Teure Bemerkungen

Sebahoma

Mitglied
„Offener Tanzball für Jung und Alt“ stand heute Abend auf dem Programm der Stadthalle und Herr Meier hatte sich wochenlang mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Aber nachdem Frau Meier bemerkt hatte, dass sie so nicht weiterkam, genügte ein kurzer Anruf bei ihrer Freundin, Frau Schulz, um auch sie von der Idee zu überzeugen. Da nun beide Frauen auf ihre Männer einredeten und sie nicht mehr in Ruhe ließen, gaben die Herren den Widerstand auf, zumal sie insgeheim hofften, sich zusammen dem Tanzen besser verweigern zu können.
„Du bist ein richtiger Tanzmuffel geworden, Rainer! Hätte ich das früher gewusst, hätte ich mir einen anderen geangelt!“, sagte Frau Meier ihrem Ehemann und der überlegte sich, ob bei den Schulzes gerade das gleiche Theater lief.

Jetzt war das Ehepaar Meier auf dem Weg zur Stadthalle, wo sie sich mit den Schulzes trafen. Nach einer kurzen Begrüßung ging man direkt in die Halle, die sehr hübsch für den Abend dekoriert war. Zunächst setzten sich alle an ihre Tische. Ein fröhliches Sehen und Gesehenwerden stellte sich ein und Herr Meier hoffte, dass niemand aus dem Büro hier war. Als die Musik anfing zu spielen, bemerkte er, wie seine Frau schon im Takt mit ihren Füßen wippte.

„Dann lass uns doch mal an die Bar gehen, Horst!“, schlug er schnell vor und sein Leidensgenosse freute sich diebisch über diesen Vorschlag.
„Typisch unsere Männer!“, ärgerte sich Frau Meier laut, „wenn es losgeht, treten sie die Flucht an!“
„Wir kommen ja gleich wieder. Nur ein Bierchen zusammen, dann wird getanzt!“, versuchten sich die Männer herauszureden.
„Das sagt ihr jedes Mal!“, erinnerte Frau Schulz die Männer, die sich davon aber nicht mehr abhalten ließen.

Sie steuerten direkt die Bar an und bestellten sich zwei kühle Weizen.
„Da sind wir ja mal wieder in eine ganz schöne Sch…. reingeraten!“, meinte Herr Meier.
„Und ich bin extra die letzten Wochen Umgebungsstraße gefahren, wenn sie dabei war, weil dort keine Plakate hiervon hängen. Aber gebracht hat es nichts, jetzt sind wir doch hier“, sagte Herr Schulz.
„Wir werden wohl nicht umhin kommen, den einen oder anderen Tanz zu wagen!“, befürchtete Herr Meier.
„Dann will ich aber wenigstens noch ein Glas Taktwasser davor trinken“, sagte Herr Schulz.
„Oder auch zwei!“, meinte Herr Meier.
„Oder auch drei!“, ergänzte Herr Schulz und sie lachten.

Als sie gerade das zweite Bier bestellt hatten und das erste schon ein bisschen spürten, sahen sie ein junges Paar vorübergehen. Er im feinen schwarzen Anzug, sie im roten Ballkleid. Und was für ein Kleid! Es war nicht die Farbe, die die Blicke der Herren buchstäblich mit sich zog. Der leichte rote Stoff lag sanft auf einem wohlgeformten und sportlichen Körper, der sich in einem verzaubernden Stil bewegte. Dann ging es ganz schnell und nur einen Moment später hätten die beiden Herren schon nicht mehr sagen können, ob es Wirklichkeit oder Einbildung war, aber in diesem einen Moment glaubten sie, die Lady in Red hätte ihnen zugezwinkert! Konnte das sein?

„Boah, auch wenn das Kleid wirklich schön ist, würde ich die gerne mal ohne sehen“, sagte Herr Meier.
„Und wäre ich 30 Jahre jünger, würde ich der mal zeigen, was mein Lieblingstanz ist“, sagte Herr Schulz und sie prosteten sich zu.
Dann bemerkten sie plötzlich, dass das Paar direkt auf sie zukam. Erst als es direkt neben ihnen stand, bemerkten sie, dass der Mann im feinen Anzug von sehr stattlicher Statur war. Jetzt sah er die beiden finster an.

„Ich hoffe doch sehr, dass ich nicht richtig gehört habe!“, sagte er schließlich. „Meine Freundin muss sich derartige Bemerkungen ja wohl nicht anhören!“
„Aber das war ja nicht so gemeint“, fing Herr Meier an sich zu verteidigen. „Außerdem hat uns ihre Dame ja zugezwinkert“, fügte Herr Schulz zu, woraufhin diese sofort vollkommen überrascht tat.
„Wie bitte? Sie hätte ihnen zugezwinkert?“, fuhr er die Herren an.
„Sie glauben doch nicht im Ernst, dass sie sich für solche alten Säcke wie Sie interessiert!“, stieg der Mann mit so lauter Stimme weiter darauf ein, dass die ersten Leute von der Bar irritiert zu ihnen guckten und sich wegdrehten.
„Nein, das meinten wir ja auch nicht, wir dachten ja nicht“, versuchte es auch Herr Schulz noch mal.
„Was dachten sie nicht? Dass wir das hören?“, fragte der Mann immer noch sehr aufgebracht.
„Dass es Sie so aufregt!“
„Ha! Natürlich regt es mich auf, wenn irgendwelche alten Säcke meine Freundin beleidigen“, sagte der Mann.
„Vollkommen zu Recht! Zeig´s den beiden Idioten ruhig“, fauchte jetzt auch die Dame und die Herren fragten sich, ob sie es sich vielleicht doch eingebildet hatten.

