Silvias Ausrede
„1 – 2 – 3 – 4 - 6…“ Mist - ich lasse mich vom Geräusch der über das Kopfsteinpflaster gezogenen Mülltonne ablenken. Das Hüpfen unterbrechend schaue ich schmollend die Rheinstraße hinunter. Die Müllabfuhr fährt im Schritttempo die Straße hinauf. Ein Mann im orangenen Overall steht auf dem Trittbrett des Müllfahrzeugs. „He, Kleine. Hast den Weg verloren, was?“ Stumm schüttele ich den Kopf. Der Luftzug trägt die Bierfahne des Mannes zu mir herüber. Zwei Gehwegplatten vor mir springt er vom Wagen. „1 - 2 - 3 - 4“ Ich beginne von vorne. Bis zehn zähle ich die Kantsteine, ohne aufzusehen. Die Warnblinker des Müllwagens überflackern die Straße “ Außer Atem taucht meine Freundin neben mir auf. „Du hast getrödelt.. und wie!“ Wir umarmen uns nur kurz. „Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es vielleicht noch.“ Wie auf ein Stichwort rennen wir die Rheinstraße hinauf. Rhythmisch stößt die Kante des Schulranzens in meinen Rücken. Kurz vor der Schule bleibt Silvia stehen. „Zu spät. Siehst Du?“ Silvia deutet auf den leeren Schulhof. „Es muss schon geläutet haben.“ Ich lausche angestrengt. Keine Kinderstimmen dringen aus dem Schulgebäude. Der Unterricht hat längst begonnen. „Oh, je – da kriegen wir aber Ärger.“ Silvia kaut auf einer Haarsträhne. Ob ich ihr sage, wie eklig ich das finde? „Wir gehen nacheinander hinein. Ich sage, dass ich zum Augenarzt musste. Du hast eben verschlafen.“ Nickend nestele ich am Reißverschluss meiner Jacke. „Das könnte klappen – bis gleich.“ Silvia spaziert durch das Schultor und marschiert quer über den Schulhof. An der Mauer entlang schlendere ich zum Kastanienbaum. Auf dem Rückweg zähle ich die Stützen der Metallstange auf der Mauer. Zweimal besuche ich den alten Baum, bevor ich durch das Tor husche.
Mit mulmigem Gefühl im Bauch schleiche ich durch den leeren Schulflur. Ein „Herein“ ruft mich in die Höhle des Löwen. Fünfundzwanzig Augenpaare starren mich an. „Ich war beim Augenarzt.“ Hitze steigt mir in die Wangen. Ich benutze Silvias Ausrede! Unwillkürlich ziehe ich den Kopf ein und betrachte das Muster im Linoleum. „Gut, setz Dich. Wir wollen weitermachen.“ Weißes Rauschen in meinen Ohren überlagert ein Piepen. Das Donnerwetter bleibt aus. Ohne Jemanden anzusehen, schleiche ich mich an meinen Platz. Leise hole ich meine Sachen aus dem Schultornister. Ein Bleistift rutscht aus dem Mäppchen und fällt auf den Boden. .Mit hochrotem Kopf bücke ich mich danach. Silvia schaut auf die Tafel und ich versuche, an Mathematik zu denken. Am Ende der Stunde mische ich mich unter die Kinder. „Oh, man, Sibylle. Du kriegst echt Alles durcheinander. Ich wollte das doch sagen, also mit dem Arztbesuch.“ Silvia wartet neben dem Kiosk auf mich. „Das kommt davon. Ich kann nicht gut lügen.“ Verlegen esse ich Weintrauben, die Silvia mir anbietet. „Frau Raatz hat es nicht gemerkt, oder?“ Vorsichtig lächle ich unsicher. Herzhaft beißt sie in ihr Schulbrot. „Geschimpft hat sie nicht.“ Kauend stupst sie mich an. „Wollen wir schaukeln?“ Ein paar Schritte von uns entfernt stehen ein paar Jungen und Mädchen aus unserer Klasse beieinander. Ihr Gekicher schallt zu mir herüber. „Die sind aber albern. Wer zuerst da ist!“ Silvia flitzt zu den Schaukeln hinüber.
In gegenläufigem Rhythmus schwingen wir vor und zurück. Im Holzbalken über uns quietschen die Haken der Ketten. „Weißt Du was? Ich bin genauso schusselig.“ Silvia hüpft von der Schaukel „Ich habe verschlafen - den Wecker nicht gehört.“ Überrascht springe ich meiner Freundin vor die Füße. Uns ansehend prusten wir beide los. Wir lachen bis uns die Tränen kommen.
