Spiegel sind einfach nur gute Kumpel

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fah

Mitglied
Spiegel sind einfach nur gute Kumpel.

Ein Spiegel ist unerbittlich. Er kopiert nur, was ihm gezeigt wird, aber das haargenau. Sonst kann er nichts. Halt! Man gebe ihm etwas Wölbung und er verbreitert, verschlankt, vergrößert oder verzerrt. In Umkleidekabinen findet man solche Exemplare der Gattung Spiegel und auf Jahrmärkten. Er verändert aber nicht wirklich, was vor ihm steht oder sitzt. Mensch bleibt Mensch, Gesicht bleibt Gesicht, unrasiert bleibt unrasiert. Spiegel sind stumm und höflich. Sie kommentieren niemals, was sie sehen, auch wenn ihnen danach sein könnte. Sie hängen, stehen, lehnen, haben unterschiedlichste Formen und Rahmen. Es gibt auch mobile Spiegel, die Handtaschen bevölkern oder in Fahrzeugen umhergefahren werden. In Trauerhäusern hängt man Spiegel zu, Vampirhaushalte verzichten ganz auf sie. Spiegel machen bestimmte Schriften erst lesbar. Sie lassen sich auch als Botschafter einsetzen, bevorzugt mit Lippenstift. Ihre Rahmen halten Zettel und Karten fest. Gelbe Klebezettel verringern die nutzbare Fläche leider proportional zur Anzahl. Gehen sie kaputt, soll es Unglück bringen. In Schlafzimmern werden sie manchmal für durchsichtige Zwecke mit Rosen oder Girlanden bekränzt. Wenn Spiegel heil bleiben, werden sie irgendwann unmodern und landen auf Speichern, in Kellern, auf dem Flohmarkt oder im Sperrmüll. Sie klagen nicht. Sie sind in jedem Fall passiv. Sie werfen zwar etwas zurück, aber das ist immateriell, das ist nicht hart wie ein Stein oder eine Blechbüchse, kann aber dennoch wehtun. Denn das Bild, das zurückkommt ist unbestechlich objektiv und ungeschönt (Ausnahme in den erwähnten Umkleidekabinen). Wehren kann sich ein Spiegel auch nicht, sollte er mit dem Gebotenen nicht zufrieden sein; er muss sich jeden Anblick bieten lassen. Beschimpfungen hält er stand, bis dem Wütenden die Lust auf Beleidigungen vergeht. Spiegel sind hilfsbereit. Mehrere geschickt angeordnet helfen sogar, um Ecken zu sehen. Sie ermöglichen beste optische Qualität in Teleskopen, Mikroskopen und Kameras. Besonders hervorstechen ist ihre Eigenschaft, sofort zu vergessen. Klagen über ein Einerlei an Dargebotenem gibt es nie. Selbst die x-te Neuauflage von Bekanntem wird stoisch hingenommen. „Aus dem Spiegel aus dem Sinn“ beschreibt treffend dieses Phänomen. Vergleichend Betrachtungen werden nicht angestellt. Bemerkungen wie „Du hast aber zugenommen“, „Du sahst schon mal frischer aus“ oder „Du gleichst allmählich Deiner Oma“ sind nicht zu befürchten. Spiegel sind ideal für das digitale Zeitalter; Sie sind binär, zeigen etwas oder nicht; sie lassen sich durch nichts ablenken, bleiben bei der Sache, sprechen nicht dazwischen oder spielen Quizduell, während man etwas Neues in ihr Blickfeld trägt. Genau genommen sind Spiegel aus unserem Alltag nicht wegzudenken, sind eben unerbittliche, gute Kumpel.
 

rothsten

Mitglied
Hallo fah,

ein Text über Spiegel und was sie bedeuten - oder auch nicht. Ich spiegel Dir mal meine Sicht dazu.

Ich fange mal mit der Prämisse an:

Genau genommen sind Spiegel aus unserem Alltag nicht wegzudenken, sind eben unerbittliche, gute Kumpel.
Ok, kann man mit arbeiten. Es gelingt Dir aber nicht, dieses Anliegen umzusetzen. Es hätte hierzu eines klaren Handlungsaufbaus bedurft, welcher diese Prämisse trägt, ausarbeitet und schließlich auflöst.

Dein Text scheitert vor allem an handwerklichen Unzulänglichkeiten:

Ein Spiegel ist unerbittlich. Er[blue] kopiert [/blue]nur, was ihm gezeigt wird,
Nein, ein Spiegel reflektiert. Eine Kopie ist halt ... eine Kopie ... ein Überstück zum Original.

Man gebe ihm etwas Wölbung und er verbreitert, verschlankt, vergrößert oder verzerrt.
Richtig, und kein Spiegel zeigt das Abbild 1:1; nix Neues

Neu wäre z.B.:
Übrigens müssten wir uns auf dem Kopf sehen, wenn unser Gehirn es nicht aus Erfahrung heraus umdrehte. Ein interessanter Gedanke, oder nicht?

(eigentlich auch nicht neu ...)

