So.nett.er Schund

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Walther

Mitglied
So.nett.er Schund


Ich hätt so gerne kräftig drauf geschissen,
Doch diese Welt ist ungerecht, ein Witz:
Ich wünschte mir, es träfe mich der Blitz,
Dann hätte ich vorab ins Gras gebissen,

Und niemand hätte mir mein Werk verrissen!
Nun bin ich fertig und todtraurig, sitz
Am dunklen Fenster: Durch den schmalen Schlitz
Kein Sonnenstrahl sich stiehlt! Und mich vermissen,

Den tiefen Sturz bedauern: Keiner würde
Ein ganz klein wenig Mitleid haben und
Sie mit mir tragen, diese – meine! – Bürde:

Versager stützt man nicht. In dieser Stund
Zerbricht sie, des Sonetters ganze Würde,
Vernichtet durch das Urteil: Welch ein Schund!
 

Walther

Mitglied
So.nett.er Schund


Ich hätt so gerne kräftig drauf geschissen,
Doch diese Welt ist ungerecht, ein Witz:
Ich wünschte mir, es träfe mich der Blitz,
Dann hätte ich vorab ins Gras gebissen,

Und niemand hätte mir mein Werk verrissen!
Nun bin ich fertig und todtraurig, sitz
Am dunklen Fenster: Durch den schmalen Schlitz
Kein Sonnenstrahl sich stiehlt! Und mich vermissen,

Den tiefen Sturz bedauern: Keiner würde
Ein ganz klein wenig Mitleid haben und
Sie mit mir tragen, diese – meine! – Bürde:

Versager stützt man nicht. In dieser Stund
Zerbricht sie, des Sonetters edle Würde,
Vernichtet durch das Urteil: Welch ein Schund!
 
P

Pelikan

Gast
Es ist eigentlich schade, dass solch ein handwerklich
hervorragendes Gedicht nur ein paar Leser hat und das weil es keinen nicht nur langen, sondern überhaupt keinen Strich vorweisen kann. Es ist, das muss dem Schreiber der Neid lassen, witzig, mit einem Spritzer Boshaftigkeit gegen
die Forenschreiber gewürzt. Dieses ist leider auch sein Minuspunkt, bei allem Drang den man verspürt in Richtung Lob:
Es ist ein immer gleiches Thema auf welchem der Schreiber gerne reitet....leider. Dennoch kann ich mir nicht verkneifen zu sagen, das es mir gefällt und mich gleichzeitig die mangelnde Beachtung dieses Gedichtes wundert.
Tja, das nur zum Thema: "Der Strich weist dem Leser den Weg zum guten Werk: Langer Strich=gleich gutes Gedicht,
kurzer=gleich schlechtes, kein Strich=miserabel".

Tja, dazu kann man nur sagen: Pustekuchen! und: Stimmt nicht!
LG Pelikan
P.S. nicht über die Kürze des Striches wundern,
dem Strichmacher ist keine Länge vergönnt :D
 

Walther

Mitglied
Lb. Pelikan,

danke für Deinen unverhofften Eintrag. Natürlich hat jeder von uns einen solchen Gehirnwurm, der immer wieder Varianten eines Themas produziert. Du hast diesen auch, und das ist gut so. :)

Im Übrigen wurde dieses Sonett aus Zuständen in einigen anderen Foren "angestoßen". Es ist also keine rein lupianische Angelegenheit (und keine neue, heutige, wenn ich an dieser Stelle die Auseinandersetzungen ins Gedächtnis rufen darf, die der arme Sonetter von Platen im 19. Jahrhundert rund um seine Sonette zu erleiden hatte; da ist das hier Kinder- oder Zickencafé dagegen, wie wir uns in diesem Raum im Moment bestreichen; dem warf man übrigens wie mir eine gewisse lebelose Technizität vor, aber damit kann wenigstens ich leben, er leider weniger).

Nun strebt der/die Dichter/in, der/die veröffentlicht, egal welche/r wo und wie, nach Lob (= Anerkennung). Dessen muß man sich nicht schämen, im Gegenteil: Wer sich selbst gegenüber ein wenig kritische Distanz wahrt und eine logische Sekunde einmal rückhaltslos ehrlich ist, gibt das freimütig zu. Dies sei hiermit durch mich für mich geschehen. :D

Also: Her mit dem Beifall, her mit den ganzen Zehnen! Aber sofort! ;)

LG W.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

welch schönes Selbstmitleid-Gedicht! Und durch die edle Form des Sonetts, die Du natürlich wieder glänzend ausgefüllt hast, fällt einem das Selbstmitleid schon gar nicht mehr auf. Auch die Reime finde ich spitzenmäßig.

