So oder so

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NewDawnK

Mitglied
Nein, die Zeiten sind nun endgültig vorbei, da das Leben einzig ein Kampf ums Überleben war. Heute ist unser Leben in der Hauptsache ein Kampf gegen die Gleichheit.

Ein Kampf, den selbst die Toten weiterkämpfen - so könnte meinen, wer wie ich in diesen nasskalten Oktobertagen einmal über einen Friedhof schlendert. Vorbei an herbstlich herausgeputzten namenlosen Einzelgräbern. Vorbei an mit fahlem Rotlicht halbherzig erwärmten Familiengruften. Hier wie dort floristischer Allerseelen-Zauber vom Feinsten.
Auf der einen Seite die standesgemäßen Ruhestätten der Wohlhabenden, teils mit schweren Granitplatten gepanzert wie einst die Leiber ihrer gutbetuchten Besitzer. Schräg gegenüber in gebührlichem Abstand die schmalen Holzkreuze der Habenichtse - nebeneinander aufgespießte Mahnwachen der ewigen Missgunst.

Und dennoch, in den Särgen, unter den Leichentüchern sind sie alle gleich: Den Würmern alsbald ein namenloser kulinarischer Hochgenuss, den Wurzeln der Friedhofsbäume noch nach Jahren ein köstliches Nährsubstrat.

Warum, so fragte ich mich, konnten sie bis zuletzt nicht zu ihr stehen - zu ihrer unübersehbaren Gleichheit? Zu der Gleichheit unter ihren modischen Klamotten, zu der Gleichheit ihrer von Fäulnisgasen aufgedunsenen Körper, der Gleichheit ihrer schnell verfaulenden Muskeln und Fettschürzen und der widerspenstigen Gleichheit ihrer zerfallenden Knochen und Zahnprothesen?

Die Antwort, die ich mir an jenem Oktobertag anno 2008 gab, ist so einfach wie komplex:
Es war ihnen nicht möglich, im Leben gleich zu sein, denn das Leben war und ist nichts weiter als der immerwährende Kampf gegen die Gleichheit.
Ein Kampf, der Tag für Tag und Nacht für Nacht milliardenfach in billigen Träumen vorweg geträumt wird. In billigen Träume, die nur im Erwachen ihr Ende finden können - so oder so.
 
H

Hakan Tezkan

Gast
findest du, dass die menschen eigentlich alle gleich sind? wenn ja, wie öde wäre dann diese welt? sicher, man ist unentwegt einflüssen unterworfen, man passt sich automatisch an, sei es gewollt oder unbewusst. aber: tief im innern sind wir doch alle einzigartig. warum? weil niemand dasselbe erlebt hat wie ich, weil niemand dieselben veranlagungen hat wie ich, und selbst wenn eines von beiden doch zutriffen sollte(nur theoretisch gesehen), dann lässt die andere seite den menschen doch vollkommen unterschiedlich werden. denn es wird ständig und immerfort interagiert.
also: ich bestehe auf unsere einzigartigkeit, denn alles andere ließe selbst die menschen für mich uninteressant werden lassen.

hakan

ps: natürlich sind und sollten wir von den rechten her gleich sein, das mal so ab davon gesagt...
 

NewDawnK

Mitglied
Ich gehe stark davon aus, dass wir im Tod allesamt unsere Einzigartigkeit verlieren. So wie das Gefühl der Einzigartigkeit im Leben oft auch nur trügerisch ist. Kein Mensch ist unersetzbar, das bilden wir uns nur allzu gerne ein.

Als einzigartig wird man sich vielleicht am ehesten dann erleben, wenn man liebe Menschen gefunden hat, die einem das auch rückmelden. Auf der LL bist Du natürlich einzigartig, Hakan. Das wird niemand bestreiten wollen. Ich dachte hier eher an den ganz großen Kontext.

Ganz sicher sind wir im Leben auch objektiv unterschiedlich - genetisch, durch soziale Prägungen und wir strampeln uns ja auch ordentlich dafür ab, etwas Besonderes zu sein. Aber spätestens die Asche von zwei Toten kann man dann nicht mehr unterscheiden, und dass es danach im nächsten Leben lustig weitergehen wird, darauf möchte ich mich nur ungern verlassen.

Für mich ist es jedenfalls leichter, gewissermaßen aus der Perspektive meiner Endlichkeit und meiner Unwichtigkeit zu leben. Das hilft mir, Prioritäten zu setzen und frühzeitig unnützen Ballast abzuwerfen, so dass mein restliches Leben (sofern ich einigermaßen gesund bleibe) so unbeschwert sein kann, wie ich mir das vorstelle.

