Über den weißen Zaun

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Über den weißen Zaun

Am Frühstückstisch:
“Mama, hast du mich lieb?“
“Aber Lisa, natürlich, ich habe alle meine Kinder lieb.“
Schau, Papa kommt vom Bäcker. “Hallo, Papa.“
“Hallo, Lisa.“
“Karin; stell dir vor, sie haben den Paul abgeholt, diesmal mit der Zwangsjacke!“
“Ach, was hat Paul denn wieder angestellt?“
“Gestern Abend hat er unten am Bahnhof, als der 23.00 Uhrzug einfuhr, die Ella Krause sexuell belästigt. Er muss wie rasend gewesen sein. Sie konnte sich noch rechtzeitig losreißen und hat ihn angezeigt. Hör zu, der Hammer aber kommt noch: Danach ging er zur Weide, oben am Hang, dort hat er drei Schafe regelrecht gelyncht. An einem der Tiere hat Paul sich sexuell vergangen. Als Manfred Heine von der Nachtschicht kam, begegnete ihm Paul, circa hundert Meter von dem Tatort entfernt. Sie erzählten, er war blutverschmiert, mit offener Hose, und ziemlich verwirrt.“ (Vor dem kleinen Kind???, ich weiß, dass es Menschen gibt, die so was bringen.)
“Papa, was ist das, sexuell vergangen?“
“Lisa, das ist, wenn ein Mensch mit einem anderen Liebe macht, der das in dem Moment gar nicht will.“
“Aber Papa, warum sind die Schafe dann nicht über den weißen Zaun geklettert?“
“Dort gibt es keinen weißen Zaun, Lisa.“
“Dooooch, Papa, ich habe..,“
“Nein, auf der Weide da gibt es nur einen Drahtzaun.“
“Papaaa, wenn man Liebe machen gar nicht will, ist das dann trotzdem Liebe?“
“Nein, wohl nicht.“
Dann ist der schwarze Mann nicht lieb... Aber wenn ich unten vor dem Haus spiele, kommt er zu mir und dann sagt er: Na du, kleine Lisa, hast du mich noch lieb? Und dann sagt er: Ich habe dich sehr, sehr, sehr lieb, Lisa. Papa, der schwarze Mann...“
“Lisa, nun ist es aber gut, es gibt in unserer Gegend keinen schwarzen Mann. Du kennst hier doch alle; unsere Nachbarn sind nette Leute!“
“Und dann sagt er, ich...“
“Lisa, iss jetzt dein Brot auf, es ist Zeit für den Kindergarten.“
“Aber Mama...“
“Lisa, iss jetzt, sonst bist du im Sommer zu schwach um deinen Schulranzen selbst in Schule zu tragen.“
“Hab keinen Hunger mehr, ich muss Pipi machen.“
“Beeil dich aber, Lisa.“
“Wo ist mein Teddy, den nehme ich mit. Teddy, du musst auch Pipi oder? Ich kann dich nicht allein lassen, du hast auch Angst bei großen Leuten. Brauchst du aber nicht, Papa sagt, wir haben liebe Nachbarn. Wir kennen sie doch alle. Teddy - Schatzilein, wenn der schwarze Mann kommt, klettern wir wieder über den weißen Zaun. Wir verstecken uns, wir beide. Ph, der wird uns nie mehr finden. Wenn der bei dir das gleiche machen will wie der Paul mit den armen Schäfchen, und wenn er an mein Bett kommt .., hab’ keine Angst, ich lasse dich nicht los. Wir machen ganz fest die Augen zu, dann kommt der weiße Zaun und das schöne Haus von Frau Holle. Manchmal guck ich nach ob der schwarze Mann noch da ist. Aber nur mit einem Auge, ein klitzekleines bisschen... Wenn er weg ist können wir ...
Ach, du kennst das ja. Du kleiner süßer Fratz, hab’ keine Angst, mein Baby, ich bin bei dir.
Ich hab dich sooo lieb.“
“Lisa, wo bist du?“
“Hier Mama, auf dem Klohoo.“
“Lisa, beeil dich! Geh anschließend in den Keller und hol' deine Gummistiefel, es regnet.“
Nein, Mami, ich will keine Stiefel anziehen.“
“Doch, du bekommst sonst nasse Füße.“
“Will nicht in den Keller, nein, nein, nein ...“
“Doch, Lisa, du gehst.“
„Mamiiiii, da wohnt die Frau Holle nicht...“
Doch, Lisa, du musst, wenn du nasse Füße bekommst wirst du krank.“
“Nein, Mamiii, ich geh nicht, da gibt keinen weißen Zaun zum drüber klettern...“
“Lisa, stell dich nicht so an...“
“Bitte, bitte Mami, geh duhuuu...“
“Lisa, du bist doch sonst auch immer im Keller...“
“Nein ,Mama, bitte nicht, nein, nein, ich will keine Gummistiefel anziehen, Mamiii, nein..., nein..., neiiin...“