Er verändert aber nicht wirklich, was vor ihm steht oder sitzt.
*seufz*

Wir wissen, was ein Spiegel ist, was er kann und was nicht ... da lohnt keine Beschreibung. Wieso wiederholst Du das ständig?

In Trauerhäusern hängt man Spiegel zu, Vampirhaushalte verzichten ganz auf sie.
Der Satz hat Daseinsberechtigung, der Rest ist eigentlich überflüssig, denn jeder weiß, dass die Welt voller Spiegel ist, was sie können, was nicht.

Sie werfen zwar etwas zurück,
Ach, das macht ein Spiegel? Wusste ich noch gar nicht ...

Sorry, das ist sowas von redundant, dass es fast schon wieder ein Stilmittel sein könnte.

Was ich vermisse, ist das Spiegelei. Das hätte mich dann doch interessiert.

Sorry, meins ists nicht.

lg
 

fah

Mitglied
Hallo, rothsten,

Mann oh Mann, Du gehst aber mit dem Seziermesser auf den Text los.
Aber zuerst Danke, dass Du Dich mit ihm beschäftigt hast.

Die Prämisse, die Du herausliest, trifft – aber nicht vollständig: dazu müsste noch, dass es sich um freie Assoziationen zu einem Alltagsgegenstand handelt. Das meinst Du wahrscheinlich mit Deinem „Seufz“ und dem Hinweis auf Redundanzen. Ja, die kommen ganz automatisch, wenn man sich mit etwas so Alltäglichem beschäftigt. Ich habe geglaubt, dass das erkennbar ist. Vor allem, weil ich auch über Eigenschaften von Spiegeln schreibe, die mit Naturwissenschaft wenig zu tun haben (Sprechen, klagen, vergessen,...).

Kopieren ist nicht reflektieren, das ist physikalisch korrekt, aber ich wollte keinen Beitrag für ein Sachbuch schreiben. Doch Du hast recht, es ist missverständlich. Für den Betrachter ist das, was er im Spiegel sieht, ein Abbild seiner selbst. Dass ich dafür umgangssprachlich „Kopie“ gesetzt habe und nicht "Reflexion", sieh`es mir bitte nach. Ich denke, niemand sagt: "Ich sehe meine Reflexion im Spiegel", sondern gebraucht die Wörter Spiegelbild, Abbild oder einfach Bild.

Was Du zu Redundanz und Neuigkeit ausführst, verwundert mich etwas.
Redundanzen sind doch nicht verboten, und Bekanntes zu wiederholen ebenso wenig. Alltägliches ist selten neu. Dass Du Redundanz als Stilmittel für möglich hältst, freut mich natürlich.

Dass der Text nicht Deiner ist, muss ich akzeptieren.
Die Notwendigkeit eines Handlungsaufbaus für diese textlichen und gedanklichen Variationen zum Alltagsgegenstand Spiegel siehst Du, ich habe einen Handlungsaufbau nicht für erforderlich gehalten. Vielleicht sollte ich den Untertitel "Gedanken zu einem Alltagsgegenstand" hinzufügen.

Das „Spiegelei“ hatte ich übrigens ebenso wie „Eulenspiegel“ und „Spiegelkarpfen“ tatsächlich kurz im Sinn.

Aber noch mal. Du hast den Text gelesen und nicht nur überflogen.
Dafür und Deine Kritik schönen Dank.


Gruß
fah
_______________________
Nur Kritik, vor allem konstruktive, bringt uns weiter.
 

fah

Mitglied
Spiegel sind einfach nur gute Kumpel.
(Freie Assoziationen zu einem Alltagsgegenstand)