Deine Zukunft ist vermutlich noch ein ganzes Stück länger als meine, Hakan. In Deinem Alter hatte ich Besseres zu tun, als mir blödsinnige Endzeitgedanken zu machen.

Vielleicht ist dies ein Text vornehmlich für ältere Leute, wer weiß.
 

NewDawnK

Mitglied
Nein, die Zeiten sind nun endgültig vorbei, da das Leben einzig ein Kampf ums Überleben war. Heute ist unser Leben in der Hauptsache ein Kampf gegen die Gleichheit.

Ein Kampf, den selbst die Toten weiterkämpfen - so könnte meinen, wer wie ich in diesen nasskalten Oktobertagen einmal über einen Friedhof schlendert. Vorbei an herbstlich herausgeputzten namenlosen Einzelgräbern. Vorbei an mit fahlem Rotlicht halbherzig erwärmten Familiengruften. Hier wie dort floristischer Allerseelen-Zauber vom Feinsten.
Auf der einen Seite die standesgemäßen Ruhestätten der Wohlhabenden, teils mit schweren Granitplatten, gepanzert wie einst die Leiber ihrer gutbetuchten Besitzer. Schräg gegenüber in gebührlichem Abstand die schmalen Holzkreuze der Habenichtse - nebeneinander aufgespießte Mahnwachen der ewigen Missgunst.

Und dennoch, in den Särgen, unter den Leichentüchern sind sie alle gleich: Den Würmern alsbald ein namenloser kulinarischer Hochgenuss, den Wurzeln der Friedhofsbäume noch nach Jahren ein köstliches Nährsubstrat.

Warum, so fragte ich mich, konnten sie bis zuletzt nicht zu ihr stehen - zu ihrer unübersehbaren Gleichheit? Zu der Gleichheit unter ihren modischen Klamotten, zu der Gleichheit ihrer von Fäulnisgasen aufgedunsenen Körper, der Gleichheit ihrer schnell verfaulenden Muskeln und Fettschürzen und der widerspenstigen Gleichheit ihrer zerfallenden Knochen und Zahnprothesen?

Die Antwort, die ich mir an jenem Oktobertag anno 2008 gab, ist so einfach wie komplex:
Es war ihnen nicht möglich, im Leben gleich zu sein, denn das Leben war und ist nichts weiter als der immerwährende Kampf gegen die Gleichheit.
Ein Kampf, der Tag für Tag und Nacht für Nacht milliardenfach in billigen Träumen vorweg geträumt wird. In billigen Träume, die nur im Erwachen ihr Ende finden können - so oder so.
 
H

Hakan Tezkan

Gast
nach dem tod: sicherlich. doch, warum interessiert uns dieser bereich "nach dem tod" überhaupt. für mich existiert da nicht einmal ein bereich, also ist jede überlegung diesbezüglich für mich ohne belang.

natürlich ist kein mensch unersetzbar, das behauptet auch keiner, aber jeder mensch ist einzigartig. man könnte eigentlich auch der liebe abschwören, denn wir sind ersetzbar, man muss sich eingestehen, dass es tausende menschen gibt, die dieselben gefühle im gegenüber auslösen können. diesbezüglich sind wir nicht einzigartig, in unserer art schon.

mann muss "einzigartigkeit" nicht mit "wichtigkeit" gleichsetzen. ich denke sogar, das ist ein verbreiteter fehlschluss. wenn etwas nur ein mal da ist, heißt das noch lange nicht, dass es von einem sinn erfüllt ist, ich spreche hier von einem höheren sinn, als der eines bohrers beispielsweise.

hakan

ps: auf der ll bin ich einzigartig? warum? und woher weißt du das? war noch nie bei deinen werken zu besuch, und du glaub ich auch nicht bei meinen. naja. trotzdem bedanke ich mich höflich für das so vernommene lob.
 

