Hi Nax,
erstmal schön, dass du deine Geschichte hier eingestellt hast. Wie ich sehe, bist du relativ neu, deshalb will ich nicht gleich voll drauf hauen.
Zunächst einmal: deine Geschichte hat Struktur und einen guten Schluss. Das ist aber schon alles. Aus einem deiner Kurzprosatexte weiß ich, dass du durchaus fabulieren kannst. Aber du hast es in dieser Geschichte weggelassen. Vermutlich des Tempos wegen. Oder weil du glaubst, eine Horrorgeschichte müßte hart und schnell erzählt werden. Das trifft aber nicht auf jede Geschichte zu. Und ich glaube, das harte und schnelle Erzählen ist so ziemlich die größte Kunst, die ein Schreiber von Horrorgeschichten überhaupt anwenden kann. Da haben sich schon ganz andere die Zähne dran ausgebissen.
Was man sagen muß ist, dass deine Geschichte von der Idee her ziemlich gut funktioniert. Es ist diese Art von Einstiegsgeschichten für eine Kurzgeschichtensammlung, die quasi als Opener oder Schlüssel für alle anderen Geschichten dient. Mein großer Favorit solcher Geschichten ist Clive Barkers "Das Buch des Blutes" aus gleichnamigem Werk. Einfach eine spitzen Geschichte, die erklärt, woher all die anderen Geschichten stammen. Wenn du die Geschichte kennst, solltest du also wissen, mit welchem Maßstab ich deine Geschichte messe. Nimm es also nicht zu ernst, denn vor Clive Barker stehen wir alle mit unserem Geschreibsel ziemlich dämlich da.
Zuerst: Deine Geschichte ist wie eine Zusammenfassung geschrieben. Als wolltest du dem Leser kurz notieren, worum es in der Geschichte gehen wird. Nur einmal, wenn dein Protagonist ins Büro von Trigger geht(warum benutzt du keine deutschen Namen?) holst du ein wenig mehr aus, aber auch nur ein bisschen, fast nicht genug, um den Fuß in die Tür zu kriegen. Alles bleibt irgendwie wie stichpunktartig notiert. Dazugehören solche Anstriche wie "Ein Jahr später" oder da, wo Sätze nur aus einem Wort bestehen, wie "Trigger." oder "Schwarz." Da erfährt man nichts. Da sieht man auch nichts.
Diesem stichpunktartigem Stil ist auch geschuldet, dass deine Figuren blass und eindemensional wirken. Sie haben keine Geschichte. Es gibt keinen Hintergrund. Als erstes leidet deine Hauptfigur darunter. Einfacher läßt sich ein Mann wohl nicht beschreiben, der reich ist, alles haben könnte und keine anderen Interessen als das Schreiben hat. Oder besser, ist es vielleicht sogar die schwierigste aller Figuren? Jedenfalls ist diese Figur nicht einsehbar. Sein unbedingter Wille zum Schreiben und seine schizophrene Liebe zu seinen Geschichten bleibt eine Behauptung. Da du selbst schreibst, solltest du wissen, wie schwer es zu erklären ist, warum man schreibt - also versuch es zu erklären. Dass die anderen Figuren ebenfalls blass erscheinen, ist schon eine logische Schlussfolgerung aus deiner Hauptfigur. Nur soviel, der Arzt ist wichtig für deine Geschichte. Wenn er keinen geschliffenen Hintergrund hat, wenn du nicht wenigstens versuchst, das Verfahren an irgendwelchen halsbrecherischen Theorien verstehbar zu machen, dann ist das der zweite Punkt, wo deine Geschichte kollabiert. Eigentlich ist da sogar der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte. Was passiert bei dem Verfahren?
Und das bringt uns schon zum Finale. Wie ist das erklärbar? In der Geschichte, wie du sie geschrieben hast, bleibt einiges unklar. Was wurde heraufbeschworen? Da wir nichts über den Protagonisten wissen, wissen wir auch nichts über das, was zum Schluss aus ihm in die Wirklichkeit tritt. Wir kennen das Verfahren nicht, wissen nicht in welchen Tiefen der Seele es vorzudringen vermag. Deshalb wissen wir auch nichts über das, was am Ende die Welt betritt.
Aber da wird es doch erst spannend!! Und deshalb sage ich auch, dass die Idee gut ist. Was mir jetzt so unmittelbar dazu einfallen würde, wäre, wenn dein Prot. schon einmal eine Nahtoderfahrung gemacht hätte, so mit hellem Licht, und er denkt, es geht schnurstraks in den Himmel. Aber nein, das war gar nicht der Himmel wird ihm später bewußt. Und dieses Mittel, das alle Erinnerungen zu erwecken vermag, stößt quasi eine Pforte auf, die eigentlich verschlossen sein sollte. Und durch diese Pforte gelangen all die Ängste und Grausamkeiten in unsere Welt, die naja, sagen wir mal Gott, eigentlich vor ihr bewahren wollte. Und dann ist dein Schriftsteller nicht nur ein teuflisch guter Horrorautor, sondern auch die Hölle auf Erden, möchte ich mal sagen.
Tja, aber dazu brauchst du jede Menge Hintergrund, eine glaubwürdige Hauptfigur, ein gut recherchiertes Verfahren(zumindest sollte es gut geschrieben sein) und nicht zu vergessen, eine wirklich gut ausformulierte Geschichte.
Ich weiß nicht, ob dir das zu viel ist. Vielleicht bist du ja noch nicht soweit. Aber vielleicht hilft dir das hier wirgendwann mal, wenn du die Geschichte voll in Angriff nehmen willst. Tue sie nicht als so eine kleine Fingerübung ab. Die meisten Geschichten können immer überragend sein, wie unscheinbar sich die Idee oft anfangs anhören mag.
Ich hoffe, du hattest so eine Art von Kritik im Sinn, als du die Geschichte hier eingestellt hast. Und sie bringt dich weiter.
PS: Achte mal auf Wiederholungen im Text. Dass seine Stimme tief und kalt ist, liest man glaube ich dreimal kurz hintereinander. Am Schluss passt es am besten. Vorher solltest du dir etwas anderes ausdenken.
Grüsse, Marcus