Sophia

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Fairy

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„Glaubst du, dass man als schlechter Mensch oder als guter Mensch geboren wird? Oder wird man immer als guter Mensch geboren und die anderen machen dich zu einem schlechten Menschen? Oder steckt in jedem guten Menschen auch ein schlechter Mensch?“, Sophia guckt mich fragend an. „Wer sind die anderen?“, frage ich sie. „Andere Menschen, Eltern, du und ich.“, stellt sie fest und schaut mich dabei nachdenklich an. „Ich glaube, ich wurde als guter Mensch geboren, bis sie mich zu dem machte was jetzt vor dir sitzt.“ Sophia wartet auf meine Antwort. Ihre Eisblauen Augen bohren sich in meine. Sie zwinkert nicht, bewegt sich nicht, starrt mich unbewegt an. In ihren Augen erkenne ich eine Kälte, die mich erschauern lässt. Ich bekomme eine Gänsehaut. „Kriege ich noch eine Antwort von dir Elias?“, sie guckt mich erwartungsvoll an. Ihre Augen verlieren ein bisschen was von der Kälte, die sie eben noch ausstrahlten. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet. Ich muss mich mehr zusammenreißen und objektiver bleiben.

„Du sollst mich doch nicht beim Vornamen nennen. Für dich bin ich immer noch Herr Winter.“, weise ich Sophia freundlich zurecht. „Du nennst mich doch auch beim Vornamen Elias.“ , entgegnet sie mit einer übertrieben freundlichen Stimme und lächelt mich an. Ich hatte sie noch nie lächeln gesehen. In diesen Moment sieht sie aus wie das kleine Mädchen das ihre Eltern mir beschrieben haben. Warmherzig und engelsgleich. Ich denke zurück an die Begegnung mit ihren Eltern. Ihre Mutter die unterbrochenen weinte. Ihr Vater der keine Emotionen zeigte und mir sachlich erklärte warum Sophia unschuldig ist. Er trug es vor als würde er aus einer Akte vorlesen. Er endete mit: „Sehen sie sich doch einmal dieses kleine Mädchen an. Sie ist noch ein Kind und hat mit all dies nichts zu tun.“

Ich schaue zu Sophia. Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Auf der einen Seite kommt sie eiskalt und unberechenbar rüber und dann ist sie wieder engelsgleich. Sie sieht auch aus wie Engel. Sophia ist zierlich, fast schon zerbrechlich. Ihr langes blondes Haar fällt ihr in einer Lockenpracht über ihre Schultern. Ihre Augen sind manchmal blau wie das Eis und manchmal blau wie der Himmel, an einen wunderschönen Sommertag. Für ihre 14 Jahre spricht sie oft wie eine Erwachsene. Aber vielleicht wird man auch schnell erwachsen wenn man etwas Schlimmes erlebt hat.

Ich setzte wieder meine professionelle Miene auf. „Sophia, erzähl doch mal bitte die Geschichte aus deiner Sicht.“ „Was für eine Geschichte? Das jemand gestorben ist, ist ja wohl keine Geschichte, sondern eine traurige Tatsache.“, fährt sie mich an. In ihren Augen steht die blanke Wut.

