Tod und Sterben

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Generix

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Emily Harrison

Emily Harrison

Ein leises Piepsen lässt mich allmählich aus meinem Traum erwachen. Es wird lauter. Schließlich höre ich es nicht mehr nur durch meine vom Traum verzehrte Wahrnehmung, sondern durch meine völlig intakten und wachen Ohren. Das Geräusch dröhnt wie ein Krankenwagen, der nur wenige Meter neben einem steht und das Martinshorn an hat. Ich öffne meine Augen. Die Bilder meines Traumes, die mich vorübergehend begleitet haben, verschwinden aus meinem Gedächtnis und ich fühle mich nun mehr und mehr wie eine gebrochene alte Frau. Das Piepsen endet und eine Stille durchzieht mein Zimmer.

Der Mond scheint durch einen Schlitz in den Gardinen und das Licht fällt auf mein Bett. Wie so oft scheint es, als erleuchte er den ganzen Raum, doch lässt er mich in der Dunkelheit zurück. Meine Gedanken werden klarer. Dieses Piepsen. Es war schrecklich laut. Ich weiß nicht, ob es nun die Neugierde ist, nach der Quelle des Geräusches zu suchen, oder einfach die Lust, sich die Beine zu vertreten, aber ich habe das Verlangen aufzustehen. So seltsam und Normal diese Begebenheit klingt: Es ist keine leichte Aufgabe für eine 96 Jahre alte Frau mit einer Hüftprothese einfach aufzustehen und umher zulaufen.
Ich ziehe die Bettdecke von meinen Beinen. Es füllt sich an, als würden meine Arme das Gewicht der Decke nicht stemmen können, doch irgendwie schaffe ich es, die schwere Winterdecke aus dem Weg zu räumen. Und plötzlich spüre ich die Schmerzen, die Qualen, die mir der Schlaf und das Träumen nahmen. Ich möchte laut aufschreien, doch ich habe nicht die Kraft dazu. Ich setze mich auf die Bettkante und ziehe mich an meiner Vorrichtung langsam empor. Zum Glück befindet sich mein Rollator immer neben meinem Bett. Mit langsamen Schritten bewege ich mich auf das Fenster zu, mit der Hoffnung, dass meine Kraft ausreicht, um diesen zwar kurzen, aber dennoch schweren Weg zu gehen.

Nach Minuten habe ich mein Ziel erreicht.Würde es auch Stunden dauern: Es ist immer wieder ein wunderbares Gefühl, es geschafft zu haben und ich hoffe inständig, es wieder und wieder zu schaffen. Ich setzte mich vorsichtig auf den Stuhl, der neben dem Fenster steht, schiebe den Rollator zur Seite und öffne die Gardinen ein wenig mehr. Der Raum wird in den Glanz der Nacht gehüllt. Jetzt erst sehe ich, wie lieblich der Raum gestaltet ist. Die Wände sind zwar weiß, dennoch hängen überall Bilder, aus Kinderhand. Blumen schmücken meine Kommode und den kleinen Tisch vor mir. Doch der Suhl links von mir ist leer. Natürlich kann ich nicht von meiner Familie verlangen, dass sie die ganze Zeit bei mir bleiben. Sie haben ihr eigenes Leben, das ich ihnen lassen muss. Ich will ihnen nicht als nervende alte Frau in Erinnerungen bleiben.
Die vollkommene Stille durchzieht mich. Ich weiß, dass ich alt bin. Ich habe nicht mehr viele Jahre zu leben, sofern es überhaupt noch Jahre sind. Und nun... Ich sitze in meinem Zimmer des Pflegeheims, schaue mitten in der Nacht aus dem Fenster und suche nach Antworten. Auf Fragen, die ich nicht durchdringen kann, und auch die Antworten scheinen mir unantastbar. Sie sind zu umfangreich, zu unglaublich und lassen keinen Spielraum für die humane Fantasie.
Was wird mit mir passieren, wenn ich sterbe? Werde ich in eine bessere Welt kommen? Solche Fragen werden wichtig. Wichtiger denn je und ferner, je mehr ich über sie nachdenke. Ich hole mein Fotoalbum aus der kleinen Ablage unter dem Tisch hervor und öffne es in der Hoffnung, dort etwas zu finden. Ich schließe meine Augen. Nur einen Augenblick, eine Sekunde, einen kurzen Moment...

