Spreewaldfahrt

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Spreewald 25.5.2002

Ein ganzes Jahr hatte ich mich auf diesen Tag gefreut und immer wieder bei Ralph Ronneberger nachgefragt, ob denn die Spreewaldfahrt stattfinden wird. Und hurra, er holte mich, Paedag und Sanna nebst Töchterchen Anica aus Berlin ab. Bei teilweise starkem Nieselregen fuhren wir zu Zenner, wo wir alle anderen Teilnehmer erwarteten. Kurz nach uns trafen Svalin, Renee und Stefan ein, danach Ole. Auf Guido, Moloe, Raskolnikow und Vicell warteten wir über eine Stunde vergeblich.
Endlich fuhren wir bei wechselhaftem Wetter in Richtung Lübbenau, wo die Sonne lachte und uns der Kahn empfing, den wir kurzerhand „Dampfer“ tauften. Der freundliche Staker Mike bugsierte den Dampfer durch die Kanäle und mehrere Schleusen. Als wir in die erste Schleuse hineinfuhren, bekam Anica (die sich keck an den Bug gesetzt hatte) ein wenig Angst – sie hatte noch nie eine Schleuse von innen gesehen. Nachdem sie erfuhr, daß es eigentlich nichts anderes ist als ein Fahrstuhl, beruhigte sie sich rasch, denn einen Fahrstuhl kannte sie bestens.
Wie im vorigen Jahr sahen wir auch diesmal Vergissmeinnicht im Wasser stehen. Viele Libellen schwebten über dem Wasser und am Ufer wuchsen unzählige Blumen. Besonders beeindruckten mich der mehrfarbige Rhododendron und die unglaublich langstieligen Stiefmütterchen. Es gab noch viele andere blühende Büsche, die märchenhaft schön waren. Sehr malerisch war das facettenreiche grün der Bäume. Und ebenfalls märchenhaft mancher Baumstumpf am Ufer oder im Wasser. Wir lauschten dem Gesang der Vögel und erblickten auch viele in den Bäumen oder am Himmel. Ein Erpel kam so frech auf unser Boot geflogen, daß ich dachte, er setzt sich bei Svalin auf den Kopf! Wir sahen auch ein Storchennest, aber es war aus Blech.
Mehrere Häuser erinnerten mich an das Computerspiel „Anno 1602“, welches ich seit kurzem mit wachsender Begeisterung spiele. Da standen die Bürgerhäuser und die Kirche, die Hütten der Pioniere und das Forsthaus, den Marktplatz nicht zu vergessen. Auch die Schafe auf der Weide und die Kühe ließen mich an das Spiel denken. Das gab der Tour einen weiteren Kick.
Wie immer bei unseren Treffen gab es viel zu lachen. Man müsste wirklich mal ein Aufnahmegerät nebenher laufen lassen, um die Geistesblitze einzufangen! Einzig der Witz, den Ole erzählte, blieb bei mir hängen: ein Pastor hatte einen 16jährigen Afrikanerjungen adoptiert. Der Junge lernte sehr rasch deutsch. Eines Tages klingelte es, der Junge öffnete, sah einen guten Bekannten mit seiner Lebensgefährtin vor der Tür und meldete dem Hausherrn: „Herr x und seine Lebensgefahr sind da.“
Nach nahezu 2 Stunden hielten wir an einem weitläufigen Gartenrestaurant, wo jeder Tisch überdacht und nach einem Dörfchen benannt war. Hier aßen wir Bockwurst und Eis. Ole und Paedag hatten Fotoapparate dabei und schossen etliche Fotos. Hoffentlich sind sie was geworden. Ich hatte meine Video-Camera mitgenommen, aber im warmen Kofferraum hatten sich die Batterien entladen. Schade.
