Traum (gelöscht)

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

jon

Mitglied
Teammitglied
Gut. Neuer Versuch, einem nicht untalentierten jungen Schreiber zu zeigen, dass auch er immer noch besser werden kann.

An diesem Text finde ich zwei Dinge schade: Der Kniff mit dem Traum macht den Text zu einer bloßen Studie in Sachen Suspens und diese Studie bleibt etwas(!) zu wenig gelungen. Die Bilder sind sicher sehr passend, um sowas wie „Grusel” zu erzeugen, aber der Text hält vom Klang her nicht mit.

Ein großer Stimmungskiller ist übrigens, dass du in der Überschrift schon erwähnst, dass es ein Traum, also unwirklich ist. Nun kann man eine Text sicher trotzdem spannend schreiben, aber dir gelingt das eben noch nicht gut genug. Oder man macht das Ende anders, aber dazu mehr am Schluss …


Dichter Nebel lag wie ein grauer Schleier vor seinen Augen.
Genereller Hinweis: Das Bild ist ok, aber viel benutzt. Du beherrschst Sprache so gut, dass ich behaupte, du kannst origineller sein.

Sein Körper fühlte sich seltsam schwer an, als hingen Gewichte daran, welche ihn unbarmherzig nach unten zogen. Seine Füße berührten keinen Boden, das Gefühl zu fallen war jedoch nicht vorhanden. Schwebte er?
Das widerpricht sich – entweder etwas zieht ihn nach unten (Geschwicht) ODER er hat das Gefühl, zu schweben.

Ein lautes Lachen war zu hören. Es hatte keinen Ursprung, vielmehr schien es von nirgends und überall zugleich zu kommen. Er schüttelte seine paradoxen Gedanken ab.
Es hatte sicher einen Ursprung, nur kann er ihn nicht ausmachen.
„von nirgends und überall zugleich” klingt zwar „schön” paradox, ist aber nicht nachvollzeihbar. Ich weiß, dass das gern verwendet wird, aber was genau soll der Leser dabei hören?
Was sind paradoxe Gedanken? Ich sehe ihn hier überhaupt nicht denken, nur etwas wahrnehmen.
Hier ist zum Beispiel so eine Stelle, die zu nüchtern ist. Du schreibst es wie pure Beobachtung, das durch das unheimliche Lachen erzeugte Gefühl findet nicht statt. Das Lachen könnte - nur mal als Beispiel – als „viel zu nah” wahrgenommen werden, LyrEr könnte sich suchend nach der Quelle umsehen (Gefahr abschätzen/irritiert sein), er könnte … ich weiß nicht, lausch mal in dich hinein, wie es sich anfühlt.


Jemand lachte ihn aus. Aber weshalb. Niemand hatte einen Grund dazu? Oder etwa doch?
Da ist ein Fragezeichen verrutscht - es gehört hinter „weshalb” und nicht hinter „dazu”.


Der Nebel begann sich allmählich zu lichten. Vor ihm befand sich eine lange Menschenschlange. Sie führte gerade aus und mündete schließlich in einem kleinen Gebäude.
Die Leute waren alle in graue Gewänder gekleidet.
Etwa mündet in ein Etwas, nicht in einem Etwas. / Eine Schlange mündet gar nicht, ein (Menschen)Strom kann irgendwo münden.
Lange Menschenschlange ist doppelt gemoppelt - kurz wäre es keine Schlange.
Hier zum Beispiel könntest dem Auflösen des Nebels folgen, der nach und nach das Bild auf die Schlange und schließlich das Gebäude (fern, eher nah?) freigibt.

Er blickte an sich herab. Auch er trug graue Kleidung. Es störte ihn nicht.
Warum sollte es ihn auch stören? Meint: Dieser Nachsatz ergibt nur Sinn, wenn LyrEr sich bewusst ist (oder im nächsten Moment daran denkt), dass ihn das sehr wohl stören sollte. Was anderes wäre es, wenn er ein konkretes Gefühl damit verbinden würde – es gefällt ihm, er fühlt sich wohl, es irritiert ihn … (Beim Schreiben sollte man nie „nackte Nicht-Zustände” zum Beschreiben nutzen, weil es dem Leser nichts hilft, zu erfahren, was er nicht sieht. „Der Ball ist nicht blau.” Ok. Und wie sieht er nun aus? (Nackt meint: Die Info „Der Ball ist nicht blau.” ist nur hilfreich, wenn er es aus irgendeinem Grund hätte sein sollen.)