„1 – 2 – 3 – 4 - 6…“ Mist - ich lasse mich vom Geräusch der über das Kopfsteinpflaster gezogenen Mülltonne ablenken. Das Hüpfen unterbrechend schaue ich schmollend die Rheinstraße hinunter. Die Müllabfuhr fährt im Schritttempo die Straße hinauf. Ein Mann im orangenen Overall steht auf dem Trittbrett des Müllfahrzeugs. „He, Kleine. Hast den Weg verloren, was?“ Stumm schüttele ich den Kopf. Der Luftzug trägt die Bierfahne des Mannes zu mir herüber. Zwei Gehwegplatten vor mir springt er vom Wagen. „1 - 2 - 3 - 4“ Ich beginne von vorne. Bis zehn zähle ich die Kantsteine, ohne aufzusehen. Die Warnblinker des Müllwagens überflackern die Straße “ Außer Atem taucht meine Freundin neben mir auf. „Du hast getrödelt.. und wie!“ Wir umarmen uns nur kurz. „Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es vielleicht noch.“ Wie auf ein Stichwort rennen wir die Rheinstraße hinauf. Rhythmisch stößt die Kante des Schulranzens in meinen Rücken. Kurz vor der Schule bleibt Silvia stehen. „Zu spät. Siehst Du?“ Silvia deutet auf den leeren Schulhof. „Es muss schon geläutet haben.“ Ich lausche angestrengt. Keine Kinderstimmen dringen aus dem Schulgebäude. Der Unterricht hat längst begonnen. „Oh, je – da kriegen wir aber Ärger.“ Silvia kaut auf einer Haarsträhne. Ob ich ihr sage, wie eklig ich das finde? „Wir gehen nacheinander hinein. Ich sage, dass ich zum Augenarzt musste. Du hast eben verschlafen.“ Nickend nestele ich am Reißverschluss meiner Jacke. „Das könnte klappen – bis gleich.“ Silvia spaziert durch das Schultor und marschiert quer über den Schulhof. An der Mauer entlang schlendere ich zum Kastanienbaum. Auf dem Rückweg zähle ich die Stützen der Metallstange auf der Mauer. Zweimal besuche ich den alten Baum, bevor ich durch das Tor husche.
Mit mulmigem Gefühl im Bauch schleiche ich durch den leeren Schulflur. Ein „Herein“ ruft mich in die Höhle des Löwen. Fünfundzwanzig Augenpaare starren mich an. „Ich war beim Augenarzt.“ Hitze steigt mir in die Wangen. Ich benutze Silvias Ausrede! Unwillkürlich ziehe ich den Kopf ein und betrachte das Muster im Linoleum. „Gut, setz Dich. Wir wollen weitermachen.“ Weißes Rauschen in meinen Ohren überlagert ein Piepen. Das Donnerwetter bleibt aus. Ohne Jemanden anzusehen, schleiche ich mich an meinen Platz. Leise hole ich meine Sachen aus dem Schultornister. Ein Bleistift rutscht aus dem Mäppchen und fällt auf den Boden. .Mit hochrotem Kopf bücke ich mich danach. Silvia schaut auf die Tafel und ich versuche, an Mathematik zu denken. Am Ende der Stunde mische ich mich unter die Kinder. „Oh, man, Sibylle. Du kriegst echt Alles durcheinander. Ich wollte das doch sagen, also mit dem Arztbesuch.“ Silvia wartet neben dem Kiosk auf mich. „Das kommt davon. Ich kann nicht gut lügen.“ Verlegen esse ich Weintrauben, die Silvia mir anbietet. „Frau Raatz hat es nicht gemerkt, oder?“ Vorsichtig lächle ich unsicher. Herzhaft beißt sie in ihr Schulbrot. „Geschimpft hat sie nicht.“ Kauend stupst sie mich an. „Wollen wir schaukeln?“ Ein paar Schritte von uns entfernt stehen ein paar Jungen und Mädchen aus unserer Klasse beieinander. Ihr Gekicher schallt zu mir herüber. „Die sind aber albern. Wer zuerst da ist!“ Silvia flitzt zu den Schaukeln hinüber.
In gegenläufigem Rhythmus schwingen wir vor und zurück. Im Holzbalken über uns quietschen die Haken der Ketten. „Weißt Du was? Ich bin genauso schusselig.“ Silvia hüpft von der Schaukel „Ich habe verschlafen - den Wecker nicht gehört.“ Überrascht springe ich meiner Freundin vor die Füße. Uns ansehend prusten wir beide los. Wir lachen bis uns die Tränen kommen.