Sonettenkranz: Die Siedlung am Fluss

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Janosch

Mitglied
Sonett I: Im Rausch

Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
randvoll gefüllt mit feinstem Schall und Rausch.
Er hebt bald an zu kühnstem Wort und Plausch:
Der Pegel macht die Köpfe weich verwässern.

Erst klingen Gläser und der Tonfall hält
was er verspricht, er reißt sich rot am Riemen
und wählt Gedanken, wie sie sich geziemen.
Nur durch die Blume spricht der Schaum von Welt.

Dann noch ein Glas. Der Tag ist hell und trocken.
Erinnerungen werden matt und schmaler.
Die nächste Runde ist, sich zu begießen.

Das Loch im Kopf wird bunter und finaler,
als losgerissne Träume schnalzend locken,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen.



Sonett II: Krieg

Die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
sind Helden, die vom Hagelschrot getroffen.
Und als sie sprenkelnd sich aufs Land ergießen,
da stöhnen sie und torkeln wie besoffen.

Der Krieg zerfährt die Siedlung. Wäscheleinen
verhängen bunt und schmückend schmale Gassen.
Drei Jungen werfen lebensmüd‘ mit Steinen
nach Sturmsoldaten, die die Väter fassen.

Dann erst mal still. Von fern vereinzelt Schreie
und Schüsse, die durch Häuserschluchten gellen.
Es krümmt sich in der Luft der Duft vom Bleie.

Und Mütter ihre Kinder fest umschließen,
als neue Stiefelwellen vorwärts prellen
und prasselnd auf die regen Straßen schießen.



Sonett III: Die Kinder

Und prasselnd auf die regen Straßen schießen
aus manchen Häusern kichernd Kinderscharen.
Auf Wiesen ists wo Phantasien sprießen,
die Mädchen haben Blumen in den Haaren.

Drei Jungen kugeln sich den Hang hinab,
sie zieht es runter zum verwaisten Fluss.
Dort fitscheln sie und lachen sich was schlapp,
als einer fromm erzählt vom ersten Kuss.

Da! Tief im Dickicht steckt ein altes Floß!
(von grünem Pilz umhüllt, der lüstern schwillt)
Sie ziehn es raus unds reicht ein kurzer Stoß,

als einer dieser Burschen, der mit kessern
Pupillen als die andern, freudig brüllt:
„Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern!“



Sonett IV: Der alte Fischer

„Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern!“,
so sprichts der alte Fischer in den Wind.
„Der Teich liegt brach, dass keine Karpfen sind,
die aufzuschlitzen wärn mit feinen Messern.

Auf auf, zum Fluss, wo frische Aale ziehn.“
Am Ufer legt sich kühl ein banges Wehen
um weißes Haar: Dort ist ein Floß zu sehen,
auf welchem steif und leer drei Jungen knien.

Das schnelle Flussbett trägt sie fort und schweigt.
Der Alte wirft die Rute weit und gut.
Der Wind wird stärker, zerrt am Federhut,

der zirkulierend in den Himmel steigt,
als Haselnüsse auf dem Boden platzen:
Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.



Sonett V: Tornado

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Am Himmel hängt ein trächt‘ger Wolkenbauch,
aus dessem Nabel ragt der Wetterschlauch,
der saugt und wirbelt Stühle, Dächer, Katzen

und übern Acker dreht er Pirouetten.
Ein Bauer ruft nach seinem Töchterlein
und findet sie mit eingeklemmtem Bein,
als Nachbarn sich in einen Bunker retten.

Dann ziehts das Ungetüm wie an der Schnur
zur Straße hin, es tobt und wütet, nur -
es kennt kein Gut, kein Böse, kennt kein Ziel.

Was kommen mag, was weiche und was bleibe,
das sei der sel‘gen Willkür Lust und Spiel.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.



Sonett VI: Die Straße

Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe
des Taxis, auf dem Weg ins Hospital.
Die volle Bremsung äußert sich fatal.
Der Frau im Rücksitz drückts im Unterleibe.

Ein Reifenquietschen, starrende Passanten,
und - einundzwanzig, einundzwanzig - KRACH!
Ein andres Auto schlittert auf dem Dach,
dass Funken sprühn und rast in den Hydranten.

Auf einer Parkbank liegt mit eignem Ton
ein Knabe, eingenickt, mit Jazz im Ohr.
Er phantasiert vom unerreichten Weibe.

In einer Häuserwand ist Endstation
der Klassenfahrt, es bricht ein Wasserrohr:
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe.



Sonett VII: Der letzte Brief

Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe.
Ein Mädchen sitzt am Tisch, die Füße feucht,
als Wasser sprengend aus dem Rohr entfleucht:
„Dies ist ein letzter Brief, den ich dir schreibe.