Bei diesem Restaurant waren die Mücken besonders aufdringlich. Auf dem Kahn hatte ich erst zwei erschlagen, die mich durch die Hose hindurch gestochen hatten, hier konnten wir uns der Mücken kaum erwehren. Nachdem wir wieder im Kahn saßen, reichte Mike uns eine große Dose Mückenspray. Das half. Die Mücken kamen zwar noch in unsere Nähe, drehten aber rasch bei. Ole scherzte später: „Stellt euch bloß mal vor, die wären mit Nasenklammern zurückgekommen und hätten doch noch zugestochen!“ Man stelle sich das als Zeichentrick vor! Gruselig. Auf dem Rückweg bemühten sich Anica und Stefan, die Mücken naß zu spritzen, damit sie hoffentlich ersaufen. Aber ich fürchte, so ein paar Spritzer machen den Mücken nichts aus.
An einer Kreuzung – jaja, manchmal kreuzen sich im Spreewald die Fließe - sahen wir einen Hochzeitskahn. Er wurde bei jeder Fließbiegung mit großem Hallo und „Hoch solln sie leben“ – Gesang begrüßt. Das Brautpaar im Bug sah aus wie gemalt – er im Frack und Zylinder, sie in einem zauberhaften cremfarbenen Seidenkleid. Beim Aussteigen aus dem Kahn musste es angehoben werden, so lang war es. Der Helfer war ein wenig ungeschickt und hob den Rock bis weit über die Knie der Braut, daß alle ihre wohlgeformten Beine in den weißen Strümpfen sehen konnten.
Ein paar Meter weiter war ein Kahn umgestürzt und die Insassen suchten zu retten, was zu retten war. Ihr Bierfaß wollte ihnen davonschwimmen, so wie es das Rudel schon getan hatte, der Verlust eines Handys wurde beklagt und wer weiß was noch. Jedenfalls kann das Wasser nicht allzu kalt gewesen sein, einer der jungen Männer tauchte solange vor unserem Kahn, daß wir ihn fast überfahren hätten.
Dann kamen wir in einen üblen Geruch – auf dem Kahn vor uns wurde gegrillt. Ein Ruderboot überholte uns und der Ruderer fragte: „Brennt es bei euch? Sollen wir die Feuerwehr rufen?“ die hattens gut, mit ihrem schmalen Boot kamen sie schnell an dem Stinker vorbei, wir mussten auf eine günstige Gelegenheit warten, die Fließe sind nicht durchgängig zweispurig.
Ein Sportverein hatte am Ufer nicht nur die übliche Anlegestelle, sondern auch einen Baum aus Kümmerling-Flaschen, ein richtiges Kunstwerk. Da kann man mal sehen, was der Alkohol für Blüten treiben kann.
Hin und wieder versetzte die kesse Renee den Kahn in Schwingungen und rief uns mahnend zu: “Nicht schaukeln, Kinder!“ Darauf erzählte der Staker, daß er zu Beginn seiner Stakertätigkeit eine Schulklasse auf dem Boot hatte und unbekümmert sagte: „Ihr könnt ruhig schaukeln, aber passt auf, daß wir nicht umkippen.“ Und dann war er mehrere Tage seekrank. (Auch ich fühle mich immer noch so, als ob ich auf dem schaukelnden Kahn sitze.)
Bevor wir wieder in die Autos stiegen, um nach Lübben zu fahren, musste ich mir auf dem kleinen Markt noch etwas kaufen – einen kleinen weißen Plüschbären für meine Tochter (die sammelt so was) und einen Kupferpyritstein für mein Fensterbrett. Renee klärte mich auf, dass der Bär leider ein Hund ist, aber das macht nichts. Meine Tochter bekommt ihn dennoch. Sie hat mir seinerzeit ja auch einen Kaffepott geschenkt, wo „Oma“ draufstand. Erstens trinke ich nicht aus solchen Pötten und zweitens hätte sie mir ja wohl ein paar Monate Zeit lassen können, mich an meinen neuen Status zu gewöhnen. Na jut, der Vergleich hinkt.
Bei Ralph angekommen, wurde der Grill angemacht. Köstliche Thüringer Rostbratwurst und zartes Grillfleisch wanderten in unsere freudig geweiteten Mägen. Ralphs hübsche Tochter wendete die heißen Sachen und aß selbst als letzte. Renee hatte wieder feine Kräuterbutter und leckeren Nudelsalat gezaubert. Als dann auch noch geröstetes Brot auf den Tisch kam, habe ich die kiesetige Sanna essen sehen wie noch nie. Wir alle haben uns den Wanst richtig vollgeschlagen. Nur gut, daß wir noch lange sitzen bleiben wollten und durften.
