Sommersonate

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Walther

Mitglied
Sommersonate


Die Halme schwanken sanft im Wind,
Es schwanken auch die Augen.
So leicht bekleidet und geschwind,
Dass ich den rechten Halt nicht find,
Zur Scheuche will’s nicht taugen.

Das Tuch, das sie so eng umschlang,
Der Windstoß will es blähen.
Ich eile an dem Feld entlang,
Wo ich die letzten Strahlen fang.
Ich wollt, dass sie uns sähen!

Der Rock schmiegt sich an ihren Leib,
Die Falten sind zu fühlen.
Sie ist mein liebster Zeitvertreib,
Ich will, sie will, dass ich jetzt bleib,
Um mich in ihr zu kühlen.

Die Bluse öffnet sich so leicht,
Ich brauchte nicht zu knöpfen,
Zu greifen, was sie mir gereicht,
Wie sie dem Paradiese gleicht,
Das sie mir bot zu schöpfen.

Ich halt sie fest in meinem Arm,
Ganz fest, sie darf nicht fliegen
Wie über uns der Vogelschwarm,
Sie schmeckt so gut, sie ist so warm,
Sie wird mich gleich besiegen.

Ach Kind, was wehrst Du Dich so sehr,
Ich will Dich nur umfangen.
Mach uns das Leben nicht so schwer,
Sonst mach ich Deine Augen leer
In wütendem Verlangen.
 

Walther

Mitglied
Hinweis: Dieser Text ist eine Provokation und nicht meine Meinung. Ich bin nicht das LyrIch. Und ich teile auch nicht die Ansicht, daß das gut ist, was da geschieht.
Gruß W.
 

Duisburger

Mitglied
Hallo Walter,

formal ist da nix auszusetzen, hätt' ich bei dir auch nicht anders erwartet.
Inhaltlich ist das Werk durch die letzte Strophe nach meinem Dafürhalten grenzwertig. Die ersten fünf Strophen ein erotisches Gedicht, ein gelungenes wohlgemerkt, aus dem ich durch die letzte Strophe jäh heraus gerissen werde. Ich denke, dass war deine Absicht, wenn dem so war, so ist es dir zumindet bei mir gelungen.
Die letzte Strophe ist auch inhaltlich interpretierbar. Ist mit "Ach Kind" wiklich ein Kind gemeint oder eher eine Redendung, welche gerne Ältere gegenüber jüngeren (auch erwachsenen) Menschen benutzen?
Die Mordrohung in den letzten Zeile jedoch ist eindeutig, somit also eine Vergewaltigung.

Ich muss drüber nachdenken, was ich davon halten soll oder will.

lg
Oldy
 

Walther

Mitglied
Hi Duisburger,

danke für Deinen Eintrag. Ich habe diese Provokation und die Folgen bewußt gesucht. Wenn ich jetzt den Rost heruntergemacht bekomme, muß ich damit leben.

Allerdings habe ich, im Vorgriff auf die versammelten "Hinrichtungskommandos", bereits eine Bemerkung eingetragen, die darauf hinweist, daß das nicht meine Meinung ist, ich nicht das LyrIch bin, und Stephen King (wobei meine literarischen Versuch nicht dessen Klasse erreichen, sondern weit schlechter sind) kein Meuchel- oder Massenmörder. Also bin ich auch keiner, und in der Kunst ist diese Art Provokation ja nicht neu.

Nun harre ich der Dinge, die da kommen. Ich werde sie wohl überleben.

Gruß W.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Walther

Das ist formal und sprachlich sogar einer Deiner besten Texte. Hier passt jedes Wort zum anderen, der Stil ist durchgängig und die Geschichte wird überzeugend erzählt.
Walther, mir graut vor Dir! ;) :D

LG

Jürgen
 

Duisburger

Mitglied
Nee Walter, ich wollte dich nicht "hinrichten" und das du und der Lyrich nicht identisch sind, war mir auch ohne deinen Zusatz klar, wir kennen uns schon länger.
Die "Provokation" ist jedoch gelungen. Bin mal gespannt auf weitere Meinungen.

lg
Duisburger
 

Walther

Mitglied
Hi JS,

mir graut vor mir auch.

Nun kann das Böse durchaus im Kleid der Schönheit daherkommen, gerade in dieser Sache. Als ewiger Rebell, der ich im Geheimen bin, habe ich dieses Thema gegen den Strich gebürstet und da hinein getan, wo es m.E. hingehört: Als den lebensgefährlichen Teil der Sexualität, der aus einem Spiel entsteht, das, durch falsche Signale (falsch gesendet und falsch verstanden), zu einem schrecklichen Abschluß führt.

Als Vater zweier Töchter ist diese Situation eine meiner permanenten Ängste, die mich zeitlebens verfolgen werden.

Ich hoffe, das erläutert diesen Text hinreichend.

Gruß W.

PS.: Das ist die "saubere" Version der 6. Strophe:

Ach Kind, was wehrst Du Dich so sehr,
Ich will Dich nur umfangen,
Mach uns das Leben nicht so schwer,
Es ist nur Liebe und nicht mehr,
In stürmischem Verlangen.
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo Walther,

ja ich gebe es zu, ich hatte beim lesen schon die ganze Zeit auf eine Zuspitzung der Situation gehofft. Zu rein und weiß kamen die Strophen 1 - 5 daher. Die Abkühlung in Strophe 6 empfand ich erfrischend, teilt aber die Leserschaft sicherlich in zwei Lager.
Gut so!

VG Thomas

PS: Die wenig liebevoll gemeinte Anrede "Mein Kind" benutzte ich auch schon in einer Apokalypse und dort wurde sie nicht mokiert. "Mein Baby" steht ja auch nicht immer für dasselbe.
 

Duisburger

Mitglied
Die wenig liebevoll gemeinte Anrede "Mein Kind" benutzte ich auch schon in einer Apokalypse und dort wurde sie nicht mokiert. "Mein Baby" steht ja auch nicht immer für dasselbe.
Schon richtig, aber man muss "mein Kind" im Kontext sehen, ich denke, Walter hat diese Redewendung nicht von ungefähr benutzt.

lg
Duisburger
 
Hallo Walther,
ich bin sehr erschrocken.

Sonst mach ich Deine Augen leer in wütendem Verlangen.

Nein, so etwas mag ich nicht gerne lesen.

Trotzdem grüßt dich
Marie-Luise
 

MarenS

Mitglied
Ein äußerst grenzwertiges aber nichtsdestotrotz hervorragendes Gedicht. Mir war nach dem ersten Lesen so kotzschlecht...
Alles ist stimmig, Walther, und du führst wie schon erwähnt wurde, so arglos leicht erotisch an die letzte Strophe heran, dass diese dann unvermittelt zuschlägt.
Mir ist immer noch schlecht.

Grüße von Maren
 

Walther

Mitglied
Hi Stator,

das Gedicht ist "böse", unbestritten, und ich habe die Anrede "Mein Kind" in ihrer ganzen Doppeldeutigkeit benutzt. Letztlich sollte das Kopfkino ablaufen, was hier abgelaufen ist.

Hallo Maren,

wie ich sagte: Das Böse kann in der Kleidung der Schönheit daherkommen und zuschlagen. Wir kennen die Filmausschnitte "flirrende Sommerhitze, ein sehr leicht bekleidetes Mädchen, das durch die Kamera hindurchtanzt, die Musik, der Blickwinkel aus der Sicht des schwitzenden, schon außer Kontrolle geratenen, Vergewaltigers". Das ist hier in 6 Strophen gefaßt, bei denen schon der Einstieg absichtsvoll vergiftet ist.

Ich verstehe also sehr gut, daß gerade Frauen diese Vorstellung geradezu "zum Kotzen" bringt. Die Angst und das Erschrecken über die Wirkung absichtsloser Erotik greifen tief. Opfer in diesem Spiel zu sein, stelle ich mir als mit das Schlimmste vor, das einem Menschen widerfahren kann. Aber die Realität ist die Realität, und die Gefahr ist dazu da, sie zu thematisieren, denn nur so kann ihr begegnet werden.

Liebe Marie-Louise,

Kunst ist nicht nur schön, sie greift auch Abgründe auf. Hier sind es die männlichen Abgründe des außer Kontrolle geratenen Sexualtriebs. Das ist böse, häßlich und gemein. Aber es ist da.

Moin Duisburger,

Lyrik soll auch provozieren dürfen. Das tue ich hier, indem ich zwei Ebenen gegeneinander laufen lasse: Das, was der Protagonist sieht und das, was wirklich ist. Verpackt habe ich das in die romantisierende Rechtfertigungsrhetorik des Vergewaltigers, durch dessen Augen dieser Text geschrieben ist.

Abgründe sind abgründig. Und es muß erlaubt sein, sie so zu schildern, wie sie wohl wirklich empfunden werden.

Danke und beste Grüße

W.
 

MarenS

Mitglied
Unter meinen Gedichten hier befindet sich eines, als Rap zu lesen, dass ich dir, Walther, anlässlich deiner Antwort ans Herz legen möchte. Es heißt: 'Erfahrung mit 13'. Du wirst es finden, wenn du möchtest.

Grüße von Maren


P.S.: Ich hatte deine Beweggründe verstanden und ich heiße sie auch durchaus gut. Doch halte ich soeben ein kleines blondgelocktes Geschöpf in meinen Armen und kann nur innig hoffen, dass ihm das erspart bleibt. Vermutlich deshalb meine heftige Reaktion.
 
Hallo Walther,
wie muss sich eine Mutter, deren Kind vergewaltigt und ermordet wurde, fühlen, wenn sie zufällig dieses Gedicht liest.
Ich habe mal ein Gedicht '' Der Selbstmordattentäter'' eingestellt und bin sofort in der Textklinik gelandet. Wegen des Themas.
LG
Marie-Luise

Ps. Benoten kann ich das Gedicht nicht. Da es ja hervorragend geschrieben ist - wie fast immer bei dir - kann ich keine schlechte Note geben. Doch eine gute Note zu geben, widerstrebt mir.
 

MarenS

Mitglied
Marie-Luise, ich verstehe deine Einwände und Gedanken aber sag mir, wie muss sich die von dir erwähnte Mutter oder jemand der sowas überlebt hat fühlen, wenn er es wagt Zeitung zu lesen, Nachrichten zu sehen...DAS ist in meinen Augen viel schlimmer.

Walther betreibt mit seinem Gedicht keine Sensationshascherei, das macht den Inhalt nicht besser aber es rechtfertigt die Absicht.

Grüße von Maren
 
Ja, liebe Maren, es ist schon schlimm genug, dass man von solchen Verbrechen liest und hört, doch schlimmer ist es m. E., wenn jemand ein Gedicht darüber schreibt und man das Gefühl hat, es schriebe der Täter.
Es grüßt dich
Marie-Luise.
 

MarenS

Mitglied
Liebe Marie-Luise,

ich spreche dich jetzt persönlich an, denn im Moment ist dies ja wohl ein Diskurs zwischen uns beiden. Ich verstehe sehr gut deine Bedenken und ich glaube nachvollziehen zu können, was dich bewegt.
Nur gerade dies so zu schreiben ist wichtig. Man erlebt, was in der Person vorgeht, man versteht oder meint zu verstehen und dann wird durch den klaren Text die Sichtweise der Person erst wirklich offenbart. Ich bewundere denjenigen, der das alles von der ersten Strophe an ahnte. Ich ahnte es nicht.
Mann wird vom Weiblichen angelockt. Soweit normal. Doch ab wann ist ein Kind eine Frau? Wenn die Rundungen unmissverständlich zu erkennen sind? Dann wären viele Mädchen schon mit 12 als Frau zu bezeichnen und sind doch Kinder auch wenn sie beginnen, sich zu schminken. Ich versuche geistig nachzuvollziehen was passiert, was in einem Mann vorgeht in solch einem Moment.
Fakt ist allerdings für mich, dass niemand das Recht hat einen anderen zu irgendetwas zu zwingen. Somit ist Geschlechtsverkehr (blödes Wort!) unter Zwang schon zwischen Erwachsenen eine Untat, mit einem Kind aber unvergleichlich schlimmer.

...und doch ist es wichtig so etwas zu schreiben, denn es macht wach, viel mehr als jede Zeitung es kann.

Es grüßt dich die Maren
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Marie Luise

"und man das Gefühl hat, es schriebe der Täter." ...dann ist das eine grosse schriftstellerische Leistung die man anerkennen muss.

Ein guter Text verdient eine gute Bewertung, auch wenn man den Inhalt nicht lesen wollte. Umgekehrt verdient ein schlechter Text eine schlechte Wertung und wenn er noch so gut gemeint ist.

In einem Literaturforum kommt es darauf an, richtig zu schreiben. Es kommt nicht darauf an, "das Richtige" zu schreiben. Wer das nicht begriffen hat und wertet, ist ein Geschmacks-Terrorist, ein intolerantes Kunstbanausen-Aas. :D

Gruss

Jürgen
 



 
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