Silberfischplage

djpizza

Mitglied
Silberfischplage

Stöbert man durch die Baumärkte, findet man so allerhand Mittel gegen die Silberfischplage. Ich habe genug von den Biestern und will sie mit genau so einem Mittelchen endlich ausrotten.
Der deutsche Trivialname kommt daher, dass der ganze Körper mit Schuppen bedeckt ist, was den Tieren durch Lichtreflexion ein silberglänzendes Aussehen verleiht. Der wissenschaftliche Artname der Schädlinge lautet „Lepisma saccharina“, lese ich voller Spannung auf dem Beipackzettel einer Köderdose, als handele es sich um eine Anleitung für den Bau einer Bombe. Dabei stehe ich mir die Beine in den Bauch.
Die Tiere können sich 20 bis 40 Mal häuten und ein Alter von zwei bis fünf Jahren erreichen. „ Das ist ja Interessant“, sage ich in mich hinein und mache ein paar Dehnübungen.
Soweit schön und gut. Ich weiß immer noch nicht, wie die Erfolgsquote nach einer Behandlung mit solchen Mittelchen aussieht. Was fressen sie überhaupt? Ich wechsele das Standbein und lese:
„Als Nahrung dienen stärke- und zuckerhaltige Materialien. Die Tiere sind auch in der Lage, cellulosehaltige Materialien zu verdauen.“
Aha,… also daher die vielen kleinen Löcher in dem Haferflockenbeutel, den ich neulich weggeworfen habe, leuchtet mir auf. Beim Lesen ziehe ich mit der freien Hand die Ferse meines linken Beins zum Hintern hoch. So kann ich in Ruhe die Beipackzettel studieren und gleichzeitig meine Beine dehnen.
Nach einer Weile stelle ich die Dose wieder an ihren Platz zurück und streife leichtfüßig, ja fast verspielt wie ein Kind im Kinderparadies bei Ikea, einige Regalmeter mit Antiinsekten-Mittelchen. Federnden Schrittes bremse ich nach etwa einem Drittel des langen Regals ab und greife aus dem mittleren Regalfach eine Packung Klebestreifen mit integriertem Lockstoff heraus. Die Antiinsektenmittel in Klebestreifenform füllen ganze Regalmeter. „Das nachtaktive Silberfischchen kommt in Mitteleuropa ausschließlich in Wohnungen vor, da es auf ein feuchtwarmes Klima angewiesen ist“, lese ich von der Verpackung ab. Der Beipackzettel hört sich dennoch irgendwie uninteressant an. Das Zeug hier, seufze ich kraftlos, kann mir auch nicht so Recht weiterhelfen. Ich sehe mich weiter um, recke meinen Hals wie ein Straus mal nach oben mal zur Seite und durchschreite dabei den Gang mit dribbelnden Tanzschritten.
Das Spezialspray der Firma Blayer zeichnet sich durch eine schnelle Anfangswirkung, einen guten Austreibungseffekt, sowie eine lange Wirkungsdauer aus, lese ich lustlos, als würde ich einen Backtipp für einfallslose Singles studieren, von der Rückseite einer Sprühdose runter, die ich jetzt in der anderen Hand wiege.
Ich wechsele die Tanzrichtung und komme ich etwa nach einem weiteren Drittel des Regals zur Ruhe, als mein Blick aus einer kreisenden Drehung an unzähligen Dosen entlang schweift und an einer einzigen Dose hängen bleibt. Scheppernd werfe ich die Präparate in Spray- und Klebestreifenform ins Regal zurück und greife nach dem Insektenpulver der Marke „Wegmitdemdreck“. Der Name klingt verheißungsvoll, und die Verpackung spricht mich aufgrund des wirklich widerlichen und abstoßenden Etiketts auf Anhieb an.
Dieser Köder schädigt das Nervensystem. Durch die Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase kann der Botenstoff Acetylcholin nicht mehr abgebaut werden, was zu einer dauernden Erregung der betroffenen Muskulatur und letztlich zum Tod der Silberfischchen führt, lerne ich erstaunt.