So vieles zwischen uns blieb ungesagt.
Auch diese Worte werden jäh verschmieren:
Wenn ich dich hätt‘, ich könnte dich verlieren.
Ich liebe dich, doch hab‘ uns nie gewagt.“

Der Wasserspiegel steigt im Hintergrund,
wie unsichtbares Gas durchs Zimmer schleicht.
Sie liegt nur da, der Körper aufgeweicht,

und atmet kaltes Nass in ihren Mund.
Dann der Reflex: ein letztes Scheibenkratzen,
als Fenster und Laternengläser platzen.



Sonett VIII: Ein gleißend Ding

Als Fenster und Laternengläser platzen,
verstummt der lohnde monotone Ton:
Die Kirche dröhnt und drängt zur Religion,
am Eingang winken supernette Fratzen.

Die Menschen kommen scharenweis‘ herbei,
weil finstertiefe Einsichten vernichten.
Der Pfarrer weiß Geschichten zu berichten,
die trösten uns. Der Glaube macht uns frei

für Selbstverleugnung und für Heuchelei.
Dort am Altar, da sitzt was, zuckt und blitzt,
geladen ist’s und sichtlich überhitzt,

ein gleißend Ding, pulsierend und derlei
ein Konterfei und ausgesprochnes Sein:
Der Strom - er frisst nun alles in sich rein.



Sonett IX: Die Kirche unter Strom

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein
und feuert durch den Saal Elektrobälle,
die surrend ziehn wie kleine Engelein,
geboren aus der Wahrheit Spannungsquelle.

Die Menschen rennen wirr umher und schrein:
Ein kurzer Schlag verkokelt auf der Stelle
und flimmert grienend wie ein heil’ger Schein,
auf dass er Körper innerlich erhelle.

Der Pfarrer sieht, die Messe ist gelesen,
denn Sterben ist, wenn nichts geschrieben steht.
Für echte Sühne ist es jetzt zu spät;

der Beichtstuhl flackert auf und ist gewesen.
Der Strom: Er bringt die Hallen neu in Schuss,
entartet, was entankert werden muss.



Sonett X: Das Mädchen

Entartet, was entankert werden muss,
nicht schon das kleine Mädchen zum Verlieben?
So zuckersüß, geschmückt, so GROß geschrieben -
so zum Entzücken schmeckt ihr Killerkuss,

wenn sie umschlingend scharfe Krallen senkt,
die kratzend auf dem Rücken Linien ziehen,
jedoch als klare Zeichen erst erglühen,
wenn die Madam sich letztlich neu verschenkt.

Dann brennen sie wie eingefleischte Wunden
und machen einen Mann zum Bettelkind.
Vergessen dauert Jahre, Wochen, Stunden.

Und irgendwann, da fühlt sichs an wie: Schluss.
Dann rührt es alles, was wir warn und sind
und reißt es mit sich fort aus einem Guss.



Sonett XI: Im Rollstuhl

Und reißt es mit sich fort. Aus einem Guss
erklingen aus der Ferne erste Lieder
und Rehe springen, Frösche quaken wieder:
Ein Farbenspiel im schönen Überfluss

versetzt die blühnde Siedlung in Ekstase,
als in der warmen Luft Libellen stehn
und Mühlenräder ihre Kreise drehn;
die Mittagssonne rührt und stupst die Nase.

Und hier, im Park zerstreute Hunde hecheln,
da schiebt ein Zivi einen alten Kranken,
der kanns nicht mehr, doch würde gerne schrein.

Die Mundwinkel gelähmt zum ew’gen Lächeln.
Doch wenigstens auf Bildern, in Gedanken
zerschmettert er die Siedlung querfeldein.



Sonett XII: Der Bergkoloss

Zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
da flüchten sich die Städter wie Stampeden
ins Haus, verriegeln Tür und Fensterläden,
denn draußen geht der Bergkoloss aus Stein.

Und seine Riesenschritte stampfen, beben
wie auf der Richterskala Stärke acht.
Wer langsam ist, den triffts wie eine Nacht,
zerknirscht und bleibt an rauer Sohle kleben.

Ein LKW zerbirst, als er ihn drückt.
Er wählt sein Opfer wie von ungefähr.
Es schwirren Helikopter um ihn her,

die er wie Hummeln aus dem Himmel pflückt -
der Wüterich, der sich nicht selbst genügt,
bis abendlich das Flussbett stille liegt.



Sonett XIII: Die Angst im Park

Bis abendlich das Flussbett stille liegt,
bleibt er zuhaus und denkt an Augenblicke,
an nacktes Fleisch, an Steine, blut’ge Stricke,
bis tiefe Nacht sein Zaudern jäh besiegt.

