Sich das Recht nehmen

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Mistralgitter

Mitglied
So sind sie eben, die Spatzen, wenn sie schimpfen und zetern, aufgeregt von Busch zu Busch flattern, sich in die Hecken setzen. Mit ihren spitzen Blicken sezieren sie ihre Umwelt, meinen Garten, auf der Suche nach Futter.

So sind sie eben, die Nachbars-Kinder, die heute auf der Straße vor unserem Haus spielen, schreien, sich irgendetwas zurufen, was ich trotz der Lautstärke nicht verstehe, und vehement nach der Mama verlangen. Sie sind einfach so, wie sie sind, ohne Umschweife, unbekümmert. Ob sie stören, danach fragen sie nicht. Ob sie eine beruhigende Abend-Stille entzwei schneiden, darum scheren sie sich nicht. Die Straße, die Welt gehört ihnen, ihnen allein.

Ich hingegen kehre stumm und verbissen den Winterstaub, die welken Blätter vom vergangenen Herbst und einige Zigarettenstummel auf der Terrasse weg. Irgendjemand hat hier unbefugterweise geraucht, vermute ich. Ich rauche jedenfalls nicht, meine Gäste auch nicht. Wer dann? Selbst an der Haus-Wand ist ein Fleck, weil bestimmt jemand genau dort seine Zigarette ausgedrückt hat. Ich wohne im Erdgeschoss. Also kann man durchs unverschlossene Gartentor von der Straße aufs Grundstück kommen. Es wäre durchaus möglich, dass sich nachts auf meiner Terrasse Leute aufhalten. Ich schlafe tief und fest und würde es nicht einmal hören. Natürlich führt der Fremde auch seinen Hund ganz selbstverständlich in meinem Garten aus, stelle ich mir vor. Wie oft schon musste ich die Hundehaufen wegschaufeln. Sehr ärgerlich das Ganze und unangenehm. Oder sind es die Hinterlassenschaften eines Waschbären? Ich weiß es nicht.

Es regnete kaum in den letzten Monaten. Der vergangene Winter brachte zu wenig Feuchtigkeit. Missmutig stelle ich mir vor, dass unser Land wohl demnächst zur Steppe werden wird, in der sich später Kakteen ausbreiten, natürlich mit furchtbaren Stacheln, wenn das so weiter geht. Dann wird es noch mehr Staub geben als jetzt schon. Man kann nämlich geradezu daneben stehen und zuschauen, wie meine Fensterscheiben innerhalb kurzer Zeit blind werden davon. Das war früher anders. Oder liegt es daran, dass wir in der Einflugschneise eines großen Flugplatzes wohnen?
Oder ist es der Staub, der von der nicht allzu fernen Groß-Baustelle herüberweht?

Der Abend-Himmel ist kalt. Es wird eine sternenklare Nacht werden. Ich wische schnell noch die Tische, Stühle und Bänke ab, als ob der Frühling morgen schon käme. Eine Amsel fliegt schimpfend vorbei. Die Spatzen stört das nicht. Sie zetern weiter.
Eben steigt aus dem nahen Bachbett ein Reiher auf. Ich kenne ihn schon. Häufig entdecke ich ihn im Vorbeifahren am Straßenrand. Reglos und beobachtend steht er an einer bestimmten Stelle. Er zählt sicherlich die Autos, sagt dann meine Tochter, und wir schmunzeln.

Die Kinder sind inzwischen zum Abendbrot ins Haus gegangen. Auch der Baustellenlärm hat sich gelegt, die Bauarbeiter haben Feierabend gemacht. Sie haben Straßen verlegt oder sie gesperrt. Über die Felder kann man nur noch in eine Richtung fahren, sonst ist man ungewollt ein Falschfahrer. Bei meiner „Radtour“ vorhin habe ich mein Fahrrad vorsichtshalber meist geschoben. Das darf man hoffentlich noch - gegen den Strich laufen.

Ich freue mich auf die Kirschen und Himbeeren und Blumen, die in meinem Garten wachsen werden. Und ich beschließe mutig: Feinde werden hier keinen Platz bekommen. Gegen sie werde ich ein Flutlicht aufbauen auf der Terrasse oder Bewegungsmelder im Garten verteilt aufstellen. Und eine Sirene wird Alarm schlagen. Und ich werde eine Mauer bauen mit Stacheldraht, damit niemand mehr hereinkommt und mich stört. Man bezeichnet mich dann vielleicht als eigensinnigen Menschen, als Hundehasser, möglicherweise auch Menschenhasser. Es ist mir gleichgültig. Wer will mir mein Recht nehmen?


__________________________________________________________________

P.S.
Die Sache mit den Zigarettenstummeln auf meiner Terrasse hat sich auf ganz harmlose Weise erklärt. Die über mir wohnende Familie hatte Raucher zu Besuch. Ihre Zigarettenstummel hatten sie in die Balkonkästen gesteckt. Anscheinend haben dann Amseln darin herumgepickt und die Stummel auf meine Terrasse runterfallen lassen. Aber etliche Tage und Nächte hat mir meine Phantasie einen Streich gespielt.
Die Sache mit den Hundehaufen ist nach wie vor ein Ärgernis.
 

ThomasQu

Mitglied
Schöner, nachdenklicher, melancholischer Text.
Anstatt "Ich kehre" hätte mir "Ich fege" besser gefallen.
Bei kehren dachte ich zuerst an umkehren.

Grüße, Th.
 

