Treppe zum Hinterhof

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Alpha

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Sie saß für gewöhnlich auf der Treppe zum Hinterhof. Es war kalt. Die Arme um die angezogenen Beine geschlungen, die Schultern hochgezogen, als suchte sie sich dazwischen zu verstecken. Zu allen Seiten hangen Strähnen aus dem halbherzig gebundenen Zopf. Ihr Gesicht war kränklich blass, obwohl sie nicht krank war. Die Lippen waren hell und schweigsam wie die einer Statue, ihr Blick grub sich abwesend in den Steinboden, der sich vor ihr hinstreckte ...
Die Haut seiner Hände war immer etwas rauer gewesen, ohne dass das etwas an dem Gefühl änderte, wenn er vom Rücken hinauf zum Nacken strich und die Finger langsam in den Haaren vergrub. Er schmeckte nach Wärme, teilte die Stille mit einem Augenblick. Die Zeit legte Sterne auf seinen Bauch. Ich möchte wieder Schnee riechen. Mit großen Augen drückte sich die Nacht ans Fensterglas, die Kerze war zu einem Wachsfleck nieder gebrannt und die Flamme erlosch. Wo war der Kuss geblieben, den er auf die Schläfen hauchte. Sie flüsterte einen Namen ins Kissen, bis sich der Himmel wandte. Der Sommer lachte in den Straßen und legte Blüten ins Haar. Das Gras war so hochgewachsen, dass man die Blumen atmen konnte. Ich habe mein Herz angemalt, siehst du? Ein Marienkäfer saß auf der Fingerspitze. Sie sind alle Sternschnuppen geworden, als die Wolken auseinander brachen. Wir haben die Welt geteilt. Auf den Pflastersteinen hallten Schritte in die Ferne. Sie zogen Spuren in den Sand. Wir brauchen mehr Steine. Das Meer kann Steine tragen, auch in der Nacht. Ein Wort strich über ihre Lippen und spannte seine Flügel auf. Ich atme dich ganz und gar. Es schlief in seinem Ohr. Bauen wir eine Liebe so hoch, bis wir den Mond anfassen können. Rote Blätter flogen auf.
Manchmal schaute sie zu dem verkrüppelten Baum hinüber. Er war das einzig Graulose im Hinterhof.
 

herb

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das Wort "Graulose" störte mich. Ansonsten ist das ein sehr poetischen und dichter Text.
Ich hab ihn gern gelesen.

Gruß

herb
 

jimmydean

Mitglied
Hi alpha

ich mag die meisten Texte von dir sehr gerne. Sie brühren mich. ich bin immer wieder beeindruckt, wie intensiv du Gefühle in kleinen Momentaufnahmen darstellen kannst. Auch wenn keine komplizierte Handlung in deinen Texten steckt, erzählen sie doch eine große Geschichte.
Ich sehe dich und spüre den Schmerz und die Sehnsucht usw. Deine Texte bringen mich zum Erinnern und nachdenken, sie mahnen den Verlust von Gefühlen und Empfindungen an. Auch wenn es schmerzhaft ist, muss man sich erinnern, sonst vertrocknet man.
gruß
jimmydean
 



 
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