Nun war es an der Zeit, vorzulesen, was als Schreibaufgabe vorgegeben war – eine Geschichte von etwa einer Seite mit recht vielen Adjektiven. Leider hatten sich nur zwei bemüht, die Aufgabe zu erfüllen, nämlich Ole und ich. Die Zuhörer waren sehr angetan von den beiden Sachen und versprachen, ihre Werke nachzuliefern. Sanna hatte den Anfang einer niedlichen Puppenstubengeschichte dabei, der auch Wohlgefallen fand. Auf allgemeinen Wunsch las Ralph zum Schluß seine Spreewald-Lorelei vor, die ihm wirklich gut gelungen ist. Kann man in der Lupe nachlesen. An dieser Stelle möchte ich bemerken, daß noch nie soviel vorgelesen wurde wie bei unserem Treffen im März, wo wir bei Moloe zu Gast waren.
Zu vorgerückter Stunde war immer noch Lachen und Scherzen angesagt. Anica scheuchte Stefan und dann auch noch Ole durch den Garten, bis die beiden beschlossen, die 9jährige in das Fließ zu werfen – jaja, der Ralph hat n Wassergrundstück. War das ein Gequieke! Natürlich blieb die Püppi trocken.
Irgendwann begann es zu nieseln und wir setzten uns in die Stube. Inzwischen war auch die andere hübsche Tochter von Ralph gekommen sowie der Freund der jüngeren Tochter. Also wurden mehrere Gespräche gleichzeitig geführt und das Gelächter zog wie eine Laola-Welle durch den Raum. Ralph erklärte uns den Unterschied zwischen Geiz und Sparsamkeit anhand einer Begebenheit aus seiner Kindheit – seine Tante besaß nur eine einzige Glühbirne, die sie wahlweise einschraubte. Danach erzählte er, daß er einst in der Schule mit großem Stolz verkündet hatte, sein Vater sei Agent. Der Junge hatte aufgeschnappt, daß die Angestellten der Versicherung auch Agenten genannt werden . . .Einige Zeit später erzählte er, daß er sich von seinem Compi immer anzeigen lässt, wie viel Anschläge er pro Text gemacht hat. Da konnte ich mir nicht verkneifen, zu sagen: „Na, das passt ja. Dein Vater war Agent und du machst Anschläge. Das muß ja zur Anzeige kommen.“
Auf dem schweren Tisch stand eine Kerze im Glas, die in gewisser Weise einem Aquarium glich- sie beherbergte einen kugelrunden Tintenfisch. Das passt zu einem Schreiberling!
Irgendwann schlief Anica auf dem Schoß ihrer Mutter ein. Paedag fragte vorsichtig, wann wir denn eventuell wieder nach Berlin kutschiert werden, er war schon drauf und dran, zum Bahnhof zu laufen. Ole bat, bis Mitternacht auszuharren, was uns sehr leicht fiel. Als hätte Anica gehört, wann wir starten, wurde sie wenige Minuten vor Mitternacht wach und wir brachen auf, d.h. Sanna, Paedag, Anica, Ole und ich.
Auf der Fahrt nach Lübbenau hörten wir in Ralphs Wagen Melodien aus „Carmen“ und von Vivaldi, nun gab es Popsongs von Prince und anderen. Kurz nach zwei Uhr morgens war ich zu Hause. Vor dem Schlafengehen zählte ich meine Mückenstiche. Ich hatte 14 an den Beinen und einen am Hals. Warum blieben der Rumpf und die Arme verschont? Haha, ich trug eine langärmelige Bluse mit bunter Folklorestickerei! Ich nenne sie meine Russenbluse, Renee meinte aber, die Stickerei sei eher ungarisch. Jaja, man wird alt wie ne Kuh und lernt immer noch dazu.
Jedenfalls freue ich mich auf unser nächstes Treffen und hoffe, daß wir auch 2003 eine Spreewaldfahrt machen werden.
 



 
Oben Unten