Tod eines Hamsters

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Aufgabe lautete, etwas zum Thema „Tod“ zu schreiben

Der Tod eines Hamsters

Ja, ich schreibe über den Tod eines Hamsters. Ihr werdet vielleicht sagen: „Aber ein Hamster ist doch nur ein Tier!“ Ja, das habe ich damals auch gedacht. Und nun der Reihe nach:
Es war ein wunderschöner Sommerferientag und wir kamen vom Badesee. Während ich den Kindern Ausziehen und Waschen anempfahl, ging ich die Badesachen auf dem Balkon aufhängen. Meine Söhne schliefen im Balkonzimmer, da wollte ich nicht noch mal hindurchschleichen nach dem „Gute-Nacht-Kuss“. Meine Tochter – wie alt war sie damals? Elf, zwölf, dreizehn? Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hatte sie nichts eiligeres zu tun, als den Hamstervater frei laufen zu lassen. Er musste in einem großen Einweckglas Quartier nehmen, weil er anfing, seine Söhne zu beißen. Das konnten wir ihm nicht durchgehen lassen.
Ich wollte ihm vom nächsten Gehalt auch ein Aquarium kaufen, damit er so komfortabel leben kann wie seine beiden Frauen und die vier Kinder (für welche meine Tochter sehr hübsche Geburtsurkunden angefertigt hatte) und die vier Meerschweinchen meiner Söhne, aber an jenem Tag lief er mir direkt unter den Fuß. Es war ein tragischer Unfall. Er hatte es eilig, seine Freiheit zu genießen und ich hatte es eilig, meine Arbeit zu tun. Mein Töchterlein heulte zum Steinerweichen. Ich hatte sie nie zuvor so traurig gesehen.
Sie weinte ohne Ende und schrie: „Mein Papa, mein Papa!“ Ich stand alledem recht hilflos gegenüber. Ich hatte den Eindruck, dass sie in Wahrheit darüber weinte, ihren Vater niemals kennen gelernt zu haben. Sollte ich ihr etwa gerade jetzt auf die Nase binden, was für ein ehrloser Kerl ihr Vater war? Oder sollte ich ihr im Stil meiner Erziehungsberechtigten zurufen: „Halt die Klappe und schmeiß das Viech in den Mülleimer!"?
Womit konnte ich sie trösten? Etwa mit „Hör zu, meine Süße, ich kauf dir morgen einen neuen.“? Nee, das ist kein Trost, das ist Hohn auf die Trauer. Oder „Hamster haben eh keine hohe Lebenserwartung.“? Das wäre zynisch. Mir fiel nichts anderes ein, als sie in den Arm zu nehmen und meine Unschuld zu beteuern.
Endlich ermannte sich der sechs Jahre jüngere Bruder, legte der großen Schwester die Hand auf die Schulter und sagte: „Du brauchst nicht so heulen, ist doch bloß n Hamster.“ Das Mädchen weinte noch heftiger. Ich raunte: “Aber sie hat ihn doch so gern gehabt! Hast du deine Meerschweinchen nicht auch gern?“
Nachdem die Wäsche hing, gab ich meiner Tochter eine kleine Schachtel. Darin konnte sie den Hamster betten, bis wir ihn am anderen Tag im Park begraben konnten.
In meiner Wohnung sind später noch eine ganze Menge Kleintiere herumgelaufen, geschwommen und geflattert, aber an keines kann ich mich so deutlich erinnern wie an jenen Hamstervater. Er hat mich und meine Kinder ein wenig gelehrt, mit der Trauer umzugehen.
 

knychen

Mitglied
Erinnerungen

Doch, Flammarion, eine sehr schöne Erinnerung, zwischendurch ein bißchen bitter, als es ums eigene Elternhaus ging, aber den Bogen doch noch in die Richtung gekriegt, wo man sie beim Lesen hinhaben wollte. Obwohl, interessiert hätte mich die Sache schon, wie das war, eine Generation vorher.
Gruß knychen
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

danke fürs lesen und die anteilnahme. wenn es dich echt interessiert, wie es damals war, dann such dir doch mal mit der suchfunktion der lupe meine memoiren - kapitel raus. habe ich anfang vorigen jahres hier reingesetzt. aber achtung - die wörtliche rede is uff berlinsch. ganz lieb grüßt
 