„Ich sage euch beiden Scherzkeksen etwas: Solche Spielchen lassen wir uns nicht gefallen. Wegen Ihnen ist der ganze schöne Abend im Eimer. Ich erwarte eine Entschuldigung von Ihnen!“, sagte er bestimmend und in einer Lautstärke, dass es die Umgebung hören konnte.
Die beiden Herren drucksten ein bisschen herum, konnten sich aber nicht recht zu einer Entschuldigung durchringen.
„Wenn Sie noch nicht einmal den Mut aufbringen, sich zu entschuldigen, dann könnten Sie wenigstens auf andere Weise zu einer Entschädigung beitragen“, sagte der Mann daraufhin.
„Zu einer Entschädigung? Was soll denn das bedeuten?“, wollte Herr Meier wissen.
„Vielleicht würde eine Runde Cocktails uns beide wieder auf andere Gedanken bringen!“
„Das ist ja wohl eine Frechheit. Jetzt sollen wir Ihren Suff bezahlen?“, regte sich Herr Meier auf.
„Unseren Suff? Sie stehen doch an der Bar! Aber jetzt reicht es mir. Wo sind denn eigentlich Ihre Gattinnen und was sagen die dazu, dass Sie hier an der Bar stehen und die jungen Mädels anbaggern?“
„Anbaggern? Davon kann jawohl gar keine Rede sein!“
„Und ob“, sagte die Dame im roten Kleid.
„Also meine Herren? Wollen wir Ihre Damen fragen, was die davon halten?“, beharrte der Mann.

Die beiden Männer guckten sich an. Wenn ihre Frauen mitbekamen, dass sie sich nicht nur vorm Tanzen drückten sondern sogar angeblich noch junge Frauen anbaggerten, würde der Abend wohl auch für sie im Eimer sein. Also versuchten die beiden Männer, die Sache schnell zu klären.
„Also gut. Dann bestellen Sie sich etwas und wir bezahlen. Aber dann ist die Sache vergessen!“, schlug Herr Meier vor und das junge Pärchen drehte sich schon verschmitzt lächelnd zur Bar, als Frau Schulz und Frau Meier dazukamen. Sie hatten aus der Ferne gesehen und teilweise auch gehört, dass etwas nicht stimmte und wollten herausfinden was genau los war.

„Gibt es ein Problem?“, fragte Frau Meier.
„Aha, da sind ja jetzt auch Ihre Gattinnen, wenn ich das richtig verstehe. Es wird Sie sicher interessieren, dass Ihr Mann hier mit seinem Kumpel steht und jüngere Frauen angräbt!“, fing der Mann im Anzug an und Herr Meier wurde ein gutes Stück kleiner. Achtung festhalten, jetzt knallt´s gleich, dachte er sich. Aber als er gerade tief Luft holte um sich zu verteidigen, fuhr schon seine Frau dazwischen.
„Mein lieber Freund, der Trick ist ja wohl schon sehr alt!“, fing Frau Meier an.
„Was denn bitte für ein Trick? Was soll das denn jetzt?“, spielte der Mann den Ahnungslosen.
„Wollen Sie etwa behaupten, dass ein Mann, der mit mir verheiratet ist“, dabei baute sie sich vor ihm auf, „es noch nötig hätte, anderen Frauen hinterherzuschauen?“
Auf eine so listige Reaktion war der Mann im Anzug nicht gefasst.
„Natürlich wollte ich das nicht!“, gab er kleinlaut zu.
„Na sehen Sie! Und außerdem darf ich mich glücklich schätzen, mit einem Mann verheiratet zu sein, der ohnehin niemals einer Frau hinterher schauen würde. Und selbst wenn er es täte: niemand von uns ist perfekt! Und jetzt entschuldigen Sie bitte unsere Männer, wir würden sie gerne wieder für uns haben. Wenn Sie wollen, dass andere Ihre Drinks bezahlen, müssen Sie sich schon etwas mehr einfallen lassen als diesen alten billigen Trick mit der Szene!“ Damit zogen die Frauen ihre Männer von der Bar weg und ließen das junge Pärchen einfach stehen.

„Das hast du großartig gemacht!“, sagte Herr Meier zu seiner Frau als sie sich von der Bar entfernt hatten.
„Vielen Dank, dass Du uns gerettet hast. Großartig von Dir! Die hätten uns ja ausgezogen. Das wäre bestimmt nicht bei einem Cocktail geblieben. Das wäre richtig teuer geworden!“, sagte er seiner Frau und war ihr selten so dankbar.
Dann erst bemerkte er, dass sie gar nicht ihren Tisch ansteuerten.
„Das kostet Dich aber auch etwas!“, sagte sie zu ihm und grinste ihn an als sie die Tanzfläche erreicht hatten.
 



 
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