Die Stunde ist jetzt reif wie frischer Schinken.
Der Park ist still und zärtlich rauscht der Baum.
Die Katze faucht. Und Schreie hört man kaum,
die röchelnd im Laternenlicht versinken.

Und Grillen wetzen ihre steifen Glieder,
als er die Beute durch die Büsche schleift
und endlich warme Hüften weich umschmiegt.

Zu Füßen liegt die Wirklichkeit danieder,
bis morgendlich der Fluss die Wiesen streift
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.



Sonett XIV: Ein neuer Tag

Und aufgedunsne Leiber kost und wiegt
der Marder, dem sie wie Gefährten sind,
die Mausetoten. Übers Flussbett fliegt
der Geier, als ein neuer Tag beginnt.

Die Wiese liegt noch still und neblig grau.
Ein leichtes Nieseln rührt jetzt Land und Feld,
durch leere Straßen weht ein Lüftchen lau.
Die Siedlung dehnt sich unterm Himmelszelt.

Dann schreiten erste Städter über Schwellen:
Das Leben klackt im Gleichschritt ihrer Uhren,
sie folgen fügsam eingelaufnen Spuren.

Beruhigungspillen schlagen keine Wellen:
Wir werden zu Vermeidern und Vergessern.
Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern.



Meistersonett: Die Siedlung am Fluss

Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
und prasselnd auf die regen Straßen schießen:
Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern.

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe,
als Fenster und Laternengläser platzen.

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein,
entartet, was entankert werden muss,
und reißt es mit sich fort - aus einem Guss

zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
bis abendlich das Flussbett stille liegt
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Janosch,

so ein schöner Sonettenkranz und keiner schreibt was dazu? Das kann nicht sein. Leider kann ich aus Zeitgründen nicht detailliert darauf eingehen, vielleicht klappt es nach meinem Urlaub.

Auf jeden Fall schon mal: Chapeau!

lG

Herbert
 
Lieber Janosch,

ich hatte dir ja vorgestern schon per PN "angedroht", in Ruhe (nach und nach) deinen Sonettenkranz zu lesen. Was ist daraus geworden? Heute kam ich endlich dazu, wurde mitgerissen, hineingerissen in die Handlung, musste unbedint in einem Rutsch erfahren, was du geschrieben hast. Ich konnte nicht von dem Text lassen.

Janosch, ich überlasse es den "Könnern" näher auf den Text einzugehen. Du sollst nur wissen, dass ich zutiefst beeindruckt von deinem Werk bin.

Verneigende Grüße,
Karin
 

Rhea_Gift

Mitglied
Wow, Hut ab! Ein Sonettenkranz ist ein großes Unterfangen und birgt immer die Gefahr, dass der Leser die Länge nicht übersteht - aber du reisst einen mit, erzählst zusammenhängend und doch abwechslungsreich Geschichten, die spannend sind und berühren, sowie zum Nachdenken anregen - runde Sache!!
Ich mag zwar nicht so viele Apostrophierungen, aber bei nem Kranz - schaun wa ma drüber weg.

Ich weiß nicht, ob ich vielleicht hier und da nen Fehler vielleicht überlesen habe - werd ihn nochmal genauer lesen bei mehr Zeit - sollten da welche sein - geschenkt.

Auffällig aber dies:

verstummt der [red]lohnde[/red] monotone Ton:

Was heißt "lohnde" ?? Das sagt mir nix - Bildungslücke??

LG, Rhea
 

Janosch

Mitglied
Sonett I: Im Rausch

Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
randvoll gefüllt mit feinstem Schall und Rausch.
Er hebt bald an zu kühnstem Wort und Plausch:
Der Pegel macht die Köpfe weich verwässern.

Erst klingen Gläser und der Tonfall hält
was er verspricht, er reißt sich rot am Riemen
und wählt Gedanken, wie sie sich geziemen.
Nur durch die Blume spricht der Schaum von Welt.

Dann noch ein Glas. Der Tag ist hell und trocken.
Erinnerungen werden matt und schmaler.
Die nächste Runde ist, sich zu begießen.

Das Loch im Kopf wird bunter und finaler,
als losgerissne Träume schnalzend locken,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen.



Sonett II: Krieg

Die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
sind Helden, die vom Hagelschrot getroffen.
Und als sie sprenkelnd sich aufs Land ergießen,
da stöhnen sie und torkeln wie besoffen.

Der Krieg zerfährt die Siedlung. Wäscheleinen
verhängen bunt und schmückend schmale Gassen.
Drei Jungen werfen lebensmüd‘ mit Steinen
nach Sturmsoldaten, die die Väter fassen.

Dann erst mal still. Von fern vereinzelt Schreie
und Schüsse, die durch Häuserschluchten gellen.
Es krümmt sich in der Luft der Duft vom Bleie.

