Tödlicher Zufall

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BikeXdream

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Tödlicher Zufall


Sonja stellt die Pfanne auf den Elektroherd und wendet sich Hr. Koch zu, der in der großen modernen Küche am Tisch sitzt und ein Rätsel in einem seiner Wissenschaftsmagazine zu lösen versucht.
“Wie möchten Sie Ihr Steak, Hr. Koch?“, fragt sie ihn in einem sehr freundlichen Ton.
Hr. Koch löst seinen Blick von seiner Zeitschrift und erwidert: „Medium, Frau Schindler! Medium! Bloß nicht roh!“, wobei er erfreut lacht, bevor beide wieder ihrer Tätigkeit nachgehen.

“Schön, endlich wieder einen Job gefunden zu haben“, denkt sich Sonja, „und dazu noch bei einem so freundlichen und gebildeten Mann.“
Vier Jahre nun hatte sie vergeblich nach einer neuen Stelle als Bürokauffrau gesucht.
Hier in der Gegend findet sie wohl keinen Job mehr, der auch nur annähernd in diese Richtung gehen würde, denkt sich Sonja oft. Mit ihrem Alter von achtundvierzig Jahren zieht sie, wie in der Vergangenheit, immer wieder den kürzeren gegen ihre jüngeren Mitbewerberinnen, obwohl sie sich weder bei der fachlichen Qualifikation, noch in Sachen „weiblicher Attraktivität“ vor anderen verstecken muss.

In der Tat, Sonja war eine sehr hübsche Frau, die immer ihren Mann stand. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Nachdem ihr Mann damals kurz nach der Geburt ihrer Tochter bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte, musste sie viele Jahre alleine für die kleine Familie aufkommen, also auch den Vater irgendwie ersetzen. Lisa, ihre Tochter, ist nun fünfundzwanzig Jahre alt, verheiratet mit Mike und Mutter von einem kleinen Jungen namens Tim. Ja, Sonja ist Großmutter und hat den Kleinen tief in ihr Herz geschlossen. Zu schade, dass sie ihn nur sehr selten sieht. Lisa ist mit ihrem Mann vor zwei Jahren nach Hamburg gezogen, da er hier keine Aussicht auf Arbeit hatte. Und noch jemand gehört zu Sonjas Familie, ihr Sohn Andreas, ihr Problemkind, das sie einige Jahre nach Lisa bekam.
Auch hier musste sie wieder ihren Mann stehen, denn das Schicksal wollte es so.

„So, Hr. Koch, hier ist Ihr Steak auf Toast. Ich hoffe, es ist recht so und es wird Ihnen schmecken“, sagt Sonja als sie Hr. Koch den frisch zubereiteten Salat und das Steak auf Toast serviert. „Ich werde mich jetzt erst einmal um die Bügelwäsche kümmern“, fährt Sonja fort und will den Raum verlassen, als Hr. Koch sie bittet zu bleiben.
“Ach, bitte Fr. Schindler, setzen Sie sich doch kurz und leisten mir etwas Gesellschaft“, sagt er in seinem freundlichen Ton, „ich möchte Sie zudem noch um etwas bitten!“

Hr. Koch hatte vor drei Wochen eine Anzeige in der örtlichen Lokalzeitung schalten lassen, in der er nach einer zuverlässigen Haushaltshilfe suchte. Er bestand schon in der Anzeige darauf, dass es sich um eine deutsche Frau handeln sollte, und dafür war er bereit, auch einen etwas höheren Stundenlohn zu zahlen. Auf die Anzeige meldeten sich zahlreiche Frauen, von denen er fünf zu sich einlud, um sich ein Bild von ihnen zu machen. Seine Wahl viel auf Sonja Schindler, die nun seit drei Tagen für ihn arbeitet und sich nun um alles kümmert, was Hr. Koch nicht erledigen kann.
Manfred Koch ist seit sieben Jahren im Ruhestand und hatte sich als Leiter der Entwicklungsabteilung einer großen Elektronikfirma ein kleines Vermögen verdient.
Zwei Jahre nachdem er gegangen war wurde die Firma nach Ungarn verlagert, um dort bei niedrigeren Lohnkosten zu produzieren. Mehr als zweitausend Mitarbeiter verloren ihren Job hier in der Stadt. Zwei Jahre später starb seine Frau an Krebs.
Koch selbst ist ein überdurchschnittlich gebildeter Mensch, der vor den neuesten Technologien nie zurückschreckt, und von seinem äußerlichen Erscheinungsbild und seiner inneren Einstellung wesentlich jünger erscheint.

