Tode, Ewigkeit und Sommeranfänge

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Konstantin Wecker hat mal in einem Interview anlässlich seines 50. Geburtstags auf die Frage, ob er Angst vor dem Sterben habe, sinngemäß geantwortet: "Nicht direkt, aber die Tatsache, dass ich vielleicht nur noch 25 mal Sommeranfang erlebe, gibt mir doch zu denken." Konstantin Wecker liebt den Sommer.

Generell will ja jeder jung bleiben, gleichzeitig aber auch steinalt werden. Am liebsten überhaupt nicht erst sterben. Wirklich steinalt sein will aber komischerweise dann doch keiner. Ich persönlich denke, dass 80 ein ganz gutes Alter für den Abtritt ist. Dann ist mein Sohn 56. In dem Alter sollte er damit klar kommen. Würde ich nämlich neunzig oder gar hundert, stünde er als ein 76 Jahre alter Tattergreis an meinem Grab. Keine gute Vorstellung.

Viele Leute würden ja am liebsten nie tot sein, was aber Quatsch ist, da sie a) vor ihrer Geburt ja auch tot waren und das hatte sie damals eigentlich nicht gestört, und das b) es bedeutete, dass sie ewig leben müssten. Mal abgesehen davon, dass das die Rentenkasse mächtig belasten würde, nähmen sie spätestens dann von der Idee Abstand, würden sie die Erklärung meiner Mutter, die Ewigkeit betreffend, kennen. Meine Mutter weiß die Ewigkeit folgender Maßen zu erklären:
Man stelle sich vor, alle Tausend Jahre käme ein kleiner Spatz geflogen und ließe sich auf dem höchsten Gipfel der Alpen nieder. Hier wetzte er sich zwei-, dreimal das Schnäbelchen, dann flöge er wieder davon, um in tausend Jahren wiederzukehren. Wenn nun der Spatz dereinst die kompletten Alpen zu Staub gewetzt haben wird, dann, ja dann ist eine Sekunde der Ewigkeit verstrichen.

Seitdem weiß ich, dass ewiges Leben auch nicht das gelbe vom Ei.
 
N

no-name

Gast
Halo Paule usw., (Himmel, fiel dir kein noch längerer Name ein?!)

deinen Text finde ich einerseits auf sarkastische Weise ziemlich witzig, andererseits bin ich aber auch sehr angetan, von den für mich sehr schlüssigen Gedankengängen, die durch die skurrile Lebensweisheit deiner Mutter abgerundet werden.

Nach meinem Empfinden ist dir ein gelungenes Gedankenpotpourri zum Thema: "Wer will schon ewig leben" aus der Feder geflossen. Ich könnte mir deinen Text gut in so einer Art Kolumne vorstellen. ;-)

Es grüßt no-name.
 
Kolumne

Hallo no-name,

danke für die wohlwollende Kritik. Der Text ist eigentlich auch als Kolumne geschriebn, nur hatte ich mit der Kolumnenspalte hier auf der Seite etwas seltsame Erfahrungen gemacht. Da las man meine anderen Kolumnen als todersnst gemeinte journalistische Texte, was zu zwangsweise zu Missverständnissen führen musste. So dachte ich bei mir, Paule sei ein Schlaule und stell die nächste Kolumne unter der Rubrik Humor ins Netz.

Gesagt, getan und gegrüßt, Paule
 
N

no-name

Gast
Jetzt haste mich schon wieder zum Lachen gebracht, Paule...

Du bist anscheinend nicht nur ein "Schlaule" sondern ein richtig "plietsches Kerlchen", wie wir Nordlichter deine Spezies manchmal wohlwollend nennen...

Mal sehen, was ich noch so von dir lese... ;-)

Grüße von no-name.
 

Mumpf Lunse

Mitglied
Viele Leute würden ja am liebsten nie tot sein, was aber Quatsch ist, da sie a) vor ihrer Geburt ja auch tot waren und das hatte sie damals eigentlich nicht gestört
na ja ... wenn ich mal davon ausgehe (was ich in wirklichkeit ja nicht tu) das der gedanke sinn macht, ergäben sich interessante konsequenzen.

da man vor der geburt ja tot ist, kann man während oder bei der geburt auch nicht sterben. man bleibt einfach tot.
dumm das es sich noch nicht rumgesprochen hat, viele tränen werden völlig umsonst vergossen.
auch für die abtreibungsdiskussion ergäben sich ganz neue perspektiven.
was auch zu bedenken ist: auf die weise ist man quasi ewig tod - na ja, mit einer kleinen unterbrechung - da hat man wieder das problem mit der ewigkeit.
im zweifelsfall würde ich mich dafür entscheiden ewig zu leben. mir scheint es mehr spass zu versprechen als ewig tot zu sein.
notfalls könnte man ja auch sein leben so gestallten, dass es sich vom tot-sein nicht zu sehr unterscheidet. ich meine: wenn schon ewigkeit dann mit einer gewissen kontinuität, oder?
aber das ist wohl eine sehr individuelle entscheidung.

lg
mumpf
 
ewig tot sein

Berechtigte Gedanken, Teuerste!