Na prima, sage ich in mich hinein, das ist genau das Richtige, wovon ich der festen Überzeugung bin, was die Kleinen jetzt brauchen. Ich ergötze mich jetzt schon daran, sie in erregter Muskulatur zu erleben. In meinem Kopf formt sich die angenehme Vorstellung, wie sie zitternd und zuckend in den Köderdosen verenden, wobei ich wie ein Clown, vor Freude von einem aufs andere Bein hüpfend, den Untergang der Biester mit Digitalkamera und Fotoapparat dokumentiere.
„Darf ich ihnen irgendwie behilflich sein?“ kommt es von der linken Seite daher.
Aus den Gedanken gerissen drehe ich mich irritiert um. Vor mir steht ein dürrer Baumarktfachverkäufer mit einem ungesunden Erscheinungsbild.
Ähm,… nein. Ich meine ja, also…
„Ja oder nein?“ unterbricht mich der Mann etwas unverfrohren und sieht mich von oben herab an.
Ich erkläre ihm so knapp wie möglich, um was es mir geht und zeige auf meinen Köder. Der blasse Rotschopf wirkt etwas knochig. Er erinnert mich mit seinen hervorstehenden Glupschaugen, von denen das rechte ab und am zucken ist, irgendwie an einen Frosch.
„Ha!“ sagt der Baumarktfrosch nur und kratzt sich nachdenklich am Hals. „Das ist aber nicht so einfach wie sie sich das vorstellen.“
Ich schlage die Augen auf.
„Wieso?“ Dieser Köder sollte doch eine vollständige Ausrottung gewährleisten, oder etwa nicht?“
„Naja“, gibt der Frosch zu bedenken. „Zuerst werden sie denken, sie hätten die Biester ausgerottet. Aber dann kommen sie in der doppelten und dreifachen Anzahl wieder und machen ihnen das Leben zur Hölle“, mahnt er und schnellt seinen Zeigefinger hoch. „Glauben sie mir, ich habe schon viele Menschen, die mich verzweifelter als sie um Rat gefragt haben, hier zusammenbrechen gesehen.
So langsam wird mir der Typ unsympathisch. Statt mich moralisch aufzubauen, kommt er mir mit solchen Horrorgeschichten.
„Aber es muss doch irgendeinen Weg geben,… wende ich ein,… wie man sie loswerden kann“.
„Da machen sie sich mal keine all zu großen Hoffnungen“, sagt er wegwerfend. „Eine richtige Plage ist das. Sind sie einmal da, werden sie die Dinger nie mehr los. Das ganze Zeug, das hier rumsteht,… erklärt er und zeigt mit dem Arm auf meinen Köder und das Regal,… ist einfach unbrauchbar.“
„Und was soll ich ihrer Meinung nach machen?“ frage ich forsch.
„Ziehen sie um!“ rät er entschieden.
„Was!?“
„Ziehen sie einfach um. Suchen sie sich doch eine neue Wohnung“, erläutert der Typ gelassen, als wäre es das simpelste der Welt.
„Das kommt nicht in Frage. Ich werden bestimmt nicht aufgeben und erst recht nicht nur wegen den Silberfischen die Wohnung wechseln“, brumme ich. „Das glauben sie wohl selbst nicht.“
„Na, dann.“
„Wie, na dann?“ ereifere ich mich.
Denn so langsam platzt mir der Kragen. Statt mich fachmännisch zu beraten, rät mir der Frosch, aus meiner Wohnung zu ziehen. Wie einfallsreich!
„Dann suchen sie sich doch eines von diesen unnützen Mitteln hier aus“, raunzt er und breitet vor dem Regal seine hageren Arme aus, die an seinem Körper wie zwei verkümmerte Zweige abstehen. „Sie werden schon sehen, das Zeug hier wird ihnen nichts bringen“, giftet er mich scharf von der Seite an, wobei sein Auge bedenklich flackert.
„Aber das ist…
„Für einen Kahlschlag, wie sie ihn mit der Chemiekeulen planen, müssten sie die Wohnung schon entkernen und das Zentrallager der Brut finden“, würgt er mich patzig ab.
„Und wie soll das bitteschöne gehen?“ frage ich panisch.
