinn!" Harald machte eine abwehrende Geste. "So eine ist sie nicht."
"So eine ist sie nicht? Was für eine ist sie dann?"
"Komm, laß uns gehen. Dann wirste schon sehen ..."
"Halt, stop", widersprach Frank, und klammerte sich an sein Glas. "Ich will erst wissen, wie se aussieht. Vielleicht is' se ja dick oder sowas. Oder sogar dünn."
"Na, hör mal! Seit wann bist'n so wählerisch?"
"Na, ja. Is' ja egal. Aber ich muß mich halt vorher drauf einstellen. Weißte: Ich bin keiner, der so einfach mit jeder ..."
"Ich weiß nicht, wie sie aussieht."
"Was? Du weißt nicht, wie sie aussieht?!" Frank verplemperte seinen Sherry und riß entsetzt die Augen auf.
"Nee, weiß ich nich'."
"Um Gottes willen! Ja, aber wie haste se denn dann kennengelernt?"
"Ich hab' 'ne Anzeige aufgegeben."
"'ne Anzeige?" Frank schüttelte den Kopf. "Was stand denn da drin?"
"'n Gedicht."
"'n Gedicht? - Sag doch mal!"
"Nee, will ich nich'. Kann mich nicht mehr erinnern. Komm, mach keinen Quatsch. Wir müssen jetzt los. Is' schon fünf vor Acht."
"Halt, wart' doch mal! Du weißt gar nix von ihr?"
"Doch, doch. Sie ist 'ne Krankenschwester."
"'ne Krankenschwester? Bist du noch zu retten? Was will denn 'ne Krankenschwester mit mir? Komm, wir vergessen die Sache."
"Kommt gar nicht in Frage! Weißt du überhaupt, was das für 'ne Arbeit war? Die wollte immer mehr Gedichte von mir; fünf Briefe habe ich geschrieben. Und Thelma hatte keine Briefmarken da. Bin ich also zur Post gedackelt, damit sie nichts merkt ..."
"Vergiß es!"
"Hör mal Frankie: Thelma war auch Krankenschwester. Ich hab's geschafft, du kannst es schaffen. Das ist 'ne echte Chance. Du schaffst es."
"Niemals!"
"Ich hab' ihr geschrieben, daß ich, äh, ... du keinen Job hast."
"Und das stört sie nich'?"
"Nee, stört sie nich'."
"Na, ja ..."
"Also. Komm jetzt! Sie wartet schon."
Harry drückte Frank vom Barhocker und schob ihn zum Ausgang. Er sah, daß Frank zwar schwankte, aber die ungefähre Richtung einhielt. Und für die genaue Richtung würde er schon sorgen.
In dem Augenblick wurde die Tür aufgeschmissen, und ein besoffener Freak mit einer Currywurst fiel direkt auf Franks frisch gebügelten Anzug zu.
Harald riß Frank zur Seite und stellte sich der Gefahr entgegen. Während er vom Currywurst-Attentäter bekleckert wurde, machte Frank eine Bauchlandung auf dem Fußboden. Frank versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.
"Frank! Frank Flügel, du altes Arschloch!" keifte einer vom Glücksspielautomaten herüber. "Du willst schon gehen? Was ist mit meinem Hunnie?"
Frank klopfte sich die Hosenbeine ab. Harald versuchte, sich das rote Zeug von der Jacke zu rubbeln.
"Sie haben meine Currywurst ruiniert", klagte der Attentäter feindlich.
Inzwischen war auch der Glücksspieler herangekommen und packte Frank an der Krawatte.
"Um Gottes willen", warf sich Harald dazwischen. "Schlagen Sie ihn nicht! Dieser Mann hat ein Rendez-Vous. Dieser Mann hat vielleicht Schläge verdient, aber nicht, daß Sie ihm die Zukunft ruinieren. Das ist eine heilige Sache. Schlagen Sie mich an seiner Stelle!"
"Na gut, Sie haben's so gewollt", knurrte der Mann und knallte Harald eine.
Harald wurde angezählt.
"Geben Sie mir mein Ketchup zurück", quengelte der Verrückte mit der Wurst.
"Komm, laß uns gehen, bevor ich wütend werde", preßte Harald zwischen seinen blutenden Lippen hervor und schob Frank zur Tür hinaus. "Wir sehen uns noch, Freundchen", drohte er dem Glücksspieler.


In "Da Elios Keller-Restaurant" standen Kerzen und Rotweingläser auf den Tischen. Überraschend kam Thelma auf sie zugestürzt. Sie war ziemlich aufgeregt.
"Harry! - Du hier? - Ich dachte, ihr geht Bowling spielen?"
"Bowling? - Blödsinn! Frank hat hier 'ne Verabredung. Warum bist'n nicht zu Hause?"
"Frank? - Aber der ist ja total besoffen. Und du blutest! Was ist denn passiert?" Ihre Stimme nahm einen besorgten Tonfall an.
"Nichts ist passiert. Besser, du gehst jetzt. Und laß dir einfallen, was du hier zu suchen hattest!" Harald klang knarzig wie eine Tretmine.
Thelma schluckte. "Na, gut. Dann bis nachher." Sie winkte ihm vorsichtig zu und verließ das Restaurant.
Wo war jetzt die Frau mit der Zeitung auf dem Tisch? Harald ging schwerfällig alle Tische ab und beäugte die Gäste.
"Hören Sie", sagte der Kellner. "Wenn Sie Unfrieden stiften wollen: Den können Sie haben. Sonst trinken Sie Ihren Sherry und verschwinden Sie!"
Harald stellte sich zu Frank an die Bar. Es war keine Frau mit Zeitung da, dafür lag auf einem Tisch eine Zeitung ohne Frau. Es war auch schon halb Neun. Er kippte den Sherry und warf das Glas nach dem Ober.


"Wo hast du Frank gelassen?" fragte Thelma, als sie Harald die Augenbraue abtupfte.
"Frank? - Der pennt im Auto. Hab' keine Lust, ihn jeden Abend in seine Wohnung zu tragen. Ist schlimm mit ihm, seit Hanna ihn verlassen hat."
"Tut's weh?" fragte Thelma, als sie die Wunde mit Jod desinfizierte.
"Warum bist'n heute so verdammt verständnisvoll?" pöbelte Harald.
"Ach", sagte sie. "Bist doch kein so übler Kerl."
"Was soll'n das jetzt? Nach der Schlägerei mit dem Autohändler neulich haste noch gesagt ..."
"Tut mir leid, was ich gesagt hab'."
"Nee, das glaub' ich jetzt nicht ..."
"Doch", sagte sie, und hielt ihm auffordernd die Hand hin. "Ich glaub', daß du ganz zärtliche Seiten an dir hast."
Er verstand die Welt nicht mehr.
 
Hallo Jounne,

schöne idee - erwas für romantische Gemüter.
Eine Kleinigkeit: "Harald klang knarzig wie eine Tretmine." Eine Tretmine explodiert. Vielleicht zischt, murmelt, knurrt oder einfach sagt er, was er zu sagen hat?
Auch direkt davor "Ihre Stimme nahm einen besorgten Tonfall an" - Wenn Harald nicht mehr knarzig wie eine Tretmine klingt, könntest du z.B. sagen "ihre Stimme klang besorgt" - die Stimme wird ja nicht von allein aktiv. Eigentich könntest du es auch ganz weglassen, denn Thelmas Besorgnis spürt man ja durch das, was sie sagt.

Viele Grüße

Susanne
 



 
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