NewDawnK

Mitglied
doch, warum interessiert uns dieser bereich "nach dem tod" überhaupt. für mich existiert da nicht einmal ein bereich, also ist jede überlegung diesbezüglich für mich ohne belang.
Als Gegenentwurf zu dem, was uns „Leben“ bedeutet, ist er ganz nützlich, denke ich. So wie etwa der „Traum“ als ein Gegenentwurf zur „Wirklichkeit“ gesehen werden könnte...
man könnte eigentlich auch der liebe abschwören, denn wir sind ersetzbar, man muss sich eingestehen, dass es tausende menschen gibt, die dieselben gefühle im gegenüber auslösen können. diesbezüglich sind wir nicht einzigartig, in unserer art schon.
Ich glaube zwar, dass alle Gefühle vornehmlich im eigenen Kopf entstehen, aber ich glaube auch, dass wir ohne sie kaum einen sozialen Zusammenhalt entwickeln würden, geschweige denn etwas für die Erhaltung unserer Art tun würden. Man kann Menschen auf die Dauer nicht zwingen zu tun, was sich für sie nicht gut anfühlt.
Ich denke, dass unser derzeitiger Umgang mit unseren Gefühlen ein Zwischenergebnis der Evolution ist. Aber die Evolution geht ja ständig weiter. Vielleicht gibt es eines Tages Menschen, die beides können: Den Zusammenhalt aufrechterhalten und die trotzdem nicht ständig unter dem Regime ihrer „großen“ Gefühle stehen...?
ps: auf der ll bin ich einzigartig? warum? und woher weißt du das?
Klar bist Du das! Ich lese Deine Texte ja nun schon eine ganze Weile, zumindest sporadisch.
Nur weißt Du, nicht jeder Mensch ist zum Hobby-Pädagogen geboren, meine Hobbys gehen eher in Richtung Philosophie, Psychologie, Biologie etc. .. aber das siehst Du ja auch schon an meinem Kommentar hier, oder?
 
B

bluefin

Gast
welch grandioser irrtum, lieber @ndk!

nicht mal ein ei gleicht dem anderen - und das ist keine filosifie, sondern die wirklichkeit.

wollte man die deine auf alles (alles!) andere übetragen, hieße das: ganz egal, welche sinfonie: es ist nur eine tonleiter; ganz egal, welches drama: nur buchstaben; ganz egal, welches bild: nur ausgedrückte farbtuben. speziell im bereich der "funebristik", in dem du dich soeben (sprachlich wirklich sehr bemerkenswert!) aufgehalten hast, darf man nicht übersehen, was dort dem herzweh, der religion, der dankbarkeit und der profanen konvention geschuldet ist.

darin einen "wettkampf" zu sehen, @ndk, ist dein privatvergnügen, das kaum einer wirklich teilen könnte. höchstens die bestattungsunternehmer...*smile*...

@ndk, @hakan, @bluefin und der ganze @rest der welt sind ebengerade nicht à priori ein klümpchen dreck, wie du dir vorstellen möchtest. physiologisch, am ende, gewiß. aber das ist nur die hülle. hier spricht @bluefin mit dir, und nicht eine beliebige desoxiribonukleinsäure.

also sei so gut und steck uns nicht alle zusammen in die mülltonne, sondern erkenne unseren spezifischen wert - am besten schon bei lebzeiten.

nicht tot kann ziemlich spannend sein...*promise*...

liebe grüße aus der weltstadt mit herz

bluefin
 

NewDawnK

Mitglied
nicht mal ein ei gleicht dem anderen - und das ist keine filosifie, sondern die wirklichkeit.
Oh, Mist! Schon wieder das falsche Ei angepiekt.

Meine Lesebrille wird auch immer schlechter... darf ich vermuten, dass Du noch recht jung bist und desterwegen noch keine Lesebrille brauchst?

Liebe/r/s Bluefin, wir zwei beide sind uns sicher dahingehend einig, dass es immer ein Privatvergnügen ist, durch welche Brille man guckt, oder? Du bist mir also bestimmt nicht böse, wenn ich hier im Tagebuchbereich ausnahmsweise mal ohne Rücksicht auf esoterische Verluste durch meine eigene gucke.

Ich danke Dir sehr für Dein Verständnis!

Schöne Grüße, NDK
 
H

Hakan Tezkan

Gast
Als Gegenentwurf zu dem, was uns „Leben“ bedeutet, ist er ganz nützlich, denke ich. So wie etwa der „Traum“ als ein Gegenentwurf zur „Wirklichkeit“ gesehen werden könnte...
"gegenentwurf"? nützlich? für was? und wozu brauchen wir überhaupt einen gegenentwurf? und wie können wir einen gegenentwurf anfertigen, ohne den entwurf zu kennen? ohne ihn zu begreifen, ohne ihn zu verstehen?

