Titanic oder zwischen Leben und Tod

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Lierarische Lehren aus dem Untergang der Titanic

Elf Gänge – angefangen bei Austern à la Russe über pochierten Lachs, diverse Fleischgerichte bis zu Süßspeisen, Obst und Käse – verzeichnet die opulente Speisekarte des ersten Dinners auf der Titanic. Und mit dieser Speisekarte will der Auktionator des Auktionshauses Aldridge (Grafschaft Wiltshire) bei einer Versteigerung ca. 100.000 Euro erzielen. Übrigens die Karte des ersten Dinners war nahezu identisch mit der des letzten Essens auf dem schwimmenden Riesen.
Den bisherigen Rekordpreis von 50.000 Euro für ein Erinnerungsstück des untergegangenen Luxusliners erbrachte das Album mit dem letzten Foto des Schiffes vor seinem Untergang.

Und was will das uns Angehörigen der schreibenden Zunft sagen?
• Erstens: Auch wer luxuriös diniert, muss danach gelegentlich ins kalte Wasser springen. Nicht zuletzt deswegen lautet eine wichtige Baderegel, man solle nicht mit vollem Bauch schwimmen gehen. Das gilt offenbar auch, wenn das Schiff zunächst das Schwimmen für seine Passagiere allein übernimmt.
• Zweitens: Ebenso gilt für den Literaten: Ein voller Bauch wirkt erschwerend, studiert und schreibt nicht gern. Daher sind oft die armen hungernden die wesentlich besseren Poeten als die satten. Sicherlich ist Ihnen schon aufgefallen, dass die meisten Schriftsteller eher hager sind? Sollten Sie also korpulent sein, haben Sie hiermit eine plausible Erklärung für Ihre ausbleibenden schriftstellerischen Erfolge.
• Drittens: Eine Menükarte kann mehr Geld einbringen, als in der Regel mit umfangreichen Lyrikbänden zu erzielen ist, wenn sie entgegen jeglicher Erfahrung gut verkäuflich sind. Nicht umsonst lassen voller Entzücken speisende Damen auf Luxuslinern dem Koch mitteilen, das von ihm kreierte Essen sei ein wahres Gedicht.
• Viertens:•Mit Fotos in einem Druckerzeugnis lassen sich nicht unbedingt höhere Gewinne erzielen. Offensichtlich kommt es vor allem darauf an, mit Texten Bilder im Kopf zu erzeugen, die einem (zum Beispiel) das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.
• Fünftens: Nahezu alles zwischen Leben und Tod - vom ersten Essen bis zum endgültigen Schiffsuntergang – eignet sich dazu, irgendwie mit der Schriftstellerei in Verbindung gebracht zu werden. Damit sei jedoch nicht behauptet, es gäbe keine misslungenen Vergleiche und Metaphern.
Sechstens: Selbst Druckerzeugnisse mit wenigen Worten werden häufig erst nach dem tragischen Tod ihres Autors wirklich wertvoll. Leider ist für einen armen Autor auch heute noch der Tod auf einem Luxusliner unerschwinglich. Zudem müsste er viele Versuche unternehmen, da moderne Traumschiffe höchst selten unterzugehen pflegen.
 
P

Pete

Gast
Hallo Karl,

Deine Satire hat mich köstlich amüsiert. Sie könnte unter dem Titel erscheinen:

Literarische Lehren aus dem Untergang der Titanic

Damit würde draufstehen, was drin ist (Eingangserwartung des Lesers).

Die Reihenfolge Deiner Punkt würde ich so umändern, dass der stärkste Brüller zuletzt kommt - wegen der Schlusswirkung.

Das war für mich eindeutig der Tod des Autors.

Ansonsten: alles bestens!

Gruß

Pete
 

Haremsdame

Mitglied
der hungernde Poet

Lieber Karl,

ich sitze hier und grinse. Du hast die Wahrheit festgehalten...

Sollen wir uns nun einen Schiffsuntergang wünschen oder lieber auf so eine Fahrt mit einem Luxusliner verzichten? Ich kann mich noch nicht so recht entscheiden - ganz im Gegensatz zu meinem Geldbeutel :)

Viele Grüße
von der Haremsdame
 
Liebe Haremsdame,
könnte ich mir einen Harem leisten, wäre mir sicherlich auch der Luxusliner nicht zu teuer. Aber da ich immer nur einer treu sein kann...

Dennoch liebe Grüße
Karl
 



 
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