Sonntag Nachmittag

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Karinina

Mitglied
Sonntagnachmittag

Im Haus war es still, nur die Fliegen summten um die Lampen herum.
Der kleine Junge stieg die Treppe zum Büro hinunter. Sein Vater überprüfte im Internet die Geschäftskonten und verglich sie mit den Belegen auf dem Schreibtisch.
Der kleine Junge sagte fragend "Papa?" Der Vater blätterte in den Papieren. Der Junge fasste ihn an und sagte: "Papa".
"Geh weg! Jetzt nicht." sagte der Vater und stieß ihn mit dem Ellbogen fort. Ein bisschen wartete der kleine Junge noch, dann drehte er sich um, stieg die Treppe wieder hinauf und ging ins Wohnzimmer.

Seine Mutter stand auf einer Trittleiter und putzte das Oberlicht der Terassentür. Auf dem Fußboden stand eine Flasche Glasreiniger.
"Mama" sagte der kleine Junge. Die Mutter polierte mit flinken Bewegungen die Scheibe. Der Junge nahm die Flasche und sprühte damit auf das untere Fenster. Er lachte.
"Lass das sein!" rief die Mutter ärgerlich, "damit bin ich doch schon fertig!" Der kleine Junge sah zu, wie sie sich hin und her bewegte.
Nach einer Weile ging er ins Zimmer seines großen Bruders. Der lud gerade Musik aus dem Internet herunter, um sich eine CD zu brennen. Er hatte die neuen, besonders großen Kopfhörer auf und der kleine Junge zupfte seinen Bruder am Ärmel seines T-Shirts und sagte: "Darf ich mal?" "Hau bloß ab", schimpfte sein Bruder, "du versaust mir alles!"

Langsam ging der kleine Junge aus dem Zimmer in den Korridor, weiter zur Haustür, und dann setzte er sich draußen auf die oberste Treppenstufe. Gerade kam die Sonne hinter einer dunklen Wolke hervor. Auf der Treppe zwischen seinen Füßen liefen ein paar Ameisen herum. Er ließ etwas Spucke auf sie fallen und kicherte. Dann zog er seine Schuhe an, ging die Treppe hinunter bis zur Straße und dann die Straße hinauf zu Müllers Bauernhof. Das große Hoftor stand offen und der kleine Junge wusste genau, wo der Schweinestall war. Seit ein paar Tagen gab es dort jede Menge kleiner Ferkel, hätte er schon zählen können, hätte er gewusst, dass es genau siebzehn waren. Siebzehn quirlige, rosige, quiekende Ringelschwänzchen mit dreieckigen wippenden Schlappohren.
Im Stall war es wohlig warm und es roch nach frischem Stroh und Milchbrei. Der kleine Junge zwängte sich durch die Gitterstäbe und dann besah er sich prüfend die Muttersau, die langgestreckt und faul mit dem prallen Gesäuge unter einer Rotlichtlampe lag. Die Ferkel rasten um sie herum, über sie hinweg und an ihr hin und her. Sie quiekten und grunzten und schossen wild durcheinander und immer wieder an die mit Milch gefüllten Zitzen. Der kleine Junge legte sich bäuchlings auf die Muttersau und tätschelte ihren Rücken. Sie grunzte behäbig, was so viel hieß wie: "Du hast auch noch Platz!". Das ließ sich der kleine Kerl nicht zweimal sagen, er drehte sich um, schob seinen Rücken aufs Stroh und wuschelte seinen blonden Lockenkopf in ihre warme, nach Milch und Ferkel duftende Flanke. Die Ferkel quietschten vergnügt, rannten an ihm hoch und runter und stupsten mit ihren kleinen feuchten Rüsselchen seine Nasenspitze, dass es kitzelte...

Es war schon fast Nacht, als drüben in seinem Elternhaus ein großes Gezeter losbrach und hier im Stall die Bäuerin, die das Futter für die Muttersau brachte, das schlafende Kind, am rechten Daumen nuckelnd und schmatzend, in bester Gesellschaft vorfand.
 
S

suzah

Gast
hallo karinina,
deine geschichte hat mir gefallen, einiges allerdings kann ich nicht nachvollziehen:

"...Internet die Geschäftskonten"
der vater hat wohl kaum seine geschäftskonten ins internet gestellt, sondern hat sie nur auf seinem computer, es sei denn, es handelt sich um ein firmeninternes netzwerk, oder es ist die bilanz einer großen firma, die veröffentlicht wird, dann ist sie aber bereits geprüft.

"Seine Mutter stand auf einer Trittleiter und putzte das Oberlicht der Terassentür. Auf dem Fußboden stand eine Flasche Glasreiniger."
eigentlich braucht sie doch den glasreiniger oben und steigt nicht dauernd die leiter rauf und runter. genau so gut könnte sich diese szene besser im erdgeschoß abspielen.

"...es roch nach frischem Stroh und Milchbrei."
wieso riecht es im stall nach milchbrei?

liebe grüße suzah
 
hallo Karinina,

deine erste Kurzgeschichte auf der Lelu gefällt mir. Dreimal hast du in deinem Text das Wort "herum" geschrieben. Bei kurzen Texten sollte man häufige Wortwiederholungen möglichst vermeiden.

schöne Grüße und willkommen

Gernot
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
zu

erst einmal herzlich willkommen auf der lupe, liebe karinina. auch mir gefällt deine geschichte sehr gut.

suzah, es kann im schweinestall bei ferkeln nach milchbrei riechen, weil selbiger zugefüttert wird. bei 17 ferkelchen gewiss auch nötig.
lg
 
S

suzah

Gast
hallo flammarion,
danke für die aufklärung über die schweinefütterung.
lg suzah
 
Hallo Karinina,

deine Geschichte gefällt mir. Es ist einfach so, dass für die Kinder kaum noch Zeit übrig ist. Erst hatte ich das Bild vor Augen, dass der Kleine im Stall zu einer Kuh geht. Mit dem Schwein und den Ferkelchen, das fand ich allerdings viel gelungener. Du hast das sehr gut erzählt.

Lieber Gruß,
Estrella
 

Karinina

Mitglied
Sonntagnachmittag

Ich bin etwas verwirrt, weil ich trotz der Mitteilung von Rumpelstilzchen (hat meine Lachmuskeln gereizt) immer noch nicht weiß, wie ich den Lesern meiner Geschichte persönlich antworten kann, falls das so hier darüber geht, dann danke an alle! karenina
 
liebe Karinina,
du brauchst nicht jedem Leser persönlich für einen Kommentar zu danken, das schreibt man direkt unter "Antworten" hinein. Du kannst Vorschläge annehmen, aber auch verwerfen, deine Texte ändern oder um sie kämpfen, wie eine Löwin. Das ist der Sinn in dieser Gemeinschaft. Man arbeitet ein wenig zusammen, bringt Sichtweisen zu Tage, auf die der Autor manchmal selbst nicht gekommen wäre. Und so kann man sich mit Hilfe der Gemeinschaft verbessern. Noch ein Tip: Lies mal in den Regeln nach, wie alles funktioniert, dann geht es dir besser von der Hand.

schöne Grüße

Gernot
 



 
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