Alle in der Reihe machten gleichzeitig ein paar Schritte nach vorne. Auch seine Füße bewegten sich in selbige Richtung. Unter diesen war eine wabernde Masse aus Nebel zu sehen.
Das Wort „selbige” passt nicht, es kling wie aus einem anderen Stil hergeborgt.
Suspense: Die Menschen könnten trippeln (dann stehen sie sehr eng) oder synchron ein paar (große) Schritte machen (das würde an Marschieren erinnern).
Ok, der Nebel „war zu sehen” - sah er ihn auch? Es erzeugt mehr Mitfühl-Nähe, wenn man die Personen etwas wahrnehmen lässt, statt so unpersönlich zu bleiben.


Die lachende Stimme erklang nun schon zum dritten Mal. Sie war ihm unheimlich.
Die Idee ist gut, aber die Info, dass er sie unheimlich findet, ist emotional extrem schwach. Gut für einen Bericht oder im Rahmen eines Ablaufes, in dem eine Menge anderer Sachen passieren – hier soll aber ein Gefühl von Unheimlichkeit erzeugt werden. („Er liebt sie” vermittelt auch kein Gefühl dafür, wie sehr/auf welche Art er sie liebt.)


In langsamen aber stetigen Tempo bewegten sie sich auf das Gebäude zu. Es hatte grau getönte Fensterscheiben.
In langsamem aber stetigem Tempo
Wie: „stetig”? Sagtest du nicht gerade, die gehen „ruckweise”?


Über dem Eingang stand etwas geschrieben, doch er war noch zu weit entfernt, um es lesen zu können. Es waren rabenschwarze Lettern. Das Wissen, diese würden sein Schicksal verkünden, war plötzlich in ihm. Er würde sich ihm wohl fügen müssen. Hatte er überhaupt eine andere Wahl?
Bis „ihn ihm” sehr gut. Das andere ist überflüssiger Nachsatz – das steckt in „Schicksal” alles schon drin.


Das abermals höhnische Lachen jagte eine Welle der Angst durch seinen Körper.
Gut!

Dem Gebäude entgegengehend, drehte sich plötzlich die Gestalt vor ihm um.
Eisige Furcht legte ihre kalte Hand um sein Herz.
Zu langer Satz für ein plötzliches Ereignis. Der „Vor-Satz” ist auch überflüssig. Wenn er meint, dass gerade wieder Schritt gemacht werden, dann ergibt da Folgende keinen Sinn. (Versuch mal, vorwärts zu gehen und dabei einen Menschen hinter dir anzusehen, so dass dieser dein Gesicht so genau erkennen kann, wie LyrEr das dieses Menschen!)


Sein Ebenbild schien ihn aus seltsam leblosen, hypnotisierten Augen anzublicken.
Wieso „schien”? Sah es ihn nun an oder nicht? Auf die Entfernung sollte das eindeutig zu klären sein!
Das mit dem Ebenbild geht unter, der Satz klingt, als sie es logisch/habe er erwartet, dass ihn sein Ebenbild anblickt. Das kann man machen, passt auch zum Traum, ich bin nur nicht sicher, ob du das sagen wolltest.

Der Mund, zu einem gezwungenen Lächeln verzogen, lächelte ihn an.
Doppelt gemoppelt

Er wusste was er sehen würde, nichtsdestotrotz war sein Entsetzten gewaltig.
Komma nach „wusste”
Suspense: Trockene Aussage. Wie wäre es mit „trotzdem traf es ihn wie ein Schlag” oder „trotzdem setzte für einen Moment sein Herz aus” oder …

Alle Gesichter waren ihm vertraut, er kannte sie in und auswendig. Es war sein Gesicht. Alle Leute der Reihe waren seine Ebenbilder.
Dopplung „alle”. (Du benutzt das Wort gleich nochmal, es scheint also Absicht zu sein. Aber der beabsichtigte Effekt tritt nicht ein, weil er „halbherzig” ausgeführt wird. Das „alle” muss wenigstens dreimal „kurz” hintereinander {und das möglichst auffällig und in gleicher „Wertigkeit” auftreten. Dann ist das {dann} vierte „alle” quasi ein Zitat, ein Aufgreifen der „alle gleich”-Aussage.)

Die hypnotisierten Blicke auf ihn gerichtet, machten alle, einschließlich ihm, einen weiteren Schritt nach vorne, auf das Gebäude zu, das sein Schicksal in Klauen hielt.
Ein Gebäude hat keine Klauen, in denen es etwas halten könnte. (Bilder müssen stimmen!)
siehe ob: Wenn die ihn direkt ansehen, wie können die dann „nach vorne” gehen?