Eine warme Berührung auf meiner Schulter zaubert mir, ohne zu wissen, was es war, ein Lächeln auf mein Gesicht. Die Sonne strahlt glanzerfüllt und ich muss mich erst an die Helligkeit gewöhnen. Langsam verschwindet meine Blindheit und ich sehe ein wunderschönes Mädchen vor mir. Sie scheint gerade erst 15 Jahre alt zu sein. War sie es, die mich so zaghaft berührte?
Wir sitzen auf einer Veranda, vor einem großen weißen Haus. Ich frage nicht nach dem Grund ihres Besuches, oder wieso ich hier bin, sondern lasse mich von den aufkommenden Glücksgefühlen überrennen. Woher diese Freude kommt, weiß ich nicht. Ich schaue das Mädchen an, ich sehe ihre wundervollen braunen Locken und die süße Nase und erinnere mich an meine Kindheit. Ich bin gerührt von dem Anblick und möchte Weinen, doch die Erinnerungen scheinen die Kontrolle über mein Denken und Tun zu übernehmen. Ich werde an meine Mutter erinnert. Wie wir Sonntags zusammen kochten, wie wir zusammen Kleider kauften. Ich sehe meinen Vater vor mir, wie er mich in den Arm nimmt und tröstet. Das Gefühl der Geborgenheit durchfährt mich und ich sehne mich danach. Ich rieche das Parfum, das meine Mutter so oft auftrug, ich spüre die Lippen meines Vaters auf meiner Stirn und muss lachen, weil die Bartstoppeln anfangen, mich zu kitzeln. So sehr ich die Gefühle genieße, die Gedanken verschwinden langsam und die Bilder, die vor mir in einem weißen Nebel zu fliegen scheinen verblassen und der Nebel legt sich. Ich muss mich halten um nicht vom Stuhl zu fallen. Ich suche das kleine Mädchen, doch ich sehe sie nicht mehr. Stattdessen sehe ich eine erwachsene Frau. Sie scheint des Mädchens Mutter zu sein. Ich versuche, meinen Mund zu öffnen und Worte aneinander zu reihen, die irgendwie einen Sinn ergeben, und mir helfen sollen zu erfahren, wo das Mädchen hin ist. Doch ich kann die Worte, die ich denke, nicht sagen. Und doch scheint die Frau vor mir mich zu verstehen. Sie legt ihre zarten Finger auf meine Lippen und strahlt mir ins Gesicht. Woher kenne ich dieses Gesicht? Wieso kommt mir diese zage Berührung so bekannt vor? Und wieder merke ich, wie meine Gedanken sich drehen.
Noah...Noah... schallt es in meinem Kopf. Noah war mein Ehemann, bis er vor 17 Jahren starb. Er ist meine einzige Liebe gewesen und auch heute liebe ich ihn noch wie am ersten Tag. Ich lernte ihn während eines Urlaubs kennen. Ich war 32 und hatte bis da hin nicht viel von der wahren Liebe erfahren. Doch mit diesem einem Mann habe ich nicht nur das Glück gefunden, sondern auch erfahren, was es heißt, zu lieben und geliebt zu werden. Die Jahre waren wunderbar und sind Erinnerungen, mit denen ich gerne in meinen Kopf jongliere und spiele. Ich werde die Erinnerungen niemals fallen lassen. Diese Liebe war innig. Sie verlieh mir Flügel und lies mich abheben und trotzdem hielt sie mich auf dem Boden, denn sie war bodenständig. Er war Bodenständig und konnte mich mit nichts zum Lachen bringen und machte mich glücklich. Als er starb, war ich 75. Ich pflegte ihn, brachte ihn ins Bett, zog ihn an, duschte ihn. Und ich tat es gerne, denn ich liebte ihn. Ich gab ihm all das, was er mir gab und wie er mich gepflegt hätte. Er war sehr schwach und mir wurde zunehmend klar, dass er nicht mehr lange leben würde und das wusste er auch. Wenn ich ihn abends zudeckte, zog er mich oft an sich ran und umarmte mich viel länger, als er es sonst tat. Er brauchte mich, das spürte ich. Und natürlich brauchte ich ihn.
Es war nicht leicht. Oft durchzog mich die Trauer, bevor er überhaupt starb. Und ich musste irgendwie versuchen diese Trauer zu unterdrücken. Ich brauchte lange, um zu verstehen, dass die Liebe allein ausreicht, um einen Menschen am Leben zu erhalten. Unsere Liebe ist wie die Luft, die Menschen alltäglich Atmen. Sie gab mir Kraft. Kraft, die ich auf meinem eigenen Weg zum Tod brauche. Nur weil er sie nicht mehr atmet, ist sie nicht verschwunden. Sie umgibt mich, wärmt mich und jeder Atemzug lässt mich die Liebe, mit der er mir entgegen kam, spüren und macht sie stärker.
- Macht mich stärker -
So durchlebten wir unsere Trauer, und vor allem überlebte ich meine Trauer. Die Zeit lies mich viel nachdenken. Oft saßen wir Abends zusammen und schauten uns in die Augen, weil wir Angst hatten, weil wir wussten, dass wir nicht weiter zusammen leben dürfen. Und trotzdem war es ein weiteres Gefühl, das uns auf unserem Weg begleitete. Glück und Trauer im gleichen Moment. Ich sah Noah an und wusste, dass er nicht sterben wollte. Es heißt, dass die Verbliebenen zu leiden haben. Aber wer denkt an die, die noch so viel mehr verlieren? Wer denkt an die Menschen, die sterben? Wir sehen zwar die Trauernden und fühlen mit ihnen, doch was ist, wenn man selbst stirbt? Meine Hoffnung ist, dass Menschen in den Gedanken der Verbliebenen weiterleben. Bei mir tut Noah das. Er wird immer in meiner Erinnerung bleiben und ich werde niemals vergessen, wer er war und was er für mich bis Heute ist.