„Möchten Sie einen Schluck Wein mit mir trinken?“, fragt er Sonja, die nicht so recht weiß, wie sie das nun deuten soll. Ein inneres Unbehagen kommt in ihr hoch. Sollte sie sich in ihm etwa getäuscht haben? Ist er vielleicht doch nicht so seriös, wie sie dachte? Hat er es auf eine sexuelle Annäherung angelegt? Schließlich ist ihr schon aufgefallen, wie Koch sie in manchen Situationen betrachtete. Nein, daran mochte sie nicht denken, denn noch steckt eine bittere Erfahrung in ihr, an die sie sich nicht gerne erinnert. „Nein, ich möchte keinen Wein trinken!“, sagt sie mit nun zittriger Stimme. Ihr plötzlich so nervöses Verhalten fällt Koch auf und er sagt mit beschwichtigender Stimme: „Na, Fr. Schindler, warum denn so nervös. Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben. Ich möchte Sie nur noch um etwas bitten. So setzen Sie sich doch kurz.“ Er steht auf, um Sonja einen Stuhl zurechtzurücken und macht eine freundlich einladende Geste dabei, die Sonja dazu veranlasst, nun doch Platz zu nehmen.
“Ich bin bisher sehr zufrieden mit Ihnen, Fr. Schindler“, sagt er, während er lächelnd ein Stück des Steaks mit der Gabel zum Munde führt. In Sonja legte sich nun die kurz vorher aufgekeimte Befürchtung wieder etwas. „Ich weiß, Sie hätten ab sechs Uhr eigentlich frei, aber, wenn es Ihnen nichts ausmachen würde …“, er stockt kurz und Sonja erwidert, „Ja, Hr. Koch, was kann ich für Sie tun?“
“Nun, wenn Sie mir noch ein paar Besorgungen machen könnten? Die Bügelwäsche können Sie gerne auch morgen erledigen, wenn es Ihnen nichts ausmachen sollte?“
Sonja überlegte ganz kurz und antwortete ihm dann lächelnd: „Ja, OK, Hr. Koch, ich habe Zeit. Das kann ich gerne noch für Sie erledigen.“ Doch in dem Moment fällt ihr ein kleines Problem ein: „Oh –nein – doch nicht! ….“
Koch wusste, dass der Motor von Sonjas Auto vor drei Wochen kaputt gegangen war, und sie sich kein neues Auto leisten kann. Um den Job der Haushaltshilfe zu erledigen, fährt sie die ca. zwei Kilometer mit ihrem Fahrrad. Bevor Sonja den Satz beenden kann, fällt er ihr in das Wort und sagt lächelnd: „Sie können natürlich meinen Wagen nehmen, das ist kein Problem.“
Er vertraut Sonja, und irgendwie gefällt sie ihm.
Er erzählt ihr, dass er normalerweise jeden Donnerstag pünktlich um siebzehn Uhr dreißig losfährt, um Besorgungen zu machen und sich danach mit einem Freund in einem kleinen Cafe trifft, um mit diesem dort bis ca. einundzwanzig Uhr Schach zu spielen. Heute aber habe der Freund bei ihm angerufen und ihm mitgeteilt dass er nicht kommen kann, da er wegen einer starken Erkältung verhindert sei. Sie wollen es heute versuchen, ein Schachspiel dem Computer, online über das Internet, gegeneinander auszutragen. Es sei das erste Mal seit drei Jahren, dass dieses Treffen am Donnerstagabend ins Wasser fallen würde, fügt er mit einem gewissen Stolz hinzu. Sonja lehnt es schüchtern und unsicher ab mit seinem Wagen zu fahren, lässt sich aber dann doch von ihm überreden.
Gemeinsam gehen sie in die vom Innenbereich der Wohnung erreichbare Garage und Koch erklärt ihr kurz die wesentlichen an dem Wagen zu beachtenden Dinge und die Bedienung des automatischen Garagentores.
Sonja setzt sich in den Wagen und fährt los. Während sich das Garagentor schließt, geht Manfred Koch zurück in seine Wohnung, um sich in seinem gemütlich eingerichteten Arbeitszimmer niederzulassen.
Er schaltet seinen Computer ein, lässt die Rollos per Fernbedienung etwas herab und gießt sich einen „1995er Château Montrose“ ein, bevor er sich in seinen Ledersessel setzt.
“Ja, liebe Sonja Schindler, ich werde dich wohl bald zu einem schönen Theaterbesuch mit anschließendem Dinner im ‚Casino-Royal’ einladen. Was sind schon die zwanzig Jahre, die ich mehr verbuchen kann!? Nichts!“, fährt es ihm so durch den Kopf, und es ist ihm, als würde er ein Gefühl wieder erkennen, das er lange nicht mehr verspürte.

