Till und die Pfefferschokolade

tommymouse

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Till war 8 Jahre alt und ging in die dritte Klasse. Er mochte eigentlich die Schule ganz gerne – wenn da bloß nicht Georg gewesen wäre.
Georg war schon zweimal sitzen geblieben. Deshalb war er älter, größer und stärker als alle anderen Kinder in der Klasse. Diese Stärke nutzte er aus, um die anderen Kinder zu unterdrücken. Er ärgerte sie ständig, nahm ihnen die Sachen weg und verhaute ein Kind oft ohne irgendeinen Grund.
Besonders hatte er es auf Tills Freundin abgesehen, die Barbara hieß. Sie war lebhaft, lustig und fit, aber leider Gottes auch klein und schwach.
Als Georg sie eines Tages wieder mal verkloppt hatte, weinte sie bitterlich und sagte zu Till: „Ich halte es nicht mehr aus. Immer werde ich verprügelt und immer klaut er mir meine schönsten Sachen. Erst gestern hat er mir meine leckere Nussschokolade gestohlen.“
Till war sehr traurig, dass Barbara so niedergeschlagen war. Er erwiderte: „Dieser Schuft! Wenn mir nur irgendwas einfallen würde, wie ich dir helfen kann.
Weist du was? Komm heut Nachmittag bei mir vorbei. Dann überlegen uns gemeinsam, wie wir Georg davon abhalten können, dich immer zu triezen.“
Am Nachmittag machte sich dann Barbara auf den Weg zu Till. Sie dachten stundenlang über einen Plan nach, verwarfen aber alle ihre Ideen wieder, weil es immer irgendwo einen Haken gab, der sie undurchführbar machte.
Plötzlich schloss Till die Augen und blieb regungslos sitzen. Barbara bekam es nach fünf Minuten mit der Angst zu tun, weil Till wirklich keinen einzigen Mucks mehr machte. Gerade als sie Tills Mutter alarmieren wollte, sprang Till auf und grinste breit. „Ich hab’s“, rief er.
„Was hast Du?“, fragte Barbara erstaunt.
„Mir ist da gerade etwas eingefallen, wie wir Georg so reinlegen können, dass er dich nie wieder hänselt.“, antwortete Till.
„Oh bitte, erzähl es mir“, bat ihn Barbara.
Till entgegnete: „Lieber nicht, denn vielleicht würdest du aus Versehen Georg etwas verraten. Wart’s ab. Morgen in der Schule wirst Du sehen, was ich mir ausgedacht habe.“
Am nächsten Morgen war Barbara ganz aufgeregt. Aber auch Till war gespannt wie ein Flitzebogen, ob sein Plan funktionieren würde ....
In der großen Pause nach der zweiten Stunde war es soweit. Einige ihrer Klassenkameraden waren schon auf dem Schulhof, aber nicht Till und Barbara.
Auch Georg war noch im Klassenzimmer. Er fummelte an seiner Schultasche rum, als ob dort irgendetwas Wichtiges darin wäre.
Als er kurz den Kopf hob, griff Till in seine Schultasche und holte mit einem verzückten Gesichtsausdruck eine Tafel Schokolade hervor. Er machte genussvoll ganz langsam das Schokoladenpapier ab und sah dabei so glücklich aus, als ob er die ganze Welt umarmen wolle.
Dieser glücklich Gesichtsausdruck war auch Georg aufgefallen. Er dachte bei sich, „Eine leckere Schokolade kann ich jetzt auch gebrauchen“, und stürzte auf Till zu.
Gerade als Till abbeißen wollte, riss ihm Georg mit den Worten „Das ist meine Schokolade“ die begehrte Süßigkeit aus der Hand. Insgeheim war Till sehr froh über die Entwicklung der Dinge.
Aber er begann extra für Georg zu heulen. „Bitte, lieber Georg, gib mir doch wenigstens die halbe Tafel Schokolade wieder, sie ist so lecker und reicht doch auch für uns zwei“, bettelte er Georg an.
Georg lachte, denn wenn er Kinder ärgern konnte, war er ganz besonders froh. „Ich habe dir doch gesagt, das ist meine Schokolade. Geh jetzt weg von mir, sonst prügle ich dich windelweich“. Till ging mit traurigem Gesichtsausdruck tatsächlich zwei, drei Schritte zurück, beobachtete Georg jedoch weiter.
Georg biss einen Riesenhappen von der Schokolade ab und dachte: „Es ist so schön, wenn ich anderen etwas wegnehmen kann“, und stellte sich innerlich voll auf Genuss ein.