Ich wache in meinem Zimmer auf. Es ist bereits hell und ich höre einige Vögel vor meinem Fenster zwitschern. Und ich spüre, dass dies kein normaler Traum war. Meine Schmerzen sind wie weggeblasen und meine Gedanken sind bei meinen Lieben. Bei Noah, meiner Mom und meinem Dad. Vor mir liegt mein Fotoalbum, ich streiche langsam drüber und sehe mir die Fotos an. Ich sehe mich... Einmal, als ich 15 Jahre war und einmal mit 34 Jahren. Neben mir steht mein Mann. Ich Atme ein letztes Mal ein, spüre ein letztes Mal die Wärme einströmen. In meinem Traum sah ich mich selbst. Ich sah mich in meinen glücklichsten Zeiten. Obwohl ich im Nachhinein noch weitere Momente, Lebensphasen nennen könnte, bin ich nun vollkommen glücklich. Und in dieser Sekunde gehen mir Gedanken durch den Kopf die mich in meinem Leben oft begleitet haben und Gedankengänge, die ich niemals zu Ende dachte. Jetzt aber bin ich glücklich. Ich habe gelebt, Ich habe verstanden, ich wurde geliebt und ich lebe in den Gedanken meiner Familie weiter. Ich bin bereit.
 
K

Karn Hardt

Gast
Hallo Generix,

ich lese dich als einen Anfänger-Schreiberling, das ist schon mal gut. Wer schreibt, tut nichts Schlimmeres :)

Zum Text:
Du beschreibst meist, was passieren könnte, doch wäre es besser, es direkt passieren zu lasse. Passivität lähmt den Lesefluss, Aktivität gibt ihm Spannung!!!