„Das weiß ich nicht. Dazu fehlen mir die Informationen“, entgegnet der Baumarktfrosch selbstgefällig.
Mit diesen Worten wünscht er noch einen schönen Tag, biegt in den nächsten Gang ein und lässt mich einfach so aufgelöst und entgeistert stehen.
In meiner Ratlosigkeit spüre ich, wie mein Herz zu rasen beginnt.
„Jetzt ist Schluss. Sollen die Viecher doch alle verrecken!“ stoße ich mit einem sarkastischen Gelächter aus. Aufgebracht greife ich wahllos ein Mittel nach dem anderen aus den Regalebenen und reiße wie vom Teufel besessen eine Packung nach der anderen auf.
„Gibt es eine Rangfolge in der Sippe? Wie viele Tiere teilen sich einen so komplexen Raum wie das Badezimmer, und wie kann ich überhaupt ihr Zentrallager ausfindig machen?“ frage ich mich verzweifelt, schnappe wie ein frisch gefangener Karpfen nach Luft und halte abrupt inne.
„Verdammt, was mache ich da überhaupt?“ In meiner Niedergeschlagenheit zucke ich erschrocken hoch, fahre herum und drücke mich verängstigt mit dem Rücken ans Regal. Schweiß dringt juckend aus meinen Poren, und verschwitze Haarsträhnen legen sich wie Aale auf meine Stirn. Zu meiner Beruhigung ist der Gang mit den Insektenbekämpfungsmitteln Menschen-leer. Denn jeder Beobachter, den es dankenswerterweise nicht gibt, hätte bei all den Dosen und Schachteln, die grade von einem aus der Hilflosigkeit heraus grotesk herumwirbelnden Irren aufgerissen wurden, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Sicherheitspersonal verständigt.
Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, den man sich vorstellen kann, biegt unerwartet ein wackeliges Rentnerpaar um die Ecke. Der beige gekleidete Mann trägt graues, zum Seitenscheitel gekämmtes Haar und befindet sich am Rande des Greisenalters. Er ist mit einer dünnen Rentnerjacke bekleidet, wie sie nur von Rentnern getragen wird. Seine ihm farblich und altersmäßig angeglichene Frau schiebt leise einen Rollator vor sich her. Nach zwei, drei Metern hält sie ihr Fahrzeug an, seufzt als könne sie vor Schmerzen nicht weiter und streckt ihre zitterige Hand nach einer Köderdose aus, während ich mit ausgestreckten Armen wimmernd am Regal klebe und mich langsam von meiner emotionellen Entgleisung erhole. Kalter Schweiß fließt unaufhaltsam an meiner Stirn herab, als mangele es mir an Substanzen, die ich heute zu schlucken versäumt habe. Ein wenig ernüchtert, drücke ich mich so geräuschlos wie nur möglich von der Wand weg, als auch schon eine Dose aus einer Borte hinter mir scheppernd zu Boden fällt und ihren giftigen Inhalt preisgibt.
Das Rentnerpaar zuckt hoch und schnellt verstört herum. Mein Hals schnürt sich zusammen, und der Puls beschleunigt sich. Ich blicke in zwei weit aufgerissene Rentneraugenpaare und hebe die Hand, als wolle ich sagen, dass alles in Ordnung wäre, ich aber keinen Ton herausbringen könne. Daraufhin stellt die Frau ihre Dose langsam an ihren Platz zurück. Sie tuschelt ihrem Mann etwas zu und legt ihre Hand, ohne ihren Blick von mir zu nehmen, auf seinem Ärmel, als wäre er ein Porzellanpüppchen, das jeden Moment zu zerbrechen drohe. Mit der anderen ergreift sie ihren Rollator, fährt ihn zu meinem Erstaunen nur einarmig herum, und eilt anschließend mit Rollator nebst Mann zügigen Schrittes in den nächsten Gang davon, als auch schon zu meiner Überraschung das Sicherheitspersonal hinter mir auftaucht und mich höflich zum Ausgang des Baumarktes geleitet.
 
