Trunkenheit am Pferd

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Ironbiber

Foren-Redakteur
Die Bollerwagenfraktion ist heute wieder unterwegs. Gestandene Väter, gemeinsam mit Halbwüchsigen, die im festen Glauben sind, auch mal Erziehungsberechtigter werden zu können, rotten sich zusammen um den Kater des nächsten Tages vorzubereiten. Auch gilt es zu zeigen, dass das Bierkisten - Fassungsvermögen ihres Handkarrens den konkurrierenden Gruppen haushoch überlegen ist.

Das ist nicht ungewöhnlich, wiederholt es sich doch alljährlich an Himmelfahrt und entspricht der christlichen Tradition, reliquientragend Umzüge in Trachten abzuhalten. Nur sind die Prozessionsgesänge der gemächlich schreitenden Kirchenfürsten an Pfingsten, Ostern oder Fronleichnam hier im frommen Süden der Republik melodischer, weniger aufdringlich und vermutlich auch weniger promillebelastet.

Die Reliquien der Karrenschieber sind hingegen leicht auszumachen und genauso leicht zu erklären:

Bierflasche in der Linken und Handy in der Rechten. Das war nicht immer so. In Zeiten, als die Menschen beim Telefonieren noch mit einem Kabel an der Dose festhingen, war es nicht üblich, dieses zu kappen, um den Apparat in den Rucksack stecken zu können. Da war Verzicht angesagt: Nächstes Telefonat dann halt am Abend gelallt und nächstes Mail erst am Tag darauf, wenn der Postmann zweimal klingelt.

Aus meinem Schlafzimmerfenster habe ich einen guten Blick auf die kleine Durchgangsstraße meines Kaffs und genieße immer zur selben Zeit im Jahr die Szenerie, die der Tag beschert:

Motorradfahrer – 1,2,3,4,5, Bollerwagen, Motorradfahrer, Radler, Radler, der Kater Tom (schnell über die Straße huschend), Radler, Motorradfahrer, Bollerwagen, Kathrin von nebenan mit Labradorhündin Kuckuck, Krankenwagen mit Blaulicht, Motorradfahrer, Ernst und Hermine mit Elektrobike, Krankenwagen auf Rückfahrt (Blaulicht wohl nicht mehr nötig?) … und so weiter und so weiter - den ganzen lieben langen Tag.

Das ist lustiger als Fernsehgucken und gewährt tiefe Einblicke in die Psychologie der Verkehrsströme an Tagen wie diesen, denen mit Kultstatus.

Mit fortschreitendem Sonnenstand ändern sich dann aber die Gesänge der Barden mit den Bierflaschen. Was früh morgens noch eine gewisse Musikalität erkennen lässt, geht am späten Nachmittag doch mehr und mehr in wüstes Gegröle über und aus harmlosen Wanderliedern werden Absichtsballaden, wie: „Wir ziehen den Bayern die Lederhosen aus“.

Wenn das unser Heiland geahnt hätte, wäre er vor über zweitausend Jahren tunlichst zu Hause geblieben, um den christlichen Kalender mit einem „Trauten-Heim-Tag“, anstatt einer verunglückten "Himmelfahrt" zu bereichern.

Dann aber doch noch das Tageshighlight: Ein Pferdefuhrwerk mit Anhänger! Die Jungs im Wagen sind zu sechst, bringen aber gemeinsam locker doppelt so viel Promille auf die Waage.

Nur gut, dass die nicht laufen müssen! Da wäre schnell Schluss mit dem geregelten Verkehrsfluss vor meinem Fenster. Das beste Bild gibt jedoch der Kutscher ab. In vollem Vertrauen auf die Ortskenntnisse seiner beiden Gäule hängt er schräg auf dem Bock und verdreht die Augen. Unsere Cops sind aber schnell da und entschärfen die Situation, indem sie ihn zartfühlend in den hinteren Bereich des Gespanns verfrachten und ihn höflich um die Abgabe seiner Atemluft bitten.

Bauer Blersch von gegenüber wird rekrutiert und von Amts wegen gebeten, das Gespann zu übernehmen und die Pferde mit dem Pilgergrüppchen in den heimatlichen Stall zurückzubringen.
Die Polizei, dein Freund und Helfer – möchte man meinen. Die Meute im Karren ist da aber anderer Auffassung und grölt jetzt aus sieben Kehlen: „Zick, Zack Bullenpack!“

Das Highlight des Tages ist genauso schnell vorbei, wie es gekommen ist und der Verkehrsalltag an Himmelfahrt nimmt weiter seinen Lauf:

Bollerwagen, Motorradfahrer, Radler, Einsamer Zecher mit Bierflasche ohne Handy (wohl abgehängt), Radler, Radler, der Kater Tom (kommt zurück mit Maus), Radler, Hermine (Elektrobike schiebend – wo ist Ernst?), Motorradfahrer, Kathrin mit Kuckuck habe ich wohl verpasst, Bollerwagen …

Dann mal bis nächstes Jahr.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich kann hier nichts Humoristisches oder Satirisches entdecken, sondern nur Realistisches. Zudem die Frage der Verknüpfung von Christi Himmelfahrt mit dem Vater- oder Herrentag offen bleibt und sowieso die Frage aufwirft, was das Eine mit dem Anderen zu tun hat.

Traurige Tatsache ist, dass vor allem Jugendliche, die überhaupt keine Väter sind, intensives Komasaufen am heutigen Tage betreiben.

Abschaffen geht wohl nicht mehr.

LG Doc
 



 
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