tief Luft holen...,

Luft an halten...,

blau werden...,

vom Klo fallen...,

auf dem Boden liegen bleiben.
__________________





26.03.04 hkeuper
 

green-cat2

Mitglied
Das ist ein brisantes Thema, das du mit deiner Fortsetzungsgeschichte berührst. Sie ist einfühlsam geschrieben. Und jemand, der seine Augen nicht verschließt, wird den Sinn verstehen. Ab und zu sollte man seinen Kindern zuhören und Veränderungen spüren.
 
ja genau, das wollte ich erreichen und auch zeigen wie ein kind versucht zu leben mit all der schwere...
ein kind braucht einfühlungsvermögen und behutsamkeit...
das augenmerk sollte den kindern gehören nicht der tat und nicht den tätern.
es regte mich schon immer auf das die medien den tätern soviel aufmerksamkeit zollen. die Menschheit will sich aufregen und entrüsten, wer aber schaut wie ein kind danach sein leben meistert?
danke, das du meine story gelesen hast.
heike
 

Penny

Mitglied
Diese Geschichte hat mich von Anfang bis Ende gefesselt. Und du hast völlig recht, den Tätern wird meistens mehr Aufmerksamkeit zugesprochen als den Opfern. Und den Kindern wird zu wenig erklärt.
Du hast diese Geschichte wirklich sehr gut geschrieben, ohne zu erklären! Bin begeistert!
Penny
 
H

Heidi Hof

Gast
Hallo Heike,

vorweg, Deine Geschichte ist gut.

Anmerkungen:
Wenn du die direkte Rede abgrenzen würdest, könnte man die Geschichte gleich besser lesen. (Hab ich mal gemacht.)
Zum Schluss der Geschichte, die vielen sooo und iiii wirken auf mich zu aufgesetzt, vielleicht kannst du das ein oder andere herausnehmen.
Meiner Meinung nach sollte der Schlusssatz:
„Hallo, Frau Sänger, tut mir leid, Lisa kann heute nicht in den Kindergarten kommen, sie hat hohes Fieber.“,
ersatzlos gestrichen werden, denn ich denke, die Gedanken des Kindes bewirken mehr, als dieser letzte Satz.



