Über Louise.

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San Martin

Mitglied
Louise und das Leben.

Louise bitte geistig französisch oder englisch aussprechen, also in 2 Silben mit Betonung auf der letzten.


***

Über Louise

Auf der Bank am See sitzt Louise.
Im Wasser füttert ihr faltiges Spiegelbild die Enten.
Sie haben ihr Augen und Blick gestohlen.

In den Linien ihrer Finger liest Louise
die Namen ihrer Liebhaber;
außer einer Handvoll Regen
ist ihr nichts geblieben.

Manchmal kauft sie teuren Wein
und trinkt ihn allein aus.
Sie trinkt ihn, weil er
wie ein langer Kuss schmeckt.

Gern hört Louise
den Straßenmusikern an der Ecke zu;
dann spielt die Musik nur für sie.

Samstag morgens liegt sie lange im Bett
und liebt sich selbst.
Am Morgen ist noch alles gut;
am Abend hört sie die Sandkörner flüstern.

Fragst du Louise, ob sie glücklich ist,
hörst du sie lachen.
Ihr Lachen ist schön,
doch ihre Lippen sind schmal.

Sie besucht lieber,
als dass sie besucht wird,
denn wohin flieht man
mit dem Rücken zur Wand?

Louise mag dich,
wenn sie nicht zu dir sprechen muss.
Schweigen ist die tote Leere
im Zentrum aller Dinge.

Ihr Schlaf ist leicht,
denn sie fürchtet die Träume,
die sie nicht vergisst.

Louise hat verstanden,
wann ein Geschenk
ein gutes Geschenk ist:

Wenn es weh tut,
es zu geben.


***


Ich hatte es zuerst als Prosa aufgeschrieben, aber in Prosalyrikform hat der Text mehr von den vielen kleinen Absätzen.
 

MarenS

Mitglied
...bitter.
Stückweise ist es besser zu essen und jeder Absatz liegt einzeln im Magen.

Grüße von Maren
 
B

bonanza

Gast
martin

du kommst im verlaufe des gedichts ziemlich ins schwimmen.
deine einlassung am anfang finde ich käse.
überkanditelt das ganze. du kratzt trotz großem bemühen
nur an der oberfläche. du wirst louise nicht gerecht.
das bild bleibt bleich. wie ein schlecht eingestellter sender.
ich glaube dir allerdings. die verknüpfung deiner
beobachtungen mit deiner innerlichkeit mißlingt
leider völlig.

bon.
 
S

Sandra

Gast
Hallo San Martin,

ein wunderschönes Gedicht. Es ist schon einige Zeit her, dass ich das letzte Mal eine neun gegeben hat. Das Gedicht hat sie voll und ganz verdient. Was MarenS gesagt hat, kann ich nur unterstreichen und es ist sicherlich eine positive Anmerkung.
Einzig hier der Absatz:

Louise mag dich,
wenn sie nicht zu dir sprechen muss. (Sehr schön!)
Schweigen ist die [blue]L[/blue]eere, [strike]tote Mitte[/strike]
im Zentrum aller Dinge.
Deine beiden anderen Aussagen machen die tote Mitte m.E. überflüssig. Man versteht auch so.
Deine Anmerkung zu Anfang ist gut. Der Name Louise wird oft falsch ausgesprochen und das ärgert mich häufig, da meine Tochter mit Zweitnamen so heißt.
Es gibt einige schöne bittersüße Zeilen in diesem Text. Dieser Absatz enthält zwei von vielen:

In den Linien ihrer Finger liest Louise
die Namen ihrer Liebhaber;
außer einer Handvoll Regen
ist ihr nichts geblieben.
Sehr gelungen und gern gelesen.

