Telefonterror

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fossie

Mitglied
Es gibt Tage, an denen man vor dem Computer sitzt und einem partout keine neue Geschichte einfallen will, mit der man seine Zuhörer beglücken könnte. Der Zufall will es, dass dann auf einmal das Telefon klingelt und man bekommt, was man will.
"Guten Tag, spreche ich mit Frau Meier-Lüdenscheidt?"
"Wer will das wissen?"
"Mein Name ist Krüger und ich bin von der deutschen Telekom. Ist es vielleicht jetzt möglich, sie zu sprechen?"
Mit allem habe ich gerechnet, nur nicht damit. "Nein, die ist nicht da."
Vorübergehende Zuversicht, dass er wieder auflegen könnte, aber er bleibt hartnäckig.
"Ach, dann sind Sie Herr Meier-Lüdenscheidt?"
Blöde Frage, denke ich mir, ich heiße Dr. Klöpner und sitze mit meiner Gummi-Ente in der Badewanne, wo ich nicht von Menschen wie ihm belästigt werden will.
Es folgt einer der täglich meistgesprochenen Sätze in Deutschland: "Ich heiße Meier", dabei klinge ich so unfreundlich wie möglich.
"Herr Meier, ich habe da etwas für Sie, was Sie garantiert nicht ablehnen können."
Spontan kommt mir Goethe`s "Faust" in den Sinn. Gespannte Erwartung, auch wenn ich schon ahne, was folgt.
"Ich könnte es garantiert nicht ablehnen, wenn Sie sagen würden, ich lege wieder auf", versuche ich dennoch, jegliche weitere Kommunikation im Keim zu ersticken.
Natürlich geht Krüger darauf gar nicht ein. "Für Sie und Ihre Frau habe ich ein Super-Angebot: Die Family-Card zu einem Aktionspreis von 17,95 Euro monatlich bei einem Abschluss bis zum 31.Juli. Damit können Sie annähernd 240 Euro im Jahr sparen."
Die werden mir beim nächsten Einkommenssteuer-Jahresausgleich vom Finanzamt sowieso wieder abgeknöpft. In was für einer Welt lebt der eigentlich, denke ich mir. Immerhin kann er rechnen, ist er vielleicht Mathematiker?
Ich versuche, vom Thema abzulenken. "Sagen sie, sind Sie glücklich in Ihrem Beruf?"
"Eigentlich nicht, aber ich muss Frau und Kinder davon ernähren können."
Kurzzeitig keimt Mitleid in mir auf. "Das ist doch sicher ziemlich öde, wenn man den ganzen Tag telefonieren muss. Es gibt doch garantiert was Besseres, wie Immobilienmakler zum Beispiel." Eine aktuelle Metapher für ein Präsidentenamt. Toller spontaner Einfall meinerseits.
"Ich konnte mir das eben nicht aussuchen. tut mir leid. Also, interessieren sie sich für diesen Vertrag?"
"Haben sie denn nichts anderes gelernt?", hake ich jetzt nach, im Alter ist man eben so direkt.
"Doch, ich habe sogar alles Mögliche studiert, aber leider keine Stelle gefunden."
Ich bin schockiert. Ein Akademiker, der Telefonwerbung betreibt? Wo gibt`s denn so was?
Ich will mehr wissen. "Was haben sie denn studiert?"
"Na, zum Beispiel … zum Beispiel … Jura."
Die Antwort hat lange gedauert. Trotzdem, ein Rechtsanwalt bei der Telekom? Ich mache mir meinen eigenen Reim darauf.
"Ach so, verstehe, Herr Krüger, Sie müssen zuerst überall in Ihrer Firma ein Praktikum absolvieren, bevor man sie als Rechtsverdreher vor Gericht loslässt." Ich atme auf, denn anscheinend findet man für studierte Menschen doch noch die angemessene Verwendung, auch bei der Telekom. Glücklicherweise ist unser Land bildungsmäßig noch nicht am Boden.
"Nein, das verstehen sie falsch. Ich bin hier nur auf 400-Euro-Basis beschäftigt, nicht mehr und nicht weniger. Glauben sie mir, ich würde auch gerne etwas anderes machen, als Telefonverträge zu verkaufen."
"So was denn zum Beispiel? Vielleicht etwas Künstlerisches, Kreatives?"
"Wenn sie mich so fragen, dann würde ich gern malen."
"Verstehe, Sie fertigen gerne Phantombilder an, so können Sie als Jurist das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden."
"Nein, ich meine auf Leinwand."
Jetzt kapiere ich überhaupt nichts mehr. Wie bringt man ein Gemälde in einer Gerichtsakte unter?
Er fährt unbeirrt fort. "Leider verdient man ja damit heutzutage nicht viel, wenn man nicht gerade berühmt ist. Wahrscheinlich reicht es nicht einmal, dass ich meine Familie damit ernähren könnte. Womit wir wieder beim Thema wären. Soll ich Ihnen das mit der Familiy-Card mal erklären?"
"Mich interessiert nur meine EC-Karte. Mit der bezahle ich am liebsten, weil ich dabei nicht sehe, wie mein Kontostand immer mehr von der Schwindsucht heimgesucht wird." Ich versuche ihn damit weiter davon abzubringen, mir etwas verkaufen zu wollen.
"Für die Family Card benötigen Sie ein Smartphone. Haben Sie denn sowas?"
"Nein, wir besitzen nur ein Handy aus dem Pleistozän, das 2400 Millionen Jahre alt ist und das ich in einer Höhle gefunden habe, weil es dort jemand wahrscheinlich auf der Flucht vor einem Saurier liegengelassen hat. Zum Glück kann man damit schon SMS schreiben und sogar telefonieren. Uns genügt es, denn in unserem Alter ist man da nicht mehr so empfänglich für modernere Sachen."
"Naja, da nützt so ein Vertrag natürlich nicht viel. aber wenn sie sich ein Smartphone zulegen würden, könnte ich Ihnen diesen Tarif supergünstig verkaufen. So billig bekommen sie es nicht mehr von der Telekom und das eben nur bis zur zum 31. Juli, 2017 natürlich."
"Gott bewahre, ich habe viele Jahre gebraucht, bis ich die Bedienung von diesem Handy verinnerlicht hatte und jetzt kommen Sie mir mit so einem neumodischen Kram daher."
Kurzes Schweigen. Vielleicht hält er mich ja nun für einen besonders hoffnungslosen Fall und legt endlich auf. Dann könnte ich nämlich weitermachen und Windows 10 auf meinem Computer installieren.
"Haben Sie denn ein Laptop?" Krüger lässt nicht locker.
Jetzt hat er mich eiskalt erwischt. "Ja, wieso?"
"Mit dem könnten sie dann sogar ins Internet, wenn Sie unterwegs sein sollten, dank unseres Angebots. Außerdem möchten sie doch bestimmt ab und zu überall erreichbar sein, oder?"
Langsam platzt mir der Kragen, ich ringe nach Luft. "Nein, eben nicht. Meinen Sie vielleicht, wenn ich im Wald spazieren gehe, dann nehme ich das Handy oder gar das Laptop mit? Da will ich meine Ruhe haben und nicht im Internet surfen oder zum Billigtarif telefonieren. Da kann ich gleich zuhause bleiben."
"Haben sie denn vielleicht ein Tablet?" Er zieht alle Register.
"Bitte, was?"
"Ein Tablet."
Ich versuche es mit der Idiotentour. "Ach so, ein Tablett. Ja, wir haben zumindest eines oder zwei davon zuhause. Das ist immer praktisch, wenn man Gäste hat. Mit dem Servieren, meine ich." Heimlich wende ich mich vom Telefon ab, weil ich selbst über diesen Kalauer lachen muss.
Ich höre ihn jetzt am anderen Ende der Leitung laut schnaufen.
"Wissen Sie, was? Wann ist denn Ihre Frau wieder daheim?"
"Warum interessiert Sie das?" Fehlte nur noch, dass er fragt, wann sie allein zuhause ist.
"Vielleicht möchte die ja so einen Vertrag abschließen."
"Halten sie mich für nicht mündig genug, dass ich das für uns Beide erledigen kann?"
"Doch natürlich, aber es könnte ja sein, dass sie anderer Meinung ist als Sie."
"Unsere Ehestreitigkeiten tragen wir immer noch untereinander aus. Da brauchen wir nicht die Telekom dazu."
"Trotzdem werde ich es nochmals probieren. Sagen wir acht Uhr?"
"Ein klares Nein. Außerdem haben wir Ihrer Firma mindestens schon hundertmal am Telefon zu verstehen gegeben, dass wir das bei einem Beratungsgespräch unter sechs Augen in einem Ihrer Läden in der Stadt klären werden, wenn wir eine Änderung unseres Telefonvertrags wünschen sollten."
"Diesen speziellen Vertrag kann ich Ihnen aber nur durchs Internet verkaufen."
Ich versuche, mich weiter blöd zu stellen: "Wie soll ich den dann unterschreiben. Vielleicht mit Tinte auf dem Computerbildschirm? Das wäre genauso dämlich, als wenn ich etwas auf der Mattscheibe ausradieren müsste. Nochmals zum Mitschreiben. Ich will keinen neuen Vertrag. Haben sie das jetzt endlich kapiert?" Meine Toleranzgrenze ist gefallen und damit meine Laune im Keller.
"Ich rufe um acht Uhr Ihre Frau an."
"Tun Sie das. Ich werde gewappnet sein und den Anrufbeantworter einschalten."
"Sagen Sie bloß, Sie haben noch einen richtig alten Anrufbeantworter?"
"Was dagegen?"
"Nein, aber ich hätte da etwas für Sie …"
Ich ziehe den Stecker aus der Telefonbuchse, nehme das Telefon und werfe es durchs offene Fenster auf die Straße.
 