S

suzah

Gast
djpizza,
über das thema habe ich mich schrecklich amüsiert, weil ich in einer wohnung ohne mein wissen von meinem vormieter eine silberfischplage übernommen und einen horror davor und albträume hatte.
ich hab sie wegbekommen: mauerecken aufstemmen, silberfische mit einer dieser beschriebenen "giftdosen" töten und mauerecken zuzementieren! viel lüften. sie sitzen nur da, wo feuchtigkeit und wärme ist. (in ein andere wohnung ziehen, ist allerdings die beste lösung, nur weiß man nie, ob man dann vom "regen in die traufe kommt".
das ständige dehnen und herumtanzen deines prot lässt wohl auf eine/n sportler/in oder tänzer/in schließen.
liebe grüße suzah
 

Thylda

Mitglied
Hallo djpizza und Suzah

Meines Wissens nach sind Silberfische im Grunde ungefährlich. Sie sind jedenfalls ein Indikator, daß nichts Anderes im Haus ist, wie z.B. Mäuse, Ratten oder Kakerlaken. Silberfische stehen nämlich auf deren Speiseplan ganz oben. Richtig fiese Chemie mögen Silberfische auch nicht. Da möchte man fast meinen, sie seien Anzeiger für einen gesunden Haushalt.
Ich habe "leider" keine Silberfische, dafür zwei Spitzmäuse unter den Dielen ;)

Liebe Grüße
Thylda
 
S

suzah

Gast
hallo thylda,
kurz: klar, silberfische sind ungefährlich, aber gesunder haushalt? nein, es liegt auch oft an feuchtem mauerwerk infolge mangelnder isolierung. für kakerlaken vielleicht, aber für mäuse und ratten sind sie sicher keine ausreichende nahrung.
lg suzah
 