"Dann hätt' ich vorab schon ins Gras gebissen" gefällt mir sehr. Das möchte ich auch, dem Tod entwischen und einfach schon sterben, bevor er auf seinem Bestellschein gesehen hat, dass mit mir die nächste Lieferung ansteht. Sein Gesicht möchte ich dann mal sehen. :D (Womit ich allerdings keinen Selbstmord meine sondern nur ein friedliches Hinübergleiten wie im Traum in die lichtvolle Welt.)

Solche Texte kann man natürlich nur schreiben, wenn es in Wirklichkeit keinen Grund zum Selbstmitleid gibt.

Und den gibt es auch nicht, denn auch dieser humorvolle Text ist Dir gelungen.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Label

Mitglied
Lieber Walther

schon wieder ein Sonett das mir richtig gut gefällt,

einfühlsam, wenn auch ironisch in die geknickte Schreiberlingsseele
Einblick verschaffend
das Wortwahl flüssig ohne Einschübe (wie leider oft beim Sonett) und wie bei dir nicht anders zu erwarten perfekt gereimt.

(Walther du willst mich doch nicht klammheimlich umdrehen?)

Das einzige das ich zu meckern habe, sind wie immer deine Versanfangsbuchstaben und werde wahrscheinlich die gleiche (oder keine) Antwort wie immer bekommen. Hier alles wie gehabt ;)

ja, ja, gefällt!

herzlich grüßt dich
Label
 

Thylda

Mitglied
Lieber Walther

dem warf man übrigens wie mir eine gewisse lebelose Technizität vor
Dieses hier ist nicht leblos, obwohl die Form des Sonetts dies oft hervorbringt.

Da kommen wir dann auf eine einfache Formel:
technisch einwandfrei( weil von Walther) + Leben = gutes Sonett

eigentlich ganz einfach ;)

wieder einmal angenehm überrascht und lieb grüßend
Thylda
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther,

Kein Sonnenstrahl sich stiehlt! Und mich vermissen,
warum so verdreht? Mir gefiele

[blue]Passt kaum ein Sonnenstrahl! Und mich vermissen,[/blue]

besser, weil dies sprachlich runder klingt. Notfalls ginge auch "[blue]Passt gar kein Sonnenstrahl! [/blue]...".

Bei

Sie mit mir tragen, diese – meine! – Bürde:
ist das "Sie" leicht als betont zu lesen, weil das "i" darin länger klingt als im "mit", was dem Jambus zuwiderläuft.

lG

Herbert
 

Walther

Mitglied
So.nett.er Schund


Ich hätt so gerne kräftig drauf geschissen,
Doch diese Welt ist ungerecht, ein Witz:
Ich wünschte mir, es träfe mich der Blitz,
Dann hätte ich vorab ins Gras gebissen,

Und niemand hätte mir mein Werk verrissen!
Nun bin ich fertig und todtraurig, sitz
Am dunklen Fenster: Durch den schmalen Schlitz
Pass kaum ein Sonnenstrahl! Und mich vermissen,

Den tiefen Sturz bedauern: Keiner würde
Ein ganz klein wenig Mitleid haben und
Sie mit mir tragen, diese – meine! – Bürde:

Versager stützt man nicht. In dieser Stund
Zerbricht sie, des Sonetters edle Würde,
Vernichtet durch das Urteil: Welch ein Schund!
 
Hallo Walter,
ich bin zwar keine große Sonett-Freundin, doch dieses gefällt mir sehr.

Ich möchte aber einen Ausschnitt aus Labels Kommentar hier anführen und unterstreichen:

Das einzige das ich zu meckern habe, sind wie immer deine Versanfangsbuchstaben und werde wahrscheinlich die gleiche (oder keine) Antwort wie immer bekommen
Herzliche Grüße
Marie-Luise
 

Walther

Mitglied
Lb. Vera-Lena,

vielen Dank für Deinen sehr freundlichen Eintrag. Es ist schön, daß Du hier wieder postet. Nicht nur ich habe Dich und Deine wunderbar lyrische Sprache vermißt.

