Traumfänger

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cara

Mitglied
Traumfänger

Träume sacht und unbeschwert,
Nachtmahr bleibe dir verwehrt;
dass du dich erquickest wohl
im Schlafe, unversehrt.

Fang die Träume, Alpgeflecht,
denn ansonsten schläft sie schlecht.
Lass die bösen Bilder sich
verfangen, so ists recht.

Und die Guten gib ihr dann
auf die Schläfen irgendwann
im Verlaufe dieser Nacht,
damit sie träumen kann.

Dass sie gut erholet sei,
wenn die Nacht dann ist vorbei
und das Morgenlicht erneut
die Dunkelheit entzweit.

Mögest du gestärket sein
für die Menschen, groß und klein;
und ein neuer, schöner Tag
sei morgen wieder dein.
 

Dorothea

Mitglied
Hallo Cara,

wenn ich Deine Verse lese, denke ich unwillkürlich, dass ist doch keine Sprache, die ins Heute passt. Für mein Gefühl verwendet Du zu viele antiquierte Wendungen, die nur erforderlich sind, um dein gekünstelt wirkendes Versmaß zu gewährleisten.

[red]erquickest
erholet
gestärket[/red]


Trotz dieser gezwungen wirkenden Konstruktionen ist die Metrik des Gedichtes nicht stimmig. aber die ideen sind schön und sollten einer Überarbeitung wert sein!

Liebe Grüße.
 

cara

Mitglied
Also ehrlich...

Liebe Dorothea!

Also wirklich und ganz ehrlich Dorothea, du kannst von Glück sagen, dass ich heute Morgen aufgrund meiner Träume sowie so schon in herrlicher Fluchlaune war, so liegt es zumindest nicht _nur_ an deinem Kommentar, dass ich mich jetzt aufrege. ;->

Aber ich versuche, ganz am Anfang zu starten. Du hast geschrieben:

>wenn ich Deine Verse lese, denke ich unwillkürlich, dass >ist doch keine Sprache, die ins Heute passt. Für mein >Gefühl verwendet Du zu viele antiquierte Wendungen

Ich versuche, nicht allzu weit auszuholen. Zur Vorgeschichte des Gedichts: Ich habe es für eine sehr gute Freundin geschrieben, mit der ich vorher noch ein Gespräch über romantisch "überladene" Gedichte hatte. Das muss sich dieses Gedicht gemerkt haben, denn es kam einfach in dieser Form vorbei. Außerdem hat diese Freundin Schlafprobleme wegen teils massiver Alpträume. Das Gedicht passt also wunderbar zu ihr, die sie im "Heute" lebt. Dass es nicht für jedermann passend ist, ist mir deutlich bewusst, aber welches Gedicht ist das schon?

Und dazu noch: Was ist hiermit, passt das auch nicht mehr ins "Heute"?:

Nu daz diu maget und der man,
Îsôt unde Tristan,
den tranc getrunken beide, sâ
was ouch der vverlde unmuoze dâ,
Minne, aller herzen lâgaerîn,
und sgleich z'ir beider herzen în.
e sî's ie wurden gevvar,
dô stiez s'ir sigevanen dar
und zôch si beide in ir gevvalt.
si wurden ein und einvalt,
daz ietweder dem andern was durchlûter alse ein spiegelglas.
Ouwê Tristan unde Îsôt,
diz tranc ist iuwer beider tôt!

Und was ist vor allem, wenn ich finde, dass es seitdem niemand mehr so treffend ausgedrückt hat wie Gottfried von Straßburg? (und es außerdem im "Heute" verwendet wird für eine CD von heute?) Was kümmert sich die Poesie um Einzelmeinungen über die Poesie? Und bleibt nicht etwas, dass einmal Poesie war, immer Poesie? Ist es nicht wichtig, dass sie Herz und Seele ergreift, anstatt auf modernistische Formen zu achten?

Aber gut, das soll erstmal reichen, machen wir weiter:

>die nur erforderlich sind, um dein gekünstelt wirkendes
>Versmaß zu gewährleisten.