„ Erzähl mir davon Sophia“, ich ignoriere ihre Wut. Sie schaut mich an und schreit, „Was möchtest du denn hören? Ich habe meinen Bruder gefunden. Und er war Tod!“ Ihre Augen füllen sich mit Tränen, sie schaut mich hilfesuchend an. Sophias Wut war verrauscht. Jetzt tut sie mir leid, so wie sie jetzt da sitzt, zusammen gesunken und verzweifelt. Ja, das war nicht sehr feinfühlig von mir. Muss ich den immer mit der Tür ins Haus fallen? Ich habe ein schlechtes Gewissen.
„ Es tut mir leid Sophia. Ich muss es aber einfach aus deiner Sicht hören. Ich weiß das ist schwer.“ „ Ja es ist schwer.“, sagt sie traurig. „Würdest du es trotzdem probieren?“, frage ich. Sie nickt. „ Du musst wissen, ich liebe meinen großen Bruder. Aber manchmal hasste ich ihn auch. Ich habe deswegen oft ein schlechtes Gewissen. Wie kann man einen lieben und gleichzeitig hassen? Verstehst du das?“, Sophia schaut mich fragend an. „Manchmal sind Gefühle nicht einfach zu verstehen. Warum hast du ihn den manchmal gehasst?“ Jetzt schaue ich sie fragend an. „ Als ich geboren wurde, war Jonathan schon 12 Jahre alt. Meine Eltern wollten nur ihn haben, ihr Wunschkind. Ich hingegen war ein Unfall. Sie haben ihn schon immer mehr geliebt als mich.“ „Das glaube ich nicht.“, wende ich ein. Schließlich habe ich doch ihre Mutter weinen gesehen, als man Sophia mit aufs Revier nahm und ihre sagte, dass ein Psychologie sie befragen würde. „Ich weiß es aber und deswegen habe ich ihn manchmal gehasst. Aber ich liebte ihn auch und er mich. Und als ich ihn gestern Morgen in der Küche gefunden habe mit einem Messer im Bauch, tot da …..“. Sie fängt an zu stocken und die Tränen laufen ihr über das Gesicht. „ Wer hat ihm das nur angetan?“ Sie guckte mich verzweifelt an. Ich reiche ihr ein Taschentuch „Ich weiß es nicht Sophia. Genau das probieren wir alle ja gerade herauszufinden.“ „ Ihr glaubt, dass ich das gewesen bin, nicht wahr? Deswegen sitze ich jetzt auch bei dir.“, stellt sie bitter fest. „Wir befragen alle, nicht nur dich Sophia.“, versuche ich sie zu beruhigen. „Und was glaubst du Elias? Glaubst du, dass ich Jonathan getötet habe?“ Sie schaut mir in die Augen und wartet auf meine Antwort.

Ich muss schlucken und wende mich ab. Ja was glaube ich eigentlich? Ich weiß es nicht. Als ich den Auftrag bekam, klang er so einfach. Ich sehe meinen Chef vor mir wie er meinte: „Ich weiß Herr Winter, Sie haben gerade erst ihr Psychologie Studium abgeschlossen. Aber wenn Sie sich gut anstellen und einen Erfolg bei dem folgenden Fall aufweisen, werde ich Sie auch mit weiteren Fällen betreuen. Es ist ganz einfach. Befragen sie dieses Mädchen und finden sie heraus, ob sie ihren Bruder getötet hat. Auf der Tatwaffe, dem Messer, fand man nur ihre Fingerabdrücke.“ Und jetzt lag die Tatwaffe auf meinem Schreibtisch, eingehüllt in eine Plastiktüte. Der zuständige Kommissar meinte, wenn man Sophia mit der Tatwaffe konfrontiert, wird sie uns vieleicht die Wahrheit erzählen.

Ich schaue zu Sophia. „Ich weiß es nicht.“, sage ich ihr ehrlich. „ Hast du den deinen Bruder getötet?“ Sie guckt mich ernst an und antwortet nicht. „Sophia?“ Sie guckt durch mich hindurch, als wäre sie in eine Trance verfallen. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Plötzlich springt sie von ihrem Stuhl auf, er fällt mit einem lauten Knall um. Ich starre sie erschrocken an. „Ich muss hier weg!“, schreit sie und schaut sich wild im Raum um. „Sophia bitte beruhige dich doch und setz dich wieder hin.“, versuche ich so beruhigend wie es geht auf sie einzureden. Doch es hilft nichts. Sie steigert sich immer mehr in ihre Wut und Verzweiflung hinein. Ihre Schreie werden immer lauter und aggressiver. Ihre Augen gleichen jetzt dem eines wilden Tieres. Sie schreit und faucht, hämmert mit den Fäusten gegen die Wand. Ich bekomme Panik. Auf so eine Situation bin ich nicht vorbereitet. Ich probiere Sophia festzuhalten doch sie schlägt wild um sich. Erschrocken weiche ich vor ihr zurück.