djpizza

Mitglied
Silberfischplage

Stöbert man durch die Baumärkte, findet man so allerhand Mittel gegen die Silberfischplage. Ich habe genug von den Biestern und will sie mit genau so einem Mittelchen endlich ausrotten.
Der deutsche Trivialname kommt daher, dass der ganze Körper mit Schuppen bedeckt ist, was den Tieren durch Lichtreflexion ein silberglänzendes Aussehen verleiht. Der wissenschaftliche Artname der Schädlinge lautet „Lepisma saccharina“, lese ich voller Spannung auf dem Beipackzettel einer Köderdose, als handele es sich um eine Anleitung für den Bau einer Bombe und stehe mir dabei die Beine in den Bauch.
Die Tiere können sich 20 bis 40 Mal häuten und ein Alter von zwei bis fünf Jahren erreichen. „ Das ist ja Interessant“, sage ich in mich hinein und mache ein paar Dehnübungen.
Soweit schön und gut. Ich weiß immer noch nicht, wie die Erfolgsquote nach einer Behandlung mit solchen Mittelchen aussieht. Was fressen sie überhaupt? Ich wechsele das Standbein und lese:
„Als Nahrung dienen stärke- und zuckerhaltige Materialien. Die Tiere sind auch in der Lage, cellulosehaltige Materialien zu verdauen.“
Aha,… also daher die vielen kleinen Löcher in dem Haferflockenbeutel, den ich neulich weggeworfen habe, leuchtet mir auf. Beim Lesen ziehe ich mit der freien Hand die Ferse meines linken Beins zum Hintern hoch. So kann ich in Ruhe die Beipackzettel studieren und gleichzeitig meine Beine dehnen.
Nach einer Weile stelle ich die Dose wieder an ihren Platz zurück und streife leichtfüßig, ja fast verspielt wie ein Kind im Kinderparadies bei Ikea, einige Regalmeter mit Antiinsekten-Mittelchen. Federnden Schrittes bremse ich nach etwa einem Drittel des langen Regals ab und greife aus dem mittleren Regalfach eine Packung Klebestreifen mit integriertem Lockstoff heraus. Die Antiinsektenmittel in Klebestreifenform füllen ganze Regalmeter. „Das nachtaktive Silberfischchen kommt in Mitteleuropa ausschließlich in Wohnungen vor, da es auf ein feuchtwarmes Klima angewiesen ist“, lese ich von der Verpackung ab. Der Beipackzettel hört sich dennoch irgendwie uninteressant an. Das Zeug hier, seufze ich kraftlos, kann mir auch nicht so Recht weiterhelfen. Ich sehe mich weiter um, recke meinen Hals wie ein Straus mal nach oben mal zur Seite und durchschreite dabei den Gang mit dribbelnden Tanzschritten.
Das Spezialspray der Firma Blayer zeichnet sich durch eine schnelle Anfangswirkung, einen guten Austreibungseffekt, sowie eine lange Wirkungsdauer aus, lese ich lustlos, als würde ich einen Backtipp für einfallslose Singles studieren, von der Rückseite einer Sprühdose runter, die ich jetzt in der anderen Hand wiege.
Ich wechsele die Tanzrichtung und komme ich etwa nach einem weiteren Drittel des Regals zur Ruhe, als mein Blick aus einer kreisenden Drehung an unzähligen Dosen entlang schweift und an einer einzigen Dose hängen bleibt. Scheppernd werfe ich die Präparate in Spray- und Klebestreifenform ins Regal zurück und greife nach dem Insektenpulver der Marke „Wegmitdemdreck“. Der Name klingt verheißungsvoll, und die Verpackung spricht mich aufgrund des wirklich widerlichen und abstoßenden Etiketts auf Anhieb an.
Dieser Köder schädigt das Nervensystem. Durch die Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase kann der Botenstoff Acetylcholin nicht mehr abgebaut werden, was zu einer dauernden Erregung der betroffenen Muskulatur und letztlich zum Tod der Silberfischchen führt, lerne ich erstaunt.