Nun ist der Augenblick gekommen, endlich mal wieder abzusahnen. Es ist kalt, der Boden ist gefroren und es liegt kein Schnee. Ideal, um Fußabdrücke im Boden des Gartens zu vermeiden. Und es ist so dunkel, wie sie es brauchen, an diesem Dezemberabend.
Vladimir, genannt ‚Drago’, Sohn von russlanddeutschen Aussiedlern, die 1995 mit ihm zurück nach Deutschland gekommen sind, gibt flüsternd die letzten Anweisungen.
“Alles klar Jungs, jetzt es geht los. Boje, du wissen was du zu tun, OK!?
Costner, du bleiben wie abgemacht immer in meine Nähe!“
Costner, so lautet sein Codename, nickt ihm ernst und zustimmend zu.
Sie nennen ihn ‚Costner’, weil sein richtiger Name Kevin ist und sie den Codenamen von dem bekannten gleichnamigen Schauspieler abgeleitet haben.
Sie haben die Vereinbarung getroffen, sich bei diesen Aktionen nur mit den vereinbarten Codenamen anzusprechen, um sich nicht versehentlich zu verraten.

Die drei schleichen sich geduckt aus den Büschen über den Rasen zur Terrassentür des Hauses. Boje dreht rechts ab, um zur Hausecke zu gehen und um diese herum den vorderen Bereich des Grundstückes sehen zu können. Nervös werfen sie noch ein paar Blicke in die einsehbaren Fenster, doch sie können nichts erkennen. Im Haus ist fast alles dunkel, lediglich aus einem der Fenster im vorderen Bereich des Hauses fällt ein Lichtschein auf den Steinplattenweg im Garten, der rund um das Anwesen angelegt ist, so dass Boje diesen wahrnehmen kann. Doch die drei wissen, dass in der Wohnung eine Schaltautomatik installiert wurde, die die Beleuchtung der Räume zufällig ein- und ausschaltet, um ungebetene Gäste fern zu halten. Boje bleibt unbeeindruckt und die beiden anderen wickeln hastig, aber bedacht, keine Geräusche zu erzeugen, einige Werkzeuge aus einer Decke.
Drago hält die Decke an das Glas der Terrassentür und Costner schlägt zu, als sie von Boje das vereinbarte Handzeichen erhalten. Es klirrt kurz und laut.
Sie warten ca. eine Minute und lauschen in die Dunkelheit des Hauses. Nichts, kein Ton.
“Los, rein“, flüstert Drago, und beide tauchen mit ihren Taschenlampen in die unbekannte Welt der Luxuswohnung ein.

Sonja biegt auf den Parkplatz eines Kaufhauses in der Einkaufszeile der Kleinstadt ein.
“Verrückt“, denkt sie sich. „er lässt mich einfach so mit diesem teuren Auto fahren! Warum tut er das?“ Dabei genießt sie es mit der nötigen Vorsicht, den Audi A6 zu steuern.
“Mein Gott, so etwas werde ich mir niemals leisten können!“, stellt sie fest, als sie einparkt und ihre Gedanken daraufhin wieder einmal zu ihrem Sohn schweifen.
Andreas wurde vor siebzehn Jahren geboren. Er war, wie man in der Umgangssprache sagt, ein ‚Unfall’. Sie hatte damals mit dreißig Jahren einen Mann kennen gelernt, in den sie sich spontan verliebte. Er erinnerte sie zu sehr an ihren verstorbenen Mann, den sie sehr geliebt hatte.
Er hatte ihr viel erzählt an jenem Abend und sie war sich sicher gewesen, dass sie ihr weiteres Leben mit ihm verbringen würde. Es war das erste mal, dass sie schon in der ersten Nacht mit einem Mann intim wurde. Doch dann kam alles anders.
Sie sah ihn danach nie wieder, aber es wuchs etwas von ihm in ihr heran. Es war passiert und sie hätte nie mit dem Gedanken leben können, ein Kind abgetrieben zu haben. Sie lebte immer noch in der Hoffnung, dass er, zu ihr zurückkommen würde, und finanziell stand es damals nicht so schlecht wie heute. Andreas wurde geboren und er wuchs in ihr Herz. Ihre Eltern betreuten ihn, als sie bald wieder arbeiten ging. Sie erinnert sich noch immer sehr gerne an die Kindheit von Andreas. Doch in den letzten Jahren hat er sich zu einem ihrer großen Probleme entwickelt.