Und Mütter ihre Kinder fest umschließen,
als neue Stiefelwellen vorwärts prellen
und prasselnd auf die weiten Straßen schießen.



Sonett III: Die Kinder

Und prasselnd auf die regen Straßen schießen
aus manchen Häusern kichernd Kinderscharen.
Auf Wiesen ists wo Phantasien sprießen,
die Mädchen haben Blumen in den Haaren.

Drei Jungen kugeln sich den Hang hinab,
sie zieht es runter zum verwaisten Fluss.
Dort fitscheln sie und lachen sich was schlapp,
als einer fromm erzählt vom ersten Kuss.

Da! Tief im Dickicht steckt ein altes Floß!
(von grünem Pilz umhüllt, der lüstern schwillt)
Sie ziehn es raus unds reicht ein kurzer Stoß,

als einer dieser Burschen, der mit kessern
Pupillen als die andern, freudig brüllt:
„Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern!“



Sonett IV: Der alte Fischer

„Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern!“,
so sprichts der alte Fischer in den Wind.
„Der Teich liegt brach, dass keine Karpfen sind,
die aufzuschlitzen wärn mit feinen Messern.

Auf auf, zum Fluss, wo frische Aale ziehn.“
Am Ufer legt sich kühl ein banges Wehen
um weißes Haar: Dort ist ein Floß zu sehen,
auf welchem steif und leer drei Jungen knien.

Der schnelle Fluss, er trägt sie fort und schweigt.
Der Alte wirft die Rute weit und gut.
Der Wind wird stärker, zerrt am Federhut,

der zirkulierend in den Himmel steigt,
als Haselnüsse auf dem Boden platzen:
Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.



Sonett V: Tornado

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Am Himmel hängt ein trächt‘ger Wolkenbauch,
aus dessem Nabel ragt der Wetterschlauch,
der saugt und wirbelt Stühle, Dächer, Katzen

und übern Acker dreht er Pirouetten.
Ein Bauer ruft nach seinem Töchterlein
und findet sie mit eingeklemmtem Bein,
als Nachbarn sich in einen Bunker retten.

Dann ziehts das Ungetüm wie an der Schnur
zur Straße hin, es tobt und wütet, nur -
es kennt kein Gut, kein Böse, kennt kein Ziel.

Was kommen mag, was weiche und was bleibe,
das sei der sel‘gen Willkür Lust und Spiel.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.



Sonett VI: Die Straße

Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe
des Taxis, auf dem Weg ins Hospital.
Die volle Bremsung äußert sich fatal.
Der Frau im Rücksitz drückts im Unterleibe.

Ein Reifenquietschen, starrende Passanten,
und - einundzwanzig, einundzwanzig - KRACH!
Ein andres Auto schlittert auf dem Dach,
dass Funken sprühn und rast in den Hydranten.

Auf einer Parkbank liegt mit eignem Ton
ein Knabe, eingenickt, mit Jazz im Ohr.
Er phantasiert vom unerreichten Weibe.

In einer Häuserwand ist Endstation
der Klassenfahrt, es bricht ein Wasserrohr:
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe.



Sonett VII: Der letzte Brief

Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe.
Ein Mädchen sitzt am Tisch, die Füße feucht,
als Wasser sprengend aus dem Rohr entfleucht:
„Dies ist ein letzter Brief, den ich dir schreibe.

So vieles zwischen uns blieb ungesagt.
Auch diese Worte werden jäh verschmieren:
Wenn ich dich hätt‘, ich könnte dich verlieren.
Ich liebe dich, doch hab‘ uns nie gewagt.“

Der Wasserspiegel steigt im Hintergrund,
wie unsichtbares Gas durchs Zimmer schleicht.
Sie liegt nur da, der Körper aufgeweicht,

und atmet kaltes Nass in ihren Mund.
Dann der Reflex: ein letztes Scheibenkratzen,
als Fenster und Laternengläser platzen.



Sonett VIII: Die Spannungsquelle

Als Fenster und Laternengläser platzen,
verstummt der drohnde monotone Ton:
Die Kirche dröhnt und drängt zur Religion,
am Eingang winken supernette Fratzen.

Die Menschen kommen scharenweis‘ herbei,
weil finstertiefe Einsichten vernichten.
Der Pfarrer weiß Geschichten zu berichten,
die trösten uns. Der Glaube macht uns frei

für Selbstverleugnung und für Heuchelei.
Dort am Altar erwächst was, zuckt und blitzt,
geladen ist’s und sichtlich überhitzt,

ein gleißend Ding, pulsierend und derlei
ein Konterfei und ausgesprochnes Sein:
Der Strom - er frisst nun alles in sich rein.



