Supermercato

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Salat, Eier, Flaschenbier, Käse, Tiefkühlpizza, Zeitschriften und Schokoriegel. Zahnpaste, Rasierwasser, Kartoffelchips, Toilettenpapier und Eis am Stil. Irgendwie wusste ich heute nicht, ob ich das ganze Zeug überhaupt brauche. Mache ich mir vor, dass ich Blattsalat für meine Fitness oder ein Magazin für meinen Informationsstandart brauche? Irgendwie finde ich heute keine Waren in meinem Einkaufswagen. Nichts von alledem, was ich mir angesehen habe, liegt drinnen. Jetzt stehe ich vor der Kasse und bin auf seltsame Weise stolz darauf, dass mein Wagen noch leer ist. Ich brauche den ganzen Müll nicht, den die Kapitalismusindustrie produziert und die Konsumgesellschaft täglich verbraucht - obwohl sie ihn gar nicht braucht. Jetzt fühle ich mich wieder wie ein chronischer Schlechtredner. Salat für Fitness ist ne tolle Sache, Rasierwasser fast lebensnotwendig. Dennoch ist das ganze Zeug Bullshit. Sieben verschiedene Marken Taschentücher. Davon zwei heruntergesetzt und trotzdem noch teurer als die Billig- Noname- Familien- Packung. Dann frage ich mich immer, wer eigentlich die Edelmarke kauft. „Rotzi“ jetzt noch geiler für Ihren nasalen Orgasmus; mit vergoldetem Rüschenmuster auf der Schnodderseite. Scheiß drauf! Ist mir egal, wer sich für so etwas hergibt. Doch irgendwie auch wieder nicht. Sonst würde ich nicht darüber schreiben.
Okay, aber bevor das ganze noch zu einem kommunistischen Essay verkommt, erhält die Story jetzt eine Geschichte:
Da sind diese beiden Typen, als ich den Supermarkt mit meinem leeren Wagen verlasse. Letztlich habe ich mich dazu entschlossen, eine Packung Kaugummis zu kaufen, um mir nicht vollkommen idiotisch vorzukommen. Als ich also meinen leeren Einkaufswagen wieder zurückstelle und mir den Euro Pfand zurückhole, fallen mir diese beiden Männer auf, die heftig miteinander argumentieren. Es geht um deren Autos. Offenbar haben sie sich auf dem Parkplatz des Supermarktes gegenseitig gerammt. Der blaue und der weiße Wagen stehen Front an Front und haben sich dort seitlich wohl jeweils eine Schramme geholt. Vorkostenanschlag: Etwa achthundert Euro pro Fahrzeug. Minuten um Minuten diskutieren sie, wer denn nun Schuld an dem Unfall trägt. Ich frage eine Frau, die sich das Spektakel schon ansieht, bevor ich mit meinem Einkaufswagen aus dem Laden gekommen bin. Sie sagt, dass das weiße Auto aus seiner Parklücke scheren wollte, während der blaue Wagen eine Lücke zum einparken gesucht hatte. Die hatte er dann scheinbar auch gefunden - neben dem weißen Gefährt. Der eine fährt rückwärts und der andere genau so blind vorwärts. Schon war es passiert. Blau fährt Weiß an die seitliche Front. Danach ein Haufen Geschrei und Gezeter über Sinn und Unsinn eines Führerscheins und die Logik des Einparkens. Nachgeben will keiner von beiden. Dann kommt ein Polizeiwagen vorgefahren. Offenbar hat den jemand angefordert. Das ging deshalb relativ schnell, weil die Polizeiwache nur ein paar Straßen weiter sitzt. Zwei männliche Cops in typischem Grün steigen aus und wirken mit ihren Polizeihüten und den umgeschnallten Schusswaffen wie uncoole Cowboys, die ihren Stil vom Anfang der achtziger Jahre geklaut haben.
Relativ schnell entwickelt sich schließlich aus einer Aussagenaufnahme der Polizisten eine immer heftigere Diskussion, wer denn nun den größeren Anteil an dem Unfall trägt, worin auch die beiden Grünmänner miteinbezogen werden. Irgendwie passiert es dann auch, dass jeder der beiden Cops einen eigenen Sympatieträger unter den Unfallbezogenen hat und nun gegeneinander argumentieren. Als hätte ich es gewußt, wird letztlich gestoßen, gerempelt und dann auch geprügelt. Es entwickelt sich zu einer richtig saftigen Prügelei, worin sich die vier Männer vollkommen gleich sind. Polizist gegen Proll. Bürokaufmann gegen Polizist. Proll gegen Büroheini. Cop gegen Cop. Irgendwie habe ich mir so eine Situation gewünscht. Nicht weil ich geil darauf bin eine überraschende Situation zu erleben, wie alle anderen die jetzt aus dem Supermarkt kommen und verblüfft, sowie vergnügt zuschauen. Eigentlich finde ich diesen Moment ein wunderschönes Beispiel dafür, dass wir wohl alle gleich sind - und irgendwie auch nur Bullshit im Kopf haben. Darum schiebe ich mir jetzt einen Streifen Kaugummi in den Mund und lasse die gaffende Menge hinter mir, steige in mein Auto und entferne mich von diesem Ort.
Mit diesem Tage habe ich entschlossen, mir nur noch das Nötigste zu kaufen und mein Auto zu verhökern.
 



 
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