Plötzlich beherrschte ihn jedoch nur noch ein Gedanke: „Wasser, Wasser, ich verbrenne“, rief er und rannte zum Jungenklo, so schnell er konnte. Er sah jetzt gar nicht mehr so vergnügt aus. „Igitt, Pfefferschokolade“, waren seine letzten Worte, bevor er im Waschbecken des Jungenklos seinen Kopf für mindestens fünf Minuten unter eiskaltes Wasser hielt. Aber auch danach war das Brennen in seinem Mund noch nicht ganz abgeklungen.
Alle Kinder, die das Geschehen beobachtet hatten, hielten sich den Bauch vor Lachen. Keiner hatte Mitleid mit Georg. „Geschieht ihm ganz recht“, dachten sie sich.
Am meisten lachte Barbara. „Das hast du super gemacht, der lässt uns jetzt in Ruhe“, konnte sie gerade noch zu Till sagen, bevor der nächste Lachanfall sie übermannte.
Till jedoch war gar nicht so froh. „Ich bin nicht sicher, ob er wirklich genug hat“, meinte er. „Aber ich habe noch ein paar andere Ideen auf Lager...“.
In der großen Pause am nächsten Tag wiederholte sich das Spiel: Till holte wieder genau in dem Moment eine Schokolade aus seiner Schultasche, als Georg zu ihm hinsah.
Dieses Mal stürzte er nicht auf Till zu, sondern näherte sich ihm gemessenen Schrittes. Denn er überlegte sich schnell, wie er es vermeiden könnte, wieder an eine Pfefferschokolade zu geraten.
Als er bei Till ankam, hatte er sich seinen Plan zurecht gelegt. Er riss ihm die Schokolade aus der Hand, biss aber noch nicht in sie hinein.
Stattdessen gab er Till die Schokolade zurück. Er drohte ihm wieder heftige Kloppe für den Fall an, dass er nicht der Forderung nachgeben würde, die Georg jetzt hämisch stellte: „Gestern bin ich auf deine Pfefferschokolade reingefallen. Das passiert mir nicht noch einmal. Du wirst jetzt nämlich vorkosten“.
Till sah so aus, als ob er gleich wieder heulen würde. „Bitte, lieber Georg, iss du doch die Tafel Schokolade alleine, ich habe gar keinen Hunger mehr“, flehte er Georg an.
Georg lachte, denn er war felsenfest davon überzeugt, dass Tills Schokolade wieder eine Pfefferschokolade war. Es herrschte Till an: „Los jetzt, mach keine Zicken, beiß jetzt endlich ab.“
Auf einmal grinste auch Till und biss von der Tafel ein großen Stück ab. Er verdrehte dabei genüsslich die Augen und sagte nur: „Himmlisch“.
„Mist, er hat mich wieder reingelegt“, überlegte sich Georg im gleichen Moment und riss Till blitzschnell den Rest der Schokolade aus der Hand und biss hinein.
Aber auch dieses Mal hatte er sich getäuscht. Denn Till hatte die Schokolade so vorbereitet, dass die eine Hälfe normale Schokolade und die andere Hälfte Pfefferschokolade war.
In Georgs Mund fing es sofort dermaßen stark zu brennen an, dass er wie ein Weltmeister zum Jungenklo rannte und sich dabei den Kopf an der Tür anstieß.
Jetzt reichten keine fünf Minuten mehr aus, um das „Feuer“ zu löschen. Er hielt seinen Kopf eine geschlagene Viertelstunde unter den Wasserhahn, überhörte dabei das Läuten für die nächste Stunde und kam 10 Minuten zu spät zum Unterricht.
Als er das Klassenzimmer mit einem noch immer hochrotem und nun dazu auch nassem Kopf betrat, empfing ihn ein Lachorkan seiner Mitschüler. Außerdem fand Herr Surbier, ihr Rechenlehrer, es überhaupt nicht lustig, dass er jetzt erst im Klassenzimmer auftauchte und schimpfte ihn fürchterlich aus.
Georg war stinkwütend. „Na warte, Till, dir werde ich es schon heimzahlen“, fluchte er leise vor sich hin.
Georg verbrachte den Rest des Schulunterrichts und den ganzen Nachmittag damit zu, nachzudenken, wie er seinerseits Till reinlegen konnte. Er konnte deshalb auch lange nicht einschlafen. Doch gegen Mitternacht bekam er einen Einfall. Ja, so würde er sich gut an Till rächen können....! Zufrieden schlief er nun ein.