Beispiele:

Ein leises Piepsen lässt mich allmählich aus meinem Traum erwachen. Es wird lauter. Schließlich höre ich es nicht mehr nur durch meine vom Traum verzehrte Wahrnehmung, sondern durch meine völlig intakten und wachen Ohren. Das Geräusch dröhnt wie ein Krankenwagen, der nur wenige Meter neben einem steht und das Martinshorn an hat. Ich öffne meine Augen. Die Bilder meines Traumes, die mich vorübergehend begleitet haben, verschwinden aus meinem Gedächtnis und ich fühle mich nun mehr und mehr wie eine gebrochene alte Frau. Das Piepsen endet und eine Stille durchzieht mein Zimmer.
[blue]Du willst lyrische Bilder zaubern, doch die sind voll stehender Wendungen - und widersprechen sich zum Teil auch noch selbst. Das raubt nicht nur die Lust aufs weiterlesen - ich fühle mich als Leser veräppelt.[/blue]

Ideen:
[red]Ein Piepsen nur, das lauter wird, mich munter macht, es ist real. Erschrocken starre ich um mich, sehe mein Zimmer, bin plötzlich wieder alt[/red].

Der Mond scheint durch einen Schlitz in den Gardinen und das Licht fällt auf mein Bett. Wie so oft scheint es, als erleuchte er den ganzen Raum, doch lässt er mich in der Dunkelheit zurück. Meine Gedanken werden klarer. Dieses Piepsen. Es war schrecklich laut. Ich weiß nicht, ob es nun die Neugierde ist, nach der Quelle des Geräusches zu suchen, oder einfach die Lust, sich die Beine zu vertreten, aber ich habe das Verlangen aufzustehen. So seltsam und Normal diese Begebenheit klingt: Es ist keine leichte Aufgabe für eine 96 Jahre alte Frau mit einer Hüftprothese einfach aufzustehen und umher zulaufen.
Idee:
[red]Der Mond schummelt sich durch die Gardinen, ein schwacher Pegel, der mein Bett beleuchtet. Ich liege mittendrin, aber es passiert nichts, obwohl ich auf das Licht warte.
Vermutlich ist meine Hüfte schuld, mit 96 kann man nicht mehr einfach so aufstehen und zu den Toden traben. Da müsste das Licht schon stärker sein. [/red]


Ich ziehe die Bettdecke von meinen Beinen. Es füllt sich an, als würden meine Arme das Gewicht der Decke nicht stemmen können, doch irgendwie schaffe ich es, die schwere Winterdecke aus dem Weg zu räumen. Und plötzlich spüre ich die Schmerzen, die Qualen, die mir der Schlaf und das Träumen nahmen. Ich möchte laut aufschreien, doch ich habe nicht die Kraft dazu. Ich setze mich auf die Bettkante und ziehe mich an meiner Vorrichtung langsam empor. Zum Glück befindet sich mein Rollator immer neben meinem Bett. Mit langsamen Schritten bewege ich mich auf das Fenster zu, mit der Hoffnung, dass meine Kraft ausreicht, um diesen zwar kurzen, aber dennoch schweren Weg zu gehen.
[blue]Diese Passage ist leider so dermaßen gekünstelt gefühlsduselig, dass ich beinahe versucht war, das Lesen abzubrechen. Warum?[/blue]

[blue]Eine 96jährige suggeriert bereits Gebrechen, der Leser kann dem auch ohne Hinweise wie "Gewicht nicht stemmen können", "Schmerzen", "Qualen", "... nicht die Kraft dazu", ".. mit der Hoffnung, dass meine Kraft ausreicht" ... folgen. Doppelte Absicherungen vermuten "Blödheit der Leser" - und das wollen diese nicht!!![/blue]

Hier höre ich erstmal auf, weil ich nicht weiß, ob derart "grobe" Ideen für dich verdaulich sind.

Du müsstest (m.M.n.) Szenen aktiver beschreiben, nicht beschreiben, dass etwas passiert, sondern es passieren lassen.

LG
 



 
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