Stein auf Stein

4,30 Stern(e) 7 Bewertungen

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Rhea!

ich beschäftige mich gerade sehr intensiv mit deinen Gedichten und das bleibt dir auch hier nicht erspart.

Ich bade in Blüten
Honig tropft
zwischen deinen Zeilen
Samthandschuhe
bitten des Nachts
mich und den Mond zum Tanze -

Der Anfang ist sehr lyrisch und m.E. auch sehr gelungen. Man ahnt aber schon beim Lesen, dass hier etwas faul ist. Denn wenn Honig zwischen die Zeilen tropft und etwas mit Samthandschuhen angefasst wird, kann dies in den seltensten Fällen gut ausgehen.
Zu süß und zu zart machen anfällig für Verletzungen.

doch als ich erwache
liegt dort ein Stein
umwickelt
mit Butterbrotpapier

das Brot hast du mitgenommen
In der nächsten Strophe löst du die Geschichte auf. Das ist sprachlich sehr gut gelöst, weil du hier von der sehr lyrischen und zärtlichen Sprache der ersten Strophe auf die Alltagssprache übergehst. Die Realität hat das lyr.ich wieder, das lyr.du hat sich sattgegessen und hinterlässt nur einen kalten Stein - geschickt verpackt in Butterbrotpapier.

ich leg ihn zu den anderen
widerstehe, den Spachtel zu schwingen -

noch

Steine hätte ich genug
Das lyr.ich legt diesen Stein zu den anderen Verletzungen. Allerdings ist hier auch gleichzeitig eine Drohungen für das lyr.du enthalten, die Sache nicht zu weit zu treiben. Denn man könnte sich ja aus den Steinen durchaus eine Mauer bzw. ein Haus errichten.


Wenn ich deine Intention richtig gedeutet habe, solltest du allerdings
die Kelle zu schwingen
schreiben, denn das passt besser, wenn man Stein auf Stein bauen will.

Sehr stimmiger Aufbau, gutes Gedicht!

Liebe Grüße
Manfred
 
H

Heidrun D.

Gast
Ach, wie gut,
dass "unsern" Manfred wieder aufgetaucht ist - mit seinen wertvollen Kommentaren. :)

Mein Eindruck stimmt mit seinem überein; im Baugewerbe kenne ich mich allerdings nicht so aus, weiß deshalb auch nicht, ob gekellt oder gespachtelt wird ... ;)

Auf jeden Fall werfe ich ein 8erle in deine Richtung. :)

Liebe Grüße
Heidrun
 

Rhea_Gift

Mitglied
Hi Manfred -

perfekt erfasst! :) Und ich danke sehr für solch intensive Auseinandersetzung! Hm, benutzt man nicht auch einen Spachtel zum Beton glatt streichen? Oder gibt's da wirklich nur die Kelle? Ich recherchiere das mal - und ändere, sollte ein Spachtel nich in Frage kommen - denn klanglich fände ich ihn doch schöner...

Heidrunche - auch dir ein Dank fürs Vorbeischauen und Werten :)

LG, Rhea
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Rhea,

muss hier entschieden Franke beipflichten!
Mir ging es mit deinem Gedicht erst mal so, dass ich keinen Zugang fand, weil ich dachte: verstehe ich nicht. Was wird hier gespachtelt??
Die Kelle schwingen - ja, damit assoziiere ich dann auch den Hausbau und nun kann ich das ganze Gedicht noch mal neu auf mich wirken lassen.

lg wüstenrose
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Rhea!

Bei den Maurern heißt das Handwerkszeug wirklich Kelle.
Und mit "Kelle schwingen" käme auch eine herrliche Doppeldeutigkeit in dein Gedicht hinein!

Liebe Grüße
Manfred
 

Rhea_Gift

Mitglied
Stein auf Stein

Ich bade in Blüten
Honig tropft
zwischen deinen Zeilen
Samthandschuhe
bitten des Nachts
mich und den Mond zum Tanze -

doch als ich erwache
liegt dort ein Stein
umwickelt
mit Butterbrotpapier

das Brot hast du mitgenommen

ich leg ihn zu den anderen
widerstehe, die Kelle zu schwingen -

noch

Steine hätte ich genug
 

revilo

Mitglied
Hallo Rhea, wieso lässt Deine Protagonistin sich ständig mit Steinen abspeisen?????? Die ewig erduldende Frau? Warum schwingt sie nicht endlich mal die Kelle und schlägt diesen miesen Knochen mit ihren eigenen Waffen???? LG revilo
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Moin Rhea,

ich bin über "doch als ich erwache" gestolpert. Das irritiert mich zeitlich. Du versuchst hier in das Präsenz einen Zeitablauf zu bringen, der mich fragen lässt, warum Du überhaupt das Präsenz gewählt hast.
Natürlich klingt dadurch die erste Strophe lyrischer.

Was ich mich auch frage ist, was da gebaut wird, und wem widerstanden wird. Der eine Stein wird zu den anderen gelegt, damit ergibt sich dort schon eine Art Steinberg (sic!), ob das nun Stein auf Stein oder Stein an Stein ist, dürfte für die Richtung des Gedichtes doch egal sein, oder?

cu
lap
 

Rhea_Gift

Mitglied
Hi Leute,

also Lap, revilo - durchgehendes Präsenz im Sinne des gefühlten gerade noch, dann aber schon... Stein auf Stein, um das auftürmen (die Menge) zu verdeutlichen und doppeldeutig schon die Gefahr des Mauer-Baus anzudeuten, das LyrI will aber - noch - sich von den gesammelten Steinen nicht entmutigen lassen - da sie aber zu unauslöschlicher Erinnerung gehören, verschwinden sie eben auch nicht... lassen sich nicht wegwerfen... nur beiseite legen... was immer noch besser ist, als sie festzuhalten oder ein Haus draus zu bauen oder zu versuchen, Gold darin zu sehen... sie sind gewichtig nicht unwichtig - dennoch - grau und selbst in schönen Farben dennoch hart, bis ins Innere... und das dumme Gefühl, dass der andere mehr Nährendes mitgenommen hat als da zu lassen :(
Und revilo - es sah ja eben am Anfang nicht nach nem Stein aus... ;) Vielleicht konnte das LyrI nicht widerstehen, trotz des Ahnens, dass der Beginn noch alles Show ist, den Rest abzuwarten... Vielleicht sollte das LyrI schneller tiefer kloppen, um zu schauen, wie weich das Brot is ;) Oder was unterm Samthandschuh drunter und unter dem Honig sich so regt... aber, naja, meist ist das LyrI da ja sogar recht fix - daher auch die Menge, das Präsenz und das noch recht sanfte beiseite legen statt in die Ecke knallen... ;)

LG, Rhea
 



 
Oben Unten