Suzett so nett

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Walther

Mitglied
Suzette so nett

Suzette so nett

Doch, was ich glaube, ist nicht relevant:
Ich sehe was, was du nicht siehst, und seh’s
Genau: Im Eckchen eines Kanapees
Sitzt sie ganz nackt und spielerisch genant.

Sie nascht die Crêpes Suzette mit Fingerchen,
Als wäre sie Grande Dame und ists doch nicht.
Sie schleicht sich einfach so in das Gedicht
Und schüttelt‘s Blondhaar und die blanken Dingerchen:

Ich schließ die Augen, strecke mich und sag
Ins Nichts, dass sie sich kleiden soll und schnell.
Es ist an einem schönen Wintersonnentag,

Die Sonne steht schon schräg und scheint sehr grell.
Sie schleckt das Mündchen und macht, was sie mag
Mit mir. So warm wird mir. Und sie strahlt hell.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Grüß dich, Walther!


Die Verniedlichungen auf die Erträumte bezogen sollten ausreichen:
Fingerchen, Dingerchen, Mündchen...

In V3 vielleicht:
Genau: Auf rundem[sic!] Eck des...

genant?

Der flüssige Leselauf kommt am Ende etwas ins Stocken. 'macht' und 'was' sind hebungsfreudig und stehen leider nebeneinander.
Vielleicht:

Sie schleckt das Mündchen, macht, was sie nur mag


Und doch: Ein schönes Liebesgedicht!
Mit Freude gelesen
von
Dyrk
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
(Bin leider nicht mehr in den post zurückgelangt; wollte noch ergänzen, dass nach

Sie schleckt das Mündchen, macht, was sie nur mag

'macht' und 'was' immer noch Nachbarn sind, 'was' aber nun ganz automatisch als Senkung empfunden/gelesen wird.)
 

Walther

Mitglied
Lb Dyrk,

danke fürs lesen und die interessanten verbesserungsvorschläge. diese schwebende ironie verdankt das sonett einigen kniffen, deren beseitigung du gerade vorschlägst. ich kann durchaus verstehen, weshalb du das vorschlägst.

das, was beschrieben wird, liegt zwischen tagtraum und tat. dort soll es bleiben. ich weiß, daß ich diesen hinweis immer wieder bringe, aber man muß sich das sonett spielerisch neckend vorgetragen denken, um die textur der sprache zu verstehen.

danke für deine überlegungen! und die freundliche wertung!

lg W.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

zunächst ganz nebenbei einige Dinge vorweg, die mir bei Deinem Text eingefallen sind. Du hast den Text am 11. Oktober eingestellt. Das ist der Namenstag der heiligen Susanne (aus dem hebräischen zu deutsch "Die Lilie") Dann fiel mir noch ein, dass es in den Apokryphen eine Geschichte über die Susanne gibt, als auch sie nackt war. (Blonde Haare hatte sie allerdings nicht.) Lach... Im Französischen heißt Susanne Suzanne.

Nun mein Eindruck von Deinem Gedicht. Ich halte es nicht für ein Liebesgedicht, weil es keine Beziehung zwischen beiden Personen gibt. Man erfährt nicht, was die junge Frau empfindet. Wohl gemerkt, das ist nur meine unmaßgebliche Auffassung.

Bei mir stellen sich folgende Bilder ein:

Ein Kind hat seine Barbie-Puppe in der Sofa-Ecke liegen gelassen. Dazu passen dann die ganzen Verniedlichungen: Fingerchen, Dingerchen (wahrscheinlich Ohrringe) und Mündchen.

Das Lyri sieht die Puppe und bastelt sich einen Traum daraus bzw. Tagträume entstehen ja ganz von selbst. So wird aus der Puppe eine lebendige zierliche junge Frau. Sie tut, was sie mag und dem Lyri wird ganz wohl dabei. Ja das Lyri geht sogar so weit, dass es die junge Frau als ein strahlendes Wesen empfindet.

Fazit: Für ein Liebesgedicht halte ich es nicht, aber es ist ein in eine schöne Sprache gekleideter Text, der beim Lesen positive Empfindungen auslöst, was ich in letzter Zeit an Deinen Texten, die meistens traurig waren, vermisst habe. Es ist eine Spielerei mit Bildern und Worten und es gefällt mir.