Sonett IX: Die Kirche unter Strom

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein
und feuert durch den Saal Elektrobälle,
die surrend ziehn wie kleine Engelein,
geboren aus der Wahrheit Spannungsquelle.

Die Menschen rennen wirr umher und schrein:
Ein kurzer Schlag verkokelt auf der Stelle
und flimmert grienend wie ein heil’ger Schein,
auf dass er Körper innerlich erhelle.

Der Pfarrer sieht, die Messe ist gelesen,
denn Sterben ist, wenn nichts geschrieben steht.
Für echte Sühne ist es jetzt zu spät;

der Beichtstuhl flackert auf und ist gewesen.
Der Strom: Er bringt die Hallen neu in Schuss,
entartet, was entankert werden muss.



Sonett X: Das Mädchen

Entartet, was entankert werden muss,
nicht schon das kleine Mädchen zum Verlieben?
So zuckersüß, geschmückt, so GROSS geschrieben -
so zum Entzücken schmeckt ihr Killerkuss,

wenn sie umschlingend scharfe Krallen senkt,
die kratzend auf dem Rücken Linien ziehen,
jedoch als klare Zeichen erst erglühen,
wenn die Madam sich letztlich neu verschenkt.

Dann brennen sie wie eingefleischte Wunden
und machen einen Mann zum Bettelkind.
Vergessen dauert Jahre, Wochen, Stunden.

Und irgendwann, da fühlt sichs an wie: Schluss.
Dann rührt es alles, was wir warn und sind
und reißt es mit sich fort aus einem Guss.



Sonett XI: Im Rollstuhl

Und reißt es mit sich fort. Aus einem Guss
erklingen aus der Ferne erste Lieder
und Rehe springen, Frösche quaken wieder:
Ein Farbenspiel im schönen Überfluss

versetzt die blühnde Siedlung in Ekstase,
als in der warmen Luft Libellen stehn
und Mühlenräder ihre Kreise drehn;
die Mittagssonne kitzelt in der Nase.

Und dort, im Park zerstreute Hunde hecheln,
da schiebt ein Zivi einen alten Kranken,
der kanns nicht mehr, doch würde gerne schrein.

Die Mundwinkel gelähmt zum ew’gen Lächeln.
Doch wenigstens auf Bildern, in Gedanken
zerschmettert er die Siedlung querfeldein.



Sonett XII: Der Bergkoloss

Zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
da flüchten sich die Städter wie Stampeden
ins Haus, verriegeln Tür und Fensterläden,
denn draußen geht der Bergkoloss aus Stein.

Und seine Riesenschritte stampfen, beben
wie auf der Richterskala Stärke acht.
Wer langsam ist, den triffts wie eine Nacht,
zerknirscht und bleibt an rauer Sohle kleben.

Ein Laster explodiert, als er ihn drückt.
Er wählt sein Opfer wie von ungefähr.
Es schwirren Helikopter um ihn her,

die er wie Hummeln aus dem Himmel pflückt -
der Wüterich, der sich nicht selbst genügt,
bis abendlich das Flussbett stille liegt.



Sonett XIII: Der Mörder

Bis abendlich das Flussbett stille liegt,
bleibt er zuhaus und denkt an Augenblicke,
an nacktes Fleisch, an Steine, blut’ge Stricke,
bis tiefe Nacht sein Zaudern jäh besiegt.

Die Stunde ist jetzt reif wie frischer Schinken.
Der Park ist still und leise rauscht der Baum.
Die Katze faucht. Und Schreie hört man kaum,
die röchelnd im Laternenlicht versinken.

Und Grillen wetzen ihre steifen Glieder,
als er die Beute durch die Büsche schleift
und endlich warme Hüften weich umschmiegt.

Zu Füßen liegt die Wirklichkeit danieder,
bis morgendlich der Fluss die Wiese streift
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.



Sonett XIV: Ein neuer Tag

Und aufgedunsne Leiber kost und wiegt
der Marder, dem sie wie Gefährten sind,
die Mausetoten. Übers Flussbett fliegt
der Geier, als ein neuer Tag beginnt.

Die Wiese liegt noch still und neblig grau.
Ein leichtes Nieseln rührt jetzt Land und Feld,
durch leere Straßen weht ein Lüftchen lau.
Die Siedlung dehnt sich unterm Himmelszelt.

Dann schreiten erste Städter über Schwellen:
Das Leben klackt im Gleichschritt ihrer Uhren,
sie folgen fügsam eingelaufnen Spuren.

Beruhigungspillen schlagen keine Wellen:
Wir werden zu Vermeidern und Vergessern.
Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern.



Meistersonett: Die Siedlung am Fluss

Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
und prasselnd auf die weiten Straßen schießen:
Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern.

