Siebenschläfer

Siebenschläfer

Der Frühling erklang wie eine Melodie Gottes und überraschte Herbie mit noch halbvollem Kohlenkasten. 18 Grad waren nach dem langen Winter warm genug, um den Ofen ausgehen zu lassen, sich rauszusetzen und Frühlingssonne für die kühlen Abende zu tanken. Er spürte das drängende Pulsieren des Frühlings, das begehrliche Summen der Insekten im blauen Äther, umrahmt von dem pointillistisch explodierenden Grün der Knospen. Herbie rieb an den Zweigen der Pinien und nahm den Geruch der Bäume auf. Das süßliche Aroma haftete an den Händen, die er noch lange danach in der Wohnung wie frische Sauerstofftanks beschnüffelte.

Im Regenguss duschten Wiesen und Sträucher. Ein Schwarm Stare flog herbei, landete auf der frisch gemähten Wiese und pickte um die Wette nach Regenwürmern. Auf ein geheimes Signal hin flogen sie zum Nachbarn und setzten den Imbiss drüben fort. Die Vögel perlten die Feuchtigkeit durch kräftiges Schütteln aus dem Gefieder und nahmen das Nestbauen wieder auf. Hellgrüne Blätter hatten lautlos die kahlen Wipfel erobert, und die Luft war erfüllt vom Brummen der Rasenmäher. Doch gegen das Hundegebell, das Dröhnen der Autos und den Kinderlärm von gegenüber setzte sich das Gezwitscher der Vögel durch, getragen vom Wind und weißwolkiger Luft.

Die letzten unfreundlichen Frühlingsregen fielen auf einen wassergesättigten Boden. Nordische Gottheiten fegten den Wald strubbelig und Herbie die Kleider klamm. Am Abend ließ die massive Berieselung nach und Sommerwolken, die sich von Süden her durchgeschmuggelt hatten, gaben sich schwerelos. Autos erholten sich in Car-Ports vom Alltag wie Pferde in ihren Boxen. Zögernd nur kam der Sommer.

Der waschechte Siebenschläfer zog einen grauen Wolkenvorhang vor die wenigen blauen Stellen am Himmel. Der Wassermann plätscherte mit seiner Regenkanne das Wasser in Schüben vom Dach in die Regentonne, die ihrerseits per Überlaufschlauch blasige Pfützen fütterte, die in diesen Sommer zum Inventar gehörten. Üppige Farbenpracht atmete in den Farnen und Blumen. Sommerwind durchföhnte die Baumkronen.

Die Sonne jagte gleißend durch die plattgedrückten Reihen der Kornfelder und spiegelte sich an abtropfenden Blättern. Die Vögel holten an Gezwitscher nach, was sie in den letzten Stunden versäumt hatten. Was aber machten die Insekten so lange? Abends, bei mageren acht Grad Celsius, hatte die dichte Wolkendecke den Lichteinfall so stark reduziert, dass es im Zimmer schön höhlig geworden war. Bis zur Nase unter der Bettdecke ließ Herbie die Stimmung durch sich hindurchziehen.

Am nächsten Tag wehte ihm der Handlanger des Siebenschläfers, der ruppige Nord-Western, die Wäsche von der Leine. Doch langsam wuchs Blau aus dem Grau, und in den schrumpfenden Pfützen sprossen Pflanzen. Begeistert navigierten Insekten über den üppigen Kelchen der Sommerblumen und pendelten den Köstlichkeiten entgegen, wobei sie mit dem hinteren Teil ihres Körpers pumpende Bewegungen ausführten. Die Kastanienbäume sterzten stolz ihre Kerzen in den Fächer des Laubbaus. In der Morgendämmerung konnte Herbie die schlummernden Aromen wittern, die der Wind am Tage mit Regen verteilen würde, und er spürte die kreative Energie der Göttin Natura.
 



 
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