Stadtfest

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Tula

Mitglied
Stadtfest

der Strom zieht durch die Altstadt unter
einem Takelwerk aus Licht, Girlanden und Ballons
vorbei an den Fassaden gähnen Fenster
wie die Scharten einer Hafenmauer

zu ihren Füßen lagern aufgereiht Galeeren -
die eine dort erinnert irgendwie an einen Tisch
- die ist zwar vollbesetzt nur die Besatzung scheint
beim Fuchteln mit den Rudern ungeschickt

weiter immer weiter strudelst du vorbei
an jedem Kai preist man den reichen Fang
und schmiedet eimerweise Silber für
die zügellose Meute auf den Bänken

unerwartet blüht ein hängender Garten
ganz aus Basilikum winkt dir das Glück:
nur ein Töpfchen mein lieber Antonius,
für die Liebste, die ich erst noch finden muss


irgendwann sitzt du dann selbst die Strafe
ab und wischst dir Wein und Fett vom Kinn
du weißt die Fahrt durch diese Nacht wird lang
beim Marsch träumst du von Ipanema und Tucanos



mehr zum lyrischen Reisepunkt https://lyrischereiseportugal.wordpress.com/stadtfest/
einen Opfergesang findet ihr dort ebenfalls
 

Perry

Mitglied
Hallo Tula,

da lassen sich Strafen aller Art anscheinend leicht und genüsslich absitzen und nach ein paar Gläser Wein werden Tische zu Galeeren und man bekommt sogar Silber (ein)geschenkt.
Gern mit um die Häuser gezogen und LG
Manfred
 

Tula

Mitglied
Hallo Manfred

Danke dir für deinen Gruß. Gut, dass das Silber für beides steht: die gegrillten Sardinen (direkt von der Silberschmiede) und den Wein, typischerweise leicht sprudelnder vinho verde (in Deutschland wohl auch erhältlich der Casal Garcia)

LG
Tula
 
T

Trainee

Gast
Hallo Tula,

hier wird zusammengebracht, was auch in meinem Herzen zusammengehört: die Seefahrt, die Liebe und gutes Essen in flüssiger Begleitung. - Genau in dieser Reihenfolge.
Und es passt! Gilt die See (das Flüssige) doch schon in heidnischen Kulturen als weiblich, werden auch Schiffe, die wehrhaften Bräute der Seefahrer, meist mit weiblichen Namen versehen.
Und du beschreibst etwas Dionysisches, Wildes, ein (gefühltes) Stadt-
Bacchanal, welches seinen Kontrast durch ein bescheidenes Basilikum erhält.
Das ist wirklich gekonnt gemacht.

Der Heilige wird dein Gedicht sicherlich mögen. Ich auch.

Liebe Grüße
Trainee
 
T

Trainee

Gast
Und natürlich steckt (auch) Witz hinter dem Ganzen, was mir leider erst zeitverzögert aufgefallen ist. :D
Denn zählt dein Leser zum Typus des boshaften Beobachters, ließe sich leicht ein Zusammenhang zwischen dem schweißtreibenden Dienst auf einer Galeere und dem noch zu erwartenden Glück kontinuierlicher Zweisamkeit herstellen ...

;):p
 

Tula

Mitglied
Liebe Trainee

vielen Dank für deinen lieben und trefflichen Kommentar. Dem kann ich so nicht viel weiter Erklärendes dazusetzen. Der romantische Bezug zum Meer ist gewiss gerade bei Lissabon kein Zufall; der Anblick der langgestreckten Tische, welche bei solchen Festen aufgebaut bzw. zusammengeschoben werden, lädt zum Vergleich des gemeinsamen Ruderns geradezu ein.

Auf die Sache mit der Zweisamkeit gehe ich jetzt lieber nicht ein :D

LG
Tula
 
Liebe Tula,
tolles Gedicht. Allerdings stört mich das "wie" in der vierten Zeilen der ersten Strophe. Daher schlage ich vor, "Fenster wie"
zu streichen.
Herzlichen Gruß
Karl
 

Tula

Mitglied
Lieber Karl

danke für Kommentar und die gute Bewertung. Den Vorschlag muss ich noch durchsickern lassen, es bräuchte von der Struktur her einen Ersatz. Aber ein 'wie' geht vielleicht noch durch :)

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"Antonius von Padua
saß oftmals ganz alleine da
und las bei seinem Heilgenschein
bis in die tiefe Nacht hinein"
(W. Busch) - ist es der?
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

genau der ! - Dass der bereits vom alten Wilhelm verdichtet wurde, war mir gar nicht bewusst. Man lernt nie aus.

Danke für Gruß und Wertung!

LG
Tula
 



 
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