Träumend den Sezessionskrieg erahnt

3,30 Stern(e) 4 Bewertungen

Carlo Ihde

Mitglied
Träumend den Sezessionskrieg erahnt (Ein Liebesgedicht)

Neulich du so: was ist wenn
das alles temporär ist, du
und ich vergebens Schlachten
schlagen gemeinsam blind?

Träume dann:
du ein Kampjet da oben
angekratzt zwar aber schnell
weg, der Krieg nicht der deine.
Auf einer militärischen Landkarte
war ich ein Feldlazarett,
nur da solange es Wunden gab
in diesem singulären Krieg
mit dir.
Neulich war ich Nebel,
dein Traum verlangte es so.
Ich wurde Tau auf deiner Haut,
dann erwachtest du schweißgebadet.
Neulich war ich dein Trauma,
du im Krieg mit dem Sinn des Lebens,
ich dein billiger Friede, Stempel
Unterschrift auf ein Papier.
Ist Kriegsgerät so leicht zu zähmen?
In Gedanken zogst du schon weiter.
Dann erwachte ich schweißgebadet.

Alles weil, salopp, dir neulich
ein Vergleich entglitt, der schmerzte:
die größten Kriege dieser Welt
seien vorbei gewesen eher sie
unsrer Beziehung an Alter glichen.
 

Carlo Ihde

Mitglied
Danke Meral, ging mir bei dir neulich auch so. Es sind die Bilder, nicht die Worte, Worte können nichts-sagend sein, wenn sie keine Bilder transportieren.
 
H

HFleiss

Gast
Träumend den Sezessionskrieg

Etwas gefällt mir nicht an diesem Text: die Bilder des Militärischen. Ich glaube nicht, dass man eine menschliche Beziehung auf Krieg und Frieden reduzieren sollte. Ja, es herrscht Unfriede mitunter, aber das militärische Vokabular lässt mich mit diesem Text überhaupt nicht mitgehen. Ich halte ihn für modisch verfehlt.
Hanna
 

Carlo Ihde

Mitglied
Ich habe die Beziehung auch nicht auf Kriegsvokabular reduziert, sondern ich habe die Darstellung einer Beziehung um die Möglichkeit der Verwendung von Kriegsvokabular erweitert.
Dass der Text von Anfang an dieser Bilderspur folgen musste, war aus den Phantasien entstanden, die das lyrische Ich haben musste, seitdem es ja [blue]neulich[/blue] von seiner geliebten Person einen zynischen Vergleich in die Hand gedrückt bekommen hatte. Da begann das lyrische Ich diesen Faden weiter zu spinnen. Ist Liebe gleich Krieg? Wie leicht sind wir durch ungemachte Verträge und ungeschriebene Gesetze zu zähmen? Kann man sich selbst aus der eigenen Schlinge ziehen, wenn man ein Kampfjet ist und also mit Überschallgeschwindigkeit fliegen kann und alles, was da so von gestern noch am Boden klebt schnell hinter sich lassen.

Wenn dir die Tatsache nicht behagt, liebe Hanna, die sich aufgrund der Vergleiche am Schluss herausstellen muss: nämlich dass die Beziehung zu Ende ist, weil sie hässliche Vergleiche hergibt, dann gebe ich dir Recht. Das behagt mir bisweilen auch nicht.
 
H

HFleiss

Gast
So ausführlich, wie du das erklärst, Carlo, hast du sicher irgendwo recht, kann man nicht widersprechen. Trotzdem, irgendwas fehlt. Vielleicht die drei Wörter. Immerhin behauptest du im Titel, dies sei ein Liebesgedicht. Doch höchstens ein gewesenes, in dem scharf geschossen wird. Hanna
 

Carlo Ihde

Mitglied
Ich hatte ürsprünglich geplant in den Titel die Begrifflichkeit des "Bedauerns" mit einfließen zu lassen, weil es mir wichtig gewesen wäre, das auch über den Titel etwas deutlicher zu machen. Aber ich wollte nicht jeden Leser durch das Vorkauen an dem eigentlichen Erkenntnisprozess hindern, die Liebe ist tatsächlich vorbei, deshalb darf scharf geschossen werden. Oder wird nur deshalb scharf geschossen, WEIL die Liebe vorbei ist? So im Detail möchte ich das gar nicht alles klären.
 

Carlo Ihde

Mitglied
Ich musste nochmal nachlesen, liebe Hanna, du bemerktest, dir würden die "drei Wörter" fehlen. Welche meinst du? Meinst du [blue]die drei[/blue] Wörter a la ich liebe dich oder so? Hast Recht. Sowas kann nicht jeder einfach so sagen. Ich schon gar nicht. Vielleicht ist diese Distanz und Sprödigkeit, die Dinge nicht anzusprechen, eine Art von Unfähigkeit oder Verdrängung oder beidem.
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo Carlo,

zunächst wirkt der Titel ein bisschen bedeutungsheischerisch, aber ich denke jetzt, er passt sehr gut. Den Verweis auf ein Liebesgedicht halte ich sogar für überflüssig.
Ich stelle mir das spannend vor, wenn man als Leser durch die Wendungen folgt und nach der letzten Strophe wieder von vorne anfängt.
Kann es sein, dass es in der letzten Strophe 'ehe' und nicht 'eher' heißen soll? Sonst verstehe ich sie, fürchte ich, nicht.

Gruß
Petra
 

Carlo Ihde

Mitglied
Hast Recht, petra, Titel ist bedeutungsheischend, wegen den Partizip "Träumend", dem Fremdwortstamm "Sezession" und das Erahnen und nicht das "Sehen" weil im Traum hätte man Dinge auch sehen können. Ich wollte dadurch abschrecken. Im Endeffekt gucken dann nur die interessierten Leser rein und hoppla: die finden dann da so ein seltsames Liebesgedicht, das sie im bestenfall auch nur verstört, zumindest würde ich mir das wünschen.


Du fragst nach "ehe". Sowohl ehe als auch eher benutzt man für Darstellungen von Vorzeitigkeiten oder Relationen. Ich würde eher sagen, dass man hier das [blue]eher[/blue] benutzen sollte, weil es die vergleichende Zeitigkeit besser betont als das ehe, dass an Satzanfänge gestellt ( [red]"Ehe ich das nicht weiß, wird es kein Geld geben" [/red]oder so) weniger stark die Zeit als den Kontext definiert, ( hier im Beispielsatz kommt die Relation zum Ausdruck durch die Bedingung). Mein eher im Text ist keine Bedingung sondern vielmehr eine Zeitigkeit. Im Endeffekt gibts da glaub ich keine Regel.
 

Carlo Ihde

Mitglied
Habs noch mal nachgelesen: meine Deutung des Unterschiedes zwischen "ehe" und "eher" erschließt sich mir selbst nicht ganz. Das wirkt wieder so, als hätte ich da in meinem halbakademisch-intellektuellen Selbstversorgertum eine Erklärung gefunden, die keine ist. Kann jemand eine richtige Antwort geben? Wäre dankbar.
 



 
Oben Unten