Ein Spiegel ist unerbittlich. Er kopiert nur, was ihm gezeigt wird, aber das haargenau. Sonst kann er nichts. Halt! Man gebe ihm etwas Wölbung und er verbreitert, verschlankt, vergrößert oder verzerrt. In Umkleidekabinen findet man solche Exemplare der Gattung Spiegel und auf Jahrmärkten. Er verändert aber nicht wirklich, was vor ihm steht oder sitzt. Mensch bleibt Mensch, Gesicht bleibt Gesicht, unrasiert bleibt unrasiert. Spiegel sind stumm und höflich. Sie kommentieren niemals, was sie sehen, auch wenn ihnen danach sein könnte. Sie hängen, stehen, lehnen, haben unterschiedlichste Formen und Rahmen. Es gibt auch mobile Spiegel, die Handtaschen bevölkern oder in Fahrzeugen umhergefahren werden. In Trauerhäusern hängt man Spiegel zu, Vampirhaushalte verzichten ganz auf sie. Spiegel machen bestimmte Schriften erst lesbar. Sie lassen sich auch als Botschafter einsetzen, bevorzugt mit Lippenstift. Ihre Rahmen halten Zettel und Karten fest. Gelbe Klebezettel verringern die nutzbare Fläche leider proportional zur Anzahl. Gehen sie kaputt, soll es Unglück bringen. In Schlafzimmern werden sie manchmal für durchsichtige Zwecke mit Rosen oder Girlanden bekränzt. Wenn Spiegel heil bleiben, werden sie irgendwann unmodern und landen auf Speichern, in Kellern, auf dem Flohmarkt oder im Sperrmüll. Sie klagen nicht. Sie sind in jedem Fall passiv. Sie werfen zwar etwas zurück, aber das ist immateriell, das ist nicht hart wie ein Stein oder eine Blechbüchse, kann aber dennoch wehtun. Denn das Bild, das zurückkommt ist unbestechlich objektiv und ungeschönt (Ausnahme in den erwähnten Umkleidekabinen). Wehren kann sich ein Spiegel auch nicht, sollte er mit dem Gebotenen nicht zufrieden sein; er muss sich jeden Anblick bieten lassen. Beschimpfungen hält er stand, bis dem Wütenden die Lust auf Beleidigungen vergeht. Spiegel sind hilfsbereit. Mehrere geschickt angeordnet helfen sogar, um Ecken zu sehen. Sie ermöglichen beste optische Qualität in Teleskopen, Mikroskopen und Kameras. Besonders hervorstechen ist ihre Eigenschaft, sofort zu vergessen. Klagen über ein Einerlei an Dargebotenem gibt es nie. Selbst die x-te Neuauflage von Bekanntem wird stoisch hingenommen. „Aus dem Spiegel aus dem Sinn“ beschreibt treffend dieses Phänomen. Vergleichend Betrachtungen werden nicht angestellt. Bemerkungen wie „Du hast aber zugenommen“, „Du sahst schon mal frischer aus“ oder „Du gleichst allmählich Deiner Oma“ sind nicht zu befürchten. Spiegel sind ideal für das digitale Zeitalter; Sie sind binär, zeigen etwas oder nicht; sie lassen sich durch nichts ablenken, bleiben bei der Sache, sprechen nicht dazwischen oder spielen Quizduell, während man etwas Neues in ihr Blickfeld trägt. Genau genommen sind Spiegel aus unserem Alltag nicht wegzudenken, sind eben unerbittliche, gute Kumpel.
 
S

steky

Gast
Hallo, fah!

Leider muss ich rothsten in allen Punkten recht geben. Du wiederholst hier Dinge, die jedermann bekannt sind, und somit wird die Sache langweilig. Auch ist es bei solchen Texten immer schwierig, einen Ton zu finden, der zwar sachlich, aber nicht abgehoben ist.

LG
Steky
 

herziblatti

Mitglied
Hallo fah, gut geschrieben, mit viel Witz und feinem Humor, ich betrachte jetzt die Spiegel bei uns im Haus mit einem anderen/erweiterten Blick :) LG - herziblatti
 

fah

Mitglied
Hallo, Herzblatti,

Danke.
Nicht jeder Text kommt bei jedem gleich an.
Gott sei Dank.
Thats's life.

LG
fah
 

rothsten

Mitglied
Hallo nochmal fah,

Mann oh Mann, Du gehst aber mit dem Seziermesser auf den Text los.
Aber zuerst Danke, dass Du Dich mit ihm beschäftigt hast.
Das finde ich angemessen. Wenn man schon kritisiert, dann setzt das gründliches Lesen voraus, finde ich. Ich unterstelle auch grundsätzlich jedem Autor, dass er nicht nur gelesen, sondern auch kritisiert werden will. Man wächst ja nicht nur am Lob, sondern auch durch Hinweise auf vermeintliche Fehler. Nun hast Du beides - was will man mehr?

Kopieren ist nicht reflektieren, das ist physikalisch korrekt, aber ich wollte keinen Beitrag für ein Sachbuch schreiben ... Ich denke, niemand sagt: "Ich sehe meine Reflexion im Spiegel", sondern gebraucht die Wörter Spiegelbild, Abbild oder einfach Bild.
Du sollst kein Beamtendeutsch schreiben, richtig. Das heisst aber nicht, dass ein falsches Wort hier die bessere Wahl ist.

Schreibs Deutsch, z.B. "Ich sah mich selbst im Spiegel". Hardliner streichten hier sogar das "slbst", denn wen sonst sollte ich sehen?


Was Du zu Redundanz und Neuigkeit ausführst, verwundert mich etwas.
Redundanzen sind doch nicht verboten, und Bekanntes zu wiederholen ebenso wenig. Alltägliches ist selten neu. Dass Du Redundanz als Stilmittel für möglich hältst, freut mich natürlich.
Du hast zig mal beschrieben, dass man sich spiegelt. Das ist eine unschöne Wiederholung, das nenne ich hier redundant. Als Stilmittel kann es funktionieren, z.B. bei bewusster Überspitzung durch Wiederholung. Hier jedoch halte ich das für misslungen.

Dass der Text nicht Deiner ist, muss ich akzeptieren.

Aber noch mal. Du hast den Text gelesen und nicht nur überflogen.
Dafür und Deine Kritik schönen Dank.
Eine gute Einstellung. Damit kann man arbeiten. ;)

lg
 



 
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