Renee Hawk

Mitglied
ja, wenn ich mich jetzt mal melden darf.
Ich freue mich schon auf morgen, wegen dem vorlesen von der Geschichte, die dann wieder klasse erheitert und eine eche "Flammi" ist.
Und die Memoiren kann ich nur empfehlen! Und wenn die Flammi, diese dann auch noch vorliest, ja dann ... ich fang schon wieder das schwärmen an.
Eigentlich wollte ich nur sagen, das mir diese Geschichte sehr gut gefallen hat.

liebe Grüße
Reneè
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
danke,

danke, liebe renee. naja, es war ja zu erwarten, daß du die geschichte heute schon findest. aber für die anderen wird sie hoffentlich ganz neu sein. freue micn seit 2 wochen auf heute abend. ganz lieb grüßt
 

soleil

Mitglied
Hallo Flammarion,

die Geschichte gefällt mir sehr gut. Der Tod eines geliebten Tieres ist für Kinder oft wirklich sehr traurig; ich erinnere mich noch heute an den Tod meines ersten Hundes, Mopsi, und wie ich damals Rotz und Wasser geheult habe, als er überfahren wurde.

Es gibt einige Dinge, die mir aufgefallen sind:
- statt "anempfahl" würde ich "befohl" schreiben
- Balkonzimmer und hindurchschleichen: mir wird die Problematik zuwenig deutlich, d.h. ich kann nicht nachvollziehen, WO du dann "rausgeschlichen" bist. Das kommt auch noch später mit dem Satz "Nachdem die Wäsche hing ..." Irgendwie stimmt da was nicht oder du musst es deutlicher machen.
- ... nichts [red]E[/red]iligeres ...
- Er musste in einem ... --> hier stimmt die Zeit nicht. Er [red]hatte[/red] in einem Einweckglas Quartier nehmen müssen ... weil er angefangen hatte ...
- Der Satz: "Er hatte es eilig ... ich hatte es eilig ..." ist wirklich klasse und so nachvollziehbar.
- Etwa mit "[red]h[/red]ör zu, ... [red]N[/red]euen[red]?"[/red] --> kein Punkt
- ... Trauer (KEIN PUNKT) oder "Hamster ... Lebenserwartung." (KEIN FRAGEZEICHEN)

Das wars! Es ist wirklích eine gute Geschichte und ich freue mich, dass ich sie gelesen habe.

Viele Grüße nach Berlin
Soleil (aus einem - wieder - sonnigen Augsburg)

PS: Viel Spaß heute Abend und viele Grüße an Reneè und Ralph.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

danke für deine anteilnahme, soleil. allerdings bin ich mit deinen kritischen anmerkungen nicht einverstanden. "anempfahl" ist ein schönes altes wort, "befohl" kenne ich nicht.
kann sein, daß "eiligeres" groß geschrieben wird, da bin ich nicht sicher.
wo ist der zeitunterschied zwischen "mußte" und dem von dir empfolenen "hatte"? wenn ich es so schreibe, wie du empfiehlst, hätte ich zwei "hatte" dicht hintereinander.
der satz hätte komplett gelautet "Ich kauf dir morgen einen neuen Hamster." also muß "neuen" nicht groß geschrieben werden.
ich nahm an, daß es genügt, zu erwähnen, daß die söhne im balkonzimmer schlafen. ich wollte also die wäsche aufhängen, bevor sie im bett sind. tut mir leid, daß du das nicht verstanden hast.
an der interpunktion werde ich nichts ändern, die ist nach meiner meinung richtig. lg
 

Anja

Mitglied
Hallo flammarion!

Mir gefällt die Geschichte gut. Leicht erzählt in linearem Stil mit kurzem Ausflug in die Vergangenheit, die aber mehr oder weniger eine Leerstelle bleibt und Raum zur Phantasie offenlässt (...wenn man Deine Memoiren nicht gelesen hat, was ich aber noch tun werde).
Ich kenne eine ganz ähnliche Situation, nur war es in meinem Fall ein Wellensittich, der unter dem unaufmerksamen Schuh sein Ende fand. Für ein Kind eine dramatische Erfahrung.

Die Geschichte gehört nicht zum traditionellen Genre der Kurzgeschichte, sondern zum Tagebuchstil. Nur so- kleine literaturtheoretische Überlegung von mir :)

Viele Grüße
 



 
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