Theodizee (Amphybrachen)

4,70 Stern(e) 3 Bewertungen

HerbertH

Mitglied
Verhüllet die Häupter, bestreuet mit Aschen die häßlichen Schädel.
Verschieden verscheiden noch heute am Abend im Delta die Menschen
samt ihren entschwommenen Rindern, gedunsen die Bäuche der Kinder,
krepieren im Elend unsäglicher Schmerzen zerrissener Därme
die Einen, die Andern versinken verkühlt in den reißenden Fluten
des Indus, der früher schon Leichen verschlang und die Raben ernährte,
der hungrige Mäuler mit stinkenden Wassern verfüllte und kränkte,
der raubt jetzt den letzten verbliebenen Atem, im Strudel gefangen
ertrinken sie schnell, doch nicht glücklich, verlieren das Recht auf den letzten
verzweifelten Schrei in den Himmel des zunehmend hilflosen Gottes.
 

HerbertH

Mitglied
Hallo MDSpinoza,

"Theodizee heißt „Rechtfertigung Gottes“. Gemeint sind verschiedene Antwortversuche auf die Frage, wie das Leiden in der Welt mit der Allmacht und der Güte Gottes vereinbar sein könnte."

(Aus http://de.wikipedia.org/wiki/Theodizee )
Eine mögliche Theodizee-Diskussion über Antwortversuche sollte man eher im Lupanum führen.

Das Gedicht versucht nicht, eine neue Antwort zu geben, sondern illustriert die Frage. Sie drängt sich aktuell auf.


Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Verhüllet die Häupter, bestreuet mit Aschen die häßlichen Schädel.
Verschieden verscheiden noch heute am Abend im Delta die Menschen
samt ihren entschwommenen Rindern, gedunsen die Bäuche der Kinder,
krepieren im Elend unsäglicher Schmerzen zerrissener Därme
die Einen, die Andern versinken verkühlt in den reißenden Fluten
des Indus, der früher schon Leichen verschlang und die Raben ernährte,
der hungrige Mäuler mit stinkenden Wassern verfüllte und kränkte,
der raubt jetzt den letzten verbliebenen Atem, im Strudel verfangen
ertrinken sie schnell, doch nicht glücklich, verlieren das Recht auf den letzten
verzweifelten Schrei in den Himmel des zunehmend hilflosen Gottes.
 

MarenS

Mitglied
Hmpf, bedeutete Fieber, Kopfweh und völliges Überfordertsein mit deinem Werk aber dennoch das Gefühl zu haben, dass das, was da steht richtig gut ist...irgendwie.

Heute ohne Fieber:

1. Mag ich die Art der Sprache (herrlich)
2. ist die Aussage verdammt stark
3. kannte ich diese Art Dichtung nicht, finde sie aber interessant, so wie du sie eingesetzt hast.

Ein sehr aktuelles Thema mit einer Sprache verquickt, die mancher als antik bezeichnen würde, so etwas gefällt mir immer wieder. Lange silbenreiche Zeilen, die schwer und wuchtig klingen, Gewicht haben...passt hier perfekt zum Inhalt.

Erdrückend erscheinet uns die Last der Schulden, auf unsere Häupter
gehäufet durch die eigene Hand, Erbe auf den Schultern der Kinder!

Fällt mir grad dazu ein.

Es grüßt dich die Maren
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Maren,

gut, dass das Fieber mit all den Nebenwirkungen vorbei ist :)

Schön, dass dir die Amphybrachen und die Sprache des Gedichts so gut gefallen.

Inhaltlich tut man sich bei solch einem Thema natürlich relativ leicht.

Danke fürs nochmalige Lesen, Kommentieren und Werten

lG

Herbert
 

Rhea_Gift

Mitglied
Gelungen eindringlich, gutes Ende - ein Gott, der hilflos wird - denn ihm zu helfen würde auch uns helfen und umgekehrt - hilf dir selbst halt, freier Wille - wir zerstören mit dem freien Willen nicht nur uns, auch ihn... die Waagschale kippt zu aller ungunsten... bald kann er net mehr helfen, uns selbst zu helfen... so oder so ähnlich interpretier ich das jetzt mal...

LG, Rhea
 



 
Oben Unten