Na prima, sage ich in mich hinein, das ist genau das Richtige, wovon ich der festen Überzeugung bin, was die Kleinen jetzt brauchen. Ich ergötze mich jetzt schon daran, sie in erregter Muskulatur zu erleben. In meinem Kopf formt sich die angenehme Vorstellung, wie sie zitternd und zuckend in den Köderdosen verenden, wobei ich wie ein Clown, vor Freude von einem aufs andere Bein hüpfend, den Untergang der Biester mit Digitalkamera und Fotoapparat dokumentiere.
„Darf ich ihnen irgendwie behilflich sein?“ kommt es von der linken Seite daher.
Aus den Gedanken gerissen drehe ich mich irritiert um. Vor mir steht ein dürrer Baumarktfachverkäufer mit einem ungesunden Erscheinungsbild.
Ähm,… nein. Ich meine ja, also…
„Ja oder nein?“ unterbricht mich der Mann etwas unverfrohren und sieht mich von oben herab an.
Ich erkläre ihm so knapp wie möglich, um was es mir geht und zeige auf meinen Köder. Der blasse Rotschopf wirkt etwas knochig. Er erinnert mich mit seinen hervorstehenden Glupschaugen, von denen das rechte ab und am zucken ist, irgendwie an einen Frosch.
„Ha!“ sagt der Baumarktfrosch nur und kratzt sich nachdenklich am Hals. „Das ist aber nicht so einfach wie sie sich das vorstellen.“
Ich schlage die Augen auf.
„Wieso?“ Dieser Köder sollte doch eine vollständige Ausrottung gewährleisten, oder etwa nicht?“
„Naja“, gibt der Frosch zu bedenken. „Zuerst werden sie denken, sie hätten die Biester ausgerottet. Aber dann kommen sie in der doppelten und dreifachen Anzahl wieder und machen ihnen das Leben zur Hölle“, mahnt er und schnellt seinen Zeigefinger hoch. „Glauben sie mir, ich habe schon viele Menschen, die mich verzweifelter als sie um Rat gefragt haben, hier zusammenbrechen gesehen.
So langsam wird mir der Typ unsympathisch. Statt mich moralisch aufzubauen, kommt er mir mit solchen Horrorgeschichten.
„Aber es muss doch irgendeinen Weg geben,… wende ich ein,… wie man sie loswerden kann“.
„Da machen sie sich mal keine all zu großen Hoffnungen“, sagt er wegwerfend. „Eine richtige Plage ist das. Sind sie einmal da, werden sie die Dinger nie mehr los. Das ganze Zeug, das hier rumsteht,… erklärt er und zeigt mit dem Arm auf meinen Köder und das Regal,… ist einfach unbrauchbar.“
„Und was soll ich ihrer Meinung nach machen?“ frage ich forsch.
„Ziehen sie um!“ rät er entschieden.
„Was!?“
„Ziehen sie einfach um. Suchen sie sich doch eine neue Wohnung“, erläutert der Typ gelassen, als wäre es das Simpelste der Welt.
„Das kommt nicht in Frage. Ich werden bestimmt nicht aufgeben und erst recht nicht nur wegen den Silberfischen die Wohnung wechseln“, brumme ich. „Das glauben sie wohl selbst nicht.“
„Na, dann.“
„Wie, na dann?“ ereifere ich mich.
Denn so langsam platzt mir der Kragen. Statt mich fachmännisch zu beraten, rät mir der Frosch, aus meiner Wohnung zu ziehen. Wie einfallsreich!
„Dann suchen sie sich doch eines von diesen unnützen Mitteln hier aus“, raunzt er und breitet vor dem Regal seine hageren Arme aus, die an seinem Körper wie zwei verkümmerte Zweige abstehen. „Sie werden schon sehen, das Zeug hier wird ihnen nichts bringen“, giftet er mich scharf von der Seite an, wobei sein Auge bedenklich flackert.
„Aber das ist…
„Für einen Kahlschlag, wie sie ihn mit der Chemiekeulen planen, müssten sie die Wohnung schon entkernen und das Zentrallager der Brut finden“, würgt er mich patzig ab.
„Und wie soll das bitteschöne gehen?“ frage ich panisch.
„Das weiß ich nicht. Dazu fehlen mir die Informationen“, entgegnet der Baumarktfrosch selbstgefällig.
Mit diesen Worten wünscht er mir noch einen schönen Tag, biegt in den nächsten Gang ein und lässt mich einfach so aufgelöst und entgeistert stehen.
In meiner Ratlosigkeit spüre ich, wie mein Herz zu rasen beginnt.
„Jetzt ist Schluss. Sollen die Viecher doch alle verrecken!“ stoße ich mit einem sarkastischen Gelächter aus. Aufgebracht greife ich wahllos ein Mittel nach dem anderen aus den Regalebenen und reiße wie vom Teufel besessen eine Packung nach der anderen auf.