Ganz liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Lb Vera-Lena,

danke fürs reinlesen und die freundliche aufnahme!

das sonett ist ein spiel mit sonne, tagtraum, wunschvorstellung, der Suzette in den crêpes Suzette, den crêpes Suzette etc. pp. ich danke, man darf mit der sprache, begrifflichen, verschiedenen bedeutungsebenen spielen und mit den assosziationen drumherum.

angefangen hat der spaß mit der assoziation Suzette - sonett - so nett, und der rest erwuchs daraus.

nun steht der wilde, kleine, erotische spaß da und regt wieder selbst zu gedankenspielen an - gerade so, wie die deinen. das war das ziel.

lg W.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Grüß Dich, Walther!

Ich liebe die leicht dahingurgelnden Bäche, und sonst auch gute Gegensätze zwischen schweren, "bedenklichen" Versen einerseits und ironisch mit Assoziationen spielenden - eben "leichten" - Zeilenmelodien andererseits.
Der Mangel an ästhethischer Leichtigkeit wurde oft der deutschen Lyrik vorgeworfen. Als ob dem therapeutischen Optimismus Nietzsches (z.B. in den Gedichten in der "Fröhlichen Wissenschaft"), dem Protodadaismus Morgensterns und dem lakonischen Sprachwitz Jandls die griechisch-französische Spielfreude fremd wäre.

Nun zu Deinem:
Folgende zwei Verse haben sechs statt der fünf Hebungen, die die anderen zwölf Vers haben:

Und schüttelt‘s Blondhaar und die blanken Dingerchen:
...
Es ist an einem schönen Wintersonnentag,
grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Mein Einwurf:

Dingerchen geht als Daktylus durch

Wintersonnentag ist wohl lese- und interpretationsabhängig; 'Sonne' wäre trochäisch, 'Sonnentag' ließe sich daktylisch hinschleifen, so dass das gesamte Kompositum nur zwei- und nicht dreihebig wäre.

Kompromisse dieser Art finden sich quer durch die neuere deutschsprachige Lyrk: Heine, Rilke, Ringelnatz ...


Schönen Gruß
von
Dyrk
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
daktylische Schlüsse von jambischen Versen sind ein Greuel.

Aber warum nicht, es muß ja nicht gut sein. Oder gar schön.
 

Walther

Mitglied
Suzette so nett

Doch, was ich glaube, ist nicht relevant:
Ich sehe was, was du nicht siehst, und seh’s
Genau: Im Eckchen eines Kanapees
Sitzt sie ganz nackt und spielerisch genant.

Sie nascht die Crêpes Suzette mit Fingerchen,
Als wäre sie Grande Dame und ists doch nicht.
Sie schleicht sich einfach so in das Gedicht
Und schüttelt‘s Blondhaar und die Dingerchen:

Ich schließ die Augen, strecke mich und sag
Ins Nichts, dass sie sich kleiden soll und schnell.
Es ist an einem schönen Wintertag,

Die Sonne steht schon schräg und scheint sehr grell.
Sie schleckt das Mündchen und macht, was sie mag
Mit mir. So warm wird mir. Und sie strahlt hell.
 

Walther

Mitglied
Hi Hansz und Dyrk,

danke für den hinweis und die verteidigung. ich kann den hinweis von Hansz nachvollziehen, weil die hebungen in den korrespondierenden versen fehlen. daher habe ich sie rausgenommen, weil die beiden takte inhaltlich verschmerzt werden können.

ich denke, man könnte auch die alte fassung durchgehen lassen. metrisch schöner in die jetzige.

danke ihr beiden!!! :D

lg W.
 
G

Gelöschtes Mitglied 20370

Gast
Ich könnte wetten, dass bei kritischer Anmerkung von mir betr. der zwei Verse die Gegenargumente diejenigen wären, die ich eben als 'Verteidigung' vorgetragen habe.

Es macht also oft gar keinen Sinn, etwas zu sagen. Werten und Maul halten, damit das Leben richtig tot bleibt!

Dyrk
 

Walther

Mitglied
Lb Dyrk, ich möchte deine kommentare nicht missen. sie sind nicht sinnlos sondern wertvoll, und dafür danke ich dir ganz ausdrücklich. lg W.
 



 
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