Mistralgitter

Mitglied
Danke für deine Rückmeldung!
Das "Kehren" ist mir irgendwie leichter "von den Lippen" gekommen, obwohl ich nicht zu den "Eingeborenen" rechne, die die "Kehrwoch'" systematisch durchhalten.
"Fegen" hört sich eleganter an. Ich probier es mal aus ;-)
Gruß zurück
MG
 

Mistralgitter

Mitglied
So sind sie eben, die Spatzen, wenn sie schimpfen und zetern, aufgeregt von Busch zu Busch flattern, sich in die Hecken setzen. Mit ihren spitzen Blicken sezieren sie ihre Umwelt, meinen Garten, auf der Suche nach Futter.

So sind sie eben, die Nachbars-Kinder, die heute auf der Straße vor unserem Haus spielen, schreien, sich irgendetwas zurufen, was ich trotz der Lautstärke nicht verstehe, und vehement nach der Mama verlangen. Sie sind einfach so, wie sie sind, ohne Umschweife, unbekümmert. Ob sie stören, danach fragen sie nicht. Ob sie eine beruhigende Abend-Stille entzwei schneiden, darum scheren sie sich nicht. Die Straße, die Welt gehört ihnen, ihnen allein.

Ich hingegen fege stumm und verbissen den Winterstaub, die welken Blätter vom vergangenen Herbst und einige Zigarettenstummel auf der Terrasse weg. Irgendjemand hat hier unbefugterweise geraucht, vermute ich. Ich rauche jedenfalls nicht, meine Gäste auch nicht. Wer dann? Selbst an der Haus-Wand ist ein Fleck, weil bestimmt jemand genau dort seine Zigarette ausgedrückt hat. Ich wohne im Erdgeschoss. Also kann man durchs unverschlossene Gartentor von der Straße aufs Grundstück kommen. Es wäre durchaus möglich, dass sich nachts auf meiner Terrasse Leute aufhalten. Ich schlafe tief und fest und würde es nicht einmal hören. Natürlich führt der Fremde auch seinen Hund ganz selbstverständlich in meinem Garten aus, stelle ich mir vor. Wie oft schon musste ich die Hundehaufen wegschaufeln. Sehr ärgerlich das Ganze und unangenehm. Oder sind es die Hinterlassenschaften eines Waschbären? Ich weiß es nicht.

Es regnete kaum in den letzten Monaten. Der vergangene Winter brachte zu wenig Feuchtigkeit. Missmutig stelle ich mir vor, dass unser Land wohl demnächst zur Steppe werden wird, in der sich später Kakteen ausbreiten, natürlich mit furchtbaren Stacheln, wenn das so weiter geht. Dann wird es noch mehr Staub geben als jetzt schon. Man kann nämlich geradezu daneben stehen und zuschauen, wie meine Fensterscheiben innerhalb kurzer Zeit blind werden davon. Das war früher anders. Oder liegt es daran, dass wir in der Einflugschneise eines großen Flugplatzes wohnen?
Oder ist es der Staub, der von der nicht allzu fernen Groß-Baustelle herüberweht?

Der Abend-Himmel ist kalt. Es wird eine sternenklare Nacht werden. Ich wische schnell noch die Tische, Stühle und Bänke ab, als ob der Frühling morgen schon käme. Eine Amsel fliegt schimpfend vorbei. Die Spatzen stört das nicht. Sie zetern weiter.
Eben steigt aus dem nahen Bachbett ein Reiher auf. Ich kenne ihn schon. Häufig entdecke ich ihn im Vorbeifahren am Straßenrand. Reglos und beobachtend steht er an einer bestimmten Stelle. Er zählt sicherlich die Autos, sagt dann meine Tochter, und wir schmunzeln.

Die Kinder sind inzwischen zum Abendbrot ins Haus gegangen. Auch der Baustellenlärm hat sich gelegt, die Bauarbeiter haben Feierabend gemacht. Sie haben Straßen verlegt oder sie gesperrt. Über die Felder kann man nur noch in eine Richtung fahren, sonst ist man ungewollt ein Falschfahrer. Bei meiner „Radtour“ vorhin habe ich mein Fahrrad vorsichtshalber meist geschoben. Das darf man hoffentlich noch - gegen den Strich laufen.

Ich freue mich auf die Kirschen und Himbeeren und Blumen, die in meinem Garten wachsen werden. Und ich beschließe mutig: Feinde werden hier keinen Platz bekommen. Gegen sie werde ich ein Flutlicht aufbauen auf der Terrasse oder Bewegungsmelder im Garten verteilt aufstellen. Und eine Sirene wird Alarm schlagen. Und ich werde eine Mauer bauen mit Stacheldraht, damit niemand mehr hereinkommt und mich stört. Man bezeichnet mich dann vielleicht als eigensinnigen Menschen, als Hundehasser, möglicherweise auch Menschenhasser. Es ist mir gleichgültig. Wer will mir mein Recht nehmen?


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P.S.
Die Sache mit den Zigarettenstummeln auf meiner Terrasse hat sich auf ganz harmlose Weise erklärt. Die über mir wohnende Familie hatte Raucher zu Besuch. Ihre Zigarettenstummel hatten sie in die Balkonkästen gesteckt. Anscheinend haben dann Amseln darin herumgepickt und die Stummel auf meine Terrasse runterfallen lassen. Aber etliche Tage und Nächte hat mir meine Phantasie einen Streich gespielt.
Die Sache mit den Hundehaufen ist nach wie vor ein Ärgernis.
 



 
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