Ich mus mich wohl korrigieren - man ist vor der Zeugung tot, nicht vor der Geburt. Und auch das war man in dem Fall nicht ewig, da im Urknall ja angeblich auch die Zeit begonnen hat, zusammen mit der Materie, den physikalischen Basisgesetzen und was man sonst noch so braucht um am Ende einen Haufen Leute zu haben, die sich in einem literarischem Forum über den Sinn des Lebens, respektive des Todes unterhalten können.

Wenn wir jetzt ein Schweineglück haben, dann hat der Papst Recht und wir kommen nach dem Sterben in den Himmel. Mit noch mehr Glück sitzen wir nicht allzu weit vom Schöpfer entfernt und können ihn in einer ruhigen Stunde mal fragen, wie das alles so funktionert mit dem Urknall, der Zeit und dem ewigen Leben.

Liebe Grüße und bitte meinen nächsten Beitrag zu diesem Thema lesen unter dem Titel: "Wie voll ist der Himmel?"

Paule
 

Mumpf Lunse

Mitglied
hallo paule,
Ich mus mich wohl korrigieren - man ist vor der Zeugung tot, nicht vor der Geburt.
wie unappetitlich! - wenn man den akt der zeugung betrachtet.
da treffen sich zwei und fummeln mit irgendwas mausetotem rum, bis es nicht mehr tot ist. wenn man noch bedenkt, dass 'es' ja schon ewig tot ist (das leidige problem der ewigkeit), kann man sich auch gut vorstellen in welchem zustand es sein muss. immerhin wäre es eine erklärung dafür, dass sich der akt der zeugung zunehmend auf's reagenzglas verlagert.

natürlich gäbe es (theoretisch) noch eine gänzlich andere möglichkeit: tot kann nur sein was zuvor gelebt hat. oder anders: tot ist kein daseinszustand, sondern lediglich der zustand nach dem ende des (zuvor vorhandenen) lebens, gebunden an ein konkretes objekt. untrennbar verbunden wie tag und nacht, oben und unten, vorne und hinten, usw.
dann ist man, oder es, aber auch nicht ewig tot, nicht mal nach beendigung des lebens. (weil das was jetzt tot ist, in der form in welcher wir es als lebend betrachtet haben, ja nicht mehr existiert.)
wenn ich sage: 'mozart ist tot' sage ich ja nur das sein leben beendet ist, nicht das er als toter existiert. es ist keine eigenschaft wie 'dick' oder 'faul'. insofern ist tot-sein anders als verheiratet oder schwanger sein, weil man in diesen zuständen ja durchaus noch existiert und man immerhin die chance hat, dass es sich nochmal ändert. das unterscheidet z.b. verheiratete von toten. (die meisten jedenfalls)
deprimierend, ich weiß. und weils so schwer zu ertragen ist, kommen da die religionen ins spiel und stiften ein wenig verwirrung. auferstehung, wiedergeburt, usw.
na ja ... du weißt schon

lg
mumpf
 
Stimmt!

Mein lieber Scholli, das waren jetzt aber ne Menge schlauer Sätze.

Am allerschlauesten fand ich die Feststellung, dass "tot sein" eigentlich gar nicht geht, weil, wenn man tot ist, das Sein ja schon aufgehört hat zu sein. Hä? Verflixt, diese philosophische Paradoxie krieg ich doch garantiert die nächsten vier Tage nicht mehr aus meinem Schädel.

Totsein ist irgendwie voll scheiße!
 
N

no-name

Gast
Moment mal... darf ich mal ganz treudoof fragen wieso
Totsein [...] irgendwie voll scheiße!
sein soll? Ich meine, um das beurteilen zu können, müsste man das "Totsein" doch im Vergleich zum "Am Leben sein" bewerten können, oder? Und das kann ja nun mal (leider) keiner von uns, oder irre ich mich da etwa?
Vielleicht ist das "Totsein" ja auch was ganz Tolles - wer weiß das schon?! Ist doch auch eine ganz nette Vorstellung, dass nach dem Leben noch etwas viel besseres auf uns alle wartet, oder?

Grüße von no-name.
 



 
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