Sprachverfall (aus dem Buch Ferdinand)

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand besuchte August Schleicher,
klopfte an die Tür und sprach "Grüß Gott!
Sagen Sie, wird unsre Sprache reicher?"
"Nicht doch - die verfällt in ihrem Trott;

lange schon ist der Dual verblichen,
ach, was hatten wir für reiche Fälle,
und die schönsten Laute sind entwichen,
Sprachgerippe blieb an ihrer Stelle.

Nur Verfall seh' ich in unsrer Sprache,
seit sie einst in die Geschichte drang,
übrig blieben Löcher nur und Brache,
und mir wird vor ihrer Zukunft bang.

Ach, wie mancher Laut einst rein erscholl,
schön die Zeiten, als der Hund noch boll."
 

meradis

Mitglied
Ich aplaudort wie toll
doch nach grübeln ich groll
Mir fohlen die worte
hoß das nicht bollte?
(egal, ich aplaudorte)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
August Schleicher hat übrigens die schöne Theorie aufgestellt, dass die Sprachen in "vorgeschichtlichen"" Zeiten aufblühte und ihre ganze Schönheit entfalteten, aber wenn ein Volk in die Geschichte eintritt (zum Beipiel durch Eroberung der Nachbargebiete), beginnt der Verfall der Sprache.

Schleicher hatte unrecht, aber nicht völlig.

Die Grammatik vereinfachte sich durch Verschmelzung von Nachbarkulturen und durch Faulheit beim Sprechen.

Aber sie entwickelte sich weiter und behielt ihre Komplexität, nur dass manches eben anders ausgedrückt werden musste, wenn grammatische Formen verschwanden.

Diese Vereinfachung war es eigentlich, die Schleicher als Sprachverfall meinte. So ist Deutsch viel stärker verfallen, als Latein, Latein stärker als Sanskrit und dieses stärker als die indoeuropäische Ursprache.
 



 
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