Noch immer mit seinen Gedanken bei Sonja, stellt Manfred Koch seine Musikanlage an und zieht seinen Kopfhörer auf, um seine alten Roy Orbison Hits zu hören. Danach setzt er sich an seinen PC und nimmt Kontakt mit seinem Freund Werner auf. Irgendwie glaubt er nicht daran, das Schachspiel heute für sich entscheiden zu können, denn er bemerkt, wie er gedanklich immer wieder zu Sonja abschweift und sich wohl nur schwer auf das Spiel konzentrieren werden kann. Gerade als er über seinen Online-Messanger die ersten schriftlichen Worte mit dem verschnupften Werner austauscht, vernimmt er ein Geräusch, das er nicht zuordnen kann. Er zieht seinen Kopfhörer ab und lauscht noch eine Weile in die Nacht, um etwaige Laute wahrnehmen zu können, konzentrierte sich aber, nachdem er keine Geräusche hört, bald wieder auf die Kommunikation mit Werner.

Sonja schiebt den Einkaufswagen durch den Lebensmittelladen, in welchem sie einiges für Manfred Koch besorgen soll. Ihre Gedanken sind immer noch bei Andreas.
Sie hat ihn nun seit fünf Monaten nicht mehr gesehen, und telefonisch hat er sich auch schon drei Wochen nicht mehr bei ihr gemeldet. Es gab zuletzt immer wieder Ärger zwischen ihnen, weil er in der Schule nur noch schlechte Leistungen brachte und weil sie ihn ständig finanziell unterstützten musste. Letztendlich war einfach kein Geld mehr da, um seine Wünsche zu bezahlen. Es gab einen Riesenkrach, er schmiss die Schule und zog aus, um bei einem so genannten ‚Kumpel’ zu wohnen und sich Arbeit zu suchen.

Als sie sich nach einer Kiste Apfelsaft beugt, bemerkt sie jemanden an sich herantreten. Noch bevor sie sich aufrichten kann spürt sie eine fremde Hand auf ihrem Po.
“Na, du geile Schlampe“, hört sie eine ihr irgendwie bekannte Stimme sagen, „hast du etwa einen Job gefunden bei dem du die Beine nicht breit machen musst!?“
Sonja weiß, schon bevor sie sich zu dem Typ umdreht, wer es ist. Diese schleimige Stimme kann sie so schnell nicht vergessen. Ein lautes Klatschen hallt durch den Laden, als sie diesem Widerling eine deftige Ohrfeige verpasst. Eilig läuft sie zur Kasse, um die Lebensmittel zu bezahlen und sicher zu sein, dem Kerl nicht mehr alleine gegenüberstehen zu müssen.
Es war dieser Ronald Trexler, bei dem Sonja vor einem halben Jahr das erste Mal eine Tätigkeit als Haushaltshilfe angenommen hatte.
Er war verheiratet und kinderlos, und seine Frau war oft über mehrere Tage beruflich unterwegs gewesen. Die beiden verdienten sehr gut und wussten mit ihrem Geld zu protzen. Die beiden waren Sonja sehr unsympathisch gewesen, doch sie wollte es versuchen, zu lange hatte sie keinen Job mehr gehabt. Schon in den ersten Tagen hatte er sie sexuell belästigt. Als seine Frau über mehrere Tage auf einem Seminar war, kam es dann zu einem tätlichen Übergriff. Sie war dabei, die Küche auszuwischen, als er ihr von hinten zwischen die Beine griff und sie gewaltsam umarmte. Er zerriss ihr die Bluse, bei dem Versuch ihre Brüste zu betatschen, und stieß erregt die Worte aus: „Komm, du Schlampe, du willst es doch auch!“
Sonja lief weg und ließ sich nie mehr dort blicken.
Einige Wochen wurde sie dann noch von ihm telefonisch belästigt. Alle paar Tage rief er an und bedrohte sie. „Wenn ich dich erwische, vögele ich dich tot!“, hatte er einmal am Telefon zu ihr gesagt. Schließlich beantragte sie eine geheime Telefonnummer, und seitdem hatte sie ihre Ruhe.
Sie wollte diese unangenehme Erfahrung vergessen, doch gerade vorhin hatte sie bei Hr. Koch wieder daran denken müssen, als sie fürchtete, Koch könne ebenfalls ein derartiges sexuelles Interesse an ihr haben.
Und nun muss sie diesen Typen hier wieder treffen. Sonja ist wütend und beängstigt zugleich. Als sie an der Kasse zahlt, schaut sie sich um, doch von diesem Kerl ist nichts mehr zu sehen. Eilig packt sie die wenigen Lebensmittel in ihre Tasche und läuft in Richtung Parkplatz.
Als sie um die Ecke des Kaufhauses läuft, bemerkt sie, dass Trexler an Kochs Wagen lehnt und scheinbar auf sie wartet. Er musste sie schon beim Einparken des Wagens beobachtet haben. Ihr ist bewusst, dass sie dieser Situation aus dem Weg gehen muss und befürchtet dass Trexler sie und vielleicht auch Koch belästigen wird. Auf der anderen Straßenseite sieht sie einen Taxistand. „Wenn ich vorsichtig bin, wird er mich auf dem Weg dorthin nicht sehen können!“, denkt sie sich und wählt ihren Weg so, dass sie das erste Taxi erreicht, ohne in den Sichtbereich Trexlers zu kommen, und steigt ein.