A

Alberta

Gast
Hallo @fossie - zunächst einmal finde es nicht nett, dass Du meine Telefongespräche mitschneidest. Außerdem ist das Jah-re her...ähem...aber den Vertrag hab` ich immer noch:
Internetzugang für ein Klapphandy mit Display, das so groß wie ein Daumennagel ist...äh...und das Klapphandy hab` ich auch immer noch. Weil ich Jahre und all meine Nerven gebraucht habe, um zu kapieren, wie man das Ding ein- und ausschaltet.
Wenigstens weiß ich inzwischen, wie ich mit dem jungen Mann von der Telekom umgehe, der mich ab und an anruft:
"Guten Tag, spreche ich mit Frau A.?"
"Jap."
"Ich möchte mit Ihnen über unseren neuen Tarif..."
"Fein. Und ich möchte mit Ihnen über Gott sprechen..."
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo fossie,

bitte echte Markennamen vermeiden (Werbeverbot!) und Sie in der Anrede groß schreiben.

Die Geschichte gehört für mich eher in die Rubrik Humor und Satire. Du hast sie dahingehend doch sehr überspitzt.

Viele Grüße,
DS
 

xavia

Mitglied
Hallo @fossie, eine witzige Geschichte, die mir zeigt, dass man selbst mit diesen Belästigungen am Telefon kreativ umgehen kann. Ich bin amüsiert und inspiriert!
 



 
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