mortalis-est
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Sudden Punch !!
Heute ist ein guter Tag. Das heißt, er kann nur gut werden. Ich fühle es. Heute geschieht das Wunder. Bei diesem Gedanken muss ich schon Luft holen. „Was ist, wenn es nicht klappt? Ich kann es immer noch abblasen. Wer sagt denn überhaupt, dass ich es tun muss?“
„Du willst es. Du musst es tun. Seit Wochen hast du deshalb keine Ruhe, stellst es Dir immer und immer wieder vor. Du schläfst nicht mehr. Schau dich an, du hast 7 Kilo abgenommen.“
Die Stimme hat Recht. Leider hat sie immer Recht, also behalte ich meine ganzen wundervollen Argumente für mich.
Nach dem Duschen und der ersten Zigarette bin ich schon ein wenig lockerer – etwas mehr von mir überzeugt. Die neuen Jeans sitzen ziemlich knackig. Ich schaue mir im Spiegel selbst auf den Hintern. „Gar nicht mal so schlecht“, denke ich. Ich muss grinsen, weil ich mal wieder versuche, mich mit den Augen einer Frau zu sehen – mit ihren Augen. So ein Blödsinn!
Lustlos nage ich an meinem Brötchen und rauche dabei die nächste Fluppe. „Wenn sie jetzt nur auf Nichtraucher steht?“ fragte ich die Stimme.
„Hör auf – sie hat dir doch schon mal zugenickt. Sie kennt Deine verfärbten Zähne – vom dümmlichen Zurückgrinsen.“
Ich drohe der Stimme scherzhaft mit der Faust und lächele mich selbst im Spiegel vor mir an. Nicht, weil ich die Richtigkeit der Behauptung überprüfen will. Nein – einfach nur so.
Jetzt aber schnell ins Auto. Der Friseurtermin. Himmel! Herrgottnochmal, was ist es aber auch schon wieder spät. Zum Glück muss ich nicht durch den Berufsverkehr. Ein Vorteil, wenn man auf dem Lande wohnt.
Rechtzeitig sitze ich also auf dem Frisörstuhl und glotze blöde und mit meinem hochrot verfärbten Kopf aus meinem Umhang heraus. Das Mädchen hinter mir lächelt – spürt meine Unsicherheit. Und das obwohl ich doch offenbar so cool und lässig auf diesen unbequemen Stuhl gesprungen bin. Ihr Lächeln ist wirklich zauberhaft- geschäftsmäßig. Mein Glotzen bleibt das einer rot angelaufenen Erdkröte.
Zum Glück versteht sie mich und schneidet mir endlich das Haar – schweigend. Ich nehme mir, vor dem üblichen Trinkgeld einen extra Bonus zuzufügen. Nach einer viertel Stunde fange ich an nervös zu zappeln. So viele Haare habe ich nun auch wieder nicht.
Gnädig entlässt sie mich, staunt und freut sich über den Fünfer extra will noch etwas sagen, aber da bin ich schon wieder aus dem Laden draußen.
Verflucht! Die kleinen Haarreste pieken und kratzen in meinem Hemd. Ich reiß mir den Kragen auf – kratze, mach wieder zu. Auf ! Zu ! Egal, sieht beides bescheuert aus.
Ok ! Geschafft! Ich stehe auf dem Parkplatz und rauche. Ich mach das Radio an und wieder aus. Kratze und schabe an dem verfluchten Hals.
„ Ich schaff das nicht“, brüllt es in mir. Ich will gerade das Auto starten, abhauen und mich ganz weit weg selber bedauern. Just in diesem Augenblick fährt Natalie vor – komischer Zufall. Sie hat heute Spätschicht. Den Schichtplan habe ich schon vor Wochen ausgeknobelt. Was man alles beim Beobachten herausfindet. Daher weiß ich auch, dass sie keinen Freund hat. Zumindest kommt abends kein Typ der sie abholt. Hin und wieder ein paar Tussen.