“Verdammt, da ist doch jemand im Haus“, fährt es durch Koch hindurch, als er wieder etwas zu hören glaubt. Diesmal ist er sich sicher, es waren fremde Stimmen die er gehört hat.
Sie müssen von jemandem gekommen sein, der sich hier im Haus befinden muss.
“Himmel, jemand ist in mein Haus eingebrochen!“, stößt er hervor, so als wollte er es seinem Freund Werner schnell mitteilen. Hastig reißt er sich den Kopfhörer vom Kopf, geht zur Tür, öffnet sie und erstarrt vor Schreck. Vor ihm stehen zwei junge Burschen.

Seit einigen Wochen beobachten Drago und Costner das Haus regelmäßig.
Sie sind sich absolut sicher gewesen, alles haben sie sauber geplant, und nun dies!
Jeden Donnerstag um diese Zeit war er weggefahren und kam nicht vor einundzwanzig Uhr zurück. Andere Personen haben sie nie bei ihm bemerkt.
“Verdammt, was ist hier los? Warum ist zu Hause der Typ? Wie können das sein, er ist doch weggefahren mit Wagen vorhin!??!“ In Dragos Kopf schießen die Gedanken wie wild umher.
Costner steht da wie angewurzelt. Es dauert fast zwei Sekunden, bis Drago wieder handlungsfähig wird und dem Alten, der so plötzlich vor ihm stand, die rechte Faust in den Unterleib schlägt. Auch Costner wird wach und tritt gegen den Kopf, der ihm wegen der Schmerzen durch den Hieb in den Bauch fast schon entgegen fällt. Erbarmungslos prügelt Drago auf Koch ein, der von den Schlägen zurücktaumelt und stolpert. Mit einem dumpfen Dröhnen schlägt Kochs Schädel gegen den Schreibtisch. Besinnungslos bleibt er auf dem Boden liegen. Blut läuft aus einer Wunde seines Hinterkopfes.
Costner schaut Drago beängstigt an und fleht mit zitternder Stimme: „Verdammt, was hast du getan!? Wenn er abkratzt! Scheiße!“
Beide beugen sich über Koch und Drago stellt fest: „Er lebt, er atmen!“
“Was machen wir nun mit ihm?“, erwidert Costner achselzuckend.
“Gehen raus, du sagen Boje, was passiert und holen Stricke aus Tasche, damit wir fesseln ihn können. Ich solange aufpasse auf ihn! Schnell, Dawai, Dawai!“
Costner geht, um zu tun, was Drago ihm aufgetragen hat. Drago zerreißt Kochs Hemd und knebelt ihn mit dem herausgerissenen Stofffetzen.

Das Taxi hält in einer Haltebucht der Straße, einige Meter vor Kochs Grundstück und Sonja steigt aus.

Boje steht noch immer Schmiere, als Costner über die Scherben der zerbrochenen Glastür hastet. „Komm her, Boje“, flüstert Costner ihm zu. Boje schleicht geduckt zu seinem Partner. „Was ist los, Kevin?“
“Du sollst mich nicht so nennen! Hast du den Verstand verloren“, keift Costner schnaufend zurück. „Wo sind die Stricke, ich brauch die Stricke! Der alte Scheißer war zuhause, Drago hat ihn fast tot geprügelt, wir müssen ihn fesseln!“
“Aber, Verdammt, wer war das dann in dem Wagen?“, flüstert Boje, während er die Seile aus seinem Rucksack pult und ihn das Gefühl einer kalten Angst gefangen nimmt, als er merkt, dass es hier anders als geplant ausgehen wird.
Costner reißt ihm die Stricke aus der Hand. „Wir wissen es nicht! Geh zurück und pass auf, ob der Wagen zurückkommt!“, befiehlt er und geht eilig in das Haus zurück.