Selbstmitleid ist meine Sache nicht, aber sich selbst auf die Schippe Nehmen darf und soll man, finde ich. Wie oft hat sich ein Dichter schon schlecht behandelt gefühlt? Jeder mindestens einmal im Leben - manche möglicherweise am Stück. :) Verkannte Genies gibt es mehr als bekannte Doofköppe.

Die Idee mit dem leisen Sterben vor dem Todum dessen dummes Gesicht anschauen zu können, ist ein genialer Einfall. Den solltest Du Dir patentieren lassen. Daraus sollte man eine Kurzgeschichte machen, die wäre, richtig gebaut, der Wahnsinn. Das Lachen würde einem im Halse steckenbleiben, aber man würde sich sicherlich dennöch köstlich amüsieren: Bester schwarzer Humor eben. ;)

Besonders danke ich Dir für Deine lobende Textbewertung. Ich weiß das gerade von Dir sehr zu schätzen.

Frohes Dichten und Werken.

LG W.
 

Walther

Mitglied
Lb Thylda, lb. label,

herzlichen Dank für die aufmunternden Einträge. Ich werde mich bemühen, der Ehre gerecht zu werden. :)

LG W.

Lb. Marie-Luise,

auch Dir einen ehrlichen, lieben Dank. Vielleicht kann ich Dich ja doch noch verführen, mal wieder eines Deiner schönen märchenhaften Naturgedichte einzustellen! ;)

LG W.
 

Janosch

Mitglied
schön. aber beim ersten terzett komm ich durcheinander, weil die sätze übers zeilenende hinaus gehen (was ja nicht selten in sonetten passiert) und "sie mit mir tragen" - da weiß man erst mal nicht, was oder wer mit sie gemeint ist, dann weiß man es, aber beim lesen komm ich ein bissl aus dem rhytmus, wie gesagt. zumindest beim ersten lesen, wenn man einmal weiß wie man an die sache herangehen muss, dann klappts. :)
trotzdem schönes sonett.
gruß janosch

ps: noch ein t zuwenig entdeckt: PassT kaum ein Sonnenstrahl
 

Walther

Mitglied
So.nett.er Schund


Ich hätt so gerne kräftig drauf geschissen,
Doch diese Welt ist ungerecht, ein Witz:
Ich wünschte mir, es träfe mich der Blitz,
Dann hätte ich vorab ins Gras gebissen,

Und niemand hätte mir mein Werk verrissen!
Nun bin ich fertig und todtraurig, sitz
Am dunklen Fenster: Durch den schmalen Schlitz
Passt kaum ein Sonnenstrahl! Und mich vermissen,

Den tiefen Sturz bedauern: Keiner würde
Ein ganz klein wenig Mitleid haben und
Sie mit mir tragen, diese – meine! – Bürde:

Versager stützt man nicht. In dieser Stund
Zerbricht sie, des Sonetters edle Würde,
Vernichtet durch das Urteil: Welch ein Schund!
 

Walther

Mitglied
Lb. Janosch,

danke für den Hinweis. Das "t" ist bereits implementiert. :)

Gern höre ich auch die lobenden Worte eines sonettenden Kollegen. ;)

Frohes Dichten und Werken!

LG W.
 

revilo

Mitglied
Hallo Meister, ich kann ein Sonett nicht von einer Tüte Kunstdünger unterscheiden, dazu fehlt mir der theoretische Hintergrund......Aber ich fühle aus dem Bauch heraus, wann ein Text gut ist........
und dieser ist saugut......

anerkennende Grüße vom Kunstbanausen revilo
 

Walther

Mitglied
So.nett.er Schund


Ich hätt so gerne kräftig drauf geschissen,
Doch diese Welt ist ungerecht, ein Witz:
Ich wünschte mir, es träfe mich der Blitz,
Dann hätte ich vorab ins Gras gebissen,

Und niemand hätte mir mein Werk verrissen!
Nun bin ich fertig und todtraurig, sitz
Am dunklen Fenster: Durch den schmalen Schlitz
Passt kaum ein Sonnenstrahl! Und mich vermissen,

Den tiefen Sturz bedauern: Keiner würde
Ein ganz klein wenig Mitleid haben und
Sie mit mir tragen, diese – meine! – Bürde:

Versager stützt man nicht. In dieser Stund
Zerbricht sie, des Sonetters edle Würde,
Vernichtet durch das Urteil: Welch ein Schund!
 



 
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