Ihr könnt euch sicherlich denken, was Till in der gossen Pause des nächsten Tages machte: Er holte erneut eine Tafel Schokolade aus seiner Schultasche, als Georg zu ihm hinsah. Dieses Mal ging Georg ganz langsam auf Till zu. Denn er ging nochmals seinen Plan durch, wie er Till dazu bringen könnte, das er die Pfefferschokolade essen musste.
Als er bei Till ankam, riss er ihm wiederum die Schokolade aus der Hand, biss aber noch nicht in sie hinein.
Stattdessen gab er Till sie wieder zurück. Er drohte Till wie üblich Schläge für den Fall an, das er nicht genau das machen würde, was Georg jetzt schadenfroh verkündete: „Gestern und vorgestern bin ich auf deine Pfefferschokolade reingefallen. Das passiert mir nicht noch einmal. Du wirst jetzt wieder vorkosten“.
Nun begann Till zu strahlen, als ob er sich wahnsinnig freuen würde.
Genau damit hatte Georg gerechnet. Als Till die Schokolade zerteilte und gerade in seine Hälfte reinbeißen wollte, befahl ihm Georg „Stop. Gib mir diese Hälfte und iss du die andere Hälfte“.
Tills Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Er guckte jetzt so, als wenn ihm ein Lehrer eine ellenlange Strafarbeit aufgegeben hätte. „Muss ich wirklich diese Hälfte essen, lieber Georg. Ich möchte aber die andere Hälfte haben.“
„Nein“, widersprach ihm Georg. „Zum letzten Mal: Iss jetzt die Schokolade!“.
Till biss ab und schaute immer noch drein wie sieben Tage Regenwetter. Außerdem bekann er einen knallroten Kopf und stürmte aus dem Klassenzimmer zum Jungenklo.
Anders als Georg rannte er aber nicht dort hinein, sondern versteckte sich hinter dem Rahmen der Tür zum Klassenzimmer, so dass er heimlich den weiteren Fortgang beobachten konnte. Sein Kopf nahm wieder die normale Farbe an und er aß nun seine Hälfte der Schokolade vergnüglich weiter. Sie schmeckte nämlich ausgezeichnet!
Georg hatte davon natürlich nichts mitbekommen. Er wieherte vor Vergnügen: „Jetzt habe ich es dem Schlaumeier aber gezeigt.“
Er biss in die Schokolade freute sich über deren ausgezeichneten Geschmack, und war glücklich, es allen gezeigt zu haben.
Ausgezeichneter Geschmack ? Nicht wirklich! Denn Till hatte ihn wieder reingelegt, weil er mit Georgs Plan gerechnet hatte.
Er hatte es wieder so gedeichselt, dass er die süße Seite der Schokolade bekommen hatte, während Georg wieder die pfeffrige Seite erwischt hatte.
Dieses Mal brannte Georg sein Mund so schlimm, dass er wusste, dieses Mal würde das Jungenklo alleine nicht helfen. Er rannte wie ein Irrsinniger auf den Schulhof und sprang in voller Kleidung in den Schulteich. Ah, wie gut das tat!
So richtig gut tat es ihm aber nicht. Denn im Schulteich gab es einen König, der hieß Fred. Fred war ein Flusskrebs und hatte zwei dicke, kräftige Scheren. Empört über das freche „Eindringen“ von Georg, zwickte er ihm mit voller Kraft in dem Hintern.
Georg schrie so laut „Aaaaaaah“, dass man sein Geschrei noch auf der Polizeidienststelle zwei Strassen weiter hören konnte. Gleichzeitig sprang er vor Schmerz so hoch auf, das Herr Surbier im ersten Stock sich doch sehr wunderte, als er plötzlich Georgs Kopf vor dem Fenster sah.
Dann ging es zackig abwärts. Mit einem Riesenplatsch landete Georg wieder im Teich.
Es war pitschnass, sein Hintern tat noch von Freds Scheren weh und sein Mund brannte immer noch schlimm. Trotzdem war keiner da, der ihn irgendwie getröstet hätte. Im Gegenteil: Alle Kinder, die das Schauspiel mitbekommen hatten, lachten ihn gnadenlos aus. Sie waren glücklich, dass endlich einmal Georg selber reingelegt worden war.
Georg fragte sich: „Warum ist das so?“. Es dauerte nur kurz, dann konnte er die Frage selbst beantworten: „Sie lachen so, weil ich immer die anderen Kinder ärgere und verhaue“.
Daraufhin beschloss Georg, sich zu ändern. Von nun an piesackte er seine Klassenkameraden nicht mehr, sondern half ihnen, wo es nur ging. Schon bald merkte er, dass die anderen Kinder ihn jetzt viel lieber mochten. Von diesem Tag an fühlte er sich wohl in seiner Haut.
 



 
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