Die sind nicht nur dazu erforderlich. Und was heißt hier "mein" Versmaß? Ich bestimme das Versmaß nicht, das bestimmt sich - bisher zumindest - immer selbst, da habe ich wenig Einflußmöglichkeiten. Es ist, was (und wie) es ist (Sprach hier nicht die Liebe ;-)). Und wenn es gekünstelt wirkt, dann tut es mir leid. Für mich ist es wie ein Lied (und selbstverständlich gibt es auch Kunstlieder), es hat einen Rhythmus (zu dem komme ich gleich noch), eine Sprach-Melodie...

Und der nächste Punkt:

>Trotz dieser gezwungen wirkenden Konstruktionen ist die
>Metrik des Gedichtes nicht stimmig.

Das hat mich wirklich am Meisten geärgert, darum hier die Metrik in Hebungen und Senkungen für die erste Strophe (zähls nach, in dieser Strophe und auch in allen anderen, du hast genau immer die gleiche Anzahl von Hebungen und Senkungen an genau den gleichen Stellen in den jeweiligen Versen 1 untereinander, sowie in den jeweiligen Versen 2, Versen 3 und Versen 4 jeweils untereinander). [' = Hebung, - = Senkung]

'-'-'-' (Träu_me_sacht_und_un_be_schwert) immer 7 Silben
'-'-'-' (Nacht_mahr_blei_be_dir_ver_wehrt) immer 7 Silben
'-'-'-' (dass_du_dich_er_quick_est_wohl) immer 7 Silben
-'-'-' (im_Schla_fe_un_ver_sehrt) immer 6 Silben

Damit hast du hier auch den genauen, durch alle Strophen immer gleich bleibenden Rhythmus.

Bleibt also noch das hier:

>aber die ideen sind schön und sollten einer Überarbeitung
>wert sein!

Danke dir, das ist freundlich und gütig von dir, nachdem du mein armes Gedicht so harsch behandelt hast. Das tröstet mich wenigstens ein bisschen, denn immer, wenn einem meiner Gedichte sowas passiert, frag ich mich, ob ich es falsch verstanden oder ihm nicht richtig zugehört habe. Denn ich "schreibe" die Gedichte nicht, ich höre ihnen zu und freue mich, wenn eines von ihnen mir erlaubt, es _aufzuschreiben_.
Das heißt, wenn eines von ihnen, das ich aufschreiben durfte, so aufgenommen wird wie dieses hier, kann es nur an mir liegen.

Bitte entschuldige, falls ich zwischendurch eventuell ausfallend geworden bin - das tut mir dann sehr leid.

Liebe Grüße zurück sendet,
Cara
 

gareth

Mitglied
Hallo Cara,

hier gleich eine von Dorotheas Meinung abweichende Stellungnahme :eek:)

Ich bin durchaus nicht der Meinung, dass die Metrik Deines Gedichtes nicht stimmig ist. Ich sehe, ganz im Gegenteil, eine durchgehende, in allen Versen fehlerfrei durchgehaltene Konstruktion, die mir gefällt.

Grundsätzlich bin ich mit Dorothea der Meinung, dass mit Worten, die als "antiquiert" gelten können, besonders sparsam und sorgfältig umgegangend werden muss, aber dieses Gedicht kann ich so nehmen, wie es ist, weil ich ebenfalls finde, dass die Ideen schön sind.

Grüße
gareth

p.s. ich habe diesen Kommentar geschrieben, bevor Deine Erwiderung auf Dorothea eingestellt war, will ihn aber jetzt nicht mehr ändern. Nur soviel: ja, ich finde, dass "Nu daz diu maget und der man..." von den Worten her in der Tat nicht mehr in die Zeit passt, und ich finde, man sollte die Rechtfertigung seiner eigenen Werke nicht gar zu umfangreich und dramatisch geraten lassen :eek:)
 
S

scarda

Gast
Wenn ich jetzt so in die Emotionen eintauchen darf …,
dann muss ich sagen, dass diese Emotionalität mir geholfen hat das zu detektieren, das mich stört: den Titel.
Traumfänger sind doch die Windspiele indianischen Ursprungs. Irgendwo habe ich danach einen Bezug gesucht – und nicht gefunden.
Antiquierte Wendungen in einem rhythmisierten und auch fast durchgehend gereimten Gedicht zu haben – das kann bei mir keine Emotionen auslösen, weder negative noch positive. (Man sollte mich nur nie zu meiner Meinung über top-modern-denglische Ausdrucksweisen fragen ….)

