Stufen

Haremsdame

Mitglied
Seit Jahren liebe ich Fotos von engen Treppen, in Stein geschlagenen Stufen, dunklen Wegen, die hinauf ins Licht führen. Ganze Wände habe ich damit gepflastert. Immer träumte ich, die Enge zu verlassen, das Sonnenlicht zu spüren. Weiter zu kommen.

Vor zwei Monaten bot sich uns die Gelegenheit, unseren schweren Rucksack in andere Hände zu geben. Seitdem habe ich Probleme, reale Stufen zu überwinden. Die Knie streiken, schmerzen beim Wechsel von einer Etage in die nächste. Der Arzt rät, den Beinen drei Wochen lang Ruhe zu gönnen, liegen zu bleiben, sich verwöhnen zu lassen.

Das scheint auch meiner Psyche zu bekommen. Nicht Weiterentwicklung, sondern Festigung des momentanen Zustandes ist angesagt. Ich kann nicht in die Vergangenheit hinabsteigen, da machen meine Knie nicht mit. Ich kann die Vergangenheit nur von oben - mit Abstand - übersehen.

Ebenso ist es mit der Zukunft. Sie wartet schon auf mich, aber noch kann ich sie nicht erreichen. Ich kann nur von ihr träumen, kann sie mir ausmalen. Die Sonne, die durchs Fenster scheint, unterstützt mich dabei mit ihrer Helligkeit.

Auch wenn ich glaube, bereit zum Abschiednehmen zu sein, bereit zum Weitergehen zu sein, zeigt mir mein Körper, dass die Zeit dafür noch nicht gekommen ist. Diese deutliche Sprache überrascht mich, gibt mir aber auch die Gelegenheit zur Langsamkeit in einer ansonsten hektischen Welt.

Diese erzwungene Ruhe ist ein Geschenk des Himmels. Ich nehme sie dankbar an und schaue auf meinem Treppenabsatz gespannt zu, was passieren wird.
 
N

no-name

Gast
Liebe Haremsdame,

das ist ein interessanter Text, der sich gut liest. Das Bild der Stufen erscheint mir sehr stimmig, und ich frage mich, warum ich da noch nicht selbst drauf gekommen bin.
Nur das Ende Deines Textes wirkt auf mich ein wenig abrupt, wie abgeschnitten. Das würde ich an Deiner Stelle noch einmal überdenken. Leider fällt mir adhoc kein alternatives Ende ein, aber ich werde nochmal darüber nachdenken...

Herzliche Grüße von no-name.
 

memo

Mitglied
Hallo!

Es ist angenehm an das Symbol deiner Stufen zu denken.
Aus deinem Profil lese ich, dass du eine schwere Aufgabe auf dich genommen hast. Ist dies der Rucksack der dir nun abgenommen wurde?
Nimm deine Sehnsucht ins Sonnenlicht zu gehen, frei zu sein,
leben zu wollen. Vielleicht fliegt dein Geist erst einmal die ersten Stufen voraus und dein Körper kommt bestimmt dann auch irgendwann ganz leicht hinterher, von deiner Freude getragen.
Liebe Grüße und alles Gute
memo
 

namaqool

Mitglied
hallo harensdame,

gerade das ende finde ich gut gelungen.

...Diese erzwungene Ruhe ist ein Geschenk des Himmels. Ich nehme sie dankbar an und schaue auf meinem Treppenabsatz gespannt zu, was passieren wird."

ich kann das lyrich vor meinen virtuellen auge sitzen sehen.
nicht unzufrieden mit sich und der welt.

grüsse, namaqool.
 



 
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