LG
Sandra
 

San Martin

Mitglied
Hallo Sandra,

danke für das aufmunternde Lob. Nach bonanzas Verriss habe ich schon an dem Text zu zweifeln begonnen. Man ist, wie man ist, ja ziemlich empfindlich. Deine Anregung zur leeren, toten Mitte werde ich auf die von dir vorgeschlagene Weise oder sehr ähnlich umsetzen. Es freut mich wirklich sehr, dass dir das Gedicht gefiel.

Martin.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Wenn man bedenkt, wie bonanza Louise verteidigt, hat der Text doch deutlich mehr bei ihm bewirkt, als seine Kritik ausdrückt.


Hallo San Martin,

beschaulich und sanft, fast betulich, also auf eine naive Art überzeugend. Als Portrait dadurch stimmungsvol und wie ich finde auch sehr präzise; wahrscheinlich hat das bonanza eingefangen.

Interessant ist das plötzliche Öffnen des Textes zum Leser hin, zwar besteht die Gefahr, dass eine Aufdringlichkeit und auch Unglaubwürdigkeit entsteht, aber auf der anderen Seite steht die emotionale Bindung, eine Art der Verantwortung für Louise. Ein spannender Kunstgriff.

Ja, ein beachtenswerter Text!

cu
lap
 
D

Denschie

Gast
hallo san martin,
ich finde es ehrlich gesagt schwierig, in diesem
gedicht viel zu erkennen. vielleicht liegt es an der
erzählperspektive, die mich nicht anspricht.
ich las es und dachte: ja, und nun?

"Am Morgen ist noch alles gut;
am Abend hört sie die Sandkörner flüstern."

das ist eine nachdenkenswerte formulierung. hier kann
ich auch die bitterkeit nachvollziehen, die maren
anspricht.

viele grüße,
denschie
 

MarenS

Mitglied
...nun Martin,
eine positive Kritik, denn sonst hätte ich wohl kaum so eindringlich von der Bitterkeit geschrieben.
Zu Beginn ist es eine flüchtige Begegnung, der man sich noch entziehen kann, später aber hat man plötzlich teil an Louise, an ihrem Leben, ihrer Einsamkeit...bitter...obwohl man es eigentlich nicht wollte.

Grüße von Maren
 

San Martin

Mitglied
Danke für die Kommentare, lapismont, Denschie und Maren. Ich habe überlegt, dieses Gedicht aus der Ich-Perspektive zu erzählen, aber das hat mich beim eigenen Lesen überhaupt nicht angesprochen. So musste es eine potentiell allwissende Perspektive sein, die scheinbar objektiver ist, als die Ich-Perspektive es sein könnte.

Louise ist nicht zu helfen. Niemand dringt zu ihr, noch nicht einmal dieser Text. Er kratzt bewusst nur an der Oberfläche. Louise' Gedanken auf dem Weg hierher sind nicht für uns ergründbar. Wer Louise verstehen will, müsste Schritt für Schritt in ihren Fußabdrücken gehen, bis er am Ende selbst Louise ist.
 
S

Sandra

Gast
Bloß nicht aus der Ich-Perspektive erzählen. Gerade die einprägsame Wiederholung des Namens - auf den du ja sehr viel wert legst - ist bezeichnend für den Text und gibt zu denken.
Hallo Denschie
es ist so schade, dass du in diesem Gedicht nichts oder nur wenig für dich erlesen kannst. (Natürlich - jedem seine Meinung) Aber für mich ist dieser Text ein Topf voller Puzzleteile. Jedes einzelne so groß, dass man das Ergebnis u. die Aussage erahnen kann. Und legt man sie zusammen, sieht man auf ein Bild, dass mich persönlich gar nicht mehr loslassen will ;)
Mir passiert das wirklich nur sehr selten mit Gedichten und ich bin froh, hierhin gefunden zu haben.
LG
Sandra
 
D

Denschie

Gast
hallo sandra,
ich kann es dir auch nicht erklären.
louise beschäftigt mich nicht. ich erfahre
ein bisschen über sie, aber ich kann sie
nicht greifen. eine geschichte ohne geschichte.
stimmungen einer frau, die mich in der gewählten
form nicht erreichen.
irgendetwas seht ihr anscheinend, das ich nicht
sehe.
liebe grüße,
denschie
 

San Martin

Mitglied
Das Gedicht polarisiert seine Leser... das ist für etwas von mir sehr ungewöhnlich. Ich bin offiziell erstaunt.

