Sky Pilot

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wowa

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Sky Pilot

Die starken Verhörlampen durchdrangen George Boltons geschlossene Lider und tauchten sein Bewusstsein in gleißendes Licht. Man hatte ihn fixiert, nur über die Augen besaß er noch Kontrolle. Und man ließ ihn schreien, sein Mund war offen, die Zunge pelzig. Er nahm einen Schatten wahr zwischen sich und den Lampen. Sein Körper krümmte sich in Erwartung des Schlages. G.B. riss die Augen auf und schrie.
Die hochstehende Sonne des Nachmittags schmerzte, Brust und Gesicht waren schweißnass und eine tiefe Trockenheit dominierte alles Gefühl.
„Wasser!“
Der Weg zum Waschbecken war kurz und mühevoll, das Wasser schmeckte nach Chlor und unvergleichlich gut. G.B. duschte und rasierte sich und als ein starkes Zittern seinen Körper durchlief, mischte er sich den ersten Drink des Tages.
Er kannte diesen Traum und er kannte dieses Zittern. Seit er den Schrecken der Kriegsgefangenschaft entkommen war, betäubte er sich, anfangs mit Tabletten, dann verstärkte er die Wirkung mit Alkohol. Und selbst diese Kombination war keine Garantie.
In der Obhut des Feindes kam er erstmals mit den Menschen in Berührung, die er bekämpfte. Die Konfrontation traf ihn unvorbereitet, auf 12.000 m Dienstflughöhe war das Feindbild klar und der Krieg ein Job. Das war ein Irrtum, eine Selbsttäuschung, die im Lager zerstob.
Absurderweise begann er, seine Folter zu bejahen als Teil einer persönlichen Buße. Er verzieh seinen Peinigern, begrüßte den Schmerz und begriff seine hoffnungslose Situation nicht länger als sinnloses Pech, Zufall. Das half und möglicherweise auch sein christlicher Glaube.
G.B. schüttelte den Kopf und mixte sich ein zweites Getränk. Diese Geschichten lagen Jahrzehnte zurück und seine Metamorphose wirkte heute verdächtig unpatriotisch. Sein Land hatte diesen Krieg verloren und seither zwei weitere, siegreiche Kriege geführt. Das nationale Selbstbewusstsein war wieder intakt und die Erinnerung an die schmähliche Niederlage verblasst, verdrängt, vergessen. Nur er erinnerte sich glasklar an jede Sekunde und diese Klarheit nahm mit der Zeit sogar zu, hatte er den Eindruck.
OK, aber was war letzte Nacht?
Da war nichts, sein Kurzzeitgedächtnis war ein großes, schwarzes Loch, sicher auch der verfluchten Sauferei geschuldet. Eine Ahnung überfiel ihn und hektisch suchte er nach seiner Brieftasche: Weg!
Den Pass hatte er an der Rezeption hinterlegt und der freundliche Mann dort erzählte auf seine Nachfrage, dass er gestern Abend gut gelaunt mit einer jungen Frau hinaufgegangen sei. Die junge Frau habe später ebenso gut gelaunt das Hotel verlassen, ihm jedoch vorher noch ein beachtliches Trinkgeld gegeben und lachend hinzugefügt: „Von Mr. Bolton. Für Ihre Diskretion.“
G.B. nickte. Die Leute hier hatten Stil, keine Frage.
Er ließ seine Kreditkarten sperren, rief die Botschaft an und bat um ein Darlehn.
„Das dürfte kein Problem sein,“ sagte die Stimme, „wir prüfen nur noch Ihre Passnummer.“ Wenig später meldete sie sich zurück: „Sind Sie der Mr. Bolton, der damals jahrelang in den Händen des Feindes war?“
G.B. bejahte. Er wusste, was kommt.
„Darf ich Sie etwas persönliches fragen?“
G.B. bejahte.
„Mein Vater war seinerzeit der festen Überzeugung, ohne ein Minimum an Kollaboration könne man eine derartige, jahrelange Gefangenschaft nicht aushalten, während meine Mutter diese Möglichkeit vehement verneinte. Haben Sie kollaboriert ?“
„Das habe ich vergessen,“ sagte George Bolton.
 

Marker

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hallo wowa,

von meinem sprachgefuehl her wuerde ich den nachstehenden satz aendern:

- g.b. bejahte. er wusste was kommt.

in:

- g.b. bejahte. er wusste, was nun kommen wuerde.

lg, marker
 

wowa

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Lieber Marker !
Danke für deinen Hinweis. Grammatisch hast du zweifellos recht. Ich werde die Formulierung trotzdem beibehalten aus zwei Gründen. a) Der Rhythmus stimmt: drei kurze, aufeinander folgende Aussagen. b) Umgangssprachlich ist der Satz korrekt, dh allgemeinverständlich.
Alles Gute
wowa
 



 
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