Über die lange Grundstückseinfahrt läuft Sonja zu Kochs Haus, betritt die Wohnung und erschrickt, als sie einzelne auf dem Flur verstreute Gegenstände erblickt. Dass hier etwas nicht in Ordnung ist erfasst sie im Bruchteil einer Sekunde. Wie versteinert steht sie da, nicht wissend, wie sie sich verhalten soll. Erst als sie einen dumpfen, in sich erstickenden Stimmlaut vernimmt, der aus der offen stehenden Tür des Arbeitszimmers dringt, wird sie aus der Starre zurückgeholt. Sie stellt die Tasche mit den Besorgungen ab und geht leise an die Zimmertür, um vorsichtig hineinzuschauen. Erneut fährt ihr der Schrecken durch den Körper. Vor ihr liegt Manfred Koch, eine stark blutende Wunde auf der Stirn, geknebelt und sich in den Fesseln windend. Zitternd vor Angst nimmt Sonja eine Schere vom Schreibtisch und durchschneidet den Stofffetzen, der Koch fast zum Ersticken brachte.

“Frag den Alten, wo er die Knete versteckt hat!“, sagt Costner aufgebracht zu Drago, der noch in den Schränken wühlt. „Notfalls prügeln wir es aus ihm heraus!“
Erst jetzt kommen sie auf den Gedanken, Koch nach Bargeld zu fragen. Es ist ihr Plan gewesen, alle Wertsachen wie Bilder, Geräte, Antiquitäten und Schmuck aus der Wohnung zu holen. Dass jemand in der Wohnung anzutreffen wäre, hatten sie nie eingeplant, das mussten sie nun erst einmal verarbeiten. „Du hast Recht“, sagt Drago, und beide gehen diskutierend aus dem Schlafzimmer in den Hausflur, um Koch die geheimen Verstecke des Hauses aus dem Hirn zu prügeln.
„Was machen wir mit ihm? Er hat uns gesehen! Er wird uns wieder erkennen!“, fragt Costner, während sie durch den Flur hasten. „Er wird sagen können nichts mehr, wenn wir hier fertig!“, tobt Drago zurück, zieht sein Butterfly-Messer aus seiner Hosentasche und fuchtelt damit wild umher.

Draußen, aus dem Flur, hören sie nun Stimmen. „Dort in der Schublade – Schnell!“, keucht Koch aus seinem nun befreiten Mund, während Sonja vergeblich versucht, den Strick, der ihm die Hände hinter dem Rücken zusammenhält, mit der Schere zu durchtrennen.
Koch wiederholt dringend seinen Appell und Sonja rutscht auf Knien zu dem Schreibtisch, um die Schublade zu öffnen. Sie hat keine Ahnung, was sie dort suchen soll, vermutet aber ein Messer, mit dem sie die Fesseln besser durchtrennen kann. Die Türklinke des Zimmers senkt sich, als Sonja überrascht eine Pistole aus der Schublade greift. Fast wahnsinnig vor Angst hechtet sie hinter den Schreibtisch und kauert dort, versteckt vor den gerade eintretenden Unbekannten.