Die Tür wird aufgerissen. Einer von den Polizisten, der sie hergebracht hatte, rennt herein. Er erfasst die Situation sofort und hält Sophia fest. Ein weiterer Polizist kommt ihm zu Hilfe. Zusammen bringen sie die immer noch wild um sich schlagende Sophia raus. Als sie an mir vorbei kommt, wird sie ruhig und schaut mir in die Augen. Ich versinke in ihren blauen Augen und erkenne plötzlich eine bittere Wahrheit darin. In diesen Moment weiß ich, wer Jonathan getötet hat. Ich taumel und muss mich an der Wand festhalten. Alles dreht sich, die Galle kommt mir hoch. Ich atme tief ein und zwing mich die aufkeimende Übelkeit zu unterdrücken. Ich muss mich konzentrieren, muss noch einmal mit ihr reden. Ich muss es von ihr hören, die schreckliche Wahrheit. Ich renne zur Tür hinaus, den Polizisten hinterher.

„Warten sie!“, rufe ich. Die Polizisten bleiben stehen, drehen sich um und sehen mich fragend an. „Sie können sie nicht einfach wegbringen, ich muss erst noch einmal mit ihr sprechen.“ Die beiden Polizisten sehen mich an als wäre ich jetzt komplett verrückt. „Sind sie sicher?“ „Natürlich bin ich das. In so einer schwierigen Situation ist es für das Mädchen wichtig ihr Gespräch mit mir zu beenden.“, erkläre ich ernst. „Soll den einer von uns zur Sicherheit dabei bleiben?“, bietet einer der Polizisten mir an. „Nein danke. Ich komme schon zurecht. Ich bringe sie gleich rüber. Sie können ruhig gehen.“
„ Gut wir haben sowieso jetzt Feierabend.“ Die Polizisten wirken erleichtert und gehen.

Ich kehre mit Sophia in den Besprechungsraum zurück. Sie ist so ruhig, als wäre nie etwas geschehen. Sie stellt ihren Stuhl wieder hin, setzt sich hin und schaut mich abwartend an. „ Ich weiß jetzt wer Jonathan umgebracht hat.“, sage ich mit zittriger Stimme. Sophia seufzt und wirkt erleichtert. „Ich weiß, dass du es nicht gewesen bist Sophia.“ Sie lächelt mich an und nickt. „Ich wusste, dass du es herausfinden würdest, Elias.“ Sie lächelt mich selbstzufrieden an. „Wie ist ihr Name?“, frage ich sie. „Anna, sie heißt Anna. Und sie hasst dich Elias. Und ich weiß, was sie mit Menschen macht, die sie hasst.“ Eine Traurigkeit schwingt in ihrer Stimme mit. „Was macht sie mit ihnen?“, frage ich mit brüchiger Stimme. Die Antwort weiß ich eigentlich schon. Und ehrlich gesagt fürchte ich mich auch vor ihr.

„ Es tut mir leid Elias. Für einen Psychologen bist du echt in Ordnung. Aber sie hasst dich und jetzt da du die Wahrheit kennst, wird sie dafür sorgen dass du für immer schweigst.“ Ich erschauere und eine Welle von Panik überrollt mich. Sie erfasst mich und zieht mich in einen Strudel aus Angst. Ich fühle mich wie gelähmt, meine Gedanken ziehen sich wie eine Klebemasse durch meinen Kopf. Was soll ich machen? Laut schreien und hoffen das mir jemand zur Hilfe heilt? Ich schaue auf meine Uhr. Alle haben schon Feierabend und sind nach Hause gegangen. Ich bin, wie so oft, der Letzte. Ich starre auf das Messer, das immer noch auf meinen Schreibtisch liegt. Ich behaare auf meinen Gedanken, dass es nicht zum Schlimmsten kommen wird. Vielleicht übertreibe ich auch wieder. Ich probiere mich zu beruhigen.

„Willst du das den auch Sophia? Mich ähm umbringen“, frage ich sie. Es fällt mir schwer, diese Worte auszusprechen. Eine Träne rollt über ihr Gesicht und sie schaut mich offen an „ Nein ich will das nicht. Ich mag dich Elias. Aber Anna ist stärker als ich. Sie hat die Kontrolle über mich. Früher war sie nur eine kleine Stimme in meinem Kopf. Ich konnte sie einfach ignorieren. Doch dann wurde sie immer lauter und aggressiver. Sie wurde stärker und stärker. Zuerst konnte ich es noch verhindern, dass sie die Kontrolle übernimmt. Doch es wurde immer schwieriger. Irgendwann übernahm sie, wann immer sie es wollte, die Kontrolle und verbannte mich in eine kleine Ecke meines Kopfes. Meinst du ich bin verrückt?“ „ Nein du bist nicht verrückt, das ist eine Krankheit. Sie nennt sich Schizophrenie.“ erkläre ich ihr. Sophia wirkt erleichtert.