@Sabdra: Auch ich bin froh, dass du hierhin gefunden hast.
@Denschie: Dass du Louise nicht greifen und nicht begreifen kannst, ist die Absicht des Textes. Wir verstehen Louise nicht, deshalb gibt es keine "Geschichte" zu ihr, sondern nur distanzierte Aussagen und Betrachtungen.
 

Montgelas

Mitglied
Re: Louise und das Leben.

lieber san martin,

selbst leider zu tendenziellen grundaussagen neigend,
empfinde ich deinen text als wohltuende impression,
die mir beim lesen jedweden spielraum läßt. diese freiheit
- und das macht die qualität deines textes aus -
ist nicht schrankenloser relativismus.
beim lesen deiner zeilen fühlte ich mich an frauendarstellungen in der bildenden kunst
des 19. und 20. Jahrhunderts erinnert.


die distanz zur figur schafft paradoxe nähe.
und nimmt ohne das wort gesellschaft zu gebrauchen,
soziale alltagsstimmung im hintergrund ins blickfeld.

es ist ein leiser text..

alles gute

montgelas
 

Inu

Mitglied
Hallo San Martin

Mich berührt dieses Gedicht sonderbar. Ich finde es zwar technisch gut gemacht, aber von der Atmosphäre her immer irgendwie eine Spur " off" oder nicht getroffen. Was Du über Louise sagst, klingt mir tatsächlich wie ein Rauschen auf einem "schlecht eingestellten Sender" ( bonanza ) Du bemühst Dich, dem klaren Ton nah zu kommen, aber schaffst es nicht. Ich als Leser schramme haarscharf und desto ärgerlicher an meiner 'Wiedererkennung' dieser Louise als Frau aus Fleisch und Blut und von irgendeinem Charakter ( den ja jeder hat) , vorbei. Louise bleibt eine Kunstperson und die klingenden Verse, die Du ziemlich ins Leere um sie häufst, machen mich fast ärgerlich.

Je öfter ich das Gedicht durchlese, je aufgesetzter und manierierter kommt mir der Text vor.

Peinlich der letzte Vers mit dem Geschenk. Das hat mit einer 'Louise' meines Erachtens nichts mehr zu tun. Das passt auf tausende von Menschen.

Louise hat verstanden,
wann ein Geschenk
ein gutes Geschenk ist:

Wenn es weh tut,
es zu geben.

Ich mag sonst die Art, wie Du schreibst, habe Dich kurz nach Deinem Erscheinen auf der Lupe sogar "abonniert" ( als einen der ganz wenigen! ) weil ich Dich für sehr talentiert hielt/ halte.

Dieses Gedicht schien mir Dein schwächstes, ich hatte es gelesen und nicht kommentiert, bis nun plötzlich ein solches Aufhebens darum gemacht wird.

Mich überzeugt Deine Louise leider nicht.

Trotzdem liebe Grüße :)
Inu
 

Montgelas

Mitglied
liebe inu,

mit sicherheit ist der text manieriert.
er spielt mit impressionistischen und krit. realistischen
bildern. scheinbar gesichtlose ins moment des Nu zu nehmen,
einen schlagschatten zu setzen, das ist hier meiner meinung
nach gelungen. die letzten zeilen, da hast du recht, sind eigentlich nicht nötig.

dir eine gute zeit

montgelas

p.s. aus wikipedia: "Der Schlagschatten ist ein in der Kunst (Malerei, Fotografie, Theater) verwendeter Begriff für einen von einer Punktlichtquelle auf einem hellen Untergrund „geworfenen“ Schatten – also einen klar sichtbaren Schatten, der auf den Betrachter den Eindruck erweckt: „Aha, da ist ein Schatten!“.
 