Drago und Costner betreten das Zimmer.
Koch liegt noch scheinbar bewusstlos am Boden. Die beiden treten an ihn heran und bemerken zeitgleich den durchtrennten Stofffetzen der neben ihm liegt. Sie schauen sich wortlos für eine halbe Sekunde in die Augen und fahren dann wie von Hornissen gebissen herum, um sich im Zimmer umzusehen. Als sie auf den ersten Blick nichts Verdächtiges sehen, beugt sich Drago über Koch und zerrt ihn in eine sitzende Haltung. Costner steckt seinen Kopf die Tür hinaus und schaut noch mal in den Flur. Drago gibt Koch mehrere schallende Ohrfeigen und schreit: „Wie du hast Knebel durchtrennt?!?“
“Verdammt, diese Tasche stand doch vorhin noch nicht auf dem Flur, oder!?“, schreit Costner, als er die von Sonja abgestellte Tasche nun bewusst wahrnimmt.
Koch spürt derweil die kalte Klinge des Butterflymessers an seinem Hals, während Drago ihn schüttelt: „Was ist hier los, wer noch hier!?? Du sagen mir jetzt, sonst ich schneid dir Kehle durch!“
Costner schaut sich genauer im Zimmer um. Als er um den Schreibtisch läuft, entdeckt er Sonja, die zitternd dahinter kauert. Er stürmt auf sie zu und reißt sie an den Haaren in die Höhe. Sonja hält die Hand mit der Pistole noch krampfhaft hinter ihrem Rücken versteckt.
“Drago, wen haben wir denn hier!?“, schreit er, als er sie hinter dem Schreibtisch hervor zerrt.
Sonja sieht das Messer an Manfred Kochs blutverschmiertem Hals, in dessen Haut es sich durch Dragos Anpressdruck schon leicht eingeschnitten hat, und in einem Augenblick, in dem Costner zu Drago schaut, fährt ihre Hand mit der schweren Parabellum nach vorne und schlägt platzend an Costners Schläfe. Der taumelt und fällt wie ein Sack zur Seite, um dann krachend auf den Parkettboden zu schlagen. Drago springt auf und geht auf Sonja zu, die daraufhin die Pistole auf ihn richtet. Erst jetzt nimmt Drago wahr, was Sonja in der Hand hält. Sofort bleibt er stehen, nimmt seine Hände, in der einen noch das Messer haltend, auf halbe Höhe vor seinen Körper und sagt in beschwichtigendem Ton: „Du wollen doch Menschen erschießen nicht, oder!?“ Sonja steht da, weinend und am ganzen Körper zitternd.
Drago redet auf sie ein: „Ruhig sein, komm, ich dir mein Messer geben, ich nichts dir machen!“, wobei er das Messer ganz langsam an der Schneide in seine linke Hand nimmt, behutsam einen Schritt auf Sonja zugeht, und ihr das Messer mit dem Heft voraus anbietet.
Sonja ist wie gelähmt, und als Drago mit dem Messer auf Höhe der Pistole ist, schlägt er mit seiner rechten Hand plötzlich gegen Sonjas Arm, so dass die Parabellum aus ihren Händen gleitet und gegen den Schreibtisch fliegt. Dort prallt sie ab und fällt direkt vor Kochs Füße. Drago schaut der davon geschleuderten Pistole nach, um sich schnell nach ihr zu bücken. Als er sie greifen will, gibt ihr Manfred Koch mit seinen gefesselten Beinen einen Kick und sie rutscht ca. zwei Meter weit, direkt vor Sonjas Füße. Dragos Kopf befindet sich durch seine gebückte Haltung genau über Kochs Beinen und sein Blick dreht sich in die Richtung, in die die Pistole rutscht. In diesem Moment zieht Koch die Beine an und tritt ihm mit ganzer Kraft gegen den Hinterkopf. Sonja hebt rasch die Pistole auf und schießt das 9mm Projektil in Dragos Oberschenkel, der daraufhin zur Seite taumelt und links von Koch auf den Boden fällt. Sonja steht, nervlich völlig zerstört und wie paralysiert, neben der Tür.

Boje hört einen lauten Knall, so etwas wie einen Schuss, durch die zerbrochene Terrassentür. Besorgt entschließt er sich, nachzuschauen, was in der Wohnung vor sich geht.
Im Wohnzimmer greift er sich einen schmiedeeisernen Schürhaken aus dem Kaminbesteck und eilt durch den langen Flur bis zu der Tür, aus der er die Stimmen hört.
Er zieht sich seine Motorradkapuze über das Gesicht. Als er durch die schmalen Augenschlitze in das Zimmer schaut, sieht er nur den gefesselt auf dem Boden liegenden Koch, der ungestüm an den Stricken zerrt, die eng um seine Hände und Beine geschlungen sind. Dann hört er die Stimme Dragos, die wütend brüllt: „Ich dich fertig machen, du Schlampe!“
“Verdammt, was ist hier los?“, denkt Boje, und eine nie gekannte Angst fährt durch seinen Körper. Er ist zum ersten Mal bei einem solchen Einbruch dabei. „Alles wird gut gehen! Keiner wird zu Schaden kommen - haben Drago und Costner ihm versichert! Und nun diese Scheiße!“, fährt es ihm durch den Schädel.
Boje ist erst vor einer Woche von Costner zur Teilnahme an dem ‚Bruch’ überredet worden. „Das ist doch schnelles Geld – Kaum ein Risiko, wir haben alles genau geplant!“, hört er ihn noch immer in seinen Ohren. Und er hat sich darauf eingelassen, um endlich seiner Mutter nicht dauernd ‚auf den Taschen zu liegen’.
Vergebens hat er sich um einen Job bemüht, der es ihm ermöglicht, seine Lebenserhaltungskosten zu decken. Als er dann wochenlang für einen Euro pro Stunde die Straßen der Stadt kehrte, lernte er Costner kennen. Auch er kehrte mit ihm den Dreck der Wohlstandsgesellschaft von den Gassen, las die Hundescheiße vom Grün der Parkrasenflächen. Costner hatte schon öfters einen Coup mit Drago, den Boje bis vor einer Woche noch nicht kannte, durchgezogen. Costner war es auch, der es in Erfahrung brachte, dass dieser Manfred Koch verdammt viel Kohle hat und regelmäßig Donnerstagabends zum Schachspielen zu dem Vater eines seiner Bekannten fährt. In diesem Moment bereut es Boje, diesen Costner überhaupt kennen gelernt zu haben. Aber er kann es jetzt nicht mehr ändern. Verdammt, er musste jetzt da durch! So wie er Drago kennen gelernt hat, würde der ihm glatt die Kehle durchschneiden, wenn er die beiden im Stich lässt.
Boje hält den Schürhaken zum Schlag bereit in den Händen und tritt durch die Tür.