„Sophia, du musst probieren gegen sie anzukämpfen. Wenn du einmal die Oberhand behältst, wird sie immer weniger Macht über dich haben, bis sie ganz verschwindet.“ Sie lächelt mich an und blickt auf den Boden. Als sie mich wieder ansieht, sind ihre Augen eiskalt und sie grinst bösartig. Ich starre sie an „Anna?“, frage ich obwohl ich die Antwort schon weiß. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter.

„Ja ich bin Anna. Sophias böse Seite. Sie wurde als guter Mensch geboren und ich machte sie zu dem was sie jetzt ist.“. Sie grinst mich böse an „Und was ist Sophia jetzt? Ein unschuldiges Kind, das du gezwungen hast ihren Bruder zu töten.“ „ Sophia ist ich und ich bin sie. Sie ist das Gute und ich das Böse. Früher war sie stärker, doch jetzt bin ich stärker.“ Anna steht auf und kommt langsam auf mich zu. Ihr schönes Gesicht ist zu einer dämonischen Grimasse verzerrt. Alles was an Sophia engelsgleich war, ist verschwunden.

Ich bekomme Panik. Ich muss mich dazu zwingen mich zu bewegen, am besten Richtung Tür. Doch mein Körper gehorcht mir nicht mehr. Ich fühle mich vor Schreck wie gelähmt, versteinert. Einzig allein meine Stimme scheint mit noch zu gehorchen. Und das wird wohl meine einzige Chance sein. „Sophia!“, schreie ich. Meine Stimme überschlägt sich vor Angst. „Sophia! Ich weiß dass du noch da drinnen bist. Du darfst nicht zu lassen, dass sie wieder tötet!“ Anna lacht jetzt lautstark. Es war ein bösartiges, dämonisches Lachen. „Sophia ist weg! Und sie wird nicht wieder kommen, um dich zu retten!“ „ Sophia!“, schreie ich laut „ Du bist ein guter Mensch und selbst sie kann dich nicht zu einem schlechten Menschen machen. Ich weiß du bist stärker als sie, also kämpfe gegen sie an. Ich weiß du schaffst das.“ Ich lege jede Hoffnung, die ich verspüre, in meine Worte.

Anna lächelt mich an oder war es wieder Sophia? Ich schaue sie an. Ihr Gesicht ist auf einmal engelsgleich und das Bösartige ist verschwunden. Ich atme erleichtert auf. Das kann nicht mehr Anna sein. Sophia hat es geschafft. „ Ich wusste, dass du stärker bist als sie Sophia.“ Sie lächelt friedlich und kommt auf mich zu. Sie umarmt mich. Sie fühlt sich so warm an. Eine Träne tropft von ihrem Gesicht auf meine Jacke. „Es tut mir so leid Elias.“ Ihre Worte klingen so sanft. Ich lächele zufrieden. Wir haben es geschafft. Auf einmal spüre ich etwas Warmes was mir den Rücken herunter läuft. Wenig später fühle ich den Schmerz. Es ist ein Schmerz, den ich noch nie zuvor spürte. Als würde sich etwas in meinen Rücken hinein bohren und mich von Innen auseinanderreißen. Ich keuche vor Schmerzen und schreie auf. Ich schaue auf meinen Schreibtisch, das Messer ist verschwunden. Sophia ist ein Schritt zurück getreten und schaut mich traurig an. Das Messer in ihrer Hand ist blutrot. Langsam tropft rotes Blut von dem Messer auf dem Boden und bildet dort eine Pfütze. Sophia lächelt mich traurig an „Es tut mir leid Elias, sie ist stärker als ich.“ Sie dreht sich um und geht durch die Tür. Ich starre ihr hinterher und dann falle ich.
 

Winfried Hau

Mitglied
Hallo Fairy,
dein Text liest sich flüssig, und die Idee einer multiplen Persönlichkeit ist o.k., wenn auch nicht neu. Aber es ist schon verdammt schwer ein neues Motiv in Horrorgeschichten einfließen zu lassen.
Vielleicht solltest du noch ein paar Rechtschreibfehler korrigieren.

L.G.
Winfried
 



 
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