„Gibt es eine Rangfolge in der Sippe? Wie viele Tiere teilen sich einen so komplexen Raum wie das Badezimmer, und wie kann ich überhaupt ihr Zentrallager ausfindig machen?“ frage ich mich verzweifelt, schnappe wie ein frisch gefangener Karpfen nach Luft und halte abrupt inne.
„Verdammt, was mache ich da überhaupt?“ In meiner Niedergeschlagenheit zucke ich erschrocken hoch, fahre herum und drücke mich verängstigt mit dem Rücken ans Regal. Schweiß dringt juckend aus meinen Poren, und verschwitze Haarsträhnen legen sich wie Aale auf meine Stirn. Zu meiner Beruhigung ist der Gang mit den Insektenbekämpfungsmitteln Menschen-leer. Denn jeder Beobachter, den es dankenswerterweise nicht gibt, hätte bei all den Dosen und Schachteln, die grade von einem aus der Hilflosigkeit heraus grotesk herumwirbelnden Irren aufgerissen wurden, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Sicherheitspersonal verständigt.
Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, den man sich vorstellen kann, biegt unerwartet ein wackeliges Rentnerpaar um die Ecke. Der beige gekleidete Mann trägt graues, zum Seitenscheitel gekämmtes Haar und befindet sich am Rande des Greisenalters. Er ist mit einer dünnen Rentnerjacke bekleidet, wie sie nur von Rentnern getragen wird. Seine ihm farblich und altersmäßig angeglichene Frau schiebt leise einen Rollator vor sich her. Nach zwei, drei Metern hält sie ihr Fahrzeug an, seufzt als könne sie vor Schmerzen nicht weiter und streckt ihre zitterige Hand nach einer Köderdose aus, während ich mit ausgestreckten Armen wimmernd am Regal klebe und mich langsam von meiner emotionellen Entgleisung erhole. Kalter Schweiß fließt unaufhaltsam an meiner Stirn herab, als mangele es mir an Substanzen, die ich heute zu schlucken versäumt habe. Ein wenig ernüchtert, drücke ich mich so geräuschlos wie nur möglich von der Wand weg, als auch schon eine Dose aus einer Borte hinter mir scheppernd zu Boden fällt und ihren giftigen Inhalt preisgibt.
Das Rentnerpaar zuckt hoch und schnellt verstört herum. Mein Hals schnürt sich zusammen, und der Puls beschleunigt sich. Ich blicke in zwei weit aufgerissene Rentneraugenpaare und hebe die Hand, als wolle ich sagen, dass alles in Ordnung wäre, ich aber keinen Ton herausbringen könne. Daraufhin stellt die Frau ihre Dose langsam an ihren Platz zurück. Sie tuschelt ihrem Mann etwas zu und legt ihre Hand, ohne ihren Blick von mir zu nehmen, auf seinem Ärmel, als wäre er ein Porzellanpüppchen, das jeden Moment zu zerbrechen drohe. Mit der anderen ergreift sie ihren Rollator, fährt ihn zu meinem Erstaunen nur einarmig herum, und eilt anschließend mit Rollator nebst Mann zügigen Schrittes in den nächsten Gang davon, als auch schon zu meiner Überaschung hinter mir das Sicherheitspersonal auftaucht und mich höflich zum Ausgang des Baumarktes geleitet.
 

Fallanda

Mitglied
Hallo djpizza,

mich hat der Titel gerade neugierig gemacht, weil bei mir zwar keine ganze Plage, aber schon mal im Bad alle Jubeljahre ein Einzelnes zu entdecken ist.
Was ich auch ausgesprochen eklig finde und sich trotz bereits aufgestellter Fallen natürlich nicht ändert.
Meine Hoffnung, hier ein Mittel dagegen zu finden, ist zerstört. Schade *g*
Immerhin was über die Tierchen gelernt...

Was mir nicht so gefällt, ist die übertriebene äußere Darstellung des Baumarktverkäufers. Irgendwie unpassend bzw. trägt meiner Meinung nach auch nicht zur Story bei.
Ansonsten hat mich das auch amüsiert.

Viele Grüße
Fallanda
 



 
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