Sie sieht mich – nickt. Man kennt sich schließlich vom Sehen.
Ich, wie ein geölter Kugelblitz, raus aus dem Auto, erkenne mich selbst nicht wieder – jetzt oder nie! Die Stimme muss überhaupt nichts zu mir sagen. Ich will die Entscheidung. Will es wissen. Jetzt!
„Äh, hi .. Nataly.“ Sie stutzt, fragt sich vielleicht woher ich ihren Namen kenne. Dann erinnert sie sich – ach ja das Namensschild. Die gerunzelte Stirn bleibt.
„Jaaa “, macht sie gedehnt. Ihr Blick erscheint mir neugierig zu sein. Das ist gut - sehr gut für mich. Ich glaube daran. Ich glaube an mich und meinen Charme.
Doch dann ist es unversehens so, als hätte ich die hochrote Kröte von vorhin verschluckt, trippele verlegen von einem Fuß auf den anderen.
„Na, haste wieder Spätschicht?“ Ich beiße mir auf die Lippen. Was für eine elegante Eröffnung. Ich gratuliere mir selbst. Klasse! Genauso gut hätte ich fragen können, ob morgen schon wieder Ostern ist. Ich kratze mich am frisch rasierten Nacken grinse dümmlich, warte auf eine Antwort.
„Jo!“, sagt sie knapp und mach Anstalten in den Aldi zu gehen.
Jetzt fühle ich mich auf einmal, wie ein angeschlagener Boxer, der nur noch eine Chance hat, diesen Fight zu gewinnen. Ich brauche einen Sudden Punch.
„Sudden Punch.“ Schon mal gehört? Jener eine, verzweifelte Schlag in das verschwommene Etwas, dass vielleicht das Kinn des Gegners ist. Letzte Chance – Sudden Punch. Hat nicht Rocky in einem seiner Filme so gesiegt? Egal!
„Ähm, Natalie...“ rufe ich sie zurück. Sie dreht sich um. „Himmel“, denke ich, als ich zum meinem letzten verbalen Schlag aushole „. lass es das Kinn sein. Bitte … Bitte, lass es das Kinn sein.“ Ich bin mittlerweile doch mehr als reichlich verwirrt. Mein Atem geht stoßweise.
„Was hältst Du davon, wenn ich Dich zum Feierabend abhole – da ist doch diese kleine Kneipe, nicht weit von … hier!“ Ich wollte schon:
„ … von Deinem Heimweg“ sagen und bin der Stimme in mir das erste Mal heute wirklich dankbar, die mich schweigen hieß. Nataly muss nicht wissen, dass ich weiß wo, sie wohnt – noch nicht. „Dort spielt heute Rossi Visita. Die Frontfrau soll eine abgefahrene Stimme haben.“ Ich erstaune, wie leicht mir der letzte Satz plötzlich von den Lippen gesprungen ist, wie der kleine blaue Gummiball vom Schläger meines
Squash – Partners, dem ich regelmäßig mit wachsender Verzweiflung hinterher hüpfe.
Komischerweise bin ich gar nicht wirklich verzweifelt. Zuversicht mischt sich in meinen Gefühlswirrwarr. Ich weiß nicht genau, was ich fühlen oder denken soll. Alles wird gut. Oder etwa nicht? „Also?“ Frage ich schon wesentlich souveräner, wie ich glaube. Da ist sogar etwas in meinem Gesicht, das ein Lächeln sein könnte. Ich wage es fast mich gut zu fühlen.
Sie blinzelt mich zuckersüß an: „ Ich dachte bei Deinen nächtlichen Nachschleichattacken hättest Du längst gemerkt, dass ich ne Lesbe bin. Und .. übrigens, Rossi Visita –ich bin die Frontfrau.“ Mit den Worten lässt sie mich einfach stehen.