Sonja ist gelähmt vor Todesangst. Sie steht hinter der Tür an der Wand und sieht den Maskierten in das Zimmer treten. Im Unterbewusstsein umschließt sie die Parabellum in ihren Händen, die Mündung geradewegs nach vorne haltend.

Nun sieht Boje Drago links von ihm an der Wand liegen. Er presst sich den Handballen auf den Oberschenkel, der von Blut völlig überströmt ist. „Passen auf, hinter Dir! Machen diese Hure fertig!“, schreit Drago und schaut warnend zur rechten an Boje vorbei.
Boje dreht sich rasend um, den Schürhaken hoch über dem Kopf schwingend, und sieht eine Frau vor sich stehen, die verängstigt und zitternd eine Pistole im Anschlag hält.
Seine Gedanken erstarren, als er durch die Schlitze seiner Motoradkaputze in das Gesicht der Frau schaut.

Sonja sieht etwas Bedrohliches in seinen Händen, das gleich auf sie einschlagen wird.
Ihr Unterbewusstsein veranlasst den Zeigefinger sich zu krümmen.
Als sie die Worte „Mutter – Du?“ in ihrem Gehörgang vernimmt, hat sich der Schuss schon aus dem Lauf gelöst. Die Kugel durchschlägt die Brust von Boje und schleudert ihn auf den am Boden liegenden Koch. Das Blut spritzt an die Wand und in Dragos Gesicht.
Noch bevor der Schürhaken auf dem Boden aufschlägt, durchbricht Sonjas qualvollster Schrei die kalte Dunkelheit ihrer schmerzlichsten Nacht: „Andreas!?! ….Nein!“
 

F Fuller

Mitglied
Folgendes ist mir aufgefallen:

"Besinnungslos bleibt er auf dem Boden liegen. Blut läuft aus einer Wunde seines Hinterkopfes."

Und dann:

"Vor ihr liegt Manfred Koch, eine stark blutende Wunde auf der Stirn"

Sonyas klischeehafte Erfahrungen mit ihrem früheren Arbeitgeber finde ich für eine Kurzgeschichte überflüssig. Die sparsamen Informationen über das Sorgenkind Andreas im Gegensatz zu den recht ausführlichen Infos über Lisa deuten schon darauf hin, dass es mit ihm etwas auf sich hat. So war ich mir bei der Einführung der drei Einbrecher schon recht sicher, dass es sich bei Boje um eben diesen Sohn handeln musste.

Positiv: Herr Koch (übrigens: die Abkürzung Hr. ist etwas unüblich) kommt sehr sympathisch rüber, was bei den Lesern dazu führt, dass sie unbedingt wissen möchten, ob dieser nette Herr die Sache überlebt oder nicht.

F.
 

BikeXdream

Mitglied
Hallo Fuller,

danke für deine hilfreichen Hinweise.
Die Story wollte ich eigentlich nie unter „Krimi -Thriller“, sondern unter "Kurzgeschichten" hier einstellen, dort wurde sie aber „eliminiert“.
Das ist der Grund dafür dass die Geschichte für einen reinen Krimi vielleicht ein wenig zu viel Ballast mit sich herumschleppt. Die Sache mit „Trexler“ brauchte ich, um einen Grund zu haben dass Sonja nicht mit dem Wagen zurückfährt.
Ich werde die Story in einiger Zeit unter Auswertung aller Kritiken nochmals überarbeiten bzw. "abspecken". ;)


LG
Bike :)
 



 
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