Inu

Mitglied
Montgelas

Du schreibst:
die distanz zur figur schafft paradoxe nähe.
[blue]und nimmt ohne das wort gesellschaft zu gebrauchen,
soziale alltagsstimmung im hintergrund ins blickfeld. [/blue]
Das tun Millionen Texte. Nein, man kann das in JEDEN Text hineinsehen.

Was für eine Aussage!! Allgemeiner und nichtssagender geht es wohl nicht mehr.

Vielleicht bin ich blöd, aber ich hasse dieses Gelaber langsam.

Inu

Sehe gerade, Dein Text ist schon da. Unsere Kommentare haben sich überschnitten und jetzt bin ich weg ;)
 

Montgelas

Mitglied
liebe inu,

was du gelaber nennst ist wohlüberlegt,
und ich bin es eigentlich müde auf deine verbalen
entgleisungen einzugehen.
martin hat hier den versuch gemacht
unauffälliges sichtbar zu machen.
ohne knotenstock und mit perücke.
dich hat das nicht berührt- okay.

mich schon... !

ahoi

montgelas


p.s. die distanz zur figur schafft paradoxe nähe.
und nimmt ohne das wort gesellschaft zu gebrauchen,
soziale alltagsstimmung im hintergrund ins blickfeld.

das tun eben nicht millionen texte...
diese behauptung ist falsch !
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Inu
Peinlich der letzte Vers mit dem Geschenk. Das hat mit einer 'Louise' meines Erachtens nichts mehr zu tun. Das passt auf tausende von Menschen.
Louise hat verstanden,
wann ein Geschenk
ein gutes Geschenk ist:

Wenn es weh tut,
es zu geben.

Vielleicht liegt es der Teilung in zwei Strophen, dass hier eine "peinliche" oder "manirierte" Wirkung beobachtet wird.
Die Grundaussage dieser Verse ist die Wiederholung einer altbekannten Lebensweisheit. Ohne sie zu zitieren, kommt man hier nicht auf die eigentliche Aussage über Louise.

Worin besteht denn dieses Geschenk, über dessen Qualität sich Louise sicher ist, weil sie es unter Schmerzen gibt?
Ist es ihr Leben, ihr Glück?
Wem gab sie es?

Ohne den Schluss wäre der Text flacher, weil er beim Beschreiben bliebe. Erst mit den letzten Zeile kommt der Leser ins Spiel, kann er die Geschichte als Drama oder Tragödie, oder als Episode einer Liebe deuten.
Hier spielt sich in wenigen Zeilen die Gedankenarbeit ab, um die der Autor den Leser zu bitten scheint.
Nicht Manierismus oder Peinlichkeit liegt darin, sondern ein kleiner Griff in die Trickkiste. Ich finde es beachtlich, wie subtil hier der Autor eine Autormeinung vermeidet, obwohl der Text auf eine zarte Weise einfühlsam wirkt. Genau hier entsteht die Distanz.
Die Innensicht wird nicht verlassen, bis wir am Ende gezwungen werden, Louises Gedanken zu hinterfragen. Wir werden nämlich gar nicht gezwungen, Louisis Selbstbild zu folgen. Louise über Louise ist nicht die einzige Sicht auf sie.


cu
lap
 

Montgelas

Mitglied
lieber lap,

du hast mich überzeugt,was die letzten zeilen angeht.

allerdings muss ich hier mal festhalten, dass manierismus
nichts negatives für mich ist.

guck mal die bilder von tübke an.

z.b. "Bildnis eines sizilianischen Großbauern"
ganz manieriert und trotzdem gegenwärtig.


dir alles gute

herzlich

montgelas
 



 
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