Bumm! Sudden Punch – ins eigene Gesicht !!
mortalis-est 29.08.2014
Heute ist ein guter Tag. Das heißt, er kann nur gut werden. Ich fühle es. Heute geschieht das Wunder. Bei diesem Gedanken muss ich schon Luft holen. „Was ist, wenn es nicht klappt? Ich kann es immer noch abblasen. Wer sagt denn überhaupt, dass ich es tun muss?“
„Du willst es. Du musst es tun. Seit Wochen hast du deshalb keine Ruhe, stellst es Dir immer und immer wieder vor. Du schläfst nicht mehr. Schau dich an, du hast 7 Kilo abgenommen.“
Die Stimme hat Recht. Leider hat sie immer Recht, also behalte ich meine ganzen wundervollen Argumente für mich.
Nach dem Duschen und der ersten Zigarette bin ich schon ein wenig lockerer – etwas mehr von mir überzeugt. Die neuen Jeans sitzen ziemlich knackig. Ich schaue mir im Spiegel selbst auf den Hintern. „Gar nicht mal so schlecht“, denke ich. Ich muss grinsen, weil ich mal wieder versuche, mich mit den Augen einer Frau zu sehen – mit ihren Augen. So ein Blödsinn!
Lustlos nage ich an meinem Brötchen und rauche dabei die nächste Fluppe. „Wenn sie jetzt nur auf Nichtraucher steht?“ fragte ich die Stimme.
„Hör auf – sie hat dir doch schon mal zugenickt. Sie kennt Deine verfärbten Zähne – vom dümmlichen Zurückgrinsen.“
Ich drohe der Stimme scherzhaft mit der Faust und lächele mich selbst im Spiegel vor mir an. Nicht, weil ich die Richtigkeit der Behauptung überprüfen will. Nein – einfach nur so.
Jetzt aber schnell ins Auto. Der Friseurtermin. Himmel! Herrgottnochmal, was ist es aber auch schon wieder spät. Zum Glück muss ich nicht durch den Berufsverkehr. Ein Vorteil, wenn man auf dem Lande wohnt.
Rechtzeitig sitze ich also auf dem Frisörstuhl und glotze blöde und mit meinem hochrot verfärbten Kopf aus meinem Umhang heraus. Das Mädchen hinter mir lächelt – spürt meine Unsicherheit. Und das obwohl ich doch offenbar so cool und lässig auf diesen unbequemen Stuhl gesprungen bin. Ihr Lächeln ist wirklich zauberhaft- geschäftsmäßig. Mein Glotzen bleibt das einer rot angelaufenen Erdkröte.
Zum Glück versteht sie mich und schneidet mir endlich das Haar – schweigend. Ich nehme mir, vor dem üblichen Trinkgeld einen extra Bonus zuzufügen. Nach einer viertel Stunde fange ich an nervös zu zappeln. So viele Haare habe ich nun auch wieder nicht.
Gnädig entlässt sie mich, staunt und freut sich über den Fünfer extra will noch etwas sagen, aber da bin ich schon wieder aus dem Laden draußen.
Verflucht! Die kleinen Haarreste pieken und kratzen in meinem Hemd. Ich reiß mir den Kragen auf – kratze, mach wieder zu. Auf ! Zu ! Egal, sieht beides bescheuert aus.
Ok ! Geschafft! Ich stehe auf dem Parkplatz und rauche. Ich mach das Radio an und wieder aus. Kratze und schabe an dem verfluchten Hals.
„ Ich schaff das nicht“, brüllt es in mir. Ich will gerade das Auto starten, abhauen und mich ganz weit weg selber bedauern. Just in diesem Augenblick fährt Natalie vor – komischer Zufall. Sie hat heute Spätschicht. Den Schichtplan habe ich schon vor Wochen ausgeknobelt. Was man alles beim Beobachten herausfindet. Daher weiß ich auch, dass sie keinen Freund hat. Zumindest kommt abends kein Typ der sie abholt. Hin und wieder ein paar Tussen.