Ich glaube zwar, dass alle Gefühle vornehmlich im eigenen Kopf entstehen, aber ich glaube auch, dass wir ohne sie kaum einen sozialen Zusammenhalt entwickeln würden, geschweige denn etwas für die Erhaltung unserer Art tun würden. Man kann Menschen auf die Dauer nicht zwingen zu tun, was sich für sie nicht gut anfühlt.
Ich denke, dass unser derzeitiger Umgang mit unseren Gefühlen ein Zwischenergebnis der Evolution ist. Aber die Evolution geht ja ständig weiter. Vielleicht gibt es eines Tages Menschen, die beides können: Den Zusammenhalt aufrechterhalten und die trotzdem nicht ständig unter dem Regime ihrer „großen“ Gefühle stehen...?
ich meinte das anders. die liebe speist sich aus der einzigartigkeit, man glaubt, seinem partner etwas geben zu können, wozu niemand sonst in der lage wäre. aber: die gefühle sind dieselben, ich sehe meine ex-freundin genau so lachen, wie sie es bei mir getan hat, sie kräuselt sich das haar noch genau so wie damals, wenn sie aufgeregt war. sie liebt wahrscheinlich noch genau so. diese ersetzbarkeit nimmt de rliebe ihren wert. in die richtung ging meine aussage. das "regime großer gefühle", das du ansprichst, ist doch schön, man stelle sich vor, man könnte herr seiner eignen gefühle werden? wo bliebe da noch der spaß an ihnen, das unerwartete, das überwältigende. du siehst, ich bin ein wenig romantisch veranlagt.

Klar bist Du das! Ich lese Deine Texte ja nun schon eine ganze Weile, zumindest sporadisch.
Nur weißt Du, nicht jeder Mensch ist zum Hobby-Pädagogen geboren, meine Hobbys gehen eher in Richtung Philosophie, Psychologie, Biologie etc. .. aber das siehst Du ja auch schon an meinem Kommentar hier, oder?
kann man mithilfe von sporadischem lesen einzigartigkeit erkennen? jedenfalls wusste ich nichts davon, weil ich dich nie bei mir gelesen habe.

frage: was meinst du mit "hobby-pädagogen"? ich verstehe den zusammenhang nicht recht.
 
B

bluefin

Gast
entschuldige bitte, @ndk - ich hatte gedacht, du erwartetest wie alle hier befindlichen einen kommentar, wenn du etwas in diesem forum veröffentlichst.

dass du es nur als tagebuch nutzen möchtest, um uns stumm und ehrfürchtig an deinem inneren teilhaben zu lassen, wusste ich nicht.

selbstverständlich werde ich deinen wunsch nach ungestörter selbstbetrachtung respektieren und mich ab sofort nicht mehr einmischen. viel glück dabei!

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

NewDawnK

Mitglied
Puuuh, da habe ich aber ein großes Fass aufgemacht. Und dabei wollte ich nur einen kleinen, lustigen Gedankengang dokumentieren, mit dem es sich meiner eigenen Erfahrung nach prima leben lässt. Ich kann über meinen Text lachen, Ihr offenbar nicht.

Falls also weiterhin Diskussionsbedarf besteht, möchte ich die Moderatoren hiermit um eine Verschiebung ins Lupanum bitten.
 
H

Hakan Tezkan

Gast
ohhh, dabei hat das philosophieren grade spaß gemacht...

ps: das mit dem pädagogen versteh ich immer noch nicht.
 

NewDawnK

Mitglied
Im Lupanum gibt's noch viel größere und kompetentere Philosophen, die Dir Auskunft geben können, Hakan.
Das Thema an sich ist (mir) viel zu ernst für spaßige rhetorische Streitereien, verstehst Du?

Also, wenn Du weiter diskutieren willst, dann klick auf Mod-Alarm. Meine Zustimmung hast Du.
 

NewDawnK

Mitglied
Hakan, Pädagogen sind die, die dafür bezahlt werden, dass sie sich mit fremder Leute Nachwuchs herumplagen. Hobby-Pädagogen sind solche, die das freiwillig tun, weil sie so gute Menschen sind.
Ich habe nicht genug Ehrgeiz, ein guter Mensch zu sein, weil gute Menschen ihr Gutsein meiner Erfahrung nach oftmals überbewerten. Reicht Dir das als Erklärung?
 
H

Hakan Tezkan

Gast
moment: ich verstand den kontext nicht, das wort selber ist mir natürlich ein begriff, jetzt verkaufst du mich für dumm.
nicht, dass ich das falsch verstehe: aus dem kontext ergab sich mir nur eine erklärung, nach der du nicht mein hobby-pädagoge werden willst/wolltest, also, dich nicht mit mir, der ich meiner eltern, also fremder leute nachwuchs bin, herumplagen möchtest. richtig? oder falsch? noch habe ich nicht entschieden. sag du's mir.
 
H

Hakan Tezkan

Gast
oh man. du machst missverständliche , oder aber: herabsetzende aussagen, und bist dann nicht bereit, sie mir zu erklären. um missverständnisse auszuräumen, oder differenzen klar zu machen.
 



 
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