Auf dass der Tag schöner werde, als der Traum der Nacht
 
L

Lotte Werther

Gast
An cara

Dass die Gedichte dich finden und nicht umgekehrt, hat mir sehr gut gefallen an deinem Kommentar. Ansonsten schließe ich mich gareth an, der meint, dass man seine Texte nicht zu ausführlich erklären sollte.

Auf mich haben deine Strophen wie märchenhafte Zauberformeln gewirkt. Ich sah dabei Fabelwesen im Kreis rhythmische Bewegungen vollbringen.
Und deshalb stimmt auch die verwendete Sprache.

Lotte Werther
 

cara

Mitglied
Hallo ihr alle! :)

Danke euch allen für eure Kommentare, und ja, scarda, der Tag ist tatsächlich um einiges schöner geworden als die Träume der Nacht, danke dir. :)

Ist schon in Ordnung, das mit der Metrik, Dorothea, danke, dass du dich nochmal gemeldet hast, ich habe mich darüber gefreut. :)

Zu den Traumfängern, scarda: Es handelt sich dabei nicht einfach um Windspiele indianischen Ursprungs. Traumfänger bestehen aus einem ledernen Ring, in dem sich ein Netz aus Sehnen bzw. Fäden befindet, an diesem Ring hängen lederne Schnüre nach unten, verziert mit Perlen und Federn. Ein solcher Traumfänger wird über das Kopfende der Schlafstatt gehängt. Er fängt, wie sein Name sagt, die Träume und leitet sie durch das Netz, auf dass sich die Schlechten darin verfangen, die Guten ihren Weg durchs Netz aber finden und über die Federn wieder auf die Schläfen des Schlafenden tropfen.
Was bei dir konkret Emotionen auslösen kann und was nicht, kommt natürlich immer darauf an, womit du dich identifizieren kannst und was du magst. Das ist somit subjektiv und also auch nicht wirklich objektivierbar.

Ihr habt ja Recht, gareth und Lotte Werther, ich war ein wenig verärgert und habs dadurch wahrscheinlich ein wenig übertrieben mit meinem Kommentar. Euch beiden wollte ich aber nochmal besonders danken, denn eure Antworten haben meine Laune beträchtlich gehoben, vielen lieben Dank dafür. :)

Und Lotte: Du hast wirklich eine äußerst poetische Seele, das Bild, das du am Ende deines Kommentars malst, hat mich sehr ergriffen. :)

Machts gut, ihr Lieben, und ganz viele, liebe Grüße an euch alle!

cara
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo cara,

was mich beeindruckt, ist, dass Dein Gedicht wie ein Schlaflied klingt. Voller Liebe und Zärtlichkeit. Dabei wahrt es genau den richtigen Abstand zu ähnlichen Texten.

Zur Benutzung älterer Wendungen:
Nur der Nichtgebrauch lässt Worte und Wendungen veralten. Wir Dichter sind prädestiniert dafür, der deutschen Sprache so viel wie möglich abzuknöpfen. Wenn wir schon an einer Verwendung zweifeln, wer soll dann den Kampf für schöne alte Wörter aufnehmen?

Dies und noch mehr frug sich oft der
lap
 

Jan Veluh

Mitglied
ich möchte dir ncihts zu der metrik deines gedichtes oder der struktur sagen.

Mir habe Thema, Stil und vorallem Wortwahl sehr gut gefallen. Gerade die teilweise etwas altertümlich Sprache machen das ganze sehr angenhem zu lesen, für jeden, der sich genug mit verschiedenen Formen unserer Sprache beschäftig hat.

Es gibt hier und da leichte brüche im Rythmus, aber nichts, was einen großartig aus dem Fluss wirft.

Insgesamt bleibt zu sagen: ein schönes Gedicht, es strahlt eine gewisse spirituelle Ruhe beim lesen aus (hihi ich hippie ich).
 



 
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