Sein Blick wanderte nach vorne und blieb an dem Schriftzug über der Tür hängen.
Dopplung „vorne”
An dieser Stelle der Hinweis: Das Wort hießt „vorn”, „vorne” ist nur umgangssprachlich.

Nun war er nahe genug um diesen entziffern zu können. Während er ihn las vermehrte sich seine Angst um ein Vielfaches.
Kommas nach „genug” und nach „las”
Ok, das mit der Angstvermehrung ist nicht wirklich schlecht, aber es klingt gekünstelt, spricht mehr den Kopf als das Gefühl an.

„HaHaHaHaHaHa!”, ertönte das Lachen voller Abscheu vermischt mit Hohn.
Erstens ist das zu sehr von hinten her aufgezogen („man mische Abscheu mit Hohn und fülle damit das Lachen”), statt in der Lesereihenfolge („Lachen voll Hohn und Abscheu”), und zweitens ist das zu lang, um zu wirken (kürzen! wir wissen doch schon, was in dem Lachen mitschwingt).
Übrigens: Dass Abscheu und Hohn gern (in Blicken und/oder Lachen) gemischt werden, weiß ich, und was die Verbindung dieser Regungen angeht ist das sicher oft berechtigt. Aber bei dem, was man sieht, ist ein eindeutig höhnisches Lachen besser erkennbar als ein „gemischtes” (wobei: es gibt kein Abscheu-Lachen) und ein höhnisches Grinsen auf einem Gesicht ODER ein abfälliges Mundverziehen (Abscheu) ist besser sichtbar, als wenn man versucht, beides auf einmal hinzukriegen. Versuch doch mal, selbst zugleich höhnisch UND voll Abscheu zu gucken/zu lachen!

Hinter dem Nebel lauerte das Ungewisse.
Dieser Gedanke taucht ziemlich plötzlich auf. Und hat auch keine Kraft, denn „das Ungewisse” kann unmöglich so beängstigend sein (es sei denn, du lässt es LyrEr als so beängstigend empfinden), dass man den sicheren Tod vorzieht.

Vor ihm der sichere Tod. Sollte er den Weg durch den Nebel gehen oder dem scheinbar Vorbestimmten folgen, der in das Schlachthaus führte.
Fragezeichen fehlt
Es gibt einen Weg durch den Nebel?
Wenn es aus LyrErs Sicht nur „scheinbar” vorbestimmt ist, dann weiß er, dass es das nicht ist. Warum nennt er es dann überhaupt so? (Zumal er ja gerade sehr wohl an der Wahl rumüberlegt). Oder meinst du „anscheinend vorbestimmt”? Dann dürfte sich ihm die Wahl nicht stellen, er könnte höchstens in Frage stellen, ob es wirklich vorbestimmt ist (dann wäre „soll ich?” erst der zweite Schritt).
Entweder „oder dem scheinbar Vorbestimmten folgen, das ihn in das Schlachthaus führte” oder „ dem scheinbar vorbestimmten {Weg} folgen, der in das Schlachthaus führte.”


Seine Füße bewegten sich auf das Gebäude zu. Er würde sich seinem Schicksal ergeben.
Warum? Das war ein verdammt kurzer „Kampf”. Traumtypisch (und effekltvoll) wäre gewesen, wenn er vesucht hätte, auszubrechen, es aber nicht gegangen wäre (weil die Schlange „mitwandert” oder sein Körper ihm nicht gehorcht)

Die Angst verflüchtigte sich plötzlich. Auf einmal war er von einer, seltsam vertrauten, angenehmen Leere erfüllt. Den anderen folgend, betrat er als willenlose Marionette das Gebäude
Das mag ich, vor allem das mit dem „vertraut”.

und…

…erwachte schweißgebadet in seinem Bett.
Das mag ich gar nicht. Diese „Pointe” ist schon in der Überschrift „verbrannt” worden. Wenn du das weglässt und den Text nach „Gebäude” enden lässt, dass schwebt das „Grauen” über das Ende der Story hinweg im Leser weiter. Der Leser wäre nicht „entlassen”, er wäre gefühlsmäßig noch gebunden, müsste selbst für einen Abschluss sorgen. Den würde er vielleicht dadurch erreichen, dass er sich mit der „Botschaft“ des Traumes beschäftigt. Und das würde den Text extrem aufwerten, ihn zu mehr als einer Suspense-Studie machen.
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.



 
Oben Unten