Sie sieht mich – nickt. Man kennt sich schließlich vom Sehen.
Ich, wie ein geölter Kugelblitz, raus aus dem Auto, erkenne mich selbst nicht wieder – jetzt oder nie! Die Stimme muss überhaupt nichts zu mir sagen. Ich will die Entscheidung. Will es wissen. Jetzt!
„Äh, hi .. Nataly.“ Sie stutzt, fragt sich vielleicht woher ich ihren Namen kenne. Dann erinnert sie sich – ach ja das Namensschild. Die gerunzelte Stirn bleibt.
„Jaaa “, macht sie gedehnt. Ihr Blick erscheint mir neugierig zu sein. Das ist gut - sehr gut für mich. Ich glaube daran. Ich glaube an mich und meinen Charme.
Doch dann ist es unversehens so, als hätte ich die hochrote Kröte von vorhin verschluckt, trippele verlegen von einem Fuß auf den anderen.
„Na, haste wieder Spätschicht?“ Ich beiße mir auf die Lippen. Was für eine elegante Eröffnung. Ich gratuliere mir selbst. Klasse! Genauso gut hätte ich fragen können, ob morgen schon wieder Ostern ist. Ich kratze mich am frisch rasierten Nacken grinse dümmlich, warte auf eine Antwort.
„Jo!“, sagt sie knapp und mach Anstalten in den Aldi zu gehen.
Jetzt fühle ich mich auf einmal, wie ein angeschlagener Boxer, der nur noch eine Chance hat, diesen Fight zu gewinnen. Ich brauche einen Sudden Punch.
„Sudden Punch.“ Schon mal gehört? Jener eine, verzweifelte Schlag in das verschwommene Etwas, dass vielleicht das Kinn des Gegners ist. Letzte Chance – Sudden Punch. Hat nicht Rocky in einem seiner Filme so gesiegt? Egal!
„Ähm, Natalie...“ rufe ich sie zurück. Sie dreht sich um. „Himmel“, denke ich, als ich zum meinem letzten verbalen Schlag aushole „. lass es das Kinn sein. Bitte … Bitte, lass es das Kinn sein.“ Ich bin mittlerweile doch mehr als reichlich verwirrt. Mein Atem geht stoßweise.
„Was hältst Du davon, wenn ich Dich zum Feierabend abhole – da ist doch diese kleine Kneipe, nicht weit von … hier!“ Ich wollte schon:
„ … von Deinem Heimweg“ sagen und bin der Stimme in mir das erste Mal heute wirklich dankbar, die mich schweigen hieß. Nataly muss nicht wissen, dass ich weiß wo, sie wohnt – noch nicht. „Dort spielt heute Rossi Visita. Die Frontfrau soll eine abgefahrene Stimme haben.“ Ich erstaune, wie leicht mir der letzte Satz plötzlich von den Lippen gesprungen ist, wie der kleine blaue Gummiball vom Schläger meines
Squash – Partners, dem ich regelmäßig mit wachsender Verzweiflung hinterher hüpfe.
Komischerweise bin ich gar nicht wirklich verzweifelt. Zuversicht mischt sich in meinen Gefühlswirrwarr. Ich weiß nicht genau, was ich fühlen oder denken soll. Alles wird gut. Oder etwa nicht? „Also?“ Frage ich schon wesentlich souveräner, wie ich glaube. Da ist sogar etwas in meinem Gesicht, das ein Lächeln sein könnte. Ich wage es fast mich gut zu fühlen.
Sie blinzelt mich zuckersüß an: „ Ich dachte bei Deinen nächtlichen Nachschleichattacken hättest Du längst gemerkt, dass ich ne Lesbe bin. Und .. übrigens, Rossi Visita –ich bin die Frontfrau.“ Mit den Worten lässt sie mich einfach stehen.
Bumm! Sudden Punch – ins eigene Gesicht !!
mortalis-est 29.08.2014