Über den weißen Zaun

Am Frühstückstisch:
“Mama, hast du mich lieb?“
“Aber Lisa, natürlich, ich habe alle meine Kinder lieb.“
Schau, Papa kommt vom Bäcker. [blue](Wer sagt das?)[/blue]
“Hallo, Papa.“
“Hallo, Lisa.“
“Karin; stell dir vor, sie haben den Paul abgeholt, diesmal mit der Zwangsjacke!“
“Ach, was hat Paul denn wieder angestellt?“
“Gestern Abend hat er unten am Bahnhof, als der 23.00 Uhrzug einfuhr, die Ella Krause sexuell belästigt. Er muss wie rasend gewesen sein. Sie konnte sich noch rechtzeitig losreißen und hat ihn angezeigt. Hör zu, der Hammer aber kommt noch: Danach ging er zur Weide, oben am Hang, dort hat er drei Schafe regelrecht gelyncht. An einem der Tiere hat Paul sich sexuell vergangen. Als Manfred Heine von der Nachtschicht kam, begegnete ihm Paul, circa hundert Meter von dem Tatort entfernt. Sie erzählten, er war blutverschmiert, mit offener Hose, und ziemlich verwirrt.“ [blue](Vor dem kleinen Kind???, ich weiß, dass es Menschen gibt, die so was bringen.)[/blue]
“Papa, was ist das, sexuell vergangen?“
“Lisa, das ist, wenn ein Mensch mit einem anderen Liebe macht, der das in dem Moment gar nicht will.“
“Aber Papa, warum sind die Schafe dann nicht über den weißen Zaun geklettert?“
“Dort gibt es keinen weißen Zaun, Lisa.“
“Dooooch, Papa, ich habe..,“
“Nein, auf der Weide da gibt es nur einen Drahtzaun.“
“Papaaa, wenn man Liebe machen gar nicht will, ist das dann trotzdem Liebe?“
“Nein, wohl nicht.“
Dann ist der schwarze Mann nicht lieb... Aber wenn ich unten vor dem Haus spiele, kommt er zu mir und dann sagt er: Na du, kleine Lisa, hast du mich noch lieb? Und dann sagt er: Ich habe dich sehr, sehr, sehr lieb, Lisa. Papa, der schwarze Mann...“
“Lisa, nun ist es aber gut, es gibt in unserer Gegend keinen schwarzen Mann. Du kennst hier doch alle; unsere Nachbarn sind nette Leute!“
“Und dann sagt er, ich...“
“Lisa, iss jetzt dein Brot auf, es ist Zeit für den Kindergarten.“
“Aber Mama...“
“Lisa, iss jetzt, sonst bist du im Sommer zu schwach um deinen Schulranzen selbst in Schule zu tragen.“
“Hab keinen Hunger mehr, ich muss Pipi machen.“
“Beeil dich aber, Lisa.“
“Wo ist mein Teddy, den nehme ich mit. Teddy, du musst auch Pipi oder? Ich kann dich nicht allein lassen, du hast auch Angst bei großen Leuten. Brauchst du aber nicht, Papa sagt, wir haben liebe Nachbarn. Wir kennen sie doch alle. Teddy - Schatzilein, wenn der schwarze Mann kommt, klettern wir wieder über den weißen Zaun. Wir verstecken uns, wir beide. Ph, der wird uns nie mehr finden. Wenn der bei dir das gleiche machen will wie der Paul mit den armen Schäfchen, und wenn er an mein Bett kommt .., hab’ keine Angst, ich lasse dich nicht los. Wir machen ganz fest die Augen zu, dann kommt der weiße Zaun und das schöne Haus von Frau Holle. Manchmal guck ich nach ob der schwarze Mann noch da ist. Aber nur mit einem Auge, ein klitzekleines bisschen... Wenn er weg ist können wir ...
Ach, du kennst das ja. Du kleiner süßer Fratz, hab’ keine Angst, mein Baby, ich bin bei dir.
Ich hab dich sooo lieb.“
“Lisa, wo bist du?“
“Hier Mama, auf dem Klohoo.“
“Lisa, beeil dich! Geh anschließend in den Keller und hol' deine Gummistiefel, es regnet.“
Nein, Mami, ich will keine Stiefel anziehen.“
“Doch, du bekommst sonst nasse Füße.“
“Will nicht in den Keller, nein, nein, nein ...“
“Doch, Lisa, du gehst.“
„Mamiiiii, da wohnt die Frau Holle nicht...“
Doch, Lisa, du musst, wenn du nasse Füße bekommst wirst du krank.“
“Nein, Mamiii, ich geh nicht, da gibt keinen weißen Zaun zum drüber klettern...“
“Lisa, stell dich nicht so an...“
“Bitte, bitte Mami, geh duhuuu...“
“Lisa, du bist doch sonst auch immer im Keller...“
“Nein ,Mama, bitte nicht, nein, nein, ich will keine Gummistiefel anziehen, Mamiii, nein..., nein..., neiiin...“

tief Luft holen...,

Luft an halten...,

blau werden...,

vom Klo fallen...,

auf dem Boden liegen bleiben.
 
hallo liebe Heidi,
danke dir für deine Mühe.Wenn ich ehrlich bin ich mir nicht sicher ob ich diese Interpunktion da haben will. Ich bin der Meinung das sie stört.Da sich der gesamte text auf sprache bezieht. Ich habe die Reden bewußt so geschrieben und gegliedert das es bis auf die Aussage am Anfang echt klar ist, wer was sagt. Lasse aber gern einen testlauf durchgehen. denn es kann durchaus sein das ich mich irre. Eine spannende Erfahrung....
lieben gruß heike
 



 
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