Trennung

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deni

Mitglied
Hoffnung

Es klingelt an der Tür. Ich öffne dem Babysitter und gehe zurück ins Bad. Ich rasiere meine Beine, lege Make-up auf. Das Kleid hängt an einem Bügel. Es war viel zu teuer. Ich habe es trotzdem gekauft. Er wird bald nach Hause kommen. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass wir zusammen ausgehen. Ich gebe meinen Kindern einen Gutenachtkuss. Lese ihnen noch ein wenig vor und denke dabei an den bevorstehenden Abend. Wir werden reden, werden alles klären. Es wird sein wie früher. Ich weiß, dass er mich liebt. Wir sind eine Familie.

Betrug

Wir betreten das Restaurant und setzen uns an einen der Tische. Sie trägt ein neues Kleid. Sie lächelt mir zu. Ich senke den Blick. Warum muss sie so fröhlich sein? Warum von unserer Zukunft sprechen? Ich unterbreche sie. Ich sage es ihr und zerstöre ihr Lächeln. Ihre Augen, ihre schönen Augen sehen mich an. Ich lese die unausgesprochene Frage darin. Weil ich sie liebe, deswegen. Wir wollen zusammen sein. Wir wollen heiraten. Sie glaubt mir nicht. Sie will mir nicht glauben. Was ist mit unseren Kindern, unserer Familie? Ich antworte nicht. Sie redet auf mich ein. Sie nennt sie „diese Frau“ und sie sagt es verächtlich, voller Abscheu. Als würde sie nicht von einem Menschen reden, sondern von Schmutz. Ekelerregender, schleimiger, abstoßender Schmutz.
Ich stehe auf und gehe.

Versuch

Ich wähle seine Nummer. Ich höre seine Stimme und versuche ein Lächeln. Eine verzerrte Grimasse, sonst nichts. Seine Stimme klingt so kalt. Ich bleibe ruhig, bitte ihn um ein Gespräch. Er will nicht. Er sagt, es gibt nichts mehr zu besprechen. Er wird nicht wieder nach Hause kommen. Nur um die Kinder zu sehen und seine Sachen zu holen. Wir müssen reden. Ich merke, wie flehend meine Stimme klingt. Ich bettle. Wie erbärmlich, denke ich, aber ich höre nicht auf. Ich beschwöre ihn. Nur eine Chance. Es kann nicht alles vorbei sein. Er sagt nichts. Er sagt noch nicht einmal „nein“. Ich spüre die Tränen. Salzige Spuren auf meinem Gesicht. Die Wimperntusche hinterlässt schwarze Streifen. Wie Kriegsbemalung. Es herrscht Stille. Ich höre ihn atmen. Es tut mir leid, sagt er. Dann legt er auf.

Schmerz

Lachend und nach mir rufend laufen sie mir entgegen. Ich nehme meine Kinder in die Arme. Sie sind noch so klein. Ich will sie nicht mehr loslassen. Ich hatte nicht geglaubt, dass es so schwer sein würde. Sie steht im Türrahmen und beobachtet uns. Meine Kinder befreien sich aus der Umarmung und vertiefen sich wieder in ihr Spiel. Ich gehe auf sie zu. Sie sagt nichts. Wir sagen beide nichts. Ich gehe ins Haus und packe meine restlichen Sachen. Ich trage sie hinaus, verstaue sie im Auto. Die ganze Zeit steht sie da, die Arme vor sich verschränkt und beobachtet mich. Ihr Gesicht ist ausdruckslos. Ich kann nicht erraten, was sie denkt. Ich verabschiede mich von meinen Kindern. Nur drei Tage und wir sehen uns wieder. Es ist kein Trost.

Leere

Ich sitze auf meinem Bett. Ich starre auf den offenen Kleiderschrank vor mir. Ein Teil des Schrankes ist leer. Seine Hälfte. Auf der anderen Seite hängen meine Kleider, dicht zusammengedrängt. Ich stehe auf und schließe die Schranktür. Wandere durch das ganze Haus. Konzentriere mich auf die Gegenstände die fehlen. Eine Inventur verlorener Dinge. Verlorener Erinnerungen. Verlorener Träume. Die Tür zum Kinderzimmer ist offen. Ich gehe leise hinein. Sie schlafen beide. Ich setze mich auf den Boden und sehe ihnen zu. Wache über ihren Schlaf, zeichne mit meinen Augen die Linien ihrer Gesichtchen nach, lausche ihrem Atem. Ich stelle mir ihre Träume vor und träume sie mit. Wir träumen gemeinsam. Sie schlafend, ich wachend.
Bis das erste Morgenlicht die Dunkelheit vertreibt.
 

velthurvik

Mitglied
Nach der Leere würde ich mir wünschen das da noch was kommt. Wirkt ein wenig unvollständig. Meist geht es im Leben immer irgendwo weiter. Das Weiter beginnt oft mit einer Kleinigkeit.

Velthurvik
 
L

Lotte Werther

Gast
Hallo Deni,

Deine Geschichte ist gut. Mir gefällt der Wechsel von ihren zu seinen Gedanken und deine Sprache ist trotz der schmerzbeladenen Thematik nicht überladen oder triefend.

Hallo Velthurvik,

Warum muß alles immer vollständig sein? Und bis ins Letzte aufgeklärt?
Das Weiter beginnt im letzten Satz der Geschichte.

Das erste Morgenlicht vertreibt die Dunkelheit - das ist der Wegweiser.

Lotte Werther
 



 
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