Toskanische Wand

Die Wand der Augen
(Toskanisch)







TIEFEN. HARMLOS

1
Im Gehör großes Labyrinth
da Zirpen Zikaden
Vögel dazwischen
und Überbringer der Zeit
fern am Horizont übt die Marine
ihren selbstgemachten Donner

Bewußtsein wie es so spielt
dissonant
ins Auge ins Ohr hinein
und verwirrt

Das Trommelfell trommelt
auf die Vögel ein
sie fliegen
durch den Kopf

wie ein Gedanke
aus Tiefen harmlos
wie ein Herzschlag

Was aber
wenn es ausbleibt
dies himmlische Gift
unser Tag?


2
Blitz der Gedanken, haarige Mitte,
vom Himmel gefahren die Freude
endet in uns als Krieg

Du bist in Hirngewittern
harmlos da. Der Alltag
zwischen Inseln heute
gefährliche Märchen
hab ich im Auge
Kriegsschiffe Schnellboote

Ankommt die Welle
der Epochen geschlagen
sollen wir werden
vom eignen innern Hirngewitter

Gedichte auf ein Reißbrett
geworfen
geträumte Welt
schieß zu.

La Spezia Palmen fächeln schmerzhaft
weißes Licht in mein Auge
kein Übergang/ Schlag
in jeder Sekunde

Nah ist der Donner.

DACHDECKEN

Ich steig mir aufs Dach
ein Dach über dem Kopf will ich bauen
der Sattel des Berges über mir

Darüber ein Vogel
er hat voll Vertrauen
sich unter den Himmel gelegt

Über dem Meer blinkt laut
und rot ein kleiner Helikopter

Ein offener drohender Kinderhimmel
grau wegen kommender Gewitter
gibt mir den Blick frei
zum physischen Auge der Sonne

Ihr Haus
ist unsichtbar und unterteilt
ganz ohne Dach und mit feurigen Strahlen

Wir fühlen sie
wie müde Schlangen
in unserem Rücken
und heiß wenn wir aus dieser Sicht
langsam herabsteigen.

*
Im Schlaf der Schrei

die Toten haben dich erreicht
du zitterst laut
lösch aus lösch aus
die sogenannte Welt
die dir den Strahl verstellt.

Der Augenblick bricht auf
Hinweg hinweg stehn
still Gedanken
sie sieben diese Welt.

Und bin in dir und werde jetzt
im Vers so hell
stehe still und atme noch

Ein Augen Blick war ganz bei ihnen
kehrt jetzt zurück ich staune wieder
daß ich noch bin.


Und hör die Stimme nur im Wort
die jetzt beginnt: du bist bei uns
komm sei uns näher
als dir bewußt

wir sind in jedem Gras Halm
den du siehst/ er ist nicht mehr
es ist dein Blick der ihn erschafft
im Finger der bewegt
und uns bezeichnet

Wir sind so nah daß du
uns gar nicht sehen kannst
wir sind in dir
und du in uns geborgen.

Daß er sich hinzieht ein Tag in den andern
und daß er täglich zum Fenster wandert
im gleichen Blick

das Blatt
am Baum

Die Zeit aber ein Trost
als käme etwas nach
und es käme an
was uns fehlte

Doch wenn sich einmal das Blatt
wendet und sich vielleicht
unser Blick/ verändert
hat uns die Trösterin Zeit
längst erschlagen

Was immer schon fehlte
hat uns erreicht

Und dann erst beginnt
das Fehlen/ zu zählen
der Umweg den wir gelebt

ist neu

Vorgefahren
hat die Kerne
entdeckt zu seiner Geschichte

die prüft die Sekunden wie Weltgerichte
ob du das weißt?

der gewohnten Tage
Die Frage wird wieder zurückgenommen
der Körper - nur noch ein aufgelöstes Kleid
die Vorgabe die wir waren
reißt.








Du staunst wie draußen alle Bäume wachsen
und grün dir in dein Auge winken
das nicht mehr ist/ ein milder Trotz
so geht die Zeit durch dich
das Alter der Zerstörung hielt dich fern von ihm,
dem Sinn - und seinem Gegensatz:
dem festen Schein des Alltags
und dem Werk der Blindheit, seinen Staaten
mit ihren Kriegen Tötungs-ri-tualen
und ihrem Innersten der Einen Wirtschaft
die sich mit grausamem Gesetz verteidigt.

Schuldig gesprochen längst von ihnen,
die sich mit jenen Fremden trafen
Botschaften schickten an die Renegaten, an
die Regieren-den, die Macht der großen Blindheit
unserer Welt, Atom, Rakete Gott der Erde

da sie es stören - lange schon
das Gleich-gewicht der Sphärenräume
im großen Licht des Alls.

Dieter Schlesak 2001
 



 
Oben Unten