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe,
als Fenster und Laternengläser platzen.

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein,
entartet, was entankert werden muss,
und reißt es mit sich fort - aus einem Guss

zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
bis abendlich das Flussbett stille liegt
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.
 

Janosch

Mitglied
hallo herbert,
vielen dank! es war ne menge arbeit, bin zum glück rechtzeitig "fertig" geworden, bevor ich jetzt erst mal wieder für die uni lernen muss. aber nebenbei will ich auf jeden fall immer noch mal wieder rein gucken, ob sich nicht doch noch was findet und als schreiberling ist man da ja manchmal ein bisschen blind, hat nicht so den abstand. :)

hallo karin,
ich freue mich riesig über deinen kommentar! besonders darüber, dass du motiviert warst ihn in einem rutsch zu lesen, daran erkenne ich, dass ich gut und gründlich gearbeitet hab und dass es sich nun auszahlt, dass ich hartnäckig blieb, wenn ich beim schreiben mal nicht weiter wusste oder nur eine b oder c variante auf anhieb fand. es ist schön, dass es als gesamtwerk ankommt. vielen dank. :)

hallo rhea,
dass du auch das wort mitreißend verwendest, finde ich in sofern spannend, da sich ja im meistersonett der fluss findet, der "mit sich fort reißt" und allgemein ists ja auch ne fließende angelegenheit. wenn die einzelsonette, die geschichte, bzw. teilgeschichten dann auch noch fließend sich lesen lassen, es nicht langweilig wird, dann hab ich meine arbeit getan und bin sehr froh darüber.
ein paar kleine fehlerlein hab ich schon ausgemerzt. das lohnde kommt übr von lohend, also glühend, gleißend, beißend, aber ich habs mal durch drohend ersetzt - also "drohnde monotone ton" - wollte den o-ton so lassen, weils die monotonie unterstützt, aber vielleicht fällt mir noch was besseres ein. zumal es sich ja nicht für alle als bedrohung anhört, wenn die kirchenglocken läuten. ich schau mal weiter. und auch sonett 13 find ich noch überarbeitungswürdig...
auf jeden fall auch dir ein riesen dankeschön, freu mich, dass es gefällt. :)
 

Rhea_Gift

Mitglied
Dann aber ein Apostroph setzen, erleichtert das Verständnis... wie wärs mit "dröhnend"? Zwar kein o, aber nahe dran... ;)

LG, Rhea
 

Janosch

Mitglied
Sonett I: Im Rausch

Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
randvoll gefüllt mit feinstem Schall und Rausch.
Er hebt bald an zu kühnstem Wort und Plausch:
Der Pegel macht die Köpfe weich verwässern.

Erst klingen Gläser und der Tonfall hält
was er verspricht, er reißt sich rot am Riemen
und wählt Gedanken, wie sie sich geziemen.
Nur durch die Blume spricht der Schaum von Welt.

Dann noch ein Glas. Der Tag ist hell und trocken.
Erinnerungen werden matt und schmaler.
Die nächste Runde ist, sich zu begießen.

Das Loch im Kopf wird bunter und finaler,
als losgerissne Träume schnalzend locken,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen.



Sonett II: Krieg

Die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
sind Helden, die vom Hagelschrot getroffen.
Und als sie sprenkelnd sich aufs Land ergießen,
da stöhnen sie und torkeln wie besoffen.

Der Krieg zerfährt die Siedlung. Wäscheleinen
verhängen bunt und schmückend schmale Gassen.
Drei Jungen werfen lebensmüd‘ mit Steinen
nach Sturmsoldaten, die die Väter fassen.

Dann erst mal still. Von fern vereinzelt Schreie
und Schüsse, die durch Häuserschluchten gellen.
Es krümmt sich in der Luft der Duft vom Bleie.

Und Mütter ihre Kinder fest umschließen,
als neue Stiefelwellen vorwärts prellen
und prasselnd auf die weiten Straßen schießen.



Sonett III: Die Kinder

Und prasselnd auf die weiten Straßen schießen
aus manchen Häusern kichernd Kinderscharen.
Auf Wiesen ists wo Phantasien sprießen,
die Mädchen haben Blumen in den Haaren.

Drei Jungen kugeln sich den Hang hinab,
sie zieht es runter zum verwaisten Fluss.
Dort fitscheln sie und lachen sich was schlapp,
als einer fromm erzählt vom ersten Kuss.

Da! Tief im Dickicht steckt ein altes Floß!
(von grünem Pilz umhüllt, der lüstern schwillt)
Sie ziehn es raus unds reicht ein kurzer Stoß,

als einer dieser Burschen, der mit kessern
Pupillen als die andern, freudig brüllt:
„Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern!“



Sonett IV: Der alte Fischer

„Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern!“,
so sprichts der alte Fischer in den Wind.
„Der Teich liegt brach, dass keine Karpfen sind,
die aufzuschlitzen wärn mit feinen Messern.

Auf auf, zum Fluss, wo frische Aale ziehn.“
Am Ufer legt sich kühl ein banges Wehen
um weißes Haar: Dort ist ein Floß zu sehen,
auf welchem steif und leer drei Jungen knien.

Der schnelle Fluss, er trägt sie fort und schweigt.
Der Alte wirft die Rute weit und gut.
Der Wind wird stärker, zerrt am Federhut,

der zirkulierend in den Himmel steigt,
als Haselnüsse auf dem Boden platzen:
Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.



Sonett V: Tornado

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Am Himmel hängt ein trächt‘ger Wolkenbauch,
aus dessem Nabel ragt der Wetterschlauch,
der saugt und wirbelt Stühle, Dächer, Katzen

und übern Acker dreht er Pirouetten.
Ein Bauer ruft nach seinem Töchterlein
und findet sie mit eingeklemmtem Bein,
als Nachbarn sich in einen Bunker retten.

Dann ziehts das Ungetüm wie an der Schnur
zur Straße hin, es tobt und wütet, nur -
es kennt kein Gut, kein Böse, kennt kein Ziel.

Was kommen mag, was weiche und was bleibe,
das sei der sel‘gen Willkür Lust und Spiel.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.



Sonett VI: Die Straße

Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe
des Taxis, auf dem Weg ins Hospital.
Die volle Bremsung äußert sich fatal.
Der Frau im Rücksitz drückts im Unterleibe.

Ein Reifenquietschen, starrende Passanten,
und - einundzwanzig, einundzwanzig - KRACH!
Ein andres Auto schlittert auf dem Dach,
dass Funken sprühn und rast in den Hydranten.

Auf einer Parkbank liegt mit eignem Ton
ein Knabe, eingenickt, mit Jazz im Ohr.
Er phantasiert vom unerreichten Weibe.

In einer Häuserwand ist Endstation
der Klassenfahrt, es bricht ein Wasserrohr:
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe.



Sonett VII: Der letzte Brief

Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe.
Ein Mädchen sitzt am Tisch, die Füße feucht,
als Wasser sprengend aus dem Rohr entfleucht:
„Dies ist ein letzter Brief, den ich dir schreibe.

So vieles zwischen uns blieb ungesagt.
Auch diese Worte werden jäh verschmieren:
Wenn ich dich hätt‘, ich könnte dich verlieren.
Ich liebe dich, doch hab‘ uns nie gewagt.“

Der Wasserspiegel steigt im Hintergrund,
wie unsichtbares Gas durchs Zimmer schleicht.
Sie liegt nur da, der Körper aufgeweicht,

und atmet kaltes Nass in ihren Mund.
Dann der Reflex: ein letztes Scheibenkratzen,
als Fenster und Laternengläser platzen.



Sonett VIII: Die Spannungsquelle

Als Fenster und Laternengläser platzen,
verstummt der droh‘nde monotone Ton:
Die Kirche dröhnt und drängt zur Religion,
am Eingang winken supernette Fratzen.

Die Menschen kommen scharenweis‘ herbei,
weil finstertiefe Einsichten vernichten.
Der Pfarrer weiß Geschichten zu berichten,
die trösten uns. Der Glaube macht uns frei

für Selbstverleugnung und für Heuchelei.
Dort am Altar erwächst was, zuckt und blitzt,
geladen ist’s und sichtlich überhitzt,

ein gleißend Ding, pulsierend und derlei
ein Konterfei und ausgesprochnes Sein:
Der Strom - er frisst nun alles in sich rein.



Sonett IX: Die Kirche unter Strom

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein
und feuert durch den Saal Elektrobälle,
die surrend ziehn wie kleine Engelein,
geboren aus der Wahrheit Spannungsquelle.

Die Menschen rennen wirr umher und schrein:
Ein kurzer Schlag verkokelt auf der Stelle
und flimmert grienend wie ein heil’ger Schein,
auf dass er Körper innerlich erhelle.

Der Pfarrer sieht, die Messe ist gelesen,
denn Sterben ist, wenn nichts geschrieben steht.
Für echte Sühne ist es jetzt zu spät;

der Beichtstuhl flackert auf und ist gewesen.
Der Strom: Er bringt die Hallen neu in Schuss,
entartet, was entankert werden muss.



Sonett X: Das Mädchen

Entartet, was entankert werden muss,
nicht schon das kleine Mädchen zum Verlieben?
So zuckersüß, geschmückt, so GROSS geschrieben -
so zum Entzücken schmeckt ihr Killerkuss,

wenn sie umschlingend scharfe Krallen senkt,
die kratzend auf dem Rücken Linien ziehen,
jedoch als klare Zeichen erst erglühen,
wenn die Madam sich letztlich neu verschenkt.

Dann brennen sie wie eingefleischte Wunden
und machen einen Mann zum Bettelkind.
Vergessen dauert Jahre, Wochen, Stunden.

Und irgendwann, da fühlt sichs an wie: Schluss.
Dann rührt es alles, was wir warn und sind
und reißt es mit sich fort aus einem Guss.



Sonett XI: Im Rollstuhl

Und reißt es mit sich fort. Aus einem Guss
erklingen aus der Ferne erste Lieder
und Rehe springen, Frösche quaken wieder:
Ein Farbenspiel im schönen Überfluss

versetzt die blühnde Siedlung in Ekstase,
als in der warmen Luft Libellen stehn
und Mühlenräder ihre Kreise drehn;
die Mittagssonne kitzelt in der Nase.

Und dort, im Park zerstreute Hunde hecheln,
da schiebt ein Zivi einen alten Kranken,
der kanns nicht mehr, doch würde gerne schrein.

Die Mundwinkel gelähmt zum ew’gen Lächeln.
Doch wenigstens auf Bildern, in Gedanken
zerschmettert er die Siedlung querfeldein.



Sonett XII: Der Bergkoloss

Zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
da flüchten sich die Städter wie Stampeden
ins Haus, verriegeln Tür und Fensterläden,
denn draußen geht der Bergkoloss aus Stein.

Und seine Riesenschritte stampfen, beben
wie auf der Richterskala Stärke acht.
Wer langsam ist, den triffts wie eine Nacht,
zerknirscht und bleibt an rauer Sohle kleben.

Ein Laster explodiert, als er ihn drückt.
Er wählt sein Opfer wie von ungefähr.
Es schwirren Helikopter um ihn her,

die er wie Hummeln aus dem Himmel pflückt -
der Wüterich, der sich nicht selbst genügt,
bis abendlich das Flussbett stille liegt.



Sonett XIII: Die Angst im Park

Bis abendlich das Flussbett stille liegt,
bleibt er zuhaus und denkt an Augenblicke,
an nacktes Fleisch, an Steine, blut’ge Stricke,
bis tiefe Nacht sein Zaudern jäh besiegt.

Die Stunde ist jetzt reif wie frischer Schinken.
Der Park ist still und leise rauscht der Baum.
Die Katze faucht. Und Schreie hört man kaum,
die röchelnd im Laternenlicht versinken.

Und Grillen wetzen ihre steifen Glieder,
als er die Beute durch die Büsche schleift
und endlich warme Hüften weich umschmiegt.

Zu Füßen liegt die Wirklichkeit danieder,
bis morgendlich der Fluss die Wiese streift
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.



Sonett XIV: Ein neuer Tag

Und aufgedunsne Leiber kost und wiegt
der Marder, dem sie wie Gefährten sind,
die Mausetoten. Übers Flussbett fliegt
der Geier, als ein neuer Tag beginnt.

Die Wiese liegt noch still und neblig grau.
Ein leichtes Nieseln rührt jetzt Land und Feld,
durch leere Straßen weht ein Lüftchen lau.
Die Siedlung dehnt sich unterm Himmelszelt.

Dann schreiten erste Städter über Schwellen:
Das Leben klackt im Gleichschritt ihrer Uhren,
sie folgen fügsam eingelaufnen Spuren.

Beruhigungspillen schlagen keine Wellen:
Wir werden zu Vermeidern und Vergessern.
Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern.



Meistersonett: Die Siedlung am Fluss

Der Tag ergießt sich wie aus prallen Fässern,
die ruppig aufgepflockt jetzt satt zerfließen
und prasselnd auf die weiten Straßen schießen:
Auf auf, zu neuen tragenden Gewässern.

Erst fegt es Laub und Kies, dann größre Batzen.
Ein Kinderwagen klatscht auf eine Scheibe.
Wie Messbehälter füllt sich eine Bleibe,
als Fenster und Laternengläser platzen.

Der Strom: Er frisst nun alles in sich rein,
entartet, was entankert werden muss,
und reißt es mit sich fort - aus einem Guss

zerschmettert er die Siedlung querfeldein,
bis abendlich das Flussbett stille liegt
und aufgedunsne Leiber kost und wiegt.
 

Janosch

Mitglied
hey rhea,
dröhnend geht nicht, weil ich es schon in der zeile danach benutze. ich hab jetzt zumindest mal ein apostroph eingefügt, du hast recht. und bei "sel'gen" in sonett 5 hab ich ja